Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschichtliche Entwickeluna.
13
Y. Geschichtliche Gntwicketung.
1. Römerzeit.
Die Römer bringen uns die erste Kunde über die ehemaligen Be-
wohner Westfalens. Schon Julius Cäsar rückte an die Südgrenze West-
falens (Sigambernland) vor; in den Jahren 12 bis 9 v. Chr. eroberte Drnsus
das Land zwischen Rhein und Weser, und unter der Statthalterschaft des
Tiberins 9 vor bis 8 nach Chr. haben die Römer die westfälische Ebene bis
zum Osning nahezu als Provinz besessen und teilweise kultiviert. Reste ihrer
Festungen, Staudlager, Heerstraßen und Grenzwälle sind, besonders an beiden
Ufern des Lippeflusses, zahlreich vorhanden.
Bewohner der nordlippeschen Ebene, des heutigen Münsterlandes, waren
die Brukterer, des südlippeschen Gebirgslandes die Sigambern (Marsen,
Attuarier, Tenkterer); Insassen der Weserlandschaft des linken Ufers zwischen
dem Flnße und dem Osning-Eggegebirge waren Weststämme des mächtigen
Cheruskervolkes. Diese drei Volksstämme entledigten sich im Bunde mit
den südlichen Chatten (Hessen) im Spätsommer des Jahres 9 nach Chr. durch
den Überfall und die gänzliche Vernichtung der unter dem Oberbefehl des
Qnintilins Varus stehenden Rheinarmee im Teutoburger Walde der
römischen Herrschaft für immer. Die Rachezüge des Germanicns, (Drusus'
Sohn), in den Jahren 14, 15 und 16 n. Chr. haben das ganze westfälische
Land zwar fürchterlich mit Mord und Brand heimgesucht, aber die Wieder-
eroberuug Westfalens nicht herbeiführen können. Die damaligen Bewohner
Westfalens find unter des Cheruskerfürsten Arminius Führung die Befreier
der Nation geworden*). Zwar haben die Römer Westfalen nicht wieder-
gewinnen können, aber in tödlichem Haß gegen die Tentobnrgvölker haben
sie deren einheimische Feinde, besonders die damaligen Bewohner des
heutigen Ostfrieslands, Oldenburgs, Osnabrücks und Nordhannovers, nämlich
die Chanken und Angrivarier auf Brukterer, Cherusker und
Marsen gehetzt und mit ihren Heeren vom Rhein aus unterstützt. In der
Brnktererschlacht um das Jahr 95 sielen von diesem Volke 69 999; aber völlig
vernichtet, wie Tacitus irrtümlich angiebt, sind sie nicht. Gegen Ende des
I. Jahrh. n. Chr. verschwindet zwar der Name der Altvölker vom
westfälischen Boden; die siegreichen Nordstämme, zusammengedrängt in den
Namen Angrivarier —Engern, erweitern ihre Marken südlich sast über
den ganzen westfälischen Boden, sowie auch über das Land ostwärts der Weser.
Aber was damals nicht vernichtet und verknechtet wurde, wanderte süd-
wärts und westwärts unter Gestattung und Anweisung der Römer aus
an den Saum des rechtsrheinischen Römergebiets! Chernskische Stämme
nach Salland in die römischen, bis dahin leeren, Asselmarken
zwischen Friesen und Batavern; Attuarier (Marseu-Sigambern) und Brukterer
ins südliche Gebirge und abwärts an Lippe, Ruhr, Wupper, Agger, Sieg.
Regelmäßige Sold- und Hülsstruppen der Brukterer und Ämstvarier
werden im 2. Jahrh. von römischen Schriftstellern mehrfach genannt;
*) Nur ein hier breiterer, dort schmalerer Landsaum am rechten Rheinufer von der
Issel bis zur Siegmündung verblieb den Römern, durch Trajan erweitert, bis zur Frankenzeit.
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
V. Geschichtliche Entwicklung.
13
Y. Geschichtliche Entwicklung.
1. Römerzeit.
Die Römer bringen uns die erste Kunde über die ehemaligen Be-
wohner Westfalens. Schon Julius Cäsar rückte an die Südgrenze West-
falens (Sigambernland) vor; in den Jahren 12 bis 9 v. Chr. eroberte Drusus
das Land zwischen Rhein und Weser, und unter der Statthalterschaft des
Tiberins 9 vor bis 8 nach Chr. haben die Römer die Westfälische Ebene bis
zum Osuing nahezu als Provinz besessen und teilweise kultiviert. Reste ihrer
Festungen, Standlager, Heerstraßen und Grenzwülle sind, besonders an beiden
Ufern des Lippeflusses, zahlreich vorhanden. (Haltern.)
Bewohner der uordlippeschen Ebene, des heutigen Münsterlandes, waren
die Brnkterer, des südlippeschen Gebirgslandes die Sigambern (Marsen,
Attuarier, Teukterer); Insassen der Weserlandschaft des linken Ufers zwischen
dem Flusse und dem Osning-Eggegebirge waren Weststämme des mächtigen
Cheruskervolkes. Diese drei Bolksstämme entledigten sich im Bunde mit
den südlichen Chatten (Hessen) im Spätsommer des Jahres 9 nach Chr. durch
den Überfall und die gänzliche Vernichtung der unter dem Oberbefehl des
Quiutilius Varus stehenden Rheinarmee im Teutoburger Walde der
römischen Herrschaft für immer. Die Rachezüge des Germanikus (Drusus'
Sohn) in den Jahren 14, 15 und 16 nach Chr. haben das ganze westfälische
Land zwar fürchterlich mit Mord und Brand heimgesucht, aber die Wieder-
erorberuug Westfalens nicht herbeiführen können. Die damaligen Bewohner
Westfalens sind unter des Cheruskerfürsten Arminius Führung die Befreier
der Nation geworden Zwar haben die Römer Westfalen nicht wieder-
gewinnen können, aber in tödlichem Haß gegen die Teutoburgvölker haben
sie deren einheimische Feinde, besonders die damaligen Bewohner des
heutigen Ostfriesland, Oldenburg, Osnabrück und Nordhannover, nämlich
die Chauken und Angrivarier auf Brukterer, Cherusker und
Marsen gehetzt und mit ihren Heeren vom Rhein aus unterstützt. In der
Brnktererfchlacht um das Jahr 95 fielen von diesem Volke 60000; aber völlig
vernichtet, wie Taeitus irrtümlich angibt, sind sie nicht. Gegen Ende des
1. Jahrh. nach Chr. verschwindet zwar der Name der Altvölker vom West-
fälifchen Boden; die siegreichen Nordstämme, zusammengedrängt in den
Namen Angrivarier — Engern, erweitern ihre Marken südlich fast über
den ganzen westfälischen Boden, sowie auch über das Land ostwärts der Weser.
Aber was damals nicht vernichtet oder verknechtet wurde, wanderte süd-
wärts und westwärts unter Gestattung und Anweisung der Römer aus
an den Saum des rechtsrheinischen Römergebiets.- Cheruskische Stämme
nach Salland in die römischen, bis dahin leeren Asselmarken
zwischen Friesen und Batavern; Attuarier (Marsen-Sigambern) und Brnk-
terer ins südliche Gebirge und abwärts an Lippe, Ruhr, Wupper, Sieg.
Regelmäßige Sold- und Hilfstruppen der Brukterer und Amsivarier
werden im 2. Jahrh. von römischen Schriftstellern mehrfach genannt; unter
* Nur ein hier breiterer, dort schmalerer Landsaum am rechten Rheinufer von der
Assel bis zur Siegmündung verblieb den Römern, durch Trajan erweitert, bis zur Frankenzeit.
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Regionen (OPAC): Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
18
Y. Geschichtliche Entwicklung,
Im Jahre 1815 erhielt Preußen im Wiener Kongreß zunächst seine alten,
an die Frauzoseu verlorenen westfälischen Länder zurück und bildete nun,
unter Hinzunahme des Bistums Paderborn, der fürstlichen Abtei Corvey,
des kölnischen Westfalen (Grafschaft Arnsberg, Sauerland), der Reichs-
stadt Dortmund, der Grafschaften Nassau-Siegen, Wittgeustein-Wittgeusteiu,
Wittgenstein-Berleburg, des kölnischen Bestes Recklinghausen und des ganzen
Bistums Münster die heutige Provinz Westfalen, gegliedert in drei große
Regierungsbezirke.
Zum Reg,-Bez. Münster kam außer dem alteu Bistums-Territorium im
Norden der Lippe der Kreis Recklinghansen im Süden des Flusses, dazu
die alten Grasschaften Ober-Lingen, Tecklenburg, Steinfurt, Anholt.
Der große Nordostbezirk Minden wurde gebildet aus den Bistümern
Minden und Paderborn, der Grafschaft Ravensberg, den Abteien
Herford und Corvey, den Grafschaften Rietberg und Rheda uebst dem
früher zu Hannover gehörenden Amt Reckeberg.
Die übrigen bereits genannten Grafschaften und Städte (Lippstadt, bis
1850 gemeinsam mit Lippe-Detmold) bildeten den dritten Regierungsbezirk
mit Arnsberg als Hauptstadt.
Zu bemerken ist noch, daß die Bewohner der Kreise Siegen und
Berleburg uicht sächsisch-uiederdeutsch, sondern fränkifch-hochdentsch erscheinen
in Sitte, Sprache und im Bau des Bauernhauses; auf dem Lande hüben'
„dat Water", drüben' „das Wasser". Beim sächsischen Bauernhanse alles
unter einem Dach, beim fränkischen die Tenne, oft auch Stalluug vom Wohn-
Hause getrennt.
Die beiden großen Organisatoren der neuen Provinz waren von 1802
bis 1806 der Freiherr vom Stein, 1815 bis 1844 der erste Ober-
Präsident Freiherr von Vincke. Münster, 1648 schon caput Westfaliae ge-
nannt, die alte sürstbischösliche Residenz mit herrlichem Schloßbau, eiuer Hoch-
schule aus der Fürstenbergschen Zeit, vielen aufgehobenen Klöstern, die zu
Kasernen umgebaut werden konnten, sehr gelegenen Exerzierplätzen, erhielt den
Vorzug, Sitz der obersten Provinzial- und Militärbehörden zu werden.
Westfalens streitbare Mannschaft gehört zum Teil dem siebenten, zum
Teil dem elften Armeekorps an (s. S. 29).
Unter dem glorreichen Zepter der Hohenzollern hat sich Westfalen
zu einer der blühendsten Provinzen des preußischen Staates emporgerungen.
Bildungsanstalten, Industrie, Land- und Forstwirtschaft, Wege- und Kanal-
bau^, Kunst und Handwerk, Berg- und Hütteuwesen, Heil- und Pflege-
anstalten stehen aus der Höhe der Zeit.
Die alten Bauernhäuser, Fachbau mit Strohdach (s. Abb. 20), alte
Sitten, Trachten und Gebräuche, wie sie Annette v. Droste, Levin Schücking, Karl
Jmmermann n. a. noch ans der ersten Hälfte des 19. Jahrh. geschildert haben,
sind meist verschwunden. An Stelle der alten Bauernhäuser in Fachwerk er-
heben sich heute überall schon massive Ziegelbauten mit Pfannen- oder Schiefer-
dach, aber noch immer in der Form und Einrichtuug des altsächsischen Hauses,
Menschen, Vieh und Vorräte, Wohnung, Tenne und Ställe unter einem
1 Der Dortmund-Emshäfen-Kanal ist vollendet; Schiffshebewerk bei Henrichenburg;
eine weitere Verbindung von Rhein und Weser im Entstehen. Talsperren an der Ruhr
und Möhne.
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Extrahierte Personennamen: Annette_v Levin_Schücking Karl
Jmmermann Karl
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
175 —
nach Westen ging. Sa konnte niemand bevorzugt werden. Jeder
bekam gutes und schlechtes, naheliegendes und entferntes Ackerland.
Angesehene Volksgenossen erhielten mehrere Lose. Aus allen Feldern
mußte dieselbe Frucht gebaut werden, auch die Bewirtschaftung
gleichzeitig geschehen. Ferner nutzte jeder dulden, datz aus seinen!
Brachlande geweidet und über seinen Acker gefahren wurde. Neben
der Feldgemeinschaft herrschte also der Flurzwang. — Allmäh-
lich mangelte es hier wie bei anderen Volksstämmen infolge von Über-
völkerung an dem erforderlichen Grund und Boden. Darin liegt
jedenfalls eine der Veranlassungen, die zur späteren Völkerwan-
derung führten.
Was die Ackerbewirtschaftung anbetrifft, so war die Herbst-
bestellung, auch die Obstkultur, der Garten- und Wiesenbau aufäng-
lich noch unbekannt, das Ackerland noch nicht dauernd vou Wald-
und Weideland geschieden. Aber während noch zu Casars Zeit
alljährlich ein neues Stück Wildland verteilt und iu Anbau ge-
nommen wird, werden zur Zeit des Tacitus schon in längeren
Zwischenräumen neue Ackerfluren abgegrenzt und unter den Pflug
genommen. Da mau deu Acker nicht düngte, konnte mau ihu nur
einige Jahre hintereinander bebauen; dann ließ man ihn ebenso
lange brach liegen. Der Ubergang von dieser sogenannten Wechsel-
oder Zweifelderwirtschaft zur Dreifelderwirtschaft durch Ein-
sührung der Wintersaaten hat sich erst viel später vollzogen, aber
noch längere Zeit vor Karl dem Großen.
Staatliche Einrichtungen. Die Bevölkerung war in drei
Stände geschieden. Als vornehmste Klasse galt durch Ansehen und
Besitz der Adel (westgerm. etheling, althochd. adaling), aus dem
in der Regel die Führer gewählt wurden. Die große Masse des
Volkes bildeten die Freien, die alle gleichberechtigt waren. Die
Unfreien (Knechte, Sklaven) waren Kriegsgefangene, Fremde oder
durch freiwillige Unterwerfung aufgenommene Kolonisten. Sie
dienten als Hausgesinde oder hatten als Landsiedler bestimmte Ab-
gaben und Herrendienste (Fronden) zu leisten; ihre Zahl war nicht
bedeutend. Ein Unfreier konnte für besondere Verdienste durch
Wehrhastmachung (Belehnung mit Schild und Speer) auf Beschluß
der Volksversammlung freigelassen werden. — Bei den Westgermanen
gab es noch als Zwischenstufe zwischen Freien und Unfreien die
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 191 —
4. Die Sachsen.
Wanderzeit. Während der Völkerwanderung verließen
die östlich der Elbe wohnenden deutschen Volksstämme ihre Wohnsitze,
nm sich im reicheren Süden eine neue Heimat zu gründen. Ahlten
drängten die Slaven nach, die nun ohne Kampf das verlassene
Gebiet in Besitz nehmen konnten. Dagegen blieben die zwischen
Rhein und Elbe wohnenden Stämme, die durch die seste römische
Grenze an größere Seßhaftigkeit gewöhnt waren, in ihrer alten
Heimat wohnen, wenn auch oft genug einzelne Scharen dem Zuge
nach Süden gefolgt sein mögen. Aber anch unter ihnen vollzogen
sich große Veränderungen.
Der Sachsenlnmd. Hier in Nordwestdeutschlaud waren die
von dem heutigen Holstein her eingewanderten Sachsen das führende
Volk (Sax-Messer, kurzes Schwert). Sie hatten klugerweise die au-
sässigen Stämme nicht vertrieben, sondern zur Unterwerfung gebracht
und schlössen sich nun mit ihnen zu einem großen Völkerbunde
zusammen, der nach dem herrschenden Stamme den gemeinsamen
Namen Sachsen annahm. Die Namen mancher kleineren Volks-
stamme verschwanden allmählich.
Sage. Es ist eine Streitfrage, ob sich die Sachsen auf friedlichem Wege
mit den Stämmen, die zwischen Rhein und Elbe wohnten, zu einem Sachsen-
bunde zusammengeschlossen haben oder ob sie uuser heutiges Niedersachsen er-
oberten, also ein Sachsenreich gründeten. Die hier folgende Sage läßt die
letztere Annahme zu.
Nach dem Berichte des Mönches Widuünd aus Corvey an der Weser, der
im 10. Jahrhundert n. Chr. lebte, landeten die Sachsen im heutigen Lande
Hadeln, mit dessen Einwohnern, die Thüringer gewesen sein sollen, sie hart-
näckige Kämpfe führten. Schließlich wurde ein Vertrag abgeschlossen: Die
Sachsen sollten das Recht des Verkaufs und Kaufs haben, dafür aber von Mord
und Raub ablassen. So kehrten sie auf ihre Schiffe zurück. Als ihnen aber das
Geld ausgegangen war, merkten sie, daß dieser Vertrag für sie nutzlos wäre.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 199 —
Volkes verpflanzen lassen mußten. An ihre Stelle rief er Franken
ins Land, an der Elbe aber sogar Slaven.
Nur schwer fand sich der freie Sachse in die neue Ordnung
der Dinge. Auf der einen Seite bedrohten ihn die „mit Blut ge-
schriebenen" Gesetze Karls, deren Härte sogar unter den Großen
des fränkischen Hofes Bedenken erregte, auf der andern Seite hatte
er Haß und Verfolgung seitens der eigenen Stammesgenossen zu
erdulden, wenn er sich den Gesetzen des Königs und deu Geboten
der in fremder Sprache Gottesdienst haltenden Priester gefügig
zeigte. Unter diesen Umständen wird er nur wenig Verständnis
dafür gehabt haben, daß sein Heimatland durch die häufige An-
Wesenheit Karls, des mächtigsten Herrschers Westeuropas, oft in den
Mittelpunkt der Weltpolitik gerückt wurde, indem nicht nur Boten
des Dänenkönigs und Gesandte anderer näher wohnender Völker
im Sachsenlande erschienen, sondern sogar auch einmal der Papst
dorthin kam. Innerlich verschmolz der Sachsenstamm mit dem
Frankenreiche erst, als das Geschlecht dahingestorben war, das noch
die alte Freiheit wirklich genossen hatte.
Die fachst schen Distnmer. Erst nach dem Kriege, als die
Herrschast der Franken in Sachsen völlig gesichert war, konnte Karl
dauernde Einrichtungen treffen, auch in dem unterworfenen Gebiete
das Christentum wirksam zu fördern und zu befestigen. So
errichtete er die acht sächsischen Bistümer Osnabrück, Münster,
Paderborn, Minden, Verden, Bremen, Elze-Hildesheim und Halber-
stadt, an deren Spitze er Bischöfe fetzte. An den Bischofssitzen
entwickelten sich später blühende Städte.
Zerfall des Frankenreiches. So lange Karl lebte, blieb
das gewaltige Frankenreich in sich einig. Aber schon unter seinem
Sohne, dem schwachen Ludwig dem Frommen, lockerten sich die
Verhältnisse immer mehr. Nach Ludwigs Tode sollte sich dauu sogar
eine vollständige Zersplitterung der sränkischen Monarchie vollziehen.
Seine Söhne Lothar, Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle
gerieten nämlich in einen erbitterten Erbstreit. In diesem Bruder-
kriege wurde schließlich Lothar besiegt, der nun zu höchst bedenk-
lichen Mitteln griff. Er suchte einen Teil des Sachsenvolkes, die
Frielinge und Laten, dadurch für sich zu gewinnen, daß er ihnen
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Extrahierte Personennamen: Karls Karls Karl Karl Karl Karl Ludwig_dem_Frommen Ludwig Ludwigs Ludwigs Lothar Ludwig_der_Deutsche Ludwig Karl_der_Kahle Karl Lothar
Extrahierte Ortsnamen: Karls Karls Westeuropas Sachsenlande Sachsenstamm Sachsen Paderborn Minden Verden Bremen Elze-Hildesheim
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 93 —
chaft hat er 50 zu entrichten. Der in die Leibzucht eingezogene Vater bleibt
fortan der Festlichkeit fern. Die Feier ist äußerst einfach. Die Gäste erhalten
auf Kosten des Festgebers Bier und mächtige Butterbrote mit Käse, auch süße
Biersuppe (aus einfachem Bier mit Sirup, Zucker und geriebenem Brot). Der
Winterbauerntag wird nur von den Männern besucht. Auf dem Sommer-
bauerntage erscheinen auch die Frauen. Musikanten spielen alsdann zum Tanze
auf. Als Tanzsaal dient die große Diele, welche mit einem Fußboden belegt
wird. Die Gebräuche auf den Bauerntagen unterscheiden sich in den einzelnen
Gemeinden nur wenig. Stellenweise werden die jungen Eheleute, welche zum
ersten Male den Bauerntag besuchen, besonders geehrt. Sie dürfen, mit einem
um den Hals hängenden Kranz geschmückt, sich unter den Tanzenden bewegen.
In Vornhagen muß die junge Frau des neu in die Bauerschaft aufgenommenen
Kolons einen Beweis ihrer Tüchtigkeit im Holzhauen liefern. Man schafft einen
Holzklotz herbei, von dem sie mit einer stumpfen Axt etwas abhauen muß.
Gelingt ihr dies, so gilt sie als eine Frau, welche sich das nötige Kleinholz zum
Kochen herbeischaffen kann, während sie andernfalls zur Strafe eine Flasche
Wein zahlen muß. — An diesen und anderen Gebräuchen, auch an ihrer schönen
Tracht, haben unsere Hägerbauern bisher treu festgehalten. Möge es auch in
Zukunft fo bleiben I
Aufg.; Erkläre die reichliche Bewässerung in diesem Teile unserer
Heimat! — Vergleiche Sachsenh. Aue nebst Zuflüssen mit
Bückeburger Aue und Gehle! — Wie kommt es, daß die
Sachsenh. Aue auf der linken Seite keine Zuflüsse erhält ? —-
Begründe die starke Besiedelung in der Ebene von Stadthagen!
— Welche Eigentümlichkeiten zeigen hier Dorfanlage, Volkstracht
und Sprache ? -— Vgl. auch die Aufgaben S. 84 !
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
174 —
Grundeigentum. Ursprünglich gab es bei den Germanen,
obgleich sie von jeher Ackerbau trieben, kein Privateigentum an
Grund und Boden, sondern alles Land gehörte der Gesamtheit, war
Volkland. Aber schon zur Zeit des Tacitus, als bereits feste, später
nur noch wenig veränderte Grenzen gegen das römische Reich be-
standen, war darin eine Änderung eingetreten. Der unstäte Wander-
trieb hatte ausgehört, die Dorfaulageu waren auf eine seßhafte
Einwohnerschaft berechnet, der einzelne hatte bereits Haus und Hof
zu Eigentum.
Jede Dorfgemeinde verfügte über ausreichende» Grund und
Boden. Der geuosfeuschaftliche oder gemeinsame Besitz mehrerer
Dörfer an Wald, Wiese, Heide, Moor, Flüssen und Teichen wurde
die gemeine Mark genannt, alle Berechtigten bildeten die Mark-
genossenschaft. Mark, erhalten in Feldmark und Ausmärker (der
nicht derselben Gemeinde angehört), bedeutet ursprünglich Grenze.
Diese Bezeichnung wurde wahrscheinlich vou den Zeichen und Malen
angenommen, durch die eine Markgenossenschaft einer anderen gegen-
über ihr Eigentum und Recht kenntlich machte. Eine solche Maß-
regel wurde jedenfalls durch eine stärkere Besiedeluug veranlaßt.
Der von einer Dorfgemeinde nicht verteilte gemeinsame Besitz an
Wald, Gewässern usw., wozu später uoch die Gemeindetriften gehörten,
hieß Allmende (Gemeingut, „Meute"). Das Sondereigentum einer
Familie bestand ursprünglich nur aus Haus und Hof, erst später
gehörte auch das Ackerland dazu. Reste der altgermanischen Wald-
und Feldgemeinschaft haben sich bis in die neuere Zeit erhalten. —
Uber die weitere Entwicklung der Markgenossenschaft s. Kap.: Unsere
Heimat am Ende des Mittelalters!
Ackerbau. Bei der Ackerverteilung, die aus späteren Zu-
ständen mit ziemlicher Sicherheit festgestellt ist, gingen unsere Vor-
fahren äußerst einfach und praktisch zu Werke. Mau teilte die gauze
Feldmark uach Maßgabe der inneren und äußeren Bodenberschieden-
heit (ob lehmig, sandig, steinig oder ob hoch, niedrig) in mehrere
Verlosungsstücke (Gewanne) in Form von Parallelogrammen. Da-
von wurden dann die einzelnen Ackerstücke durch Parallellinien ent-
sprechend der Zahl der Haushaltungen abgesteckt. Die Zuweisung
erfolgte durchs Los. Die Verlosung der Teilstücke geschah für sämt-
liche Gewanne gleichmäßig. Wer also die Losnummer 1 hatte,
erhielt in jedem Gewanne das erste Stück, wobei mau vou Osten
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Extrahierte Ortsnamen: Dornröschen Wettkämpfe Holztäfelchen Deutschland Schleswig-Holstein Lüneburg
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Schaumburg-Lippe
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
li>2 —
Da wußte ein Sachsenjüngling Rat. Er ging eines Tages mit vielem
Gold, einer goldenen Kette und goldenen Spangen ans Land. Ein Thüringer
fragte ihn: „Was willst du mit dem vielen Golde um deinen abgezehrten
Hals ?" „Ich suche einen Käufer", entgegnete dieser, „denn wie soll ich mich am
Golde srenen, wenn ich vor Hunger verschmachte?" Daraus fragte jeuer weiter:
„Welchen Preis forderst du denn?" Der Sachse sagte: „Gib. was dn willst, ich
nehme es dankbar an!" Der andere lächelte und sprach: „Wie nun. wenn ich
dir dein Kleid mil der Erde da fülle?" Eiligst breitete der Sachse seinen Mantel
ans, lies; ihn füllen und gab dann sein Gold hin. Beide eilen froh davon. Die
Thüringer loben ihren Landsmann, der den Sachsen so sein betrogen habe,
während diesen die Genossen verspotten. Der aber sagte: „Folg: mir, ihr Werder
sehen, daß mein Handel uns allen von Nutzen ist!"
Darans gingen alle an Land. Der junge Sachse aber streute die ertausie
Erde ganz dünn über einen großen Platz aus, der sofort als Lagerstätte einge-
nommen wurde. Als die darüber erbosten Thüringer sich beschwerten, antworteten
die Sachsen, sie wollten das für ihr Geld erworbene Land behaupten oder sonst
mit den Waffen verteidigen. Da stürmten die Thüringer in blinder Wut plan-
los auf das Lager ein. Die Sachsen aber blieben Sieger und nahmen nun nach
Kriegsrecht noch mehr Land in Besitz. Bei den Verhandlungen über einen neuen
Frieden haben dann die wachsen die feindlichen Führer plötzlich überfallen und
niedergemacht. Dadurch jagten sie auch den übrigen Völkerschaften einen ge-
waltigen Schrecken ein.
Die Völkerschaften des Sachjenbnndes. Innerhalb des
Sachsenblindes bildeten sich vier größere Gruppen: Engern, West-
falen, Ostfalen und Nord albingier. Die Engern (Anger-,
Wiesenbewohner), deren Name noch den alten Stammnamen der
Angrivarier erkennen läßt, wohnten zu beiden Seiteu der Weser.
Westlich von ihnen hatten die Westfalen ihren Wohnsitz, der noch
hente durch die gleichnamige preußische Provinz ungefähr bezeichne:
wird. Die Lstfalen wohnten östlich voll der Leine »ach der Elbe
zu. Die Nordalbingier saßen nördlich der Elbe im heutigen Holstein.
Alle Völkerschaften des Sachsenbundes hatten eine gemeinsame
Sprache, die platt- oder niederdeutsche, die uoch heute aus dein
Lande als Unigangssprache dient. Neben Sprache und Stammver-
wandtschaft bildeten im Laufe der Zeit gleiches Recht und gleiche
Verfassung eiu Band, das die einzelnen Völkerschaften des Sachseu-
landes zusammenhielt. Städte und befestigte Wohnplätze gab es
bei ihnen nicht. Sie wohnten in einzelnen Gehöften, deren Gebäude
einräumig und einstöckig waren. In Kriegszeiten bargen sie sich
und ihre Habe an wallumgürteten Zufluchtsstätten in Wäldern,
Bergen und Süinpsen.
Ackerivirtlchaft. Die aus der früheren Zeit her bestehenden Flurverhäll-
nisse (S. 174) entwickelten sich in den folgenden Jahrhunderten gleichmäßig weiter.
Manche Grundzüge haben sich sogar bis in die Neuzeit erhalten. Seit dem
8; Jahrhundert etwa war die von den Römern erlernte Dreisel der Wirtschaft
allgemein üblich. Man zerlegte den Acker in drei ziemlich gleiche Felder oder
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TM Hauptwörter (100): [T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Sachsen Nord Westfalen Holstein Sachseu-