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1. Teil 2 - S. 91

1882 - Leipzig : Brandstetter
Bibel, Predigt und Kirchenlied im 15. Jahrhundert. 91 14. Bibel, predigt und Kirchenlied int 15. Jahrhundert. (Nach: Geffcken, Der Bilderkatechismus des 15. Jahrhunderts. Leipzig. 1855. @.1—16. Hoffmann von Fallersleben, Geschichte des deutscheu Kirchenliedes. Hannover. 1861. S. 150-198.) Das 15. Jahrhundert ist oft, aber mit Unrecht, gering geschätzt worden. Die unendliche geistige Arbeit dieses Jahrhunderts, auf die allein schon die wunderbare Entfaltung der Buchdruckerkunst hinweist, und ohne welche der geistige Umschwung des 16. Jahrhunderts unmöglich gewesen sein würde, blieb größtenteils unerkannt. Die Wiedererweckung der klassischen Studien von Italien aus, die Entwickelung der Universitäten, die Männer, die man Vorläufer der Reformation oder Reformatoren vor der Reformation genannt hat, waren es, worauf allein die Aufmerksamkeit sich richtete. Aber der Gesichtspunkt „Reformatoren vor der Reformation" ist nur ein einzelner, nicht allein berechtigter. Wir treffen im 15. Jahrhundert viele Männer an, denen die großen informatorischen Gedanken des 16. Jahrhunderts fern lageu, und die doch in ihrer Weise trefflich und nach dem Maße ihrer Kräfte eifrig wirkten. Ihre treue Arbeit trug auch eitteu Teil dazu bei, eine neue Zeit herbeizuführen. Vor allem lastete schwer auf dem 15. Jahrhundert, daß die Bestrebungen nach einer wahren Besserung der Kirche an Haupt und Gliedern wieder und immer wieder zurückgedrängt wurden. Mit dem Eintritt der Reformation nahm die geistige Strömung der Zeit eine ganz andere Richtung, und wenn der Strom mächtig anschwoll, so konnte es leicht geschehen, daß in seinen Wogen gar nicht mehr unterschieden wurde, was doch aus den Quellen des 15. Jahrhunderts geflossen war. Zu den Vorurteilen gegen das 15. Jahrhundert gehören besonders die Meinungen, die Heilige Schrift sei unter den Geistlichen, besonders aber unter dem Volke gänzlich unbekannt und in deutscher Sprache nicht vorhanden gewesen, es sei wenig oder gar nicht in deutscher Sprache gepredigt worden und es habe vor Luther kein deutsches Kirchenlied gegeben. Bezüglich der Meinung von der Unbekanntschaft des Volkes mit der Bibel hat man einige Äußerungen von Luther und Matthesius, die gewiß ihre eigenen Lebenserfahrungen in voller Wahrheit ausdrücken, fälschlich dazu benutzt, die Zustände von ganz Deutschland damit zu schildern. Nun war aber die Gegend, in der Luther und Matthesius aufwuchsen, hinter anderen Teilen Deutschlands in geistiger Beziehung weit zurück, und die Erfahrungen, die ein armer Bettelmönch in seiner Jugend machte, sind noch nicht geeignet, den Bildungszustand des ganzen deutschen Volkes zu bezeichnen. In den Werken des 15. Jahrhunderts liegen die unzweideutigsten Zeugnisse dafür vor, daß eine genauere Bekanntschaft mit der Heiligen Schrift bnrchaus keine Seltenheit war. Nehmen wir z. B. Sebastian Braut, so würde wohl in unsern Tagen ein Jurist nicht geringe Aufmerksamkeit erregen, wenn er eine so genaue Kenntnis der Heiligen Schrift zeigte, wie

2. Teil 2 - S. 131

1882 - Leipzig : Brandstetter
Einfluß der humanistischen Richtung auf Wissenschaft und Volkstum. 131 Der Einfluß der alten Muster machte sich zunächst bezüglich der Form geltend. Man bemühte sich nicht nur, schön, deutlich und angenehm zu schreiben, sondern überall tritt auch das Bestreben hervor, das nachzuahmen, was die Alten besonders auszeichnet: die Darstellung der Affekte, der Leidenschaften, der Beweggründe, der Folgen einer Handlung; man wollte pragmatisch schreiben. Doch war der Einfluß der alten Muster nicht so groß, daß sie auch den Stoff geboten hätten. Nur wenige beschäftigten sich mit der Darstellung der alten Geschichte. Viel näher lag die deutsche Geschichte, welche als solche noch gar nicht bearbeitet worden war. Wie bei der Poesie, lernte man von den Alten die Form, aber den Inhalt nahm man aus der Gegenwart. Man wünschte einen deutschen Nationalsinn zu erwecken, eine Vaterlandsliebe, ähnlich der der Alten. Zu diesem Zwecke wollte man die großen Thaten der Vorfahren dem gegenwärtigen Geschlecht vor die Seele rufen. Man suchte die ältesten Denkmäler deutscher Geschichte hervor. Da man aber die ältesten Zeiten nur aus den Überlieferungen der Römer kannte, welche den Deutschen als Partei gegenüberstanden, wurde man zur Kritik der Quellen geleitet. Man nahm nicht alles mehr auf Treu und Glauben an, sondern sichtete und schied aus. Der Erste, welcher den Gedanken faßte, eine deutsche Geschichte in patriotischem Sinne zu verfassen, war Konrad Celtes. Seine Reisen machte er besonders in der Absicht, Denkmäler der alten deutschen Geschichte aufzusuchen, und manches von dem, was er gefunden, veröffentlichte er, z. B. die Dramen der Roswitha. Allein seinen eigentlichen Plan brachte er nicht zur Ausführung. Jakob Wimpheling aber unterzog sich dieser Aufgabe. Seine deutsche Geschichte ist nur ein kurzes Handbuch, vieles ist darin unberücksichtigt. Aber sür ihren Zweck war sie vortrefflich. Er hebt überall hervor, wie die Deutschen in früheren Zeiten sich ausgezeichnet, was sie für gewaltige Kaiser gehabt, wie sie auch in der Gegenwart in vielen Stücken, z. B. in Tapferkeit, Reinheit der Sitte, Erfindungsgabe re. den Vorrang behaupten. In demselben Sinne waren die historischen Arbeiten Heinrich Bebels. Er verherrlichte in verschiedenen Schriften den Ruhm der Deutschen, immer mit Anwendung auf das gegenwärtige Geschlecht, das er zur Nacheiferung ermuntert. In der Kritik der römischen Schriftsteller ist er am entschiedensten. Das Studium der älteren deutschen Geschichte ward in kurzer Zeit sehr allgemein. Man bemühte sich namentlich über die Wohnsitze der alten deutschen Völkerschaften sich klar zu werden, und in dieser Beziehung hat sich Pentinger durch die nach ihm benannte Tafel große Verdienste erworben. Ausgezeichnet sind auch die Geschichtswerke des Jreuicus (1518) und des Beatus Rhenanus. Beide fassen die gemachten Forschungen zusammen und bringen sie in ein Ganzes. Jenes umfaßt das alte wie das 9*

3. Teil 2 - S. 229

1882 - Leipzig : Brandstetter
A.7. (. Schutrzcel Deutsche Kunst im 16. Jahrhundert. 229 das Leben der Maria von Albrecht Dürer gehört zu den tiefsten und schönsten Kunsterzeugnissen, welche das 16. Jahrhundert hervorgebracht hat. Noch um die Mitte des Jahrhunderts wühlte man für die Landschaft gern biblische Staffage, den Propheten Elias in der Wüste, die Versuchung Christi u. ähnl. Aber die alte Richtung der Kunst unterlag doch dem neuen Geiste der Zeit, und hielt man das wirkliche Leben nun für heilig genug, es künstlerisch zu behandeln, so war man von diesem schon zu eng und fest umfangen, um sich in der Anschauung noch daraus aufzuschwingen. Die heiligen Personen und Geschichten wurden dargestellt, als ob sie der Wirklichkeit und Gegen> wart angehörten. Aber gerade die Art und Weise, wie man die Bürger des Himmels in irdische Formen kleidete, beweist, daß diese hinreichend erweitert und gereinigt waren, um jene aufzunehmen. Dürers Marien sind irdische Frauen, aber diese sind so rein, so heilig, daß sie wohl Fig. 16. Aus dem Mcirienleben von Albrecht Dürer. die Mutter des Herrn vorstellen können. Zwar entbehren sie nicht selten fast zu sehr der idealen Schönheit, aber eben daraus läßt sich abnehmen, wie der Künstler ohne alle Nebenabsicht nur aus und mit reinem Sinne gearbeitet hat. Er hält sich ganz innerhalb irdischer Sphäre, aber diese genügt nicht nur vollkommen, seinen Empfindungen und Anschauungen Ausdruck zu verleihen, sondern, indem er sie als Träger des Höchsten, Heiligsten dienen läßt,

4. Teil 2 - S. 335

1882 - Leipzig : Brandstetter
Schriftsprache, Sprachmengerei und Sprachgesellschaften. 335 Gegensatz der unabweisbaren Renaissance und der ebenso unabweisbaren volkstümlichen Art und Kunst sich auf das bestimmteste geltend macht, wie beide in ganz verschiedenen Lagern ihre wahlverwandten Muster suchen, die eine in Italien und Frankreich, die andere in Spanien und England, und wie sie sich zuletzt doch vereinigen und sich als innerlich zusammengehörig erkennen. Der Anfang der Geschichte der großen deutschen Geisteskämpfe des 18. Jahrhunderts ist demnach jene entwickelungskräftige Vorgeschichte, welche in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts liegt. Diefe ersten vorbereitenden Anfänge in ihrem Ursprung und Fortgang belauschen, heißt nichts anderes, als den Anregungen und Einwirkungen nachgehen, welche sich ein gedrücktes, aber ungebrochenes und aufstrebendes Geschlecht zu selbständiger Umbildung und Fortbildung zunächst aus der Schule des freieren und vorgeschritteneren Auslandes holte. 40. Schriftsprache, Sprachmengerei und Sprachgesellschaften. (Nach: Alb. Richter, die deutsche Sprache im >7. Jahrh. Prakt. Schulmann. Bd. Xx, S. 608 — 623. Heinr. Rückert, Geschichte der neuhochd. Schriftsprache. Leipzig. 1875. Bd. Ii, S. 241 — 258.) X^as 16. Jahrhundert hatte eine hochdeutsche Schriftsprache geschaffen. Die Volksmundarten waren zurückgedrängt aus dem schriftlichen Verkehr, und der Name einer hochdeutschen Sprache, der früher nur den Gegensatz gebildet hatte zum Niederdeutschen, nahm nun den Sinn an, daß man damit die zu allgemeiner Geltung gelangte Schriftsprache bezeichnete im Gegensatz zu der wandelbaren Volksmundart. Fabian Frangk, der Verfasser einer i. I. 1531 erschienenen „Orthographie, Gerecht Buochstäbig Teutsch zu schreiben", bezeichnet das nach Luthers Vorgänge sich herausbildende Schriftdeutsch bereits mit dem Namen, der eigentlich erst im 17. Jahrhundert allgemein gebräuchlich war, indem er von einer „Hauptsprache" spricht, deren „die uugelerten Leyen nicht genebt noch kündig." Der Umstand, daß die neu entstandene Schriftsprache aufs engste mit der Kirchenreformation zusammenhing, war Ursache, daß sie in dem katholischen Süddeutschland, ja selbst in den reformierten Kreisen der Schweiz wenig Anklang fand. Blieben doch selbst ein Zwingli und Tschndi der Mundart ihrer Heimat treu, und sogar die Heilige Schrift erschien 1531 in Züricher-Deutsch, während der Basler Buchdrucker Adam Petri im Jahre 1522, also unmittelbar nach dem Erscheinen, Luthers Übersetzung des Neuen Testaments nachgedruckt und um au Luthers Worten nichts zu ändern und doch seinen süddeutschen Lesern verständlich zu sein, ein kleines Wörterbuch beigegeben hatte.

5. Teil 2 - S. 336

1882 - Leipzig : Brandstetter
336 Schriftsprache, Sprackmengerei und Sprachgesellschaften. Nicht minder vermochte sich Norddeutschland anfangs nicht mit der neuen Schriftsprache zu befreunden (Luthers Bibelübersetzung erschien 1534 zu Lübeck in niederdeutscher Übertragung; Katechismus, Liturgie und Gesangbuch waren niederdeutsch); doch siegte endlich die Einheit des Glaubens über die anfängliche Abneigung. Nicht wenig trug zu diesem Siege auch der Umstand bei, daß in Luthers Sprache sich viele niederdeutsche Elemente vorfanden, die das Verständnis derselben erleichterten. Sehr bezeichnend für diesen Sieg ist es, daß Schriften, die in erster Auflage niederdeutsch erschienen, bei ihrem Wiedererscheinen sich in hochdeutsches Gewand gekleidet hatten. So gab Johannes Agricola feine Sprich-wörtersammlnng i. I. 1528 niederdeutsch heraus, aber schon im folgenden Jahre erschien eine hochdeutsche Ausgabe. Der Pommer Thomas Kantzow schrieb seine Chronik von Pommern zuerst in der Mundart seiner Heimat, übertrug sie aber später selbst ins Hochdeutsche. Die niederdeutsche Abfassung des Eulenspiegels ist sogar fast spurlos verschwunden neben der hochdeutschen Übertragung, die sich allein erhalten hat. Die letzte niedersächsische Bibel ward i. I. 1621 gedruckt. Das Niederdeutsche hat darauf bis in die neueste Zeit, mit geringen Ausnahmen, aufgehört, Schriftsprache zu sein. Desto mehr hat es im Laufe der Jahrhunderte seinen Einfluß auf die bestehende Schriftsprache geltend gemacht. Die Zeit vom 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts ist diejenige, welche die meisten niederdeutschen Elemente in unser Schriftdeutsch gebracht hat. Das ist um so natürlicher, da die süddeutschen Lande während dieser Zeit auf dem Gebiete der Litteratur weit hinter die norddeutschen zurücktreten und erst im 18. Jahrhundert, als Süddeutschland, namentlich aber die Schweiz wieder hervorragenden Anteil an der Litteratur nehmen, kommen auch süddeutsche Elemente mehr und mehr zur Geltung in der Schriftsprache. Bis zum 18. Jahrhunderte, ja bis in die Mitte desselben war der vorherrschende Bestandteil der deutschen Schriftsprache obersächsisch, und es hatte somit wenigstens einige Berechtigung, den Meißner Dialekt als den besten und reinsten zu bezeichnen, wie dies im 17. Jahrhundert, allerdings nicht selten unter Protest, oft geschah. Daß das Obersächsische oder Meißnische im 17. Jahrhundert einer solchen Ehre genoß, war gewissermaßen dadurch gerechtfertigt, daß die Schriftsprache in den betreffenden Ländern entstanden war und daß bereits die Kanzleisprache, auf der Luther ausgesprochenermaßen fußte, mit dem Obersächsischen am verwandtesten war. Wenn aber spätere Schriftsteller und namentlich Obersachsen diesen Ruhm bis auf die neuere Zeit fortpflanzen wollten, so entbehrte dieses Bestreben jeder Berechtigung. Schon im 17. Jahrhundert begegnen wir darüber sehr richtigen Ansichten. Caspar von Stieler, unter dem Beinamen des „Spaten" Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, widmete seinen 1691 erschienenen „teutschen

6. Teil 2 - S. 340

1882 - Leipzig : Brandstetter
340 Schriftsprache, Sprachmengerei und Sprachgesellschaften. Wenn das allmähliche Erwachsen der neuen Schriftsprache und die immer zunehmende Verbreitung derselben in den deutschen Landschaften, sowie ihre fortwährende Bereicherung und Verjüngung durch mundartliche Elemente im ganzen einen wohlthuenden Eindruck auf uns machen, so bietet die deutsche Sprache des 17. Jahrhunderts andererseits eine Erscheinung dar, die auf patriotische Gemüter einen um so betrübeudereu Eindruck macht, die leidige Sprachmengerei nämlich, durch welche die deutsche Sprache ihres wahren Charakters völlig entkleidet und zu einem Gemisch von allerlei Sprachen herabgedrückt ward. Es ist herkömmlich, den dreißigjährigen Krieg mit seinen fremden Horden, die er auf deutschen Boden führte, mit seiner Vernichtung alles Wohlstandes und der durch ihn hervorgerufenen Gleichgiltigkeit gegen alles Nationale und Volkstümliche für diese Erscheinung verantwortlich zu machen. Der Grund davon ist jedoch tiefer zu fucheu, und wir müffen, um die ersten Quellen der Sprachmengerei des 17. Jahrhunderts zu entdecken, bis in das Reformationszeitalter zurückgehen. Ja, selbst schon im ritterlichen Zeitalter machen sich die Spuren französischer Beeinflussung genug bemerklich. Gottfried von Straßburg wendet mit Vorliebe französische Ausdrücke in seinen Gedichten an, auch bei Wolfram von Eschenbach siud sie keineswegs selten, Minnesänger nennen sich den „dnlz amis" ihrer Geliebten, und es wäre nicht schwer, bei den spätern Minnesängern noch manche Strophe aufzufinden, die an widerlicher Sprachmengerei so reich wäre, wie die des Tannhnsers: ein riviere ich da gesach durch den fores ging ein bach ze täl über ein planüre. ich schlich ir nach, bis ich sie fand die schöne creatlire, bei dem fontane sass die klare, süsse von statüre. Im 14. und 15. Jahrhunderte ging jedoch neben der höfischen Litteratur, in der solche Sprachmengerei beliebt war, noch eine volkstümliche Her, die wie ihrem Wesen, so auch ihrer Sprache nach echt deutsch war, die Litteratur der deutschen Sage, des deutschen Liedes. Dieser Litteratur gab aber bereits die Reformation einen Stoß. Das Volksleben wurde entmichtert, einseitig auf religiöse Verhältnisse eingeschränkt. Dazu kam der Einfluß jener Gelehrten, die in ihrer Verachtung der deutschen Muttersprache soweit gingen, daß sie sich ihrer deutschen Namen schämten und dieselben, oft haarsträubend, in lateinische oder griechische verwandelten, von denen Grimmelshausen in seinem „deutschen Michel" sagt, daß sie „ihrem Vatterland die Ehr stehlen und solche anderen Nationen anhencken, daß es so erleuchte Männer an ihnen geboren und hervor gebracht (müssen die Nachwelt denen Vernuteutschteu Namen, die sie ihren Schrifften vorzusetzen pflegen, sie mehr vor Griechen oder Lateiner als geborne Teutsche halten würde)."

7. Teil 2 - S. 320

1882 - Leipzig : Brandstetter
320 Der deutsche Volksgeist Ideen der Freiheit und der allgemeinen Menschenverbrüderung zu, die damals durch die nordamerikanische und durch die französische Revolution auch nach Deutschland herüberverpflanzt wurden. Erst Fichte faßte, unter dem Eindrucke der über Deutschland hereingebrochenen Fremdherrschaft, den nationalen Gedanken wieder schärfer ins Auge. Die wenigen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, welche sich über die Ansicht von den „Vorzügen der Viel- und Kleinstaaterei" wenigstens bis zur Klage um die dahingeschwundene nationale Einheit und Größe Deutschlands erhoben, waren Prediger in der Wüste. Namentlich zweier ist zu gedenken: Justus Mösers, des Verfassers der „Patriotischen Phantasien" und der ^Osnabrückischen Geschichte" und Karl Friedrich von Mosers, des in seiner Weise nicht minder verdienten Verfassers der Schrift „Vom deutschen Nationalgeist." ^War im vorigen Jahrhundert der Sinn für nationale Einheit und Größe im deutschen Volke beinahe gänzlich erstorben, so stand es mit dem politischen Selbstgefühl, dem Mannes- und Bürgermut in den einzelnen Staaten nicht viel besser. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zu einer Zeit, wo die freisinnige Regierung Friedrichs des Großen und das von ihm gegebene Beispiel schon eine größere Regsamkeit des politischen Geistes im Volke erweckt und dem unbegrenzten Despotismus der Fürsten Einhalt geboten, wo eine Anzahl tüchtiger und angesehener Publizisten eme trdmütige Kritik der Staatseinrichtungen und der Handlungen der öffentlichen Gewalten zu üben und aufgeklärtere Ansichten über das Verhältnis der Regenten zu den Regierenden zu verbreiten begonnen hatte, selbst noch in dieser Zeit vernehmen wir Äußerungen, welche den Mangel politischen Selbstbewußtseins im Volke beklagen. „Jede Nation", sagt K. F. von Moser in seiner Schrift vom deutschen Nationalgeist, „hat ihre große ^.riebfeder; in Deutschland ist's der Gehorsam, in England die Freiheit, in Holland der Handel, in Frankreich die Ehre des Königs." Ein anderer Schriftsteller ruft aus: „Schwerlich wird ein Genie aufstehen, dessen Befehle unfern Gehorsam ermüden könnten." Schon der Verlauf der Reformation hatte, indem er die neue Glaubensrichtung gänzlich ans den Schutz der Fürsten anwies, die Bekenner dieses neuen Glaubens zu einer größeren Unterthänigkeit gegen die weltlichen Gewalthaber gewöhnt. Die Religionsfriedensverträge, insbesondere der west-fälische, zogen diese Bande noch straffer, da sie dem Protestanten nicht als Einzelnen, sondern nur als Unterthanen eines protestantischen Fürsten die freie Ausübung des Glaubens sicherten. Nach demselben Grundsätze, daß, wessen das Land, dessen auch der Glaube der Landesangehörigen sei (cujus regio, ejus religio), fühlte sich auch der Katholik gedrungen, sich möglichst fest an den ihm glaubensverwandten Landesherrn anzuschließen, um der Erhaltung bei seinem alten Glauben und der Unterdrückung jeder davon abweichenden ketzerischen Richtung versichert zu sein. Katholiken und Protestanten wetteiferten daher, in ihrem beiderseitigen Religionsfanatismus,

8. Teil 2 - S. 342

1882 - Leipzig : Brandstetter
342 Schriftsprache, Sprachmengerei und Sprachgesellschaften. hundert der Reformation redete man ziemlich rein deutsch, außer weniger italiänischer, zum Teil auch spanischer Worte, so vermittelst des kaiserlichen Hofes und einiger fremder Bedienten zuletzt angeschlichen . . . Allein wie der dreißigjährige Krieg eingerissen und überhand genommen, da ist Deutschland Don fremden und einheimischen Völkern wie mit einer Wasserflut überschwemmet worden und nicht weniger unsere Sprache als unser Gut in die Rappuse gangen, und siehet man, wie die Reichsacta solcher Zeit mit Worten angefüllet fein, bereu sich freilich unsere Vorfahren gefchümet haben würden." Leibniz hat sehr recht, wenn er meint, daß durch den kaiserlichen Hof auch spanische und italienische Brocken bereits vor dem 17. Jahrhnnberte in die deutsche Sprache gekommen seien. Denn allerdings zeigte sich das Französische namentlich in den nördlichen, in den protestantischen Ländern Deutschlands einflußreich, während der katholische Süden mehr Berührungspunkte mit Italien und Spanien hatte, und wenn gleichwohl die spanische und italienische Litteratur auf die Litteratur und Sprache des Südens nicht von so großem Einflüsse gewesen sind, wie die französische ans den protestantischen Norden, so hat das seinen Grund zumeist in dem Mangel an geistiger Rührigkeit, wie er dem Süden eigen war im Gegensatze zu dem gesteigerten geistigen Leben des Nordens. Es hätte das übrigens für Deutschland von ganz heilsamen Folgen sein können, es hätte sich in dem von der Fremde weniger beeinflußten Luden ein Keim zu echt nationaler Fortentwickelung ansetzen können, wenn nicht andere Mächte daselbst thätig gewesen wären, die — namentlich in Österreich und Bayern — alles geistige Leben so vollkommen erstickten, daß diesen Ländern später nichts anderes übrig blieb, als sich der Entwickelung des Norbens anzuschließen und sich die Bilbung des protestantischen Deutsch--lanbs zu eigen zu machen. Nach einer Richtung hin war freilich der ©üben Deutschlanbs fremd-länbischen Einflüssen während des Anfangs des 17. Jahrhunderts fast mehr noch ausgesetzt als der Norden; das ist auf dem Gebiete des Liedes. Schon währenb des 16. Jahrhunberts war die Ausübung des Gesangs, befonbers des mehrstimmigen in den Kreisen des beutfchen Bürgerstanbes zur Liebhaberei und Mobe geworben, so wie etwa heutzutage das Klavierfpiel zur bürgerlichen Bilbung gehört. Die Musiker nun kamen der Liebhaberei entgegen, sammelten die gangbaren Lieber, bearbeiteten sie mehrstimmig, sorgten auch für neue Lieber und legten zuweilen alten Liebem neue Texte unter. D>ie ersten dieser Sammlungen, die noch aus dem 16. Jahrhunderte stammen, sind die wertvollsten, denn sie enthalten viel Volkstümliches, Frisches und Poetisches. Vom Anfang des 17. Jahrhunderts an entstand aber in Deutschland eine große Vorliebe für italienische Musik, und die Verfaffer der Lieberhefte trugen berfelben Rechnung, inbem sie soviel als möglich italienische Lieber aufnahmen, bereu Texte sie übersetzten. Wie biefe Übersetzungen zum Teil beschaffen fein mochten, ersieht man aus der Vorrebe eines solchen Lieber-

9. Teil 2 - S. 346

1882 - Leipzig : Brandstetter
346 Schriftsprache, Sprachmengerei und Sprachgesellschaften. teutschen Bidermann steht nit Wohl an. Jnnsbrugg 1638." Aus diesem Liede führt Moscherosch in seinem „A la moäe-Kehraus" unter andern folgende Verse an, die zugleich Zeugnis geben für die allgemeine Verbreitung der Unsitte: Fast jeder Schneider will jetzund leider Der Sprach erfahren sein und redt Latein Welsch und Frantzösisch, halb Japonesisch Wan er ist doll und voll der grobe Knoll. Der Knecht Matthies spricht bona dies Wan er gut morgen sagt und grüßt die Magd: Die wend den Kragen thut jhm dank sagen, Spricht Deo gratias Herr Hippocras. Ihr böse Teutschen man solt euch peütscheu, Das jhr die Mutter-sprach so wenig acht. Ihr liebe Herren das heißt nicht mehren; Die Sprach verkehren und zerstören:c. In vierundzwanzig Strophen werden dann nach dem Alphabet die neuen Wörter ausgezählt; so z. B. aus dem A: Was ist armieren, was avisieren, Was avancieren, attaquieren? Was approchieren, archibnsieren, Was arrievieren, accordieren? Den Wert der eigenen Sprache wieder in ein helleres Licht zu stellen, sie von den fremden Auswüchsen zu reinigen, war vor allen Dingen das Bestreben der im 17. Jahrhundert entstehenden Sprachgesellschaften. Der Anstoß zu denselben ging aus der Mitte des höfischen oder vornehmen Kalvinismus hervor, bei dem ein gewisser Sinn für das Wohlanständige und eine Art weltmännischer Bildung, auch im guten Sinne, noch am ehesten zu finden war. Die lutherischen Höfe, auch an Zahl von den kalviuistischeu überflügelt, hatten davon nur weuig, und die katholischen kamen, wenn es sich um irgend ein deutsches Interesse handelte, kaum in Frage. Fürst Ludwig von Köthen war der Stifter der wichtigsten und einflußreichsten jener Sprachgesellschaften, der fruchtbringenden Gesellschaft oder des Palmenordens. Er schuf damit zum erstenmal in Deutschland den Begriff der gebildeten Gesellschaft, worauf der ganze Weiterfortschritt der nationalen Kultur beruhte, indem er über die Schranken der Fürsten und des Adels auch in den gelehrten Mittelstand griff. Die hervorragendsten Namen der damaligen Schriftsteller bürgerlichen Standes stehen in der Liste der Gesellschaft neben Kurfürsten, Herzogen, Fürsten, Grasen und Freiherren, Professoren und Rektoren neben Feldmarschällen und Ministern, ein armer Litterat, wie Georg Nenmark, neben Friedrich Wilhelm, dem großen Kurfürsten. Dieser Fortschritt hat sich als eine Macht in der deutschen Entwickelungsgeschichte bewährt.

10. Teil 2 - S. 381

1882 - Leipzig : Brandstetter
Trinklust und Trinkgebräuche der Deutschen. 381 wurden 1484 statt der früher gestatteten 60 Hochzeitsgäste 80 gestattet, ebensoviel in Landau durch eine Verordnung vom Jahre 1513. In der Ulmer Hochzeitsordnung von 1411 werden die Frühzechen an den Hochzeitstagen verboten, und in einer Rotenburger Verordnung heißt es, man dürfe am Morgen nach dem Hochzeitstage zwar mit dem Bräutigam zum Weine gehen, aber nicht mehr als eine Maß trinken. Drei Hochzeitstage waren an vielen Orten, namentlich für vornehmere Hochzeiten, gestattet, in Frankfurt durften aber am dritten Tage nur die Eltern und Geschwister des Brautpaares eingeladen werden. In Nürnberg dagegen sollte lediglich am Tranuugstage ein Mahl gehalten werden, am nächsten Tage war nur erlaubt, die Frauen zu einem Eierkuchen einzuladen. Wie verschwenderisch aber auch so ein Eierkuchentag ausgestattet werden konnte, geht daraus hervor, daß die Frankfurter Patrizier-Gesellschaft zu Alt-Limburg im Jahr 1576 bei ihren Mitgliedern die Eierkuchen als zu kostspielig abschaffte. 44. Trinklust und Trinkgebräuche der Deutschen. (Nach: H. Hartung, Deutscher Trunk. Aus den Kollektaneen eines Antiquars. Leipzig, 1863. S. 12 — 76. Dr. I. Müller, Über Trinkstuben. Zeitschrift für deutsche Kulturgesch. Jahrg. 1857. S. 239 — 266. Dr. M. Oberbreyer, Deutsches Zechrecht. Heilbronn, 1878. @.7 — 22. Alb. Richter, Ein Bierkrieg, in: Masius, Mußestunden. Leipzig, 1870. Bd. Ii, S. 452 — 457.) Wieweit die Berichte römischer Historiker genau sind, wenn sie von dem Zechen der Germanen sagen, daß es Tage und Nächte hindurch gewährt und oft mit Mord und Totfchlag geendet habe, bleibe dahingestellt. Unleugbar aber war das Übel zuzeiten bedeutend. Nur war gewiß nicht das ganze Volk, dem andererseits so hohe Tugenden nachgerühmt werden, dem Übel verfallen. Die ältesten Sittensprüche erklären ausdrücklich das Übermaß im Genusse für unerlaubt und schädlich. „Es ist nichts schädlicher, als der übermäßige Biertrunk. Der Vogel der Vergessenheit singt vor denen, die sich berauschen, und stiehlt ihre Seele" heißt es schon in der Edda. Zur Ausbildung der Trinklust vermehrte sich die Gelegenheit mit der Zeit. Gemeinschaftliche Opfer und Feste, bei denen zu Ehren der Götter die gewaltigen Auerochsenhörner geleert wurden, waren nicht selten. Man trank bei Beratungen und öffentlichen Gerichtsverhandlungen, zur Hochzeit wie beim Totenmahle kreisten die Becher. Auch das lehenähnliche Verhältnis junger Krieger, die bei ihren Fürsten und Heerführern in Dienst und Unterhalt standen, veranlaßte häufige große Gelage. Venantins Fortnnatus, um 530 Bischof zu Poitiers, beschreibt eine solche Trinkgesellschaft: „Sänger sangen Lieder und spielten die Harfe dazu. Umher faßen Zuhörer bei ahornen Bechern und tranken wie Rasende Gesundheiten um die Wette.
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