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1. 2 - S. 52

1913 - Grünstadt : Riedel
52 arten aus, es kam zu neuen Reichsgründungen. Den von den Franken unterworfenen germanischen Völkern blieb die Aufgabe vor- behalten das Deutschtum zu wahren. Schon unter Ludwig dem Deutschen war der Schwerpunkt des neuen Reiches nach Bayern ver- legt worden, welches mehr und mehr die Vormacht unter den übrigen Stämmen erhielt und zur Hauptstütze der letzten Karolinger wurde. Da brach der vernichtende Schlag des Jahres 907 herein. Der bayrische Adel siel in der Schlacht gegen die Ungarn. Dem bayrischen Stamme ging seine beste Kraft verloren. Naturgemäß gewannen nun die Sachsen unter den deutschen Stämmen den Vor- sprung, an sie ging die allgemeine Führung über. Dem kraftvollsten aller sächsischen Herrscher, Ottol., mußte auch das angestammte Fürsten- haus der Luitpoldinger weichen um der Reihe der Amtsherzoge Platz zu machen, die nun über 120 Jahre erfolglos gegen die allmähliche Zer- stückelung Bayerns durch die sächsischen und salischen Kaiser ankämpften. Die Herrscher aus dem Geschlechte der Welfen brachten in die Entwicklung Bayerns eine neue Vorwärtsbewegung. Aber deren Wellen mußten sich brechen an dem Felsen kaiserlicher Gewalt und der Eifersucht der Fürsten und Herren des Reiches, die von der überragenden Stärke eines Heinrich des Stolzen und Heinrichs des Löwen nicht ohne Grund Gefahr für ihren eigenen Bestand zu fürchten hatten. So wird am Ende dieses Zeitraumes Bayerns Selbständigkeit abermals vernichtet, und der erste Wittelsbacher, Otto I., übernahm 1180 die Führung eines zerstückelten, im Rückgänge be- findlichen Landes. Jeder Machtfortschritt ward von Reiches wegen mißtrauisch verfolgt, von den unzähligen kleineren und größeren Adelsgeschlechtern, die damals zwischen Böhmerwald und Alpen saßen, in bitteren und erbitternden Fehden erschwert und gehemmt. Ueber- all sah sich das neue Herrschergeschlecht zersetzenden Kräften gegen- über. Aber die Lebenskraft dieses Geschlechtes siegte allmählich in all den wechselvollen Kämpfen, welche die Existenz von Land und Herrscherhaus bedrohten. Das Glück kam den ersten Wittelsbachern zu Hilfe. Als im Reiche die stausische Kaiserherrlichkeit traurig und rühmlos unterging, war ihre Herrschaft in Bayern gefestigt. Bis auf wenige waren die alten Adelsgeschlechter ausgestorben und diese wenigen beugten sich nunmehr willig der ältesten und erlauchtesten Adelsfamilie des Landes. Unter Ludwig dem Bayer schien das Herzogtum die alte Macht und Ausdehnung noch überschritten, die Führung im deutschen Königtum wieder übernommen zu haben. Aber was dieses großen Wittelsbachers staatskluge Voraussicht und zähes Durchhalten für seines Landes Machtstellung errungen, sinkt durch eine kurzsichtige Familienpolitik bald genug wieder in Trümmer. Die berüchtigten Landesteilungen schwächen aus Jahr- hunderte hinaus Bayerns Kraft und führen oft genug Wittelsbacher gegen Wittelsbacher aus den Plan.

2. 2 - S. 79

1913 - Grünstadt : Riedel
79 ralsubstanzen hinzu, das aus den Wurzeln auf die bereits bekannte Weise heraufbefördert wird. Kohlenstoff und Wasser vereinigen sich nun zu verschiedenen neuen Bildungen, den sogenannten „Kohlen- hydraten" (Kohlenwasserverbindungen), deren wichtigste unter dem Namen „Stärke" bekannt ist und die aus winzigen, glänzend weißen Körnchen besteht. Ihre Geschwister, also gleichfalls Kohlenhydrate, sind „Zucker" und „Zellstoff." Die „Stärke" wird nun verschiedenen Zwecken dienstbar gemacht. Bei der Bildung der Zellwände ist sie beteiligt, desgleichen bei der Entstehung des Zellinhaltes, des Protoglasmas. Wie diese Bildung aber vor sich geht, ist ein von der Wissenschaft noch nicht völlig geklärtes Rätsel. Das Protoplasma setzt sich in der Hauptsache aus Eiweißstoffen zusammen, die aber wieder Stickstoff, Schwefel und Phosphor enthalten, Substanzen, die sämtlich nur aus dem Boden aufgenommen werden. Es wird daher vermutet, daß die Eiweiß- körper auch in anderen Zellen, sogar schon in den Wurzeln entstehen und hier ihren Zusatz an Stärke bekommen könnten. Man muß sich eben mit der wunderbaren Tatsache abfinden, daß verschiedene Pflanzen und verschiedene Teile der- selben P fl a n z e aus demselben Nahrungsmittel außerordentlich verschiedene Stoffe bereiten können. „Die Blüten, Blätter und Samen einiger Gewächse liefern flüchtige Oele, deren Duft uns ergötzt; die Samen anderer geben fette Oele, welche wir als Speise- und Schmieröle benutzen. Aus den Wurzeln, Knollen und Stengeln einer ganzen Anzahl von Kräutern ziehen wir tödliche Gifte, die wieder als Heilmittel von großem Werte sind. Die Rinde des Chinabaumes gibt uns das Fieber besänftigende Chinin und aus dem Safte der Mohnkapsel gewinnen wir das schmerzstillende Opium." Neben dem süßen Zucker (Traubenzucker) unserer Trauben und herrlichen Obstarten finden sich nicht minder angenehme und wertvolle Pflanzensäuren (Apfel-, Wein-, Zitronensäure). Die Farbenpracht der Blüte wie den grünen Blätterschmuck bewirken Farbstoffe, die nur in geringen Mengen in den Zellgeweben verbreitet sind. So werden dieselben Baustoffe innerhalb der Pflanze in der verschiedensten Weise ver- wendet. Nicht uninteressant ist es einen Blick zu werfen auf die Art und Weise, wie so ein Bildungsstoff seinen Weg durch den Pflanzen- körper wandert. Die Stärkekörner, die sich unter dem Einflüsse des Sonnenlichtes den Tag über bilden, können nicht alle an ihrem Entstehungsorte bleiben. Sie müssen den nachfolgenden Neubildungen Platz machen. Nun besitzt aber die Stärke die Eigenschaft unlöslich zu sein und durch die Zellwände hindurch finden die Körner trotz ihrer Winzigkeit keinen Weg. Aber sie sind kleine Verwandlungs- künstler. Sie. werden zu flüssigem Zuckersaft (Traubenzucker), der mit Leichtigkeit die Zellhaut zu durchdringen vermag. „Diese Um-

3. 2 - S. 105

1913 - Grünstadt : Riedel
105 Verwendung, aber auch Getreide, Obst, Wein 2c. werden zur Her- stellung feinerer Sorten benützt. Die Verwendung des Spiritus zu Heiz- und Leuchtzwecken hat in den letzten Jahren eine bedeutende Steigerung erfahren. Die Nahrungsmittelindustrie erzeugt Konserven, Gelees, Säfte, Graupen, Grütze, Backwaren usw. Auch die Tabak- fabrikation darf nicht unerwähnt bleiben. Sie zählten Deutschland nahezu 20 000 Betriebe, in welchen über 140 000 Personen be- schäftigt sind. Neben den einheimischen Gewächsen verarbeitet man Tabaksblätter, die aus der Türkei, Nordamerika, Brasilien und von den Sunda-Jnseln eingeführt werden. Pflanzliche Kleiderstoffe. Die ersten Gewandstücke, womit Menschen ihres Körpers Blöße deckten, werden wohl Tierfelle geivesen sein. Aber schon in grauester Urzeit lernten einzelne Völker die Kunst — die Griechen und andere Völker des Altertums betrachteten sie als ein Geschenk der Götter — aus den Fasern gewisser Pflanzen Gewebe herzustellen, wovon sie sich schützende Gewänder verfertigten. Am frühesten mag wohl die Verwendbarkeit des Flachses zu Bekleidungszwecken erkannt worden sein, da schon die aufge- fundenen Pfahlbauten Zeugnisse für das Vorhandensein von Flachs- geweben aufweisen, das alte Aegypten und die vorderasiatischen Kulturstaaten aber bereits eine blühende Leinenindustrie besaßen, die sich dann nach Griechenland verpflanzte. Auch der Gebrauch der Baumwolle scheint wenigstens in Amerika (Peru, Mexiko) in die graueste Urzeit hinaufzureichen. Nach den strengen Ansichten der Spartaner galten Leinen- gewänder als „üppige weibische, der Prunksucht dienende Tracht", weshalb die alten Griechen durchweg die Fasern des Hanfes zur Kleiderbereitung bevorzugten. Anders die Römer, welche die Flachsverarbeitung gleichfalls im Orient kennen gelernt hatten. Sie trieben schon ein halbes Jahr- hundert vor Christi Geburt einen bedeutenden Luxus mit Leinen- waren, der sich gegen das Ende der Kaiserzeit fast bis ins Lächerliche steigerte. Im Mittelalter fanden Flachsbau und Flachsverarbeitung in ganz Europa die weiteste Verbreitung und namentlich die deutsche Frauenwelt zeichnete sich in den Künsten des Spinnens, Webens und Nähens ganz besonders aus. Selbst Königinnen hielten es nicht unter ihrer Würde am Spinnrocken und Webstuhle zu sitzen oder Schere und Nadel zu handhaben.

4. 2 - S. 51

1913 - Grünstadt : Riedel
51 Aber ein finsteres Verhängnis scheint sich je und je an diese Hochzeiten bayrischen Glanzes zu heften. Aeußere Ursachen, innere Gebrechen nagten die kaum gewonnene Machtstellung an. Das Grund- und Erbübel germanischen Wesens tritt uns, wie die zahlreichen Stammes- und Dynastenkämpfe, die unseligen Länderteilungen zeigen, kaum irgendwo so klar vor Augen als in der Geschichte Bayerns. Aber auch kaum irgendwo trat jene echt deutsche Tugend der Treue so herrlich in die Erscheinung als hier, wo sie Volk und Fürstenhaus in der Jahrhunderte Lauf immer fester zusammenband. Lange bevor die Stammväter des bayrischen Volkes sich im Alpen- und Donaugebiete ansiedelten, hatten schon Männer einer rauheren Zeit hier gefischt, gejagt und dem Boden bescheidene Gaben an Früchten abgerungen. Ueber den Wassern des Starnberger-, Schlier- und Chiemsees erhoben sich die roh gezimmerten Pfahlbauten einer noch in den Kinderschuhen der Kultur stehenden Menschheit. Auf dem kargen Boden der Hochebene bis ins Donautal hinab mühten sich später keltische Siedler auf künstlich angelegten Feldern, den Hochäckern, um dann endlich den erobernden Römern zu weichen, die in jahrhundertelanger Anwesenheit wie am Rhein so auch hier dauernde Spuren ihrer fortgeschritteneren Kultur zurückließen. Ums Jahr 500 n. Chr. tauchten die Bayern auf, die zur Zeit der Völkerwanderung als Markomannen und Quaden in Böhmen und Mähren eingewandert waren, dem alten Sitze der keltischen Bojer, nach welchen das Land Bojohaemum (Bojoheim, Böheim, Böhmen) benannt wurde. Rur von kurzer Dauer war ihr Aufent- halt im bergumkränzten böhmischen Kessellande, doch gerade lange genug, daß dessen germanische Eroberer ihre weltgeschichtliche Be- nennnng als „Bajuvarii" oder „Bajuwaren" ihm entlehnen durften. In mächtigen Zügen überschritten sie, westwärts ziehend, in der Zeit von 488 bis 620 n. Chr. das langgestreckte Waldgebirge um sich sippenweise vom Fichtelgebirg über die Hochebene bis weit in die Alpentäler Kärntens und der Steiermark hinein zu verbreiten, indes westlich des Lech die Alamannen, vor den Franken weichend, sich niedergelassen hatten. Unter der Führung tüchtiger Volksherzoge aus dem Geschlechte der Agilolfinger bildeten sie zunächst dem Germanentum ein festes Bollwerk gegen die anstürmenden Slaven und Avaren und mögen zu achtunggebietender Macht gelangt sein. Doch bald schon hatten sie ihre Freiheit und Selbständigkeit gegen die Franken, die den Alamannen folgend, ins Land eindrangen, zu verteidigen. Ein fast hundertjähriger verzweifelter Freiheitskampf nahm mit der Ent- thronung des letzten Agilolfingers, Tassilo, sein trübes Ende. Bayern wurde fränkische Provinz. Die Weltherrschaft der Franken konnte sich jedoch nach dem Hinscheiden ihres Gründers nicht lange behaupten. Die fremden Nationalitäten im Süden und Westen bildeten sich in ihren Sonder- 4*

5. 2 - S. 96

1913 - Grünstadt : Riedel
96 Der Tee. Der gefährlichste Konkurrent der Kaffeekanne war seit je der Teekessel. Aber nur bei den Holländern und Engländern, bei den Russen und im germanischen Norden ist der Gebrauch des Samo- wars allgemeine Volkssitte geworden. Im Reiche des Zopfes, bei den schlitzäugigen Chinesen, und bei den Briten des Ostens, den Japanern, gilt der Tee seit mehr als einem Jahrtausend als Nationalgetränk. In den übrigen Kulturländern aber haben die Kaffeekanne und ihr Inhalt sich siegreich behauptet, wenn es auch da und dort als vornehm gilt einen Teeabend oder Teezirkel ver- anstalten zu können. Es ist wohl ein symbolischer Hinweis auf die nervenanregende Wirkung des asiatischen Getränkes, wenn eine japanische Mythe die Entstehung des Teestrauches dein buddhistischen Heiligen Darma (450 n. Chr.) zuschreibt. Um beim Gebete nicht in Schlaf zu ver- fallen schnitt er sich die Augenlider ab. Sie fielen zur Erde und aus ihnen wuchs der Teestrauch empor. Von diesem Verdienste des wunderlichen Heiligen mochten die eifersüchtigen Chinesen jedoch nichts wissen. Sie behaupten, schon zwei Jahrhunderte vor ihm (250 n. Chr.) sei der Tee im „himmlischen Reiche" allgemeines Volksgetränk gewesen. Die kulturgeschichtliche Forschung bestätigte denn auch, daß China die eigentliche Heimat des Tees sei. Aber auch hier soll die allgemeine Einführung nur sehr langsam vor sich gegangen sein. Erst im 6. Jahrhundert n. Chr. kam das Getränk bei der Gesamtbevölkerung in Aufnahme. Ein chinesischer Kaiser soll durch den Tee von einem heftigen Kopfschmerz befreit worden sein und nun den Gebrauch seinen getreuen Untertanen befohlen haben. Die strenge und eifersüchtige Abschließung des großen „Reiches der Mitte" mag die merkwürdige Tatsache erklären, daß die Sitte des Teetrinkens im 15. Jahrhundert erst in Asien sich ausbreitete und daß erst um das Jahr 1559 die Kenntnis davon durch die Portugiesen und Holländer nach Europa gebracht wurde. Trotzdem dauerte es nochmals ein volles halbes Jahrhundert bis sie die ersten Proben in ihre Heimat bringen konnten. Während 1635 die Kriegsfurie die deutschen Gaue "verheerend heimsuchte, brauten sich die reichen Pariser den ersten Tee, den sie von Amsterdam bezogen. 1650 fand das „Heuwasser", wie es spottweise genannt wurde, auch den Weg von Holland nach England. „Die ersten Proben sielen seltsam genug aus, eine Folge der herrschenden Unkenntnis. So sandte z. B. die Herzogin von Mon- mouth 1685 ein Pfund Tee an ihre Verwandten in Schottland, bekam aber die Nachricht, daß das Geschenk wenig Beifall gefunden habe. Man hatte den Tee gekocht, den Ausguß weggeschüttet und die Blätter als Gemüse bei der Tafel serviert." Solcherlei Zufällen

6. 1 - S. 24

1912 - Grünstadt : Riedel
24 Der Zug der Innigkeit, des Familienhaften, der noch immer durch das deutsche Volk ging, hat denn auch seit alters her bei uns innigere Fäden um Herrschaft und Gesinde geschlungen, als dies anderswo sein mochte. Rühmt man doch schon unsern germanischen Altvordern nach, daß sie den Sklaven eine menschlichere Behandlung angedeihen ließen als die Träger der damaligen feinen Kultur, die Griechen und Römer. Und wie viele Beispiele rührender gegen- seitiger Anhänglichkeit, Treue und familärer Zuneigung zwischen Herrschenden und Dienenden hat uns die deutsche Dichtung von der Urzeit bis auf unsere Gegenwart bewahrt! Die Aufhebung der Leibeigenschaft beseitigte indes erst einiger- maßen die tiefe soziale Kluft, die Herrschaft und Gesinde vonein- ander trennte und ermöglichte so recht die Aufnahme der Dienstboten in das Familienganze. Erst als Knecht und Magd mit der Familie des Hausherrn am nämlichen Tische sitzen durften, gehörten sie zum Familienkreis. In unserer Pfalz war dieses samiläre Verhältnis überall gang und gäbe und erstreckte sich soweit, daß, wenn auch das Dienstverhältnis längst gelöst war, das Familienhaupt der „Vetter", die Hausfrau die „Bas" blieb. Die neue Zeit hat hierin vieles geändert, nicht zum Vorteil der Familie und des Staates. „Bei vielen deutschen Bauernschaften ist der einzige Umstand, ob das ganze Haus einschließlich des Ge- sindes an einem Tische sitzt, maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob das Gesindeverhältnis dort schon ein rein rechtliches ge- worden ist oder ob es noch ein teilweise patriarchalisches sei, ob die alten Sitten überhaupt verschwunden sind oder ob sie festgehalten und fortgebildet werden. . . . Gerade durch das Ausschließen des Gesindes und Geschäftspersonals aus dem Kreise „des ganzen Hauses" ist es gekommen, daß jene Leute keine rechte Ehrfurcht mehr haben vor dem Hausvater, dem Meister, oder daß die Ehrfurcht jedenfalls nicht über ihre Dienst- und Lehrzeit hinausreicht. . . . Je mehr die freiwillige Anerkennung einer natürlichen Autorität in allen Beziehungen unseres bürgerlichen Lebens altfränkisch ward, umso sicherer mußten die späteren Geschlechter politisch haltlos und sozial meisterlos werden. (Riehl, „Die Familie".) Allerdings beruht das Verhältnis zwischen Herrschaft und Ge- sinde auf freiem Vertrag. Aber mindestens so hoch als die rechtliche und wirtschaftliche Seite des Dienstes steht dessen sittliche und ge- mütliche Seite. Gehorsam, Ehrerbietung, Ehrlichkeit, Treue, Genüg- samkeit, Verschwiegenheit, das sind Tugenden, die der Dienstbote nur im Familienkreise entwickeln und betätigen kann. Und wie sollte es einer Herrschaft möglich sein für das leibliche und geistige Wohl ihrer Untergebenen, deren Pflege eine religöse und sittliche Pflicht ist, sorgen zu können, wenn sie dieselben von dem familären Zu- sammenleben vollständig ausschließt! Immer noch gilt vom Herrschen-

7. 1 - S. 35

1912 - Grünstadt : Riedel
35 Er hätte hinzufügen dürfen, „und ob auch entsprechend Sorge ge- tragen ist für die Sicherheit des Verkehrs, vor allem zur Nachtzeit". Dazu gehört aber vor allem eine richtige Beleuchtung, und unser Dichter hätte seinen „7 Wahrzeichen eines guten Dorfes" recht wohl als achtes „ordentliche Straßenlaternen" anreihen können. Tat- sächlich haben heutzutage unsere kleinsten und entlegensten Dörfer, mit einigen Ausnahmen sich die Wohltat einer Ortsbeleuchtung ge- sichert. Allerdings ist dieser Kulturfortschritt auf dem Lande noch ziemlich jungen Datums und selbst in unseren Städten liegt die Zeit noch nicht allzuweit zurück, wo Straßen und Plätze zur Nacht- zeit in schwarzes Dunkel gehüllt lagen, wo man nur mit Hand- laternen einen nächtlichen Gang in den engen, winkeligen Gassen unternehmen konnte, falls nicht das holde Mondlicht einigermaßen erhellend in die Finsternis des altertümlichen Straßengewirrs hinein- leuchtete. Bei den alten Völkern war eine Ortsbeleuchtung in unserm Sinne völlig unbekannt. Unter den Römern erst kam die Sitte auf bei festlichen Gelegenheiten Straßen und öffentliche Plätze zu be- leuchten durch Ausstellung mächtiger Pechfackeln oder großer mit Fett gefüllter Schalen, in welchen wir die erste und einfachste Form der Laternen zu sehen haben. Rom, Antiochia, Alexandria, Konstantinopel u. a. erhellten solchermaßen wenigstens ihre Haupt- straßen und Plätze. Paris zwang mittels polizeilicher Verordnungen (1524, 1526 und 1553) die Bewohnerschaft von 9 Uhr abends ab Lichter an die Fenster zu stellen. Durch diese für den Stadtsäckel sehr billige Art der Straßenbeleuchtung gelang es die infolge des immer mehr wachsenden Verkehrs bedrohte Sicherheit einigermaßen aufrecht zu erhalten. 1558 brannten in den Hauptstraßen die ersten Laternen, welche an den Häusern oder auf Pfählen befestigt waren, doch erst 1667 war die ganze Stadt in gleicher Weise mit Licht versehen. Berlin kam erst 1679 in die glückliche Lage das nächtliche Dunkel seiner Straßen zu erhellen und Leipzig folgte 1702, Dresden 1705, Frankfurt a. M. 1707 seinem Beispiele. Die meisten übrigen deut- schen Städte erhielten die segensreiche Neuerung erst im Laufe des 18. Jahrhunderts, während die Landgemeinden großenteils in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts die auch für sie höchste wünschenswerte Einrichtung nachahmten.. Auch die Art der Beleuchtung selbst hatte allmählich mächtige Fortschritte gemacht. Jahrhunderte hindurch erhellte der trübe Schein der Rübölflammen das dunstige Dunkel der Winternächte, während Genua und einige andere italienische Städte schon vor 150 Jahren das Petroleum kannten und benützten, das zu Am iano un- weit Parma gefunden wurde. Doch erst als mit dem Beginn der 3*

8. 1 - S. 67

1912 - Grünstadt : Riedel
67 Deutsche Völkerschaften überschritten dann den Rhein um die Speierer und Wormser Ebene mit ihren blonden Horden zu über- schwemmen (Nemeter und Vangionero und die Kelten immer mehr ins Gebirg nach Westen zurückzuwerfen. Da drang von Süden her römische Macht und Kultur ins Rheintal ein. Die Pfalz wurde um das Jahr 55 v. Chr. römische Provinz und blieb es auf mehr- hundertjährige Dauer. „Unter fremder Herrschaft erstand ein blühendes Lano". Mächtige Straßenzüge, zumteil heute noch vor- handen, durchzogen die pfälzischen Gaue, wohlbefestigt durch Kastelle, Städte, Warttürme 2c. Tempel und Altäre ragten, der Gewerbefleiß regte sich (Töpfereien von Rheinzabern) und „Kaiser Probus pflanzte die Rebe an den Berghängen". Endlich brach unter dem Anstürme germanischer Volkskraft das morsch gewordene römische Weltreich zusammen. Auf den „Warten" der von den Römern verlassenen Heerstraßen hielten riesige Burgunden scharfe Wacht. Verschiedene pfälzische und nun- mehr hessische Ortsnamen (Gundheim, Guntersheim, Guntersblum) dürften ihren Ursprung wohl jener Zeit der Burgundenherrschaft zu danken haben. Sie war nur von kurzer Dauer. Der Sturm der Völker- wanderung fegte sie wie Spreu hinweg. Im vierten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts erlag das Burgunderreich unter König Günther dem Anprall der Hunnen. Auf unsren Hochstraßen, durch unsre Täler wälzten sich die wilden asiatischen Horden dem fränkischen Westen zu. Die Nieder- lassungen weit umher gingen in Flammen auf und welches Schick- sal ihrer geängstigten Bewohner harrte, klingt noch aus dunklen Fturbenennungen wieder („Mordkammer" u. a. m.) Roch einmal strömte die wilde Flut zurück, nachdem auf den katalaunischen Feldern an dem Block der vereinigten Germanen ihre Wucht gebrochen war, dann wards stille im Rheinland über Trümmern und Leichen. „In dem verwüsteten Lande setzten sich hierauf die Alemannen fest und verehrten Wodan und Loke in den dunklen Hainen". Aber kaum 100 Jahre dauerte ihre Herrschaft. Von Norden und Westen her drangen die gelbhaarigen Franken in das oberrheinische Tiefland ein und im Jahre 496 erlagen die Alemannen in der großen Entscheidungsschlacht bei Zülpich dem Frankenkönig Chlodwig. Nächst den im Lande noch verbliebenen Resten von Kelten, Römern und anderen germanischen Völkerschaften gingen die Besiegten im Volksstamme der Franken allmählich auf, nicht ohne daß ihre Spuren heute noch besonders in der südlichen Pfalz in manchen Geistes- und Charaktereigenschaften merkbar wären, worunter vor allem jener trotzige Unabhängigkeitssinn hervortritt. 5*

9. 1 - S. 27

1912 - Grünstadt : Riedel
27 Einrichtungen dar, und tatsächlich baut sich das Staatsganze ja nur aus Gemeinden auf, sie sind ihm Glieder und Grundlage zugleich. So war es schon bei den germanischen Völkern, die alle be- deutenden Rechte und Entscheidungen in die Macht der Gemeinde- versammlungen legten. Die Freiheit der Gemeinde erhielt auf dem Lande erst mit dem Aufkommen des Lehentums eine wesentliche Be- schränkung, während die Städte unter kaiserlichem oder landesfürstlichem Schutze ihre gemeindlichen Rechte, Einrichtungen und Machtbefugnisse das ganze Mittelalter hindurch bedeutend erweiterten. Später, namentlich während des dreißigjährigen Krieges, ging auch ihre ge- meindliche Selbständigkeit nahezu völlig verloren. Die Gesetzgebung des Fr ei Herrn von Stein in Preußen, des Freiherrn von Montgelas in Bayern gab den Gemeinden die alte Gemeinde- verfassung wieder unter Anpassung an die neuzeitlichen Verhältnisse, wie sie das moderne Staatsleben schuf. Die Bildung der Gemeinde kann nur mit staatlicher Ge- nehmigung erfolgen und es können ihr auch mehrere Ortschaften zugeteilt sein. Nach der Größe unterscheidet man Land- und Stadtgemeinden. Sie alle wollen und so ll e n unter staatlicher Aufsicht eine Reihe von Aufgaben erfüllen, deren Lösung dem Einzelnen unmöglich wäre, die dem Ganzen aber höchst vorteilhaft und oft unumgänglich notwendig sind. Denken wir nur an Straßenbau, Bildungsanstalten. Feuerlöschwesen, Armenver- sorgung u. s. w.! Je größer die Gemeinwesen, desto größere und mannigfaltigere Anforderungen werden an sie gestellt. Wohl dann jeder Gemeinde, auf welche des Löwenwirts berühmte Schilder- ung eines „übel regierten" Ortes nicht zutrifft! Heimat- und Biirgerrecht. „Heimat" und „Fremde"' sind diese Begriffe nicht fast gleich- bedeutend mit „Schutz" und „Rechtlosigkeit"! Eine „Heimat haben" heißt Rechte besitzen, welche die „Fremde" nicht gewährt. Wer in einer Gemeinde das „Heimatrecht" besitzt, darf sich in derselben aushalten und kann bei eintretender Hilfsbedürftigkeit Anspruch aus Unterstützung nach den gesetzlichen Bestimmungen über Armenpflege erheben. Außerdem darf ein Heimatberechtigter weder ausgewiesen, noch an fremde Regierungen ausgeliefert werden. Das Heimatrecht wird nun erworben: a. Durch Abstammung: „Jeder Angehörige des bayrischen Staates hat seine ursprüngliche Heimat in jener Gemeinde, in welcher seine Eltern heimatberechtigt sind oder zuletzt heimatberechtigt waren." (Ursprüngliche, angestammte Heimat.)

10. 1 - S. 1

1912 - Grünstadt : Riedel
Das geordnete Familienleben. „Heim", „Heimat", „Himmel", diese drei Worte gleichen sprach- lichen Ursprungs, wecken sie nicht in jedem Menschenherzen Gefühle eines unsäglichen Glückes? Verbindet sich mit ihnen nicht unwill- kürlich die Empfindung des Schutzes, des Geborgenseins? Und wie beschleicht uns fröstelnd das Gefühl der Verlassenheit und Verein- samung, sobald wir das Wort „Fremde" hören! Eine holde Welt läßt es in graue Oede versinken, das Paradies, in dem unsere Kindheit lag. In die „Verbannung gehen" schien unsren Altvordern fast gleichbedeutend mit „in den Tod gehen", und „in der Verbannung sterben" galt ihnen als das herbste aller traurigen Geschicke. Nirgends so sehr als in der fremden weiten Welt kommt uns aber auch der tiefe Sinn des uralten Schöpferwortes zum Bewußt- sein „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei." Wir Erdensöhne sind zur Geselligkeit geschaffen, zum vertrauenden und helfenden Zusammenstehen. Die Wurzeln alles geselligen Zusammenlebens aber liegen in jenem Kindheitseden, das wir unser Heim, unsere Familie nennen. Ein Stück Himmel lacht uns hier entgegen. „Mutterliebe, Vater- güte, Elternsorge, trautes Haus und arme Hütte, Gärtchen mit spielenden Geschwistern, Nachbarn und Nachbarskinder, Spielgenossen aus der Tierwelt, kurz, alles hat beigesteuert zu einem Paradies für die Kindesunschuld. Daraus vertrieben, bleibt dennoch der Segen und das sehnsüchtige Gedenken." (Stieglitz, der Lehrer auf der Heimatscholle.) So verstehen wir die rührende Klage der Iphigenie: „Weh' dem, der fern von Eltern und Geschwistern Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram Das nächste Glück von seinen Lippen weg: Ihm schweifen immer abwärts die Gedanken Zu seines Vaters Hallen: wo die Sonne Zuerst den Himmel vor ihm ausschloß, wo Sich Mitgeborene spielend fest und fester Mit sanften Banden aneinander knüpften." Unter allen Verbindungen, wozu gottgewollter Geselligkeitsrrieb die Menschen geführt, ist eben die „Familie" für uns die nächste, schönste und heiligste. Sie ist, wie Riehl sagt, „die ursprünglichste, urälteste menschlich-sittliche Genossenschaft, zugleich eine allgemein menschliche; denn mit der Sprache und dem religiösen Glauben finden wir sie bei allen Völkern der Erde wieder."
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