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Meöergang zur neueren Geschichte. In den fünfzehnhundert Jahren, welche seit den Zeiten Armins vergangen waren, hatten sich große Veränderungen im Leben unseres Volkes vollzogen, besonders aber hatten die großen Erfindungen und Entdeckungen dahin gewirkt, daß die Menschen größere Kenntnisse und klarere Vorstellungen gewannen, daß ihr Leben im Staate wie im Hause sich vielfach veränderte. Durch die Wirkungen, welche das Schießpulver auf die Entscheidung der Schlachten ausübte, war die Macht der Ritter im Staate vernichtet; sie mußten sich dem Willen des Landesherrn unterwerfen, wodurch größere Einheit und Ordnung in die Verwaltung der Staaten kam. Die dadurch geschaffene Sicherheit des Lebens und des Eigenthums beförderte die Werke des Friedens, die Arbeit des Handwerkers wie des Ackerbauers. Die Folge davon war höhere Anspannung der Kräfte des Körpers wie des' Geistes und somit größere Bildung. Die in den Städten gegründeten Schulen, die in Folge der Erfindung des Bücherdruckes leicht erworbenen Bücher beförderten die Bildung. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien, die Auffindung Amerikas lenkte die Aufmerksamkeit der Menschen über weite Gebiete der Erde. Im früheren Mittelalter hatten sie weiter nichts gekannt, als ihr Heimatdorf, oder die nächste Stadt. Wie waren durch die Kreuzzüge, die Handelsreisen der Hansa, die großen Entdeckungen zur See ihre Kenntnisse gewachsen! Auch auf das häusliche Leben wirkten die letzteren ein. — Zu den heimischen Pro-ducten, welche zum Haushalte verwandt wurden, kamen andere aus der weiten Ferne und gestalteten die ganze Lebensweise unserer Vor-sahren um.
?svlge der Eroberungen Constantinopels durch die Türken waren griechische Gelehrte nach dem Abendlande geflohen; sie brachten die Schriften der alten Griechen mit und lehrten die Abendländer dieselben lesen und verstehen. Auch in Deutschland, wie in andern Ländern, entstanden Universitäten, auf welchen die Wissenschaften eifrig gelehrt und gelernt wurden. Dadurch wurden neue Gedanken verbreitet; die Menschen sehnten sich aus den Zuständen, in welchen sie lebten, heraus. So wurde eine neue Zeit langsam vorbereitet; herbeigeführt aber wurde sie durch die große Reformation, welche einen Theil der Christenheit von der römisch-katholischen Kirche losriß.
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8
Untergang des hunnischen Reiches wurden auch die Ostgothen wieder tret und bald so mächtig, daß der oströmische (griechische) Kaiser ihnen ^^ut zahlen mußte. An seinem Hose wuchs der junge ostgothische Königssohn Theoderich aus; achtzehn Jahre alt kehrte dieser zu seinem Volke zurück und stritt ruhmvoll an seiner Spitze. Nach seines Vaters Tode erhoben ihn die Gothen auf den Schild und damit zu ihrem Könige. Seine Macht fürchtend bewog der Kaiser ihn, nach Italien 4?6. zu ziehen, wo der deutsche Heerkönig Odoaker das weströmische Kaiserreich gestürzt hatte. Mit einem zahlreichen Heere erschien Theoderich an der Etsch, schlug den Odoaker'bei Verona (Bern) und belagerte ihn in Ravenna. Dieser ergab sich endlich gegen die Zusicherung der Freiheit, wurde aber bei einem Festmahle niedergestoßen, weil er, wie theoderich angab, diesem nach dem Leben getrachtet. Nun fiel dem Zieger ganz Italien zu, mit dem er die Nachbarländer jit einem großen Reiche vereinte. Er herrschte milde und friedfertig, ließ die Unterworfenen bei ihrem Rechte und ihrem Glauben. Die Römer trieben unter seiner Regierung Handel und Gewerbe, ja sie bekleideten die höchsten Staatsämter; die Gothen bildeten den Kriegerstand, der zur Vertheidigung des Landes stets bereit sein sollte. Italien blühete noch ein Mal aus, das in Trümmern gesunkene Rom wurde wieder hergestellt. Aber nach Theoderichs Tode zersiel sein Reich schnell; trotz tapferen Widerstandes wurden die Gothen von den Feldherren des griechischen Kaisers besiegt. Sie wanderten zum Theil aus, zum Theil vermischten sie sich mit den Italienern. Die Ebenen am Po eroberten später die Longobarden und gaben dem Lande den Narrten.
Die Deutschen nach der Aotkerrvanderung. Unter vielem Blutvergießen hatten die Deutschen einen großen Theil Europas erobert. Als >sie aber die erwünschten Aecker gewonnen, vertauschten sie das Schwert mit dem Pfluge und schufen Ordnung und Sicherheit. Die Unterworfenen drückten sie nicht, ließen ihnen vielmehr den größten theil ihrer Aecker. So in Frieden und durch den gemeinsamen Glauben geeinigt, verschmolzen Sieger und Besiegte zu neuen Völkern (Italiener, Franzosen, Spanier — Romanen —). Mit großer Schnelligkeit hatte sich trotz blutiger Verfolgung die Religion Jesu Christi durch das ganze römische Reich verbreitet; zu ihr bekannten sich bald auch die ausgewanderten Deutschen. Den
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Extrahierte Personennamen: Odoaker
Extrahierte Ortsnamen: Italien Ravenna Italien Italien Rom Theoderichs Europas Christi
und damit mildere Sitten. Im Südosten des Reiches entstand die bayrische Ostmark, aus der sich das mächtige Österreich gebildet hat.
Otto wird römischer Kaiser. Otto war so mächtig und so angesehen geworden, wie kein anderer König seiner Zeit. Daher ging er nach Rom, um sich, wie einst Karl der Große es getan, zum römischen Kaiser krönen zu lassen. In der Peterskirche krönte und salbte ihn der Papst und erhob ihn damit über alle Könige, zum Schutzherrn der Stadt Rom und der ganzen Christenheit. Otto wollte aber nicht nur den Namen eines Kaisers tragen, er forderte auch Gehorsam. Das gefiel den Römern nicht; sie empörten sich sogar gegen ihn. Er mußte mehrmals nach Italien ziehen, um sie zur Ruhe zu bringen. Einen Papst, der sich ihm widersetzte, nahm er gefangen und führte ihn mit sich nach Deutschland.
Sorge für Religion und Bildung. Ottos Sorge richtete sich auch auf die sittliche Bildung des Volkes, das zum großen Teile in Unwissenheit und Roheit dahin lebte. Nur Religion und Bildung konnten hier helfen und bessern. Otto unterstützte daher die Kirche und ihre Diener, ließ Gotteshäuser erbauen, gründete Bistümer und stattete sie reichlich aus. In Magdeburg schuf er ein Erzbistum und stellte es auch über die Bistümer zu Havelberg und Brandenburg. Es sollte besonders dazu dienen, das Christentum im Wendenlande zu verbreiten. Des Kaisers jüngster Bruder Bruno war Geistlicher und später Erzbischof von Cöln geworden. Er hatte sich schon als Knabe durch seine Lust am Lernen ausgezeichnet, und als Mann wurde er wegen seiner Gelehrsamkeit allgemein bewundert. Bruno stellte die hohe Schule Karls des Großen wieder her und unterrichtete selbst an ihr. Von dieser Schule gingen gelehrte Männer aus und verbreiteten Bildung durch ganz Deutschland. Religion und Bildung hoben das Volk allmählich aus eine höhere Stufe der Gesittung.
Ottos Lebensabend und Tod. Am Abende seines Lebens hielt Otto der Große noch einen Reichstag zu Quedlinburg ab. Alle Völker seines weiten Reiches entsandten ihre Vertreter und ließen ihm den schuldigen Tribut und Geschenke überreichen, um ihm dadurch ihre Verehrung zu erweisen. Es war ein schöner, erhebender Tag. Aber Otto fühlte, daß seine letzte Stunde bald schlagen werde. Nach einem ruhmvollen Leben, nach Kampf und
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Extrahierte Personennamen: Otto Otto Karl_der_Große Karl Otto Ottos Otto Bruno Bruno Karls Ottos Otto Otto
Extrahierte Ortsnamen: Ostmark Rom Rom Italien Deutschland Ottos Magdeburg Havelberg Brandenburg Deutschland Ottos Quedlinburg
38
Die Mark Brandenburg.
Nach eigener Aufiiiihme des Scvfaffers.
37. Sächsisches Haus ausmvdlich, Lenzer Wische. Giebelfront nach dem Felde zu. Das grosze
Scheuertor führt in die Tenne und die Stallungen. Dahinter liegen die von der linken Hausseite
zugänglichen Zimmer. — Pferdeköpfe am Giebel. Ziehbrunnen.
lungen gehalten, aber gerade auf polnischem Sprachboden unbekannt, sind diese
Dörfer jedenfalls alt und vielfach eine durch eine flache Geländekuppe begünstigte
Siedlungsform von Anwohnern der Sumpf- und Waldgebiete. Rahnsdorf
bei Berlin ist noch jetzt ein schönes Beispiel.
Haufendörfer mit ihrem unregelmäßigen Durcheinander der Gehöfte
und Gäßchen zwischen ihnen, wie man sie im Süden und Westen des Vaterlandes
kennt, finden sich gelegentlich z. B. in der südlicheil Neumark.
Gehöft- und Haus form sind wenig charakteristisch, entsprechend der Be-
siedlung der Mark vonseiten der verschiedensten deutschen Stämme. Das alte
S a ch s e n h a u s (siehe oben) beschränkt sich auf den äußersten Westzipsel und die
Gegend des Reihendorfes. Aber auch bei ihm besteht oft genug nur noch die äußere
Form, während im Innern Stall und Wohnhaus streng gesondert werden und der
Haupteingang nicht mehr das Scheuertor am Giebel nach den Feldern zu, sondern
die Tür an der Längsseite geworden ist. Recht verbreitet ist die s r ä n k i s ch e H o s-
a n l a g e , die das Gehöft durch eine von Tor und Pforte unterbrochene Mauer von
der Straße abtrennt, Wohnhaus und Stall beidseitig daran mit dem Giebel an die
Straße rückt und an die vierte Hofseite, dem Felde zugewendet die Scheune setzt. Aber
die Form befindet sich in der Auflösung, besonders wird das Haus meist nicht mit dem
Giebel, sondern mit der Front gegen die Straße gesetzt. — Der Spreewald kennt ein
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Lenzer_Wische Rahnsdorf Berlin Neumark
48 Tie Mark Brandenburg.
und dann zur Auflockerung des Stadtbildes stark beitragen; sind die Fabriken größer,
so ist Gleisanschluß eine Notwendigkeit, die die Wahl des Ortes beschränkt. Ein-
tönige Häuserreihen für die Arbeiter entstehen in der Nachbarschaft (z. B. Luckenwalde,
Lausitzer Städte). Die Schulen schaffen sich gleichfalls stattliche Neubauten, auch
sie meist außerhalb der alten Stadt, wo Platz zur Anlage geräumiger Höfe und Spiel-
Plätze leichter zu finden ist. Die alten Gastwirtschaften vor den Toren, bei denen
Raum für Wagen und Vieh das Wichtigste wareu, machen Gartenlokalen
Platz mit Saalbauten, in denen Sonntagsvergnügungen und politische Versamm-
lungen abwechseln können.
So ist die Stadt ringsum verändert, aber auch ihr Kern ist nicht derselbe mehr,
wie vor 59 Jahren. Manches alte Tor, weite Stücke der alten Stadtmauer siud ge-
fallen, Pforten sind durch den Rest durchgebrochen. Die alten Kirchen haben sich den
Ausbau ihrer Türme oft genug gefallen lassen müssen. Vor allem aber sind die
bescheidenen Bürgerhäuser der älteren Zeit mehr in die Hinterstraßen zurückge-
drängt und haben in den Hauptstraßen Platz für ähnliche Neubauten hergeben müssen,
wie sie vor den Toren bequemer auf freiem Boden entstanden sind.
Was aber in dieser Zeit der neuen Entwicklung gebaut worden ist, ist leider fast
durchweg ohne Zusammenhang mit der älteren Zeit geschaffen, und erst seit dem
Beginn des 20. Jahrhunderts hat der Sinn für den Wert der Überlieferung sich
stärker zu regeil begonnen. Tie alten Bauten werden weniger leicht beseitigt, oder sie
werden mit besserem Verständnis umgebaut; bei den Neubauten sucht mau
häufiger nach schlichter Gefälligkeit, wie sie der märkischen Landschaft und dem
märkischen Volksstamme entspricht, dem leerer Prunk ein Grenl ist.
Bevölkerung nach Religion und Sprache.
Nach Religion und Sprache ist die Bevölkerung der Mark evan-
gelisch und deutsch, mit nicht sehr großen Minderheiten anderen Glaubens
und anderer Sprache.
Alte Enklaven geschlossener katholischer Bevölkerung — ein häu-
figes Bild im Westen und Süden Deutschlands — fehlen ganz. Die überwiegende
Masse der Katholiken sind in neuerer Zeit zugewandert oder die Kinder Zugezogener.
Da diese Einwanderung naturgemäß in die Städte, besonders nach Berlin erfolgt,
ist hier der Einschlag von Katholiken besonders groß, ähnlich in den Gegenden der
L a u s i tz e r I n d u st r i e. Auf dem Lande gibt es andererseits noch sehr zahlreiche
rein evangelische Gemeinden. Andere christliche Bekenntnisse sind nur in geringer
Zahl vertreten, noch geringer ist die Anzahl der Religionslosen und Leute un-
bekannter religiöser Stellung.
Die Juden sind schon von alters her in der Mark, vorzüglich in den Städten,
ansässig gewesen. Die Nähe der hauptsächlichsten Wohngebiete der Juden, des ehe-
maligen polnischen Reiches und Böhmens, und die Anziehungskraft der wachsenden
Weltstadt hat aber eine erhebliche neue Einwanderung zuwege gebracht, die ganz
Überwiegend sich auf Groß-Berlin erstreckt hat.
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Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Luckenwalde Deutschlands Berlin
Die märkischen Landschaften. 51
die Volksschule länger und daher auch schon erfolgreicher au der Einbürgerung des
Schriftdeutschen gearbeitet, und kein Seemannsdeutsch beschnitt im späteren Leben
ihren Einfluß.
Das ehemals kursächsische Land aber hat auch im Gebiete alter flämischer Siede-
lungen mitteldeutsche Sprechweise durchgesetzt, und dasselbe gilt von den Grenz-
gebieten nach Schlesien hin. Der heutige Verkehr, der die Deutschen der verschieden-
sten Gegenden zusammenbringt und auch fast jeden Landmann dem sprachabschlei-
senden Einflüsse der Stadt immer wieder aussetzt, und die Schule mit ihrer Pflege
einer gleichmäßigen Aussprache bewirken in Groß-Berlin ein schnelles, in der Pro-
vinz ein langsameres, aber überall spürbares Verschwinden der Mundarten, um so mehr,
als es so festgefügte Mundarten wie im Westen und Süden Deutschlands sowie an
den deutschen Küsten in der Mark ja nicht gegeben hat. Gerade der Berliner Dialekt
hat in den letzten zwei Menschenaltern eine Fülle eigentümlicher Ausdrücke ein-
gebüßt und durch Aufnahme von Worten aus der gemeinen Sprache aller Teile
Deutschlands sich einem allgemein deutschen Großstadt-Patois angenähert. Und doch
— immer wieder erwächst im Kindermund auf der Straße eine Sprechweise, die in
grammatikalischen Wendungen wie in Lautbehandlung ihre niederdeutsche
Natur nicht verleugnen kann.
Die märkischen Landschaften.
53. „Landschaften", Regierungsbezirke und Kreise.
Die Grenzen der „Landschaften" sind mit etwas kräftigeren Linien gegeben, sie sind aus praktischen
Gründen (vgl. Text) allemal mit Kreisgrenzen in Ubereinstimmung gebracht, auch wo sie geschichtlich
und naturgemäß etwas abweichen sollten. Die Kreishauptstädte « (schwarz), die kreisfreien Städte,
® mit Ring.
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11. Die Bewohner.
51
Zur geit der Völkerwanderung verließ der größte Teil von ihnen die
Heimat und zog nach Westen und Süden. Ihnen nach drängten von Osten
die slawischen Wenden, die sich bis an die Elbe ausbreiteten und sie an
einigen Stellen auch überschritten.
In das Land zwischen Elbe und Oder teilten sich drei Stämme: die
Obotriten (in Mecklenburg), die Liutizen (in der Mark und Vorpommern),
die Sorben (in Sachsen und in der Lausitz)- das Land rechts von der Oder
besetzten Pommern und Polen. Diese großen Stämme teilten sich wieder
in Völkerschaften, die ihre besonderen Gaue hatten: so die Brizaner in der
Priegnitz, die Dossaner an der Dosse, die Heveller im Havelland, die
Spriavaner an der Spree im Teltow und Barnim, die Riezaner an der
Oder um Wriezen, die Ukraner an der Ucker.
Nach langen, blutigen Kämpfen, in denen sie tapfer für Glauben und
Freiheit fochten, mußten die Wenden den siegreichen Deutschen das Feld räumen.
Ein Teil von ihnen zog sich in Gegenden zurück, deren Abgeschlossenheit
ihnen gestattete, ihren Sitten und Gewohnheiten getreu zu bleiben; so in den
Spreewald und in das Oderbruch. Andere blieben unter den Deutschen
wohnen; aber erst nach Jahrhunderten erfolgte eine freundliche Annäherung
und ein Ausgleich zwischen beiden Völkern. Die Deutschen legten entweder
neue Städte und Dörfer an oder nahmen wendische Niederlassungen in Besitz,
aus denen die alten Bewohner weichen mußten, oder bauten wüst liegende
alte Ortschaften wieder auf, denen beim Wiederaufbau wohl der wendische
Name gelassen wurde. Deshalb darf nicht aus dem wendischen Namen
eines Ortes auf die Volkszugehörigkeit der Bewohner geschlossen werden.
Manche Ortschaften, in denen die Wenden gesondert von den Deutschen
wohnten, wurden noch jahrhundertelang als wendische bezeichnet; auch heute
noch findet sich der Zusatz „wendisch". Der Unterschied zwischen deutsch und
wendisch wurde namentlich da hervorgehoben, wo eine deutsche und eine
wendische Ansiedlung gleichen Namens beieinander lagen; später wurden dafür
aüch die Bezeichnungen üblich „neu" und „alt" oder „groß" und „klein"
oder, wenn die Lage einen Unterschied erlaubte, „hohen" und „nieder". Wo
die Wenden, die mit Vorliebe dem Fischfang oblagen, Aufnahme in einer
Stadt oder einem Dorfe fanden, da erhielten sie einen besonderen Teil zu-
gewiesen, den kiez (slaw. kieza = Fifcherhiitte).
Die wendischen Ortsnamen endigen häufig auf en in ow (au) ick(e) ack
atz itz otz ig og ug gard oder grad (^-Burg); die deutschen verraten ihren
Ursprung leicht: au(e) feld(e) land weide bruch hag(en) holz busch Heide Hain
wald(e) haus(en) kirch(en) mühl(e) Hof dorf sta(ä)dt bürg teich pfuhl see fließ
münde brück werder Horst höhe berg thal stein ruh lust u. a. Auch manche Höhen
tragen noch wendische Namen, wie Golm, Bellenberg (slaw. Kulm —Spitze),
Rehberge (slaw. redr — Berg), Müggelberge (slaw. mo^ils — Hügel, Berg).
Erinnerungen aus der Wendenzeit sind außer in den Ortsnamen noch
4*
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T18: [Mark Brandenburg Land Albrecht Friedrich Kaiser Jahr Markgraf Haus Markgrafe], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
78
seeenreichen Landstriche der Zauche und gründete das Kloster Lehnin. Johann-I. und Otto Hl, zwei Brüder, welche in großer Eintracht dre Regierung gemeinsam führten, drangen erobernd bis zur Oder vor, gewannen den Barnim, den Teltow, die Uckermark; jenen Strom überschreitend, unterwarfen sie auch das Land an der Warthe und Netze. Überall entstanden deutsche Dörfer und Städte, erhoben sich christliche Kirchen. Die Wenden bekehrten sich allmählich und nahmen mit der Zeit die deutsche Sprache an. Bald wurde auch Berlin eine deutsche Stadt; ihm gegenüber, auf dem linken Spreeufer erblühete Köln. Die Ordnung, welche die wackern Fürsten anstecht erhielten schuf Wohlstand und Bildung. Otto Iv. hielt auf feinen Schlössern am Grimmnitz-, am Wehrbelliner See und in den Städten seines Landes einen glänzenden Hof. Wohlstand und Bildung blüheten in der Mark. Aber gegen den Erzbischof von Magdeburg kämpfte er unglücklich. Bei Frohse gefangen genommen, ward er nach Magdeburg geführt und in einen Holzkäfig eingesperrt. Endlich befreite ihn seine Gemahlin durch eine Summe Geldes, welche der treue Johann von Buch in der Kirche zu Tangermünde aufbewahrt hatte. Von einem Geschosse, welches in seiner Kopfhaut stecken geblieben war, erhielt er den Namen „Otto mit dem Pfeile!" — Die weiteste Ausdehnung erreichte die Mark Brandenburg unter dem klugen und Opfern Waldemar. Dieser focht gegen die vereinte Macht Dänemarks, Schwedens und Polens, wurde zwar Besiegt, erhielt aber einen ehren-1319. vollen Frieden. Er starb früh; ein Jahr nach ihm sank der letzte Sproß des anhaltinifchen Herrscherhauses ins Grab.
Die bayrischen Markgrafen und der falsche Waldemar. Da zog Kaiser Ludwig der Bayer das Land wieder ein und gab es mit Zustimmung der Fürsten seinem Sohne Ludwig dem Alteren. Nun kam eine Zeit schlimmer Zerrüttung über die Mark. Die Einwohner hatten kein rechtes Zutrauen zu dem fremden Fürsten, der auch in dem rauhen Lande nicht recht heimisch wurde. Der Adel fühlte sich verletzt, als Ludwig Ämter und Ehrenstellen an seine bayrischen Ritter vergab. Einen erbitterten Gegner aber hatte Ludwig an dem Papste. Den Markgrafen traf der Bann und fein Land das Interdikt. Da verstummte auf Jahre der Gesang in den Kirchen und der Klang der Glocken. Auf den Ruf der Päpstlichen fielen die Nachbarn in das Land ein, um ein Stück nach dem andern an sich
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Extrahierte Personennamen: Otto Otto Johann_von_Buch Johann Waldemar Ludwig_der_Bayer Ludwig Ludwig_dem_Alteren Ludwig Ludwig_Ämter Ludwig Ludwig Ludwig
126
Vi. Vott hem Menschen.
bei einander. Die Gemsen, welche mit unsern Ziegen viel
Aehnlichkeit haben, gehen immer in Gesellschaft auf Nähr
rung aus, und stellen Schildwachen aus, welche die andern
durch ein starkes Pfeifen vor einer drohenden Gefahr war-
nen müssen. Alle Zugvögel, und besonders die Kraniche,
gehen in Gesellschaft fort, und geben in der Ferne durch
ein rauhes Geschrei einander zu erkennen, um nicht ger
trennt zu werden. Sie fliegen in einer bestimmten Ord-
nung, und diejenigen, welche voraufliegen, werden nach
einiger Zeit von den hintersten abgelöst.
Die menschlichen Gesellschaften sind aber doch viel ordent-
licher eingerichtet, und dauern länger, als die der Thiere.
Die Menschen leben bei einander in Städten und Dörfern,
um sich einander bei ihren Arbeiten und in der Noth zu un-
terstützen , sich gemeinschaftlich gegen Gefahren und Un-
glücksfälle , besonders auch gegen die wilden Thiere, zu
schützen, so -daß Einer für des Andern Wohlfahrt sorgt.
Die Verbindungen oder Gesellschaften, in welchen die
Menschen leben, sind ferner sehr manchfaltig. Vom ersten
Augenblikkè seines Lebens an lebt der Mensch in der Ver-
bindung mit seinen Aeltern und Hausgenossen. Wenn er
anfängt seinen Verstand zu gebrauchen, so tritt er mit Lehe
rern und Mitschülern in Verbindung, dann auch mit Freun-
den, Nachbarn und Mitbürgern, oder Landsleuten, mit
Vorgesetzten und Gönnern, mit seiner Obrigkeit.
Manche Menschen leben, wegen des Geschäfftes, das
sie treiben, in besonders vielen und weitläufigen Verbin-
dungen. Der Kaufmann steht mit Menschen in allen Theilen
der Erde in Verbindung; denn er bekommt seine Waaren aus
verschiedenen und weit entfernten Ländern, z. B. Zitronen
und Pomeranzen aus Italien, Wein aus Spanien und Frank-
reich, Kaffee aus Amerika und Asien, oft mehrere tausend Mei-
len weit; Eisen aus Schweden, Zinn aus England, Wolle
aus Schlesten u. f. w. Zwei Künsten haben es die Menschen
zu verdanken, daß sie mit den Einwohnern der entferntesten
Länder in Verbindung stehen können, nämlich der Schiff-
fahrrskunst und der Schreibekunst. Auf großen Schiffen fah-
ren die Menschen über die großen Meere hinüber, welche
die Länder der Erde von einander trennen, und durch die
Schreibekunst können sie denen, welche weit von ihnen ent-
fernt find, ihre Gedanken und Wünsche so gut ru verstehen
geben, als ob sie sich mit ihnen unterredettn.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere]]
Extrahierte Ortsnamen: Italien Spanien Frank- Amerika Asien Schweden England
Autor: Pischon, Friedrich August, Wilmsen, Friedrich Philipp
Auflagennummer (WdK): 196
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Regionen (OPAC): Berlin
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Vi. Von dem Menschen.
gen. Der Kaufmann steht mit Menschen in allen Theilen
der Erde in Verbindung; denn er bekommt seine Waaren aus
verschiedenen und weit entfernten Ländern, z. B. Zitronen
und Pomeranzen aus Italien, Wein aus Spanien und Frank-
reich, Kaffee aus Amerika und Asien, oft mehrere tausend Mei-
len weit; Eisen aus Schweden, Zinn aus England, Wolle
aus Schlesien u. s. w. Zwei Künsten haben es die Menschen
zu verdanken, daß sie mit den Einwohnern der entferntesten
Länder in Verbindung stehen können, nämlich der Schiff-
fahrtökunst und der Schreibekunst. Auf großen Schiffen fah-
ren die Menschen über die großen Meere hinüber, welche
die Länder der Erde von einander trennen, und durch die
Schreibekunst können sie denen, welche weit von ihnen ent-
fernt sind, ihre Gedanken und Wünsche so gut zu verstehen
geben, als ob sie sich mit ihnen unterredeten.
Ein jeder Mensch kann unterscheiden, was wahr,
und was falsch ist. Er kann sich unzählige richtige Begriffe
machen; denn er hat das Vermögen, zu denken, und dies
ist sein größter und herrlichster Vorztlg vor den Thieren. Er
sieht z. B. ein, daß er nicht würde leben können, wenn er nicht
Speise und Trank zu sich nähme, keine Kleidung und keine
Wohnung hätte; daß er also diese drei Dinge nicht ent-
behren kann. So erhält er einen Begriff von Bedürf-
nissen. Der Mensch kann sich auch aus dem, was er gese-
hen, aehört, verstanden und begriffen hat, eine Menge nützli-
cher Regeln sammeln. Er hat z. B. gesehen oder gehört, daß
Einer, der unmäßig gegessen hatte, sehr krank geworden war,
und zieht aus dieser Erfahrung die Regel, daß man nicht
unmäßig essen muffe, wenn man gesund bleiben wolle. Oder
er hört, daß der Blitz sich nach den Bäumen hinzieht, und bil-
det sich nun daraus die Regel, daß man sich bei einem Ge-
witter nie unter einen Baum stellen müsse. Auf diese Art
leritt er, vermöge seines Verstandes, einsehen, was nützlich
und was schädlich, was zweckmäßig und zweckwidrig ist. Du
gehst in die Schule, ilud hast dabei den Zweck, etwas Nütz-
liches zu lernen, und verständig zu werden. Aber wenn du
in der Schule nicht aufmerksam bist, sondern plauderst, oder
spielst, und umbergaffst, so handelst du zweckwidrig; denn
aus diese Art kannst du deinen Zweck, verständiger zu wer-
den, nicht erreichen. — Durch seinen Verstand wird der
Mensch klug und geschickt, und wie bewundernswürdig
sind die Werke, welche der menschliche Verstand hervorge-
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