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geschichte vertieft und erweitert wird. Man muß sich klar darüber werden,
daß der gegenwärtige Anblick von Berg, Tal und Wald, Erde und Wasser,
von der Gruppierung und Mannigfaltigkeit der Pflanzenwelt, von dem bunten
Tierleben auf den Feldern, in den Gewässern und in den Verstecken des
Waldes nur ein Momentbild ist, daß vieles vor hundert Jahren ganz
anders war und nach abermals hundert Jahren vielleicht noch stärker vom
gegenwärtigen Zustand abweichen wird. Freilich können wir in das Dunkel
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200
den Laien überraschen. Auch in unserer Provinz ist diese Pflanze vielerorts
vorhanden.
Wahre Sammelplätze für die eindringenden Fremdlinge sind die Güter-
bahnhöfe, die mit einigem Recht als die Herbergen jener blinden Passagiere
gelten können. Hier begegnen uns Asiaten und Afrikaner, Kinder der un-
garischen Pußta und der südrussischen Steppe, fremdartige Gestalten aus
dem subtropischen Südamerika oder den Vereinigten Staaten, Landsleute
vom rebenbekränzten Rhein und Boten aus den sonnenheißen Mittelmeer-
ländern. Während des Sommers merkt man es dieser bunt zusammen-
gewürfelten Gesellschaft nicht an, daß die Wiege mancher ihrer Glieder von
der Glutsonne südlicher Breiten beschienen wurde. Wenn aber der Herbst
mit seinen Frosten naht, dann beginnt der große Tag der Sichtung, den
nur jene Arten überstehen, die Gebieten entstammen, deren klimatische Ver-
hältnisse sich den unsern in ein oder der andern Beziehung nähern. — Die
umfangreichste und mannigfaltigste Kolonie neuer Einwanderer lernen wir
auf den Bahnhöfen des Danziger Gebiets kennen. Hier besitzt Süd- und
Südosteuropa die reichste Vertretung. Daneben treten auch zahlreiche in
andern Gebieten heimische Arten auf. Die Invasion der Pflanzensamen
vermitteln in den meisten Fällen die Fracht-, sehr selten Personenzüge.
Diese sich aus dem modernen Verkehr ergebenden Verhältnisse erinnern
uns an die frühern Sammelplätze der advenen Flora, an die Ballastplätze.
Hier wurde von den einkehrenden Schissen der oft aus weiter Ferne her-
gebrachte Erdballast ausgeladen. Naturgemäß kamen auf den betreffenden
Geländen Pflanzen verschiedener Breiten zur Entwicklung. Besonders waren
in dieser Beziehung die Ballastplätze der alten Hansastadt Danzig berühmt,
auf denen die Flora der Mittelmeerländer reichlich vertreten war. Aber es
sind Bilder aus verflossenen Zeiten Schon seit einigen Jahrzehnten existieren
die Ballastplätze nicht mehr, und auf den großen Frachtdampfern macht man
es sich dadurch bequem, daß man statt des oft lästigen Erdballastes Wasser
einnimmt.
Ihre fremdartige Flora besitzen auch die Schutthaufen. Die Samen
ihrer Glieder gelangen meist durch Haus- und Straßenschutt an die neuen
Plätze. Ihrer Herkunft entsprechend bilden Küchen- und Gemüsekräuter das
Hauptgros: Dill, Fenchel, Pfefferkraut u. a. thronen auf den Schntthügeln
in lieblichem Nebeneinander. Nicht selten gelangen auch vegetative Teile
des Rettichs, der Petersilie u. a. an diese Lokalität und entwickeln sich dann
auf der nährstoffreichen Unterlage zu Riesen ihrer Art.
Auch der Obstfreund kommt zu seinem Recht. Oft zeigen sich Keim-
linge von Erd- und Himbeeren, Pflaumen und Kirschen, Äpfeln und Birnen,
Weinreben, Datteln und Apfelsinen. Auch der Blumengarten ist vertreten:
Reseda und Rittersporn, Chrysanthemum und Astern, die fortgeworfenen
Blumensträußen entstammen, bringen ein wenig Poesie in ihre Umgebung.
Aus dem Vogelkäfig haben ihren Weg hierher gefunden: Kanarienhirse, echte
Hirse, Hanf, Sonnenblumen u. a. Alles in allem: eigenartige Tischgenossen,
die an ihren fremden Wohnplätzen den Eindruck einer „Gesellschaft der Aus-
gestoßenen" Hervorrufen.
Schon kurz wurde auf jene Fälle verwiesen, in denen Kulturpflanzen
in die natürlichen Pflanzenvereine eindringen. Da fei zunächst einer Nord-
amerikanerin, der ausdauernden Lupine, gedacht, die man seit einigen Jahr-
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204
Die Tierwelt in einzelnen Gemeinschaften dargestellt.
1. Moore und Brücher.
Seltsamer Balzlaut ertönt durch die kalten Nebelschleier des Frühjahrs-
morgens, aus nebelnder Ferne tönt Antwort, und bald sind die Kämpen an-
einander: des Birkhahns Liebesspiel beginnt. Die Hähne suchen sich zu über-
bieten in der Entfaltung des Gefieders, in kapriolischen Sprüngen, und die
Henne schaut seitwärts geduckt diesem Schauspiel zu, das jedes beobachtenden
Naturfreundes Herz stets so sehr erfreut. Ringsumher ein leises Weben
und Wirken mancherlei Getiers, von nahen Torfblänken herüber schallt das
Geschnatter der Enten, die dort auf dem Zuge nach Norden einmal für ein
paar Tage Halt gemacht haben. Auch sind wohl schon einige Pärchen der
Märzente, der Schnatter- und Knäkente darunter, die auf diesen Torfblänken
und unseren Landseen ihren Brutplatz haben. Schon erhebt sich zu taumeln-
dem, spielerischem Fluge der Kiebitz, der Wächter dieser Tiergemeinschaft,
der mit lautem Warnrufe den Wanderer begrüßt, der ins Revier eindringen
will. Wieviel eigenartiges findet aber der Kundige hier namentlich unter
den niederen Tieren, die für unsere Moore die weitaus interessantesten sind.
Sind doch gerade hierunter eine ganze Reihe hochnordischer Arten, die wir
als Zeugen der Eiszeit anzusprechen wohl berechtigt sind. Meist unschein-
bares, genügsames Volk, aber auch der prächtige gelbe Tagfalter, Oolias
palaeno Esp., und ein Perlmntterfalter, Argynnis arsilache pales, ist dar-
unter; da schwirren in der ärgsten Mittagshitze die kleinen Nachtfalter aus
dem Eulengeschlecht: Ulnsia miero^amma Hb. und Anarta cordigera Thunb.
um die Blüten der Erika und des Vaccinium, aus dem Fliegengeschlechte
gesellt sich die prächtige Sericomyia lappona L. und die eigenartige Uogonota
hircus Zett. hinzu, im Herbste auch Elgiva lineata Fall., von den wanzen-
artigen Insekten ist Lerentbia tropidoptera Flor., die in ganz Deutschland
bisher nur auf dem Zwergbirkenmoor im Kreise Kulm gefunden ist, von den
Schnaken Idioptera pulebella Mg. mit stummelflügligem Weibchen zu nennen.
Fügen wir noch die abends erst fliegende Oelaeoa haworthi Curt., ebenfalls
ein Nachtfalterchen, hinzu, so haben wir die ältesten, vermutlich sämtlich eis-
zeitlichen Moorbewohner genannt. Dabei sind diese Tiere aber durchaus
nicht alle an größere Hochmoorflächen gebunden, vielmehr findet man sie
gelegentlich selbst auf ganz kleinen Torsgebieten, wenn diesen nur der alte,
eiszeitliche Charakter in ihren Grundwasser- und klimatischen Verhältnissen
geblieben ist. Die Fauna solcher Stellen ist an Arten arm, aber dafür be-
sonders interessant.
Reicher wird die Tierwelt auch dieser Geländeform, wo durch Unter-
brechung der Eintönigkeit infolge wechselnder Grundwasserverhältnisse auch
die Pflanzenwelt mannigfacher ist, sei es, daß das Land mehr das Gepräge
einer Wiese annimmt, sei es, daß reichlicherer Baumwuchs sich findet. 2
2. Moorige und torfige Wiesen.
Wiederum ist es hier zunächst die Jnsektenwelt, die unser Auge auf sich
zieht. Da irren langbeinige Schnaken, die niemanden stechen können, plumpen
Fluges über den Graswuchs, da kriecht im Grase eine Menge winziger
Mückchen aus dem Geschlecht der Heerwnrmmücke, Leiara, einher, daneben der
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216
später, andere früher, manche erst, nachdem sie bei uns noch das Kleid der
Jugend, das die meisten Wintergäste im ersten Jahre noch tragen, vertauscht
haben mit dem Prachtgesieder der Paarungszeit.
7. Wintergäste.
Auch drinnen im Lande ist die Bogelwelt eine andere im Winter als
im Sommer. Da sind die Zugvögel in gewaltigen Heerscharen nach Süden
Die Schneeeule, Nyctea nyctea L.
entwichen und andere Gäste nehmen von ihren Wohngebieten Besitz, solange
ihre eigenen Brutstätten unter nordischem Winterschnee und Eis begraben
liegen. Da kommt der nordische Dompfaffs), größer und farbenprächtiger
als der deutsche, der nordische Distelfink^), ein paar andere Finken, mit
ihnen der niedliche Seidenschwanz3 4) und die Schneeammerz, ihnen folgen
die Räuber des Nordens, der Rauhfußbussard5) und die schöne große
i) Pyrrhula pyrrhula maior. 2) Carduelis carduelis maior. 3) Bombycilla garrula £.
4) Emberiza nivalis. 5) Archibuteo lagopus.
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217
Schneeeule die bildschöne Sperbereule2), die gelegentlich auch wohl in
Ostpreußen brütet. Sehr kalte Winter führen auch die Schneelerche zu uns,
einen sehr hübschen, kleinen Vogel, der ans der nördlichen Viertelkugel der
Erde von Amerika vordringend allmählich bis nach Skandinavien hin sein
Brutgebiet ausgedehnt hat. In einzelnen Jahren, dann nämlich, wenn die
Zirbelkiefern seiner sibirischen Heimat einen mangelhaften Fruchtertrag gehabt
haben, gesellt sich noch der eigenartige Tannenhäher hinzu, und zwar die
schmalschnäbelige Unterart2); die dickschnäbeligeh, in Skandinavien und den
Ostseeländern bis nach Ostpreußen hinein brütende, kommt häufiger zu uns.
Mit diesem Vogel bevölkern den winterlichen Nadelwald gerne die Kreuz-
schnäbel, deren eine Art2) auch noch als Seltenheit in unseren größeren
Wäldern brütet. Auch der ähnliche Hakengimpel2) ist hier zu nennen.
8. Nadelwald.
Der Nadelwald hat aber auch seine ganz charakteristische Sommersauna.
Charakteristisch zunächst insofern, als die wirklich ausgedehnten Waldkomplexe
bei uns wohl durchweg oder in ganz hervorragendem Anteil aus Nadel-
bäumen, in erster Reihe Kiefern, bestehen. Solche Waldkomplexe ersetzen bei
uns, auch wo sie die Ebene durchziehen, den Hochwald der Gebirge, und alle
die adligen Geschlechter der Tierwelt, die die vornehme Ruhe der Einsamkeit
lieben und zu ihrem Wohlbefinden brauchen, sie ziehen sich bei uns in den
ausgedehnten Nadelwald zurück. Leider läßt unsere Forstkultur kein Wald-
stück mehr recht alt werden und nimmt durch die schließlich im Umtrieb
wiederkehrende Beunruhigung des Holzausschlagens und Neuanschonens diesen
Geschlechtern immer mehr die zu ihrer Erhaltung notwendige Ruhe. Und
gerade unter ihnen sind die Gestalten der Volkspoesie und des Märchens,
von denen das deutsche Kind von klein auf immer wieder hört. Da horstet
der Steinadler7 8), des Tages größter Raubvogel, und der Uhu2), der größeste
der Nacht. Da brütet auf unzugänglicher Astgabel noch der Rabe^), alt-
deutschester Sage geweihter Odinsvogel, sie alle aber werden beunruhigt und
allmählich immer weiter dizimiert, so daß man ihre geringe Zahl schon leicht
übersehen kann. Was besondere Jagdfreude bringt, wird geschont, und so ist
der Auerhahn, einer der ältesten Bürger des wieder besiedelten Landes, noch
vielfach zu treffen. Im Nadelwald hat der schmucke Pirol10) sein Nest, den
die Kinder fröhlich „Junker von Bülow" nennen nach seinem Ruf, und der
prächtig kraftvolle Schwarzspechtu).
Fleißig meißelt er die kranken und von ihren Jnsektenfeinden befallenen
Bäume an, er weiß die zahlreichen Borkenkäserlarven unter der Rinde ebenso
hervorzufinden, wie die ticfsitzenden Larven der großen Holzwespen 12). Diese
Larven lenken unser ganz besonderes Interesse auf ihre Parasiten, denn
vbschon sie tief innen im Holz ihre Gänge fressen, die Schlupfwespen mit
den längsten Stacheln^) wissen sie doch zu ermitteln und bohren nun, schier
unbegreiflich wie, ihren Legestachel, der eines Roßhaares Dicke nicht übersteigt
und 5—6 cm lang wird, direkt durchs Holz dem Opfer in den Leib. Und
ihnen schließt sich Ibalia cultcllatoi- an, ein Unikum in ihrer Familie, nach
*) Nyctea nyctea. 2) Syrnium uralense. 3) Nucifraga caryocatactes f. leptorhynchus.
4) f. macrorhynclms. 5) Loxia pityopsittacus. 6) Pinicola emicleator. 7) Aquila chrysaetos.
8) Bubo maximus. 9) Corvus corax L. 10) Oriolus galbula L. 14) Picus martius L.
12) Sirex, Paururus usw. 13) Ephialtes, Rliyssa.
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Extrahierte Personennamen: Ibalia Aquila
Extrahierte Ortsnamen: Ostpreußen Amerika Skandinavien Skandinavien Holzausschlagens Loxia Paururus Rliyssa
232
Tierart werden wohl überall als Naturdenkmäler betrachtet werden; aber
in anderen Fällen sind je nach den Ländern und Landesteilen doch Ver-
schiedenheiten in der Auffassung berechtigt. Beispielsweise gehören in Nord-
deutschland die Gletscherschrammen auf anstehenden Felsen zu den größten
Seltenheiten und sind daher hier ohne weiteres als Naturdenkmäler anzu-
sehen; aber an.den Küsten skandinavischer Länder bilden sie stellenweise noch
so häufige Erscheinungen, daß sie dort nicht durchweg zu den Denkmälern
gerechnet werden würden. Ferner, ein Gewächs wie die krautartige Kornel-
kirsche, welche im nordwestlichen Deutschland an einigen Stellen, im östlichen
nur an einer Stelle vorkommt, ist hier ein Naturdenkmal; dagegen im nörd-
lichen Rußland, in Finland, Schweden usw. bildet sie auf weiten Strecken
eine häufige Erscheinung, so daß sie dort nicht zu den Naturdenkmälern ge-
hört. Weiter ein Vogel, wie die Beutelmeise, welcher im Weichselgebiet nur
wenige Male als Brutvogel beobachtet wurde, ist hier als Naturdenkmal
anzusprechen, während ihm in seiner südenropäischen Heimat eine solche
Stellung nicht gebührt. Hieraus ergibt sich, daß für die Beurteilung eines
Naturkörpers als Naturdenkmal eine Reihe verschiedener Faktoren maßgebend
ist, und eine Entscheidung kann immer nur nach Lage der Verhältnisse von
Fall zu Fall getroffen werden.
Wenn man nun eine Erläuterung des Begriffs in gekürzter Form geben
will, wiirde sie etwa lauten: Naturdenkmäler sind charakteristische Gebilde
der heimatlichen Natur, vornehmlich solche, die sich noch an ihrer ursprüng-
lichen Stätte befinden und von Eingriffen der Kultur völlig oder nahezu
unberührt geblieben sind: seien es Teile der Landschaft, Gestaltungen des
Erdbodens, Pflanzen- oder Tiergemeinschaften, einzelne Arten und Formen.
Nach H. Conwentz.
Gefährdung und Erhaltung der Naturdenkmäler.
Dünner mehr wird das Antlitz der Natur in unserm Vaterland, wie
in anderen Ländern, durch die fortschreitende Kultur verändert. Der Boden,
welcher durch das Wirken der Naturkräfte im Laufe der Zeiten hervorgebracht
ist, wird von Menschenhand wesentlich umgestaltet und häufig auch ganz
zerstört. Die urwüchsigen Bestände der Pflanzen- und Tierwelt werden
vernichtet oder ihrer Lebensbedingungen beraubt, und künstliche Züchtungen
treten an ihre Stelle. Soll nicht unser Volk der lebendigen Anschauung
der Entwickelungsstadien der Natur gänzlich verlustig gehen, so ist es an
der Zeit, die übrig gebliebenen hervorragenden Zeugen der Vergangenheit
und bemerkenswerten Gebilde der Gegenwart im Gelände aufzusuchen, kennen
zu lernen und möglichst zu schützen.
Zu den am meisten bedrohten Gebieten gehört der Wald, zumal er seit
Menschengedenken in besonderem Maße der Nutzung unterworfen ist. Vor-
nehmlich mit Beginn einer planmäßigen Wirtschaft geht der natürliche Wald
beständig zurück, und statt seiner erhebt sich die Forst, mit nur wenigen
ertragreichen Holzarten, meist in künstlich erzogenen Stämmen. Durch den
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338
man darin Messerchen aus Feuerstein, Pfeilspitzen, Steingerüte und Scherben
von Tongefäßen. Die ersten Bewohner Westpreußens hatten also schon feste
Wohnsitze und hielten Haustiere. Sie scheinen auch schon ein wenig Acker-
bau getrieben zu haben; denn einige gefundene Steingeräte lassen
sich nur als Hacken erklären, mit denen man den Boden lockerte.
Was von Gräbern aus der Steinzeit er-
halten geblieben ist, weist auf eine doppelte
Bestattungsart hin: entweder begrub man die
Leiche in liegender Stellung, oder man ver-
brannte sie und setzte die Asche in Urnen bei.
Man gab dem Verstorbenen einige Waffen
und Geräte, die er im Leben gebraucht hatte,
mit ins Grab. Jedenfalls glaubte man, daß
er sie im jenseitigen Leben gebrauchen werde.
Es sind nur sehr wenig Gräber aus der
Steinzeit entdeckt worden, weil die Stein-
kreise, die man über dem Grabe errichtete, Bronzespirale
meistens längst zerstört worden sind. aus dickem
Wir dürfen nicht annehmen, daß; die Bronzeband.
Menschen der Vorzeit in völliger Weltabge-
schiedenheit dahinlebten. Es bestand schon damals ein Verkehr
mit den Nachbarvölkern, man tauschte Erzeugnisse der Heimat
gegen Produkte der Fremde aus. Durch den Zwischenhandel
von Volk zu Volk fand manches seinen Weg aus weiter Ferne
auch in unser abgelegenes Weichsel-Ostsee-Land. Auf diese Weise
lernten unsre Altvordern metallene Geräte und Waffen kennen,
die ihren alten Steinsachen überlegen waren. Der Häuptling
eines Weichselgaues, der zuerst Gefallen fand an den glänzenden
Bronzesachen, die der Händler aus dem Süden mitgebracht
hatte, und den ersten
ehernen Kelt, das
erste goldglünzende
Schmuckstück aus
Bronze erwarb, ahnte
gewiß nicht, daß er
damit einer neuen
Kultur die Tür öff-
nete. Es dauerte frei-
lich lange, bis oie Gewandnadel (Brillensibel) aus Bronze,
alten Steingeräte
durch die eingeführten Bronzesachen verdrängt wurden. Als
das leicht formbare, glänzende Metall den starren, unscheinbaren
Stein besiegt hatte und die Bronzekultur auf ihrer Höhe stand,
war auch in Sitte und Brauch ein Wandel eingetreten. Wir
sind verhältnismäßig gut über gewisse Abschnitte der west-
preußischen Bronzezeit unterrichtet. Waffen, Geräte und
Schmucksachen jener Zeit sind in nicht geringer Anzahl anfge-
funden worden. Nicht selten sind ganze Lager von Bronze-
schwert. fachen zum Vorschein gekommen, die vielleicht einstmals der
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— 348 —
öott Wehr und Waffen den Diener der Göttin sorglos auch unter Feinden.
Sie gebrauchen Eisen wenig, aber viel Knütteln. Getreide und die übrigen
Feldfrüchte bauen sie mit mehr Ausdauer, als es sonst bei der bekannten
Trägheit der Germanen der Fall ist. Sie durchforschen auch das Meer
und sammeln, allein von allen, den Bernstein, den sie glaesum nennen, bei
den Untiefen und am Gestade. Über seine natürliche Entstehung wissen sie
nichts und haben — Barbaren! — natürlich auch nicht weiter darnach
geforscht. Lange lag er unter den übrigen Auswürfen des Meeres, bis
unser Luxus ihm einen Namen machte. Sie haben keine Verwendung dafür,
roh wird er aufgesammelt, unbearbeitet weitergegeben; und verwundert
empfangen sie den Preis. Man muß übrigens wissen, daß er aus Baum-
saft besteht, denn es finden sich bisweilen Tiere, Kriechtiere und Insekten,
darin, die von der schnell erhärtenden Masse festgehalten und eingeschlossen
werden. — —
Sind die Ästier die Vorfahren der Pruzzen?
Sie wichtigste Frage, welche sich uns im Anschluß an den vorstehenden
Bericht des Taeitus aufdrängt, ist die: sind die Pruzzen oder Preußen, die
uns seit dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts als Bewohner
des Bern stein land es genannt werden, die Nachkommen eines der von
Taeitus erwähnten Völker der Ästier? Man hat die Meinung ausgesprochen,
daß vor den Preußen im Bernsteinlande die Goten gesessen hätten. Wer
sich zu dieser Annahme bekennt, wird notgedrungen die Taeiteischen Ästier
entweder als Goten ansehen oder voraussetzen müssen, daß sie von diesen
wenig später, als Taeitus schrieb, vertrieben worden seien. Im ersten Falle
müßte nach dem Abzüge der gotischen Ästier ein anderes Volk in ihre Sitze
eingewandert sein und ihren Namen überkommen haben. Im zweiten Falle
aber müßten die vertriebenen Ästier während der Völkerwanderung in ihre
alte Heimat zurückgekehrt sein oder an ihre Stelle sich ein drittes Volk
gedrängt haben, auf das dann der Name übertragen wäre.
Denn der Name Ästier, der zweifellos eine Bezeichnung der Germanen
für ihre östlichen Nachbarn war, wird zwar im Altertum außer bei Taeitus
nicht mehr erwähnt, aber seit dem 6. Jahrhundert für die Bevölkerung des
Bernsteinlandes an der Ostsee nach germanischen Quellen noch mehrfach
überliefert. So erzählt Jordanes, daß der gotische König Hermanarich (um
350 nach Christus) außer zahlreichen anderen Völkern auch die Ästier an
der Küste der Ostsee unterworfen habe. Derselbe Autor berichtet, daß zu
seiner Zeit (551) auf den Inseln des Weichseldeltas das Mischvolk der
Vidivarier, als Nachfolger des gotischen Stammes der Gepiden, wohnte,
und ihre Nachbarn im Osten die Ästier waren. Cassiodor erwähnt eine
Gesandtschaft der Ästier, welche dem großen Theodorich ein Bernsteingeschenk
überbracht hätte. Einhard tut der Ästier Erwähnung in seinem Leben Karls
des Großen, und schließlich hat König Aelfred in die Einleitung seiner
angelsächsischen Übersetzung der Weltgeschichte des Paulus Orosius um 890
den Bericht eines Seefahrers Wnlsstan ausgenommen, der selbst im Lande
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Extrahierte Personennamen: Christus Karls König_Aelfred Wnlsstan
355
Polen hinauf nach Norden. Da könnte man glauben, daß die Überlieferung
von Schloppe recht hat, wenn sie die dortige Einführung des Christentums
ins Jahr 996 verlegt. Ein Häuptling Dzierzykraj wird dabei genannt.
Hier hatten wir also eine Missionsstation der ältesten Zeit; int südlich ge-
legenen Dentfchkroner Kreis werden wir noch eine finden; ähnlich zu Danzig
die dritte, im Norden. Jedenfalls hatten die Fürsten Polens, schon um der
Befestigung ihrer Vorherrschaft willen, den allertriftigsten Grund, die zarten
Keime des christlichen Glaubens im so gern beanspruchten Land zu pflegen
und ihr Gedeihen auf alle Art zu fördern. Darum müssen es weit aus-
schauende politische Gründe gewesen sein, welche hinderten, Bischof Adalbert
von Prag nicht um Arbeit im nächstgelegenen Pommerellen zu bitten und
statt dessen ihn ins ferne Samland ziehen zu lassen. Lange genug weilte
Sankt Adalbert mit seinem vor der Wut der Czechen schon vorher dorthin
geflüchteten Bruder am herzoglich-polnischen Hof, als daß nicht alles für
und wider sorgfältig erwogen worden wäre Vielleicht fühlte man nach
guten Anfängen sich des Erfolgs in Pommerellen ohnehin sicher.
Ein Bild auf der uralten Tür des Doms zu Gnesen führt uns die
Landung Adalberts in Danzig anschaulich vor das Auge. Zu Wasser, die
Weichsel hinabfahrend, war er hier angekommen Es war kurz vor Ostern
997, etwa vierzehn Tage währte die Predigt. Der Erfolg ist überraschend
und wie gesagt nur durch Vorarbeit erklärbar. Dennoch wird noch keine
Kirche erwähnt, sie ist mithin erst nach dieser Zeit erbaut worden. Vielleicht
ist es die freilich erst 1270 mit drei anderen Danziger Gotteshäusern ge-
nannte Kirche Aller Heiligen (sonst auch St. Michael) zu Aller Gottes
Engeln gewesen. Denn dort, seewärts nach der Dünenkette hin, muß man
sich vor Entstehung der Altstadt das älteste Danzig gelegen denken.
Stille wird die altchristliche Gemeinde gewachsen sein. Einzelheiten sind
aber nicht bekannt. Daß Widerstand erstarkt wäre, als die Kunde von
St. Adalberts jähem Märtyrertode (am 23. April 997) sich verbreitete,
erzählt keine seiner doch so bald darnach verfaßten Lebensbeschreibungen.
Im Gegenteil, die Sage führt das im Tode erkaltete Haupt des Märtyrers
in unser Land zurück, von St. Albrecht bis nach Oliva sei es gewandert.
Möglich ist's immerhin, daß die St. Adalberts - Waldkapelle oberhalb
St. Albrechts das zweitälteste Gotteshaus im Lande ist; so erklärte es sich
am ungezwungensten, daß wir sie später gerade von Benediktinern bedient
finden, deren Regel St. Adalbert in Rom angenommen hatte. Aber das ist
nur eine Vermutung. Ad quercum, an der Eiche, war sie gebaut und
benannt. Auch das mag noch eine längst vergessene Beziehung zu St. Adalberts
Missionspredigt haben.
Man kann nicht umhin, das erste Jahrhundert der neuen Tausend-
zählung, 1000—1100, als eine im ganzen stille Zeit der weiteren Ausbrei-
tung des Christentums in Pommerellen zu betrachten, während es jenseits der
Weichsel in Preußen und ebenso zunächst in Pommern lebhaft abgewiesen
wurde. Wie sehr diese Vorstellung zutrifft, daß es sich um mehr friedliche
Fortschritte der Mission handelt, hilft der sehr wichtige Umstand beweisen,
daß der von Polen erbetene Bekehrungszng Bischofs Otto von Bamberg
sich nicht hierher, sondern nach Pommern wendete, 1124 und 1128. Niemals
ist von Absichten auf Pommerellen die Rede, Ottos Reiseweg berührt es
kaum. Gewiß hat es in den Wildnisdörfern des Höhenrückens noch viele
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Michael Albrecht Albrecht Albrechts Albrechts Bekehrungszng_Bischofs_Otto_von_Bamberg Otto Ottos
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Samboria für Pogutken, für Koschmin und Kobilla nebst der Berechtigung,
Leute jeder Herkunft daselbst aufzunehmen, 124^ und 1260 für Gollubieu,
verlieh er der Stadt Dirschau Lübisches Recht, und unter dem letzten
Herzog Mestwin Ii. werden diese Verleihungen immer zahlreicher, die nun
nicht mehr an die Geistlichkeit, sondern auch an weltliche Grundbesitzer
verteilt werden. Man kann nun zwar nicht nachweisen, wie weit von diesen
Berechtigungen Gebrauch gemacht sein mag, d. h. wieviel deutsche Bauern
eingewandert sein mögen, aber bei der fortdauernden Wiederholung ist es
doch höchst wahrscheinlich, daß der Erfolg nicht gefehlt haben wird. Namentlich
darf man das im Gebiete des Herzogs Sambor (Teile der Kreise Bereut,
Dirschau, Stargard) erwarten, der sich von Anbeginn seiner Herrschaft an,
im Gegensatz zu Swantopolk, auf die Seite des Deutschen Ordens stellte.
In seinem Gefolge erscheinen (als Zeugen in Urkunden) fast nur deutsche
Ritter, und er gründet Dirschau als vollkommen deutsche Stadt.
Daß in den beiden Städten Dirschau und Danzig die Deutschen überwiegenden
Einfluß besaßen, zeigen die Ereignisse von 1308, in denen die branden-
burgischen Markgrafen durch den Anschluß der Bürger an sie zum Besitz
gelangen. Dem Orden blieb dann die weitere Germanisierung Pommerellens
vorbehalten. Es scheint, daß er hier, der im preußischen Ordenslande so
erfolgreich war, nicht über Stückwerk hinausgekommen ist, denn am Ende
seiner Herrschaft ist fast der gesamte Landadel noch slavisch. Sv konnten
die Polen später manchen von slavischen Landesfürsten gestreuten Keim des
Deutschtums mit Leichtigkeit zertreten. H. Schuch.
Von der staatenbildenden Kraft des Deutschen
Ritterordens.
I. Grundlagen.
Zu verfolgen, mit welchen Mitteln menschliche Kraft zur höchsten
Spannung gebracht werden und welch gewaltige Wirkungen ihre Auslösung
haben kann — darin liegt die lebenspendende Kraft der Geschichte als eines
Teils der großen Lehre vom Leben; das allein rechtfertigt die Vertiefung
in Ereignisse, die Jahrhunderte und Jahrtausende zurückliegen. Dergestalt
in erster Linie als Krästezentrum betrachtet, ist der Deutsche Orden eine
unerschöpfliche Quelle in gleicher Weise für den, dem der Sinn des Lel ens
Erkennen, wie für den, dem er Schaffen ist. —
Uralte, aus längst vergangenen Zeiten noch fortdämmernde Auffassungen
vom Dienen(-Kämpfen), das Übertragen der altangestammten germanischen
Gefolgschaftsidee auf das religiöse Gebiet, die Neigung zu schwärmerischer
Hingabe, das in jener Zeit voll schwankender Unsicherheit allgemeine Streben
nach Anschluß an einen Bund, eine Genossenschaft, das Bedürfnis, einen
Halt zu ffnden, unterzukommen, um nicht unterzugehen — das alles hat
mitgewirkt, den eigenartigen und unsrer Zeit so schwer verständlichen Typus
des Bruders des Ritterdienstes Christi, des Ritterchristen zu schaffen. Er
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T57: [Orden Polen Preußen Land Hochmeister Ritter Marienburg Stadt deutsch Jahr], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König]]
Extrahierte Personennamen: Lübisches H._Schuch
Extrahierte Ortsnamen: Stargard Danzig Pommerellens Christi