6 Die Begründung des brandenburgisch-preußischen Staates.
überhand genommen, und gotteslästerliches Fluchen, wie man es von den Landsknechten gelernt hatte, und wunderlichster Aberglaube waren unter dem Volke weit verbreitet.
Auch das alte, stolze. Selbstbewußtsein war den Deutschen geschwunden. Mit Bewunderung staunte man alles Ausländische und Fremde an und,ahmte die Lebensgewohnheiten, die Sitten und Unsitten der Ausländer nack. als ob man sich seines deutschen Wesens schäme. Nach französischer Mode bedeckten die Männer ihr Haupt mit langen Lockenperücken, und die Frauen erschienen in weiten Reisröcken und engen Schnürleibern. Ja, auch in die deutsche Sprache mengte man fremde Worte, daß sie kaum noch als deutsche zu erkennen war.
c) Die Ohnmacht des Deutschen Reiches. Der 30jährige Krieg hatte auch die Einheit des D eut schen Reiches fast vollständig vernichtet. Der Kaiser war zwar noch dem Namen nach das Oberhaupt des Reiches, aber er hatte über dieses fast keine Macht mehr. Ohne Zustimmung des Reichstages, der damals feinen ständigen Sitz in Regensburg hatte und aus 240 Abgesandten der Stände zusammengesetzt war, konnte der Kaiser weder über Krieg und Frieden beschließen, noch Gesetze erlassen und ein Heer ausrüsten. Die deutschen Reichsfürsten waren selbständig regierende Herren in ihren Ländern geworden, die, ohne den Kaiser zu fragen, Krieg führen und Bündnisse sogar mit ausländischen Fürsten abschließen dursten, wenn es für sie von Vorteil war und nicht gegen Kaiser und Reich ging. So war Macht und Ansehen des Deutschen Reiches geschwunden.
d) Der Verfall des Wirtschaftslebens in Stadt und Land. Auch das ganze Wirtschaftsleben im Deutschen Reiche war durch den großen Krieg vollständig zurückgegangen. Die G e-werbtätigkeit in den entvölkerten Städten lag darnieder. Die Handwerker besaßen leine Mittel, um sich die Rohstoffe zur Verarbeitung anzuschaffen. Und hatten sie mit Not und Mühe Verkaufsgegenstände hergestellt, so fehlte es an Käuferu._da kein Geld im Lande war. Der Handel, namentlich der überseeische, ging ganz an die Ausländer über; denn auch die alten Hansastädte hatten durch den Krieg den letzten Stoß erhalten. Früher waren deutsche Kaufleute ins Ausland gezogen, hatten dort ihre Waren abgesetzt und Geld heimgebracht; jetzt kam der fremde Kaufmann ins Land, bot feine Waren aus und zog das Geld aus dem armen, deutschen Lande. Ein besonders trauriges Los hatte der Bauernstand. Nicht nur daß er ganz und gar verarmt war, er ging auch mehr und mehr den letzten Rest seiner Frei i t verloren, und die Meinung
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König]]
Die Landwirtschaft.
123
grötzert wurde. Als dann nach Gründung des Deutschen Reiches die Industrie einen gewaltigen Aufschwung nahm und viele Arbeiter brauchte, auch bessere Löhne zahlte, verließen viele Tagelöhner und Klein st ellenbesitzer ihre Heimat, gaben ihren alten Beruf auf und wanderten nach den großen Städten und den Jndustriebezirken des Westens ab, weil sie hofften, hier ein besseres Auskommen zu finden. So entstand in den meisten Teilen Deutschlands ein stetig wachsender Mangel an ländlichen Arbeitskräften, der sich besonders in der Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst jedes Jahres da fühlbar machte, wo ein ausgedehnter Hackfruchtbau betrieben wurde. So war man genötigt, Arbeitskräfte aus fremden Ländern heranzuziehen. Am frühsten und stärksten geschah dies in der Provinz Sachsen, wo der Zuckerrübenbau in besonders großem Umfange betrieben wurde. Man nannte deshalb die dortigen Wanderarbeiter Sachsengänger, und diese Bezeichnung ist später auf alle Wanderarbeiter angewendet worden.
Heute finden wir fast überall auf den großen Gütern Wanderarbeiter aus Rußland, Ungarn und der Balkanhalbinsel; und man schätzt nicht zu hoch, wenn man annimmt, daß in jedem Frühjahr 300 000 landwirtschaftliche Arbeiter aus fremden Ländern nach Deutschland gebracht werden.
Um den politischen Nachteilen des Zuzugs ausländischer Arbeiter einigermaßen entgegenzuwirken und wieder einen seßhaften Stamm einheimischer Arbeiter und Kleinstellenbesitzer zu schaffen, hat Preußen von neuem die innere Kolonisation aufgenommen; sie soll gefördert werden durch das Ansiedelungsgesetz von 1886 für Polen und Westpreußen und durch das für die ganze Monarchie bestimmte Rentengutsgesetz von 1890/91. Beide Gesetze haben eine gute Wirkung gehabt. Die Ansied-lungskommission hat bis 1907 in Westpreußen und Posen 46 Quadratmeilen Landes aufgeteilt und an 14135 Ansiedlerfamilien vergeben und 341 neue Dörfer gegründet. Infolge des Rentengesetzes sind bis 1906 138 000 ha Land aufgeteilt und 12 000 Rentengüter geschaffen worden.
5. Der landwirtschaftliche Betrieb.
Eine wesentliche Änderung der bisher geübten Betriebsweise ist in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht eingetreten. Man schritt auf dem eingeschlagenen Wege des Fruchtwechsels weiter. Durch Verwendung der Kraftfutter- und Düngemittel waren die Landwirte in die Lage gekommen, die Fruchtfolge und das Verhältnis zwischen Getreidebau und Futterbau, zwischen Bodennutzung und
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Provinz_Sachsen Sachsengänger Ungarn Deutschland Polen Westpreußen Posen
340
weiten Umkreis. Es ist eine besondere Schasrasse, die Heidsch nucke,
welche die Weide am besten ausnutzt; sie ist von kleiner Statur,
kahlem, schwarzem Gesicht und trägt lange, wenig gekräuselte
Wolle. Das Fleisch der Tiere ist besonders wohlschmeckend
und wird dem der anderen Rassen vorgezogen. Bei der Abnahme
der großen Heideflächen, dem schon erwähnten geringen Ertrag der
Schafzucht werden auch die Heidschnucken immer mehr verschwinden
und bald zu den Seltenheiten gehören. Die Imkerei ist in der Heide
mehr als anderswo verbreitet, weil den Bienen zur Blütezeit sich
reichlich Nahrung bietet, und der Heidehonig als vorzüglich bekannt ist.
Solche Nutzungen sind selbstverständlich wenig gewinnbringend, und
von jeher hat der Bewohner der Heide mit eisernem Fleiß durch Ur-
barmachung bald kleinere, bald größere Stücke zur Kultur herangezogen.
Diese Kulturen werden in neuerer Zeit systematisch fortgesetzt. Forst,
Ackerland und Wiese verdrängen die eintönig mit Heidekraut bedeckten
Flächen. Der Boden ist ein ungeschichteter Decksand mit Geröllbe-
ftreuung, welche nach Aussage der Geologen aus der Ii lergletscherung
der norddeutschen Tiefebene entstanden sein soll und das Tertiär bald
in geringer, meistens in starker Mächtigkeit überlagert. Je nachdem
der Grundwasserstand ein hoher oder niedriger ist, wird die Art der
Kultur zu bestimmen sein. Ein Feind aller Kultur ist der Ortstein
ein Humussandftein, der durch Verkittung der Sandkörner mit
Humusverbindungen entstanden ist oder auch noch im Entstehen be-
griffen ist. Ec erstreckt sich oft meilenweit in ununterbrochener Schicht
in verschiedener Tiefe und Stärke und verhindert durch seine Nndurch-
lässigkeit für Wasser und Luft jede Kultur höherer Pflanzen. Er muß
unter allen Umständen durchbrochen werden. Wo das nicht möglich
ist, wird die Heide noch lange ihre Herrschaft behalten. Auf den
dünenähnlichen Kuppen, den Ebenen mit tiefem Grundwasserstand ist
die Forftkultur das einzig Richtige. Aber bei der zum Teil großen
Ausdehnung der zu einem Hof gehörigen Ackerfläche, den geringen Ge-
treidepreisen ist es vorteilhaft, die vom Hofe entfernt liegenden Ländereien,
auch wenn sie zu Ackerland brauchbar sind, zum Waldbau heranzu-
ziehen. Wenn der angesamte Wald auch dem lebenden Geschlecht keine
Rente abwirft, so ist er doch eine Sparbüchse für die Nachkommen.
Der Wert des Holzes ist im Steigen begriffen, und die Verwendung
desselben eine vielseitige. Bei gesundem Boden ist die Arbeit keine allzu-
schwierige. Die Heide wird entfernt durch Plaggenhieb oder auch durch
Brennen, und die Kiefer auf den durch Pflug oder auch nur oberflächlich
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
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Iv
den Spuren seiner Vorväter dahinschreitend, die neuere Zeit mit ihren
Erfindungen und Entdeckungen vorsichtig prüfend und sich ihr allgemach
anschmiegend, hat sich das deutsche Bauernvolk langsam eine achtungs-
volle Stellung erobert. Es wird ihm in der Zukunft noch ein glück-
licheres Los beschieden sein, wenn es nicht verabsäumt, gleich den
verschiedenen anderen Ständen, auch an dem geistigen Wettkampfe
teilzunehmen, der heute alle, die nicht zurückbleiben wollen, in seinen
Bann zieht.
Und zu diesem Wettstreite auf geistigem Gebiete ist gegenwärtig
jedem bequeme Gelegenheit geboten. Staats- und Provinzialbehörden
wetteifern miteinander, um die Heranwachsenden Bauerngenerationen
mit dem notwendigsten Rüstzeuge des Wissens auszustatten, damit sie
in der Lage seien, später den Anforderungen ihres Berufes zu genügen
und den Kampf ums Dasein erfolgreich aufzunehmen. Zahlreiche
landwirtschaftliche Schulen und Zeitschriften sowie eine bis ins Kleinste
gehende Fachlitteratur dienen demselben Zwecke. Auch das vorliegende
Buch erhebt bescheiden den Anspruch, eins der kleinen Hülfsmittel sein
zu wollen, durch die allen denen, die „guten Willens" sind, geholfen
werden soll. Ob diese gute Absicht erreicht ist, darüber mögen Er-
fahrung und berufene Kritiker entscheiden.
Bevor die Herausgeber ans Werk gingen, haben sie eine große
Masse bereits vorhandener Litteratur geprüft und verglichen. Wieviel,
oder richtig gesagt, wie wenig davon benutzt worden ist, wird jeder
leicht erkennen, der sich die Mühe gibt, einen Vergleich zu machen.
Der umfangreichste Teil des Buches: Landwirtschaftliches besteht
z. B. durchweg aus Originalbeiträgen, die eine Anzahl gediegener,
theoretisch und praktisch erprobter Kräfte als Mitarbeiter freundlichst
geliefert haben. Allen diesen Herren sprechen wir hiermit für ihre
bereitwillige Unterstützung unsern aufrichtigsten Dank aus; desgleichen
auch dem rührigen Herrn Verleger, der stets in zuvorkommender, ver-
ständnisvoller Weise das Werk gefördert und uns mit seinen praktischen
Ratschlägen gedient hat.
Gl atz, der: 5. September 1904.
Die Herausgeber.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium]]
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64
in der Hand sollen die friesischen Frauen gegen die Dänen vorgegangen
sein, als ihre Männer wichen, und mehr als eine Frau hat in Männer-
kleidung ari den Befreiungskämpfen im Anfange unseres Jahrhunderts
heldenmütig teilgenommen.
In der Familie gehört der Fron in erster Linie die Erziehung
der Kinder. Diese wachsen neben und unter den Haustieren auf,
an denen der Deutsche schon in ältester Zeit fast mit Zärtlichkeit hing.
Durch den Umgang mit den Haustieren sollte das Kind den Ausdruck
seines Gemüts, seine Menschlichkeit üben. Waren die Knaben älter
geworden, so kamen sie gewöhnlich zum Mutterbruder, der ihnelt ltach
dem Vater am nächsten stand und der in jeder Weise für das Wohl
seines Neffen sorgte. Im Mittelalter nahm dieselbe Stellung, die in
altgermanischer Zeit der mütterliche Oheim hatte, der Pate (Götte) ein,
der ja in vielen Gegenden Deutschlands noch heute für Leib lind Seele
seines Tauskindes zu sorgen hat.
Ntlr wenige Völker besitzen von Haus aus ein so ausgeprägtes
Rechtsgefühl und so seines Unterscheidungsvermögen für Recht und
Unrecht lvie die germanischen. Dieser scharf ausgeprägte Rechtssinn,
der sich in unserem Volke bis heute erhalten hat, läßt den Germanen
anch seit grauer Vorzeit für die Menschenrechte eintreten. Hieraus
erklärt sich die Stellung, die jederzeit die Leibeigenen, später das
Gesinde bei den germanischen Völkern eingenommen haben. Sie galten
als ein Teil der Familie und sind auch dem entsprechend behandelt
worden. Welch ein Unterschied zeigt sich in diesem Punkte zwischen
den hochentwickelten Römern und den Germanen! Dort wurde bei
dem geringsten Versehen der Knecht gepeitscht, mit Fesseln und Zwangs-
arbeit belegt, sogar Husten, Niesen, Schluchzen wurde mit Schlägen
geahndet; hier dagegen besaß der Knecht fast seine volle persönliche
Freiheit. Er hat nur gewisse Abgaben an den Herrn zu zahlen;
kommt er diesen Pflichten nach, so läßt ihn der Herr schalten und
walten. Daher lesen wir nirgends etwas von Sklavenunruhen, wie
sie die Staaten griechisch-romanischer Völker wiederholt in Bewegung
gesetzt haben.
Marin mit Weib, Kind und Gesinde bildeten bei den Germanen
die Hausgenossenschaft, die Familie. Wie noch heute die Familie
das ganze Sinnen und Trachten des Deutschen umspannt, wie er sich
am wohlsten am häuslichen Herde fühlt, wie er hier Erholung von
den Mühsalen des Lebens sucht und findet, so ist es seit uralter Zeit
gewesen. Der Deutsche ist meist verschlossen nach außen hin, aber im
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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1
— 67 —
schon beim Anstriche der Wohnung und bei dem Purpurstreifen, der
häufig in das Linnengewand der Frauen eingewebt war, die Freude
an grellen Farben, die wir bis auf den heutigen Tag bei der länd-
lichen Bevölkerung wahrnehnren können. Nur auf ihre Haartracht
legten einige Stamme besonderes Gewicht, denn das lange, freie Haar
ist das Zeichen des freien Mannes. — Auch die Kost ist einfach: wilde
Bnumfrüchte, frisches Wildbret oder saure Milch vertreiben den Hunger.
Das Getränk ist hauptsächlich ein Gebräu aus Gerste. In dieser
Einfachheit lebten die Germanen auch fort, als römische Kaufleute
ihr Land durchzogen und ihnen die Erzeugnisse ivärmerer Länder zu-
zuführen bemüht waren. Die Gallier, die Borfahren der heutigen
Franzosen, finb infolge des Verkehrs mit den Römern allmählich ver
weichlicht, die Germanen aber beharren, zäh und konservativ, wie ihr
Bolkscharakter es bedingte, in ihrer einfacheren, volkstümlichen Weise:
sie nehmen nur an, was ihrem nüchternen, unverdorbenen Sinne zu-
sagt, und auch das passen sie erst mit echt germanischer Aneignungs-
kraft ihrem eigenen Wesen^an. E. Mögt.
2. Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Karls des Groszen.
(768-814).
Mit Karl dem Großen beginnt ein neuer Zeitabschnitt für Deutsch
lands Ackerbau. Dieser Fürst widmete dein Landbau die eifrigste
Sorgfalt, munterte zur Rodung der Wälder auf und überließ denen,
welche solche Arbeit verrichteten, einen Teil des gewonnenen Bodens
als Grundzins leistendes Eigentum. Und nicht nur durch Gesetze und
Verordnungen suchte er Ackerbau und Viehzucht zu heben, er selbst
ging durch Einrichtung von Musterwirtschaften auf seinen Hausgütern
(Meierhöfen, Domänen) den Landbauern mit gutem Beispiele voran.
Auf alles sah er hier persönlich und ließ sich selbst die Rechnungen
vorlegen.
Noch zwei Jahre vor seinem Tode erließ der Kaiser eine Verord-
nung über die Bewirtschaftung seiner Güter, welche über den Stand
des Ackerbaus höchst wissenswerte Aufschlüsse gibt. Darin wird ge
handelt von der Bebauung der Getreidefelder und der Wiesen, von
der Forstwirtschaft, von der Viehzucht, von der Pflege der Pferde, von
der Bienenzucht und sehr ausführlich vom Gartenbau. So erfahren
wir, auf welche Blumen und Gemüse die deutsche Gärtnerei zu Anfang
des 9. Jahrhunderts, also vor 1000 Jahren, Fleiß und Sorgfalt ver-
wandte; wir erhalten Kunde, daß Rosen, Lilien und andere Zier-
5*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Extrahierte Personennamen: Karls Karl_dem_Großen Karl
71
4. Von der Landwirtschaft und ihrer Ausgabe.
Unsre Erde ist auch unsre Mutter, wel-che uns alle nährt und
kleidet und in unermeßlicher Fülle darbietet, was zur Notdurft und
zum Genusse des Lebens gehört.
Der Erde ihren Segen abzugewinnen und sie so zu pflegen, daß
sich dieser ununterbrochen erneuert, ist zunächst der Beruf des Land-
wirts, sei er Ackersmann oder Obstzüchter oder Winzer. Jeder ist
darauf hingewiesen, das Land zu bebauen, damit es ihm Ernte gebe
zu seiner Zeit.
Soweit unsere geschichtlichen Kenntnisse zurückreichen, wissen wir,
daß die ältesten Völkerschaften bloß voll der Jagd auf die Tiere des
Feldes, des Waldes imd des Wassers lebten. Je mehr sich aber die
Menschen nlehrten lmd das Wild sich minderte, desto unsicherer imb
mühseliger wurde dieser Erwerb. Die Menschen begannen nun, einzelne,
besonders geeigllete Tierarten zu zähmen und zu pflegen, und aus den
Jägervölkern wurden Hirtenvölker.
Sie konnten es bleiben, solange ihre Herden genügende Weiden
fanden; sobald aber die natürlichen Weideplätze llicht mehr ausreichten,
waren sie gezwllngen, dem Boden durch künstliche Mittel und dllrch
Bepflanzung mit gewissen Nährgewächsen eine genügende Menge von
Nahrnngsstoffen abzugewinnen. Sie wurden Ackerbauvölker, und
der Ackersmann verdrängte den wandernden Hirtell.
Dalnit war aber der Grund zu der ganzen späteren Gesittung
der Menschheit gelegt. Nun erst war sie veranlaßt, feste Wohnplätze
zu nehmen und ordentliche Hütten zu bauen. Mit den ersten bleibenden
Ansiedelungen entstand das persönliche Eigentum, und gleichzeitig ent-
wickelten sich damit gewisse Rechtszustände. Die weitere Entwickelung
des Landbaues führte zu Gewerben und Künsten verschiedener Art,
verband die Leute zu Tausch und Handel, milderte und veredelte ihre
Geselligkeit und Gesittung. So ist der Stand des „Bauern" im
weitesten Sinne des Wortes nicht nur der älteste und ehrwürdigste
der menschlichen Gesellschaft, sondern ist ihr auch zur Quelle unendlichen
Segens geworden. Der Landbau hat die Völker erhalten, und
diejenigen, welche sich ihm nicht widmeten, sind größtenteils spurlos
verschwunden.
In neuerer Zeit hat sich die Gewerbetätigkeit aller Art sehr ver-
vollkommnet, und ihre Erzeugnisse haben sich außerordentlich vermehrt.
Während Deutschland um die Mitte des 19. Jahrhunderts als Acker-
banstaat galt, dessen Bewohner zu 65 % in der Landwirtschaft tätig
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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I. geschichtliches und Kulturgeschichtliches
1. Deutsche Sitten und Bräuche in alter Zeit.
Es sind reichlich zwei Jahrtausende vergangen, seit die germanische
Rasse das erste Mal in die Weltgeschichte eingegriffen hat. Seit dieser
Zeit kennen wir auch unser Volk in all seinem Tun und Treiben.
Die Römer, denen ivir die ältesten Nachrichten über nltgermanische
Sitte verdanken, sind voll des Ruhmes von der gesunden Natur, der
Jugendfrische und der großen Innerlichkeit unserer Vorfahren. Sie
stellen den Charakter dieses Volkes und seine Sitten in vollen Gegen-
satz zu sich selbst und zu seinen westlichen Nachbarn, den Galliern.
Ganz besonders rühmen sie die Sittenreinheit der Germanen, aus
der sich die Heiligkeit der Ehe und die hohe Stellung, die die Frau
bei ihnen einnimmt, erklärt. Der Ehebruch, der ungemein selten vor-
kam, wird aufs härteste bestraft: mit abgeschnittenen Haaren und
entkleidet wird die Verbrecherin in Gegenwart der Anverwandten von
dem Gatten aus dem Hause gestoßen und durchs Dorf gepeitscht. Die
Tugend preiszugeben, fand keine Entschuldigung. —
Aus dieser Achtung vor dem Weibe, in dein man etwas
Heiliges, ein mit besonderen inneren Kräften begabtes Wesen erblickte,
erklärt es sich, daß sie der Mann nicht als seine Dienerin, sondern
als Genossin in sein neues Heim führt: ein gezäumtes Roß, Schild,
Schwert und Lanze hat er ihr geboten, als er in Gegenwart ihrer
Verwandten die „Bevormundung" über sie angetreten hat; sie soll die
ebenbürtige Genossin seiner Mühsale und Gefahren werden. Jahr-
hunderte hindurch hat sich dieser altgermanische Zug der Kampfeslust
und Willensstärke bei der deutschen Frau erhalten: mit den Grütztöpfen
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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150
einweicht und in einer durch zerkochtes Hirschhirn zubereiteten Brühe
solange knetet, bis sie davon ganz durchdrungen sind. Darauf reibt
und zieht man sie auf ein scharfes Brett, bis sie trocken, schneeweiß
und samtweich werden. Um sie in dieser Weichheit und Geschmeidig
keit zu erhalten, räuchert man sie über einem schwachen Feuer, von
dem ein dicker Qualm aufsteigt. Dadurch bekommen die Felle eine
braungelbe Farbe und einen eigentümlichen Geruch, und weder Wasser
noch Sonne können ihnen ferner etwas anhaben. Aus diesem Leder
verfertigt sich jeder seine Schuhe und Strümpfe sowie sein Jagdwams.
Wunderbar ist es, wie vielfachen Gebrauch die Farmer von der Art
zu machen wissen und mit welcher Geschicklichkeit sie diese führen.
P. Buchholz.
38. Vorherbestimmung der Witterung.
Jeder Landwirt soll bestrebt fein, sich genaue Kenntnisse über die
klimatischen Verhältnisse seines Wohnsitzes zu erwerben und wenigstens
die für das Gedeihen der Feldfrüchte wichtigsten Elemente, Temperatur
und Niederschläge, aufmerksam zu verfolgen. Der Einblick in diese
Verhältnisse gibt wertvolle Winke für das praktische Wirken des Land
wirts, welches in so hohem Grade vom Witterungsgange beeinflußt
ist. Bei dem heutigen Stande unseres Wissens ist aber eine Vorher
beskimmung des Wetters für länger dauernde oder ferner-
liegende Perioden wohl nicht möglich.
Handelt es sich aber um eine Witterungsvorhersage für den
nächsten und übernächsten Tag, so besitzen wir schon bessere Anhalts-
punkte hierfür. Die auf Erfahrung ruhende Methode dieser Vorher-
sage fußt auf der Wahrnehmung gewisser Vorkommnisse in der leb
losen und belebten Natur, auf der Beobachtung des Zustandes der
Atmosphäre und der Vorgänge in derselben; die wissenschaftliche
Methode stützt sich auf die Kenntnis der Luftdruckverteilung über größere
Gebiete der Erde und der Lage und Fortbewegung der sogenannten
Depressionen.
In der leblosen wie in der belebten Natur treten manche Er-
scheinungen auf, welche mit dem augenblicklichen Zustande der
Atmosphäre in Beziehung stehen, und deren richtige Deutung daher
auch Schlüsse auf die kommende Witterung gestattet.
So deuten das Schwitzen der Steine, der sog. Erdgeruch, der lästige Geruch der
Dungstätten und Aborte, das Feuchtwerden und Zerfließen des Steinsalzes auf größere
Feuchtigkeit der Luft und gelten als Vorboten von Regen. — Auch Haare, Sailen,
Grannen und Früchte mancher Pflanzen dehnen und strecken sich in feuchter Luft, ver«
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]
TM Hauptwörter (200): [T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
277
Die Heimat der Bienen ist die alte Welt, doch sind die ver-
schiedenen Arten heute über die ganze Erde verbreitet. Die deutsche
Biene kommt im nördlichen Europa (bis zum 10° und 61° n. Br.),
in Mitteleuropa, im nördlichen Spanien, im Norden von Afrika, in
Guinea und in Amerika vor. Die italienische Biene ist von der
deutschen wenig verschieden; denn sie stimmt mit dieser in der Größe
und in der Behaarung überein, unterscheidet sich jedoch von ersterer
durch die gelb- bis braunrote Färbung der beiden ersten Leibesringe.
Cie wurde erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts (im Jahre 1853)
durch Frl. Prollins in Deutschland eingeführt und durch Dr. Dzierzon
in Jmkerkreisen bekannt gemacht.
Eine festbegrenzte Rasseneinteilung unserer Honigbiene besteht
nicht; denn innerhalb der einzelnen Rassen sind mannigfaltige Über-
gänge der einen Rasse in die andere zu beobachten. Die Veränder-
lichkeit innerhalb der einzelnen Rassen ist eine sehr große und kann
durch die verschiedensten Umstände, wie Klima, Behandlung, Tracht-
verhältnisse u. s. w. begünstigt werden. Wenn auch durch diese Um-
stände keine neuen Rassen gebildet werden, so können durch diese Ein-
wirkungen doch Abweichungen innerhalb einer Rasse entstehen, welche
die Bildung von Varietäten oder Spielarten zur Folge haben. Solche
allgemein bekannten Varietäten unserer nordischen Bienen sind: die
Heidebiene und die kramische Biene.
Die Heidebiene ist vorzugsweise in der Lüneburger Heide, in
Holstein, Schleswig, Brandenburg und Oldenburg anzutreffen. Sie
ist von der allgemeinen deutschen Biene nicht zu unterscheiden, zeichnet
sich aber durch große Schwärmluft aus.
Die engere Heimat der krainischen Biene ist der Krain und die
benachbarten Länder. Auch ne vermehrt sich reichlich durch Schwärme,
was mit der reichlichen Erzeugung männlicher Bienen im Zusammen-
hange steht.
Ii. Der Bienen st o cf.
Unter Bienenstock versteht man den Bienenstall (Korb oder Kasten),
den Wochsbau und das Bienenvolk. Der Korb oder der Kasten stellt
i Wohnung der Bienen dar und schützt dos Volk gegen die Unbill
der Witterung. In der Wohnung befindet sich ein eigeuacnger Zeuen-
bau, die Wachswaben, welche den verschiedensten Zwecken dienen:
einmal zur Aufnahme des erngetragenen Honigs und Blütenstaubes,
und zum anderen geben sie die Brutbehälter und Sitzplätze für das
Bienenvolk ab.
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Mitteleuropa Spanien Afrika Guinea Amerika Deutschland Lüneburger_Heide Holstein Schleswig Brandenburg Oldenburg Krain