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1. Bd. 2 - S. 245

1854 - Leipzig : Engelmann
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. 245 Saardam (Zaandam) unweit Amsterdam bei einem Zimmermann in Arbeit und verkehrte in England hauptsächlich mit den Schiffleuten auf den Werften. Die Werkstätten der Künstler und Handwerker, die Mühlen, Dämme, Maschinen und dergl. feffelten die Wißbegierde des jungen Regenten. In England wurde er so von Bewunderung für die Seemacht hingerissen, daß er ausrief: wäre ich nicht Zaar von Rußland, so möchte ich englischer Admiral sein! Als er das Land ver- ließ, um sich über Wien nach Venedig zu begeben, schickte er eine große Anzahl Seeleute, Wundärzte und Künstler in seine Heimath. Kaum aber war Peter nach Wien gelangt, so nöthigte ihn ein von den gegen die Neuerung und die Fremdlinge erbitterten Großen erregter Aufstand der Strelitzen zur schleu- ^98. nigen Rückkehr. Die Empörung wurde unterdrückt und die Schuldigen mit furcht- barer Härte gezüchtigt. Das Hängen, Rädern, Enthaupten dauerte mehrere Wo- chen lang; der Zaar legte selbst Hand an. Denn trotz seines Strebens, der euro- päischen Cultur in seinen Staaten Eingang zu verschaffen und trotz seiner euro- päischen Tracht, die er auch seinen Unterthanen gebot, blieb Peter doch in Sitten, Denkungsart und Herrscherweise ein Barbar, dem Branntweintrinken ergeben, roh in seinen Begierden und wüthend im Zorn. Dkeser Aufstand beför- derte seinen Plan, das russische Kriegswesen allmählich durch das europäische zu verdrängen. Er errichtete zwei Garden, schuf aus dem Adel eine Cavalerie und bildete aus den Rekruten, die ihm die Geistlichen und Edelleute liefern mußten, eine Infanterie. Fremde in russische Dienste getretene Offiziere übten die Truppen nach europäischer Weise ein und vervollkommneten seine Artillerie. So kam es, daß er bereits in dem oben erwähnten Türkenkrieg festen Fuß am Aso w sch en Meer fassen konnte, indem er durch den Earlowitzer Frieden (tz. 620.) 1699. der Pforte die mit Hülfe brandenburgischer, östreichischer und holländischer Heer- führer eroberte Stadt Asow abtrotzte und dann Taganrog anlegen ließ. Wie erstaunten die Türken, als plötzlich eine russische Fregatte in den Hafen von Con- stantinopel einlief! Der Schwedenkrieg öffnete den Russen bald auch die O stsee. §. 643. Polen. Als der kriegskundige König Johann Sobieski (§. 620.) nach vergeblichen Mühen, das polnische Staatswesen zu ordnen und den Trotz des Adels zu bändigen, von häuslichen Leiden niedergebeugt kummervoll ins Grab gestiegen war, erhob sich ein neuer Wahlkampf zwischen den Anhängern 16!,ß- eines französischen Thronbewerbers und der Partei des Kurfürsten Friedrich August von Sachsen. Der letztere trug den Sieg davon, weil die durch den Verkauf deutscher Aemter und Städte erlangten Geldmittel des sächsischen Be- werbers weiter reichten. Friedrich August, ein durch seine Körperstärke, wie2g , durch seine Galanterie und Prachtliebe bekannter Fürst, wurde zum König von' roo?. Polen ausgerufen, nachdem er vorher zum Jubel des römischen Hofes in den Schooß der katholischen Kirche übergetreten und den machtlosen Thron durch Verzichtung auf seine große protestantische Stellung in Deutschland und auf die Liebe und das Vertrauen eines treuen Volkes erkauft hatte. Der polnische Adel, der allein Staatsbürgerrechte besaß, indeß der Bauer in harter Leibeigenschaft schmachtete und der Bür^erstand sich nicht aus seiner untergeord- neten Stellung emporzuarbeiten vermochte, benutzte jeden Wahlkampf zur Erwei- terung seiner Corporationsrechte und zur Minderung der Königsgewalt durch be- schränkende Capitulalionen (pacta convente,), bis der Staat die Form einer demokratischen Adelsrepublik erhielt, in welcher das gewählte Oberhaupt nicht viel mehr als der Vollstrecker der Reichstagsbeschlüsse war. Parteileidenschaften, Conföderationen, stürmische Berathungen, die den polnischen Reichstag sprich-

2. Bd. 2 - S. 257

1854 - Leipzig : Engelmann
Innere Zustande. 257 rakter, wenngleich von liebenswürdigem Wesen, erlangte nach Entsagung aller Ansprüche auf Polens machtlose Krone die seiner Gemüthsart weit ent- sprechendere Herrschaft über das Herzogthum Lothringen. Um Frankreichs Beitritt zur pra g mati sch en S a n cti o n zu erlangen, willigte Karl Vi. in die höchstnachtheiligen Friedensbedingungen, wornach Franz Stephan, Herzog von Lothringen, des Kaisers Schwiegersohn, sein Erbland gegen das durch das Erlöschen des Mediceischen Hauses erledigte Toskana ver- 1737- tauschte, Lothringen und Bar dagegen an Stanislaus und nach dessen Tod an Frankreich kam, und Neapel und Sicilien als Königreich dem spanischen Prinzen Don Carlos (§. 638.) überlassen wurde. Noch 29 Jahre regierte hierauf Stanislaus, der Gönner der Jesuiten, mit dem Titel eines Königs in Lüneville und Nancy, geliebt und geehrt von seinen Unterthanen, ein Wohlthäter der Armen, ein Beförderer der Künste und Wissenschaften, ein Verschö- nerer der lothringischen Städte. Polen dagegen ging unter Friedrich August Iii. seiner völligen Auflösung entgegen. Der sogenannte P acificationsreichstag erklärte jeden für infam oder vogelsrei, der fremde (also auch sächsische) Heere ohne besondere Be- willigung der Republik in's Königreich führen würde und verschärfte aus Besorgniß, der König möchte für den Glauben seiner Jugend noch einige Neigung haben, die harten Dissiden tengesetze. „Kaum sollte man überhaupt ein Regentenleben dieser Art, wie 1736. König Augusts Iii. war, eine Regierung nennen; denn der regiert doch nicht, der blos durch sein körperliches Dasein wirkt? Mißhclligkeiten der großen Familien arteten unter ihm bis zu wahren Fehden aus. Die roheste Uncultur des Mittelalters herrschte unter dem allgemeinen Haufen der Nation, und die Großen, deren einzige Cultur oft kaum nur aus Reisen nach Frankreich entsprang, konnten selten Patriotismus oder wahren Charakter haben, denn wie sollte Patriotismus oder kraftvoller Geistescharakter bei der Erziehung entstehen, die sie gewöhnlich genossen; oder bei der eitlen, unthätigen, schwelgerischen Lebensart sich erhalten, die unter den Edelsten ihrer Art fast allgemein herrschend war?" Da der König und sein Minister Brühl sclavisch um Rußlands Gunst buhlten, so wurde der Einfluß dieses drohenden Nachbarstaates immer mächtiger. §. 653. 4) Preußen. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst Kurfürst von Brandenburg, gab seinen Staaten einen mächtigen Aufschwung, theils in-Wilhelm dem er die getrennten, seit dem Anfänge des 17. Jahrhunderts dem kurfürstlichen 164°-88- Hause zugefallenen Landestheile Preußen und Cleve (§. 563.) mit dem Hauptland in nähere Verbindung brachte und zu einem zusammenwirkenden Ganzen umschus, theils indem er Einwanderungen aus gebildeten Landern in die durch den 30jährigen Krieg verödeten Provinzen begünstigte (französische Hugue- notten) und der Gewerbthatigkeit und den Künsten des Friedens kräftig aufhals, theils durch Bildung einer bedeutenden Kriegsmacht, womit er dem Lande eine unabhängige, selbständige Stellung erkämpfte. Auf diesen einsichtsvollen, kräftigen und besonnenen Fürsten folgte sein prachtliebender Sohn, Kurfürst Friedrich Iii., dem der äußere Glanz, womit Ludwig Xiv. den Hof von Ver-F^rich sailles umgeben, als der höchste Triumph irdischer Majestät erschien. Er setzte Ih- d-) daher den größten Werth auf eine prunkvolle Hofhaltung; eine verschwenderische im- Pracht in Kutschen, Marställen, Garderobe u. dgl., glänzende Feste und cere- monielle Feierlichkeiten gingen ihm über alles. Mit Neid sah er aus die Kurfür- sten von Hannover und Sachsen, denen das in seinen Augen unschätzbare Gut einer Königskrone zu Theil geworden, und wie groß war seine Freude, Weber, Geschichte. Ii. 6. Ausl. 17

3. Bd. 2 - S. 290

1854 - Leipzig : Engelmann
290 Das Revolutions-Zeitalter. und andere europäische Länder kennen gelernt, verfaßt wurde, ist in einem gemäßigteren und ernstern Ton gehalten. Um so wirksamer waren die mit Ruhe und Klarheit niedcrge- lcgten Lehren von einer vernünftigen Freiheit. Bei der Darstellung der verschiedenen Staats- formen wird die r e p u b li k a n i s ch e als Ideal obenangestellt, die aber nur bei hoher Bür- gcrtugcnd .möglich sei. Nach ihr kommt die c o n stitu tio n elle Verfassung Englands, mit scharfer Trennung der drei Gewalten, der gesetzgebenden, ausübenden und richtenden, und zuletzt die ab so l u t e, die leicht in D esp o ti e umschlage und als Ur- sache aller Entartung und alles Sittenverderbs anzusehen sei. Dabei wurden das Gerichts- verfahren, das Besteuerungswesen und andere in Frankreich herrschende Mißstände stark gerügt und das Fehlerhafte in der Regierungsweise aller Staaten des europäischen Fest- landes hcrvorgehoben, Religion und Kirche dagegen mehr geschont als in den persischen Briefen. Rousseau. Den größten Einfluß auf die Umgestaltung der Ansichten und Meinungen seiner Zeit, hatte I o h. I a k. R o u s s e a u. Er war in Genf geboren und zu dem Gewerbe seines Vaters, eines Uhrmachers, bestimmt, entfloh aber der Strenge seines Lehrmeisters und führte von dem an ein vielbewegtes, erfahrungsreiches Leben, bald in Savoyen und Oberitalien, bald in Paris oder in der ländlichen Stille von Montmorenci, bald als ver- folgter Flüchtling auf der Petersinsel im Vieler-See, im Neuenburger Kanton unter dem Schutze Friedrichs Ii., in England bei dem Geschichtschreiber Hume, bis er, gedrückt von Schwermuth und Lebensüberdruß, plötzlich aus dem Gute eines seiner Verehrer unweit Paris starb. Er selbst hat alle Umstände seines äußern und innern Lebens in seinen Be- kenntnissen mit seltener Offenheit und Aufrichtigkeit der Welt dargelegt, eine Lebensge- schichle, die um so wichtiger ist, als sich die Richtung seiner Ansichten daraus erklären läßt. Frühe seiner Mutter beraubt erhielt er eine mangelhafte Erziehung. Er las mit seinem Vater eine Menge von Romanen ohne alle Auswahl, wodurch sein Gefühl überreizt, seine Phantasie mit unwahren und idealen Gebilden angefüllt wurde, indeß sein Geist ohne ge- diegene Kenntnisse und echte Belehrung blieb. Durch seine Geburt und Erziehung war er an Einfachheit, an bürgerliche Zucht gewöhnt und blieb daher sein Leben lang ein Feind des Luxus und der Ungleichheit der Güter. Aus seinen Wanderungen sah er den Druck der Armuth, die Mißhandlung der dienenden und arbeitenden Klasse durch die Reichen und Vornehmen, und sein Gemüth empörte sich über diese Ungerechtigkeit. Die bürgerlichen Zustände mit ihrer Standesverschiedenheit und den großen Unterschieden des Ranges und Vermögens kamen ihm verkehrt und unnatürlich vor; er fand die Ursache dieser Gebrechen in der gesteigerten Civilksation und stellte daher in seinen zwei ersten Schriften die Künste und Wissenschaften als die verderblichsten u n b unheilvollsten Güter der Menschheit dar. Ein eingebildeter Naturzustand wurde von ihm als die Heimath der Freiheit und der Unschuld gepriesen und nur in dem Rückgänge zu diesem und in der Abschüttelung aller Fesseln, die Bildung , Erziehung und Gewohnheit geschlungen, sah er das Heil der Welt. In einem andern Buche, dessen Grundsätze auf den Gang der franzö- sischen Revolution vom größten Einflüsse waren, in dem Gesellschastsvertrag (contrat social) stellt er die Gleichheit aller Menschcn als Bedingung jedes Staats dar und findet nicht wie der von ihm bekämpfte Montesquieu in einer constitutionellen Verfassung,, sondern in der völligen Demokratie mit gesetzgebenden Volksversammlun- gen die würdigste Staatsform und in dem leiblichen Wohlbefinden des Volks den höchsten Zweck des Staats. — Wie Rousseau hierin die bestehenden Regierungsformen erschütterte, so in seinen berühmtesten Werken: die neue Heloise und Emil die Sitten, Gewohnhei- ten, Lebensweise und Erziehung der damaligen Zeit. In dem erster« schildert er in poeti- scher Sprache und in der Form eines in Briefen geschriebenen Romans die Vorzüge eines sentimentalen Naturlebens vor den verschrobenen Verhältnissen der Wirklichkeit und durch das letztere suchte er eine auf Natur und Elternliebe beruhende vernünftige Erziehung zu

4. Bd. 2 - S. 478

1854 - Leipzig : Engelmann
478 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. Generalcommandant von Sicilien, seiner konstitutionellen Ansichten wegen als Staatsgefangener nach Brünn gebracht, wo seine sonst felsenfeste Gesundheit zu schwinden begann, so daß man ihm endlich gestattete, die letzten Jahre seines Lebens in Florenz zuzubringen. Hier verfaßte er die treffliche „Geschichte des Königreichs Neapel von 1734—1825", die aber erst nach seinem Tode herauskam. Die Ge- Amciri. schichte der „si ci li a ni sch en Vesper" von Mich. Ama r i schien der neapolita- nischen Regierung so gefährlich, daß der Verfaffer sich den ihm drohenden Ver- folgungen durch die Flucht entziehen zu muffen glaubte. B. England (vergl. §. 557 f. §. 670). In der zweiten Halste des 18. Jahrhunderts machte sich die englische Literatur allmählich frei von dem französischen Einfluß und Regelzwang, und kehrte wieder zu ihrer nationalen Eigenthümlichkeit und zu den einheimischen Stoffen und Dichtern zurück. Auf diese Wendung des Geschmacks übte die neue Romantik, der sich auch England nicht zu entziehen vermochte, einen großen Einfluß, aber der gesunde, jeder Ueber- treibung widerstrebende Sinn der Nation bewahrte die Literatur vor der krank- haften Entartung, in welche die französische und deutsche Romantik verfiel. Das Zurückgehen auf die Vergangenheit hatte in England zunächst die Folge, daß man das Mittelalter mit seinem poetischen Reichthum dem jüngern Geschlechts nahe zu füh- ren suchte, indem man die alten Balladen und Volksdichtungen sammelte (Macpherson'sossian; Th. Percy's Volksballadenu.a. m.) oderinroma- nen und geschichtlichen Schilderungen das Leben der untergegangenen Welt in allen seinen Erscheinungen zur Anschauung brachte, daß man den während der Herrschaft des französischen Geschmacks ganz vernachlässigten Dichtungen Shakespeare's wieder die gebührende Anerkennung zollte, zumal seitdem man in Deutschland diesen Dichterhelden so hoch stellte und der große englische Schauspieler David Gar- rick (1716—1779)durch sein meisterhaftes Spiel der Nation die ganze Tiefe und den unendlichen Reichthum der Shakespeareschen Dramen zum Verständlich brachte. Am ersten ging man von dem französischen Geschmack in Schottland ab, wo überhaupt die conventionelle Poesie die heimische Volksdichtung nie ganz zu verdrängen vermocht, und wo eine reiche Fülle von volksthümlichen Geschich- ten, Sagen, Balladen und Liedern sich von Geschlecht zu Geschlecht fortgepflanzt hatte. Eine Reihe von schottischen Dichtern, zum Theil den untern Ständen an- gehörig, setzten der englisch - französischen Kunstpoesie eine einfache, gemüthvolle Naturdichtung entgegen; die reiche Natur und das sinnige Seelenleben des Volks sowohl in der Wirklichkeit als in den alten Nationalgesängen, war die unversieg- bare Quelle ihrer literarischen und dichterischen Thätigkeit. Der erste, der diese Bahn einschlug, war Allan Ramsay, Anfangs Perückenmacher, dann Buch- händler in Edinburg; er dichtete in schottischer Mundart ein Hirtenspiel (,,the gentle shepherd“) voll treuer und lebendiger Naturschilderung und sammelte viele altschottische Lieder. Sein Beispiel wurde nachgeahmt von dem unglücklichen Ferqussonin Folge einer Gehirnerschütterung im Jrrenhause jung gestorbenen Rob. Fer- 1/51—74. guffon, in dessen schottischen Gesängen sich ein innig poetisches Leben kund ^^E^'gibt und von Lady Anna Barnard, ged. Lindsay, in der schönen Ballade „der 1750 — alte Rob in Gray." Aber der eigentliche schottische Nationalsänger und Volkslieb- Burn's ling war Rob. Bur ns, ein armer Bauer aus der Grafschaft Ayr. Die drücken- 175s-96. den Verhältnisse, unter denen er sein ganzes Leben hindurch zu leiden hatte, ver- mochten das angeborene poetische Talent nicht zu ersticken, doch hemmten sie seinen Flug und füllten seine lebensfrohe, musikalische Natur mit Schwcrmuth und Kummer. Seine irr zahllosen Ausgaben und Uebersetzungen verbreiteten Gedichte sind echte Naturlaute voll Wärme, Frische und Klarheit und von einer Mannich- Schott- land. Ramsay 1686 — 1758.

5. Bd. 2 - S. 496

1854 - Leipzig : Engelmann
496 Neuere und neueste Literatur des Auslandes. blühen, Orangen glühen, Castraten singen und fromme Kunst den Mangel der Sittlichkeit erträglich macht. Die Corinna hatte ähnliche Wirkung in den Pariser Salons und die Staol krönte sich selbst als sie in dithyrambischer Prosa ihre Corinna zur Krönung auf das Kapitol führte." Nach Napoleons Sturz kehrte Frau v. Staël nach Paris zurück, wo sie bis zu ihrem Tode auf die Literatur und das öffentliche Leben Frankreichs im Geiste des lieberalen Constitutionalismus zu wirken fortfuhr. Aus ihrem Kreise gingen Benj. die Männer hervor, die, wie ihr Schwiegersohn, der Herzog v. Broglie, ihr Constant Freund Benjamin Constant, der Historiker und Staatsmann Guizot u.a. i83o7~ während der Restauration und unter Louis Philipps Regierung an der Spitze der constitutionellen Opposition standen und für Aufklärung und Fortschritt tha- thig waren. Romanti- Der philosophische Materialismus des 18. Jahrhunderts hatte in dem Poesie, atheistischen und gotteslästerlichen Treiben der Revolutionsmänner seinen prakti- schen Höhepunkt erreicht. Es war daher ganz natürlich, daß man nach Bewälti- gung der Revolution auf die Wiederbelebung des religiösen Sinnes im Volke hinarbeitete und durch das Christenthum die Wunden zu heilen suchte, welche die kirchenfeindliche Philosophie geschlagen. Schon Frau v. Staël hatte auf die Nothwendigkeit einer religiösen Wiedergeburt hingewiesen und während des Con- îsà' su lat s mit dem Vicomte von Chateaubriand, dem Begründer der christli- 1769— chen Romantik in Frankreich in geselligem Verkehr gestanden. Bonaparte selbst und seine Brüder und Schwestern begünstigten diese die Wiederherstellung der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung fördernde Richtung in der Literatur. Als Chateaubriand, der gleich vielen andern Edelleuten der Bretagne beim F'iitcmcs ^"êbruch der Revolution nach Amerika ausgewandert war, nach dem 18. Brü- 1757—' maire mit Fontanes, dem rhetorischen Dichter (,,le cri de mon coeur,“ 182l ,,le verger“) und kunstfertigen Conventsredner („Lobrede aufwashington") nach Frankreich zurückkehrte, erhielt er einen Antheil an der weitverbreiteten Zeitschrift ,,Mercure de France“ und wurde, als er durch seine im Geiste Bernardin's de St. Pierre gehaltenen christlichen Erzählungen „Atala" und „Rene" und durch sein großes poesiereiches Werk „Geist des Christenthums" allge- meines Aufsehen erregte, mit Ehren und Gnadenbezeigungen überhäuft. Er wurde bald die Seele der geistreichen Kreise, die sich, wie in der alten monarchi- schen Zeit, um Fontanes, den begünstigten Prunkredner der Napoleonischen Herrschaft im Senat und gesetzgebenden Körper, um Joubert, den Kritiker und Aesthetiker (,,recueil de penseez“) und um einige Damen (Madame Reca- mier) in Paris zusammenfanden. Unter den französischen Kolonisten in Amerika, wo noch die ursprünglichen Sitten, die alten Volkslieder und Sprachformen, die religiöse Gesinnung des sechzehnten Jahrhunderts fortdauerten, und unter den Wilden in den Wäldern und Wüsten, hatte Cbauieaubriand das constitutionelle Wesen abgeworfen und sich die Idee von religiösem Naturleben gebildet, die sei- nen ersten Produkten ihren Reiz gab. Es war die Wahrheit, die Neuheit in den Gemälden und Empfindungen, welche die Romane Irene und Atala dem fran- zösischen Volke und allen nach religiöser Wärme und christlichem Gefühl verlan- genden Gemüthern ohne Unterschied der Confession werth und anziehend machten. Der Roman „Atala", den Chateaubriand selbst für den Bruchtheil eines größern Werkes „die Natchez", worin die Sitten und Lebensweise eines zwei Jahre lang von ihm beobachteten nordamerikanischen Volksstammes geschildert waren, ausgab, erlangte schnell die größte Verbreitung, noch ehe er gleich dem einfachern und naiver gehaltenen Roman René, dem großen Werke „Geist des Chri-

6. Bd. 2 - S. 497

1854 - Leipzig : Engelmann
Neuere und neueste Literatur des Auslandes. 497 st en t h ums" als Episode beigefügt wurde. Dieses letztere Werk, welches das Christenthum ganz in das Gebiet der Schönheit hinüberspielt, die Religion zu einem Gegenstand des ästhetischen Genusses macht, „enthalt Chateaubriands poetische Religion und seine katholischephilosophie in Geschichten und Bildern und frommen Traumen. Es war die Bibel der Herren und Damen des Salons, denen das biblische Christenthum zu nackt und zu trocken erschien." Der glanzende Stil, die bilderreiche, poetische Sprache und die vollendete Darstellung erregten nicht minder Beifall und Bewunderung als der christliche Inhalt und Ton. „Die Tochter der Wüsten, Atala, ein Chactas und ein Pater Aubry als Hauptperso- nen eines Romans oder Drama waren ganz unerhörte Erscheinungen und sielen gerade in eine Zeit, als das Concordat eine neue papistisch-bonaparte'sche Kirche in Frankreich an der Stelle der alten gallicanisch-bourbonischen stiftete. Das Neue erschien also im Roman wie im Leben unter alten Formen." — Im „Reno" ist die Geschichte höchst einfach und ohne abenteuerliche Ereignisse; „es ist gewissermaßen nur ein kurzer und einfacher Bericht, ohne jenen Wortschwall und Klingklang der galanten Wendungen, wodurch Chateaubriand in seinen andern Schriften den Leser darüber tröstet, daß sie den Schall für etwas Reelles nehmen müssen. Renö konnte allerdings am besten dienen, um den Franzosen ohne alle Doctrin handgreiflich zu machen, daß das Christenthum einen Werth habe, oder, wie Chat, den Zweck seines ,,6onio du Christianisme“ ausspricht, in der französischen Nation Gesinnungen wieder zu erwecken, die im 18. Jahrhundert ganz untergegangen gewesen." — Von ähnlichem Geist ist der kleine Roman „les aventures du dernier Abencerage“, „eine Elegie aus die untergegangene Chevalerie" ein harmonisches Kunstwerk, das „ebenso sehr zur Phantasie wie zum Herzen sprechend" zur Wiederbelebung der Romantik wesent- lich beitrug. Nach dem Tode des Herzogs von Enghien (§. 744.) wandte sich Chateau- briand von dem Napoleonischen Herrscherhaus ab. Nach einem langem Aufent- halte in Italien und in der Schweiz, unternahm er eine große Reise nach Grie- chenland, Aegypten und Jerusalem, als deren Ergebniß man nicht nur sein ,,Itinéraire", sondern auch die epische Dichtung „> ie Märtyrer", worin er die Vorzüge des Christenthums vor dem griechischen Heidenthum in glanzenden und erhabenen Zügen aber mit vieler Uebertreibung und Parteilichkeit darzuthun sucht, ansehen darf. In der „Pilgerfahrt nach Jerusalem" sind die Eindrücke und religiösen Gefühle des pilgernden Dichters, die Empfindung bei dem Anblick der heiligen Orte, die mächtige Wirkung der vom historischen Hauche geweihten Natur des Morgenlaudes treu und anziehend geschildert. „In allen Schriften Chateaubriands findet man glücklich gewählte Bilder und Aus- drücke, Frische, Originalität und dichterisches Leben ; aber man darf nicht erwarten, daß die Begriffe, die er vorträgt, die ruhige Prüfung des Verstandes aushalten, oder auch nur, daß sie unter sich übereinstimmen, noch viel weniger, daß sie ein harmonisches Ganze bil- den. Sobald er über das Malen und über die Ausführung gewisser Sätze im Kleinen hinauskommt, sobald die Gegenstände größer werden, darf man seinerbeweissührung nicht mehr trauen. Man sucht das Urtheil eines ruhig prüfenden und forschenden Weisen ver- geblich bei ihm; man findet dagegen überall das Colorit eines farbenkundigen, erfinderi- schen Malers. Sein Styl ist zuweilen allerdings erhaben; allein er sinkt stellenweise auch sehr tief herab, dies merkt man dann am meisten, wenn er die Nachahmung der Alten zu weit treibt und dadurch kalt wird. Gleichwohl ist bei allem seinem Anschmiegen an den Geschmack der vornehmen Welt seiner Zeit etwas von der Unabhängigkeit der ihm in fri- scher Jugend in den amerikanischen Wildnissen zu Theil gewordenen Eindrücke zurück- Weber, Geschichte. Ii. ö.aufl. Zi

7. Bd. 2 - S. 508

1854 - Leipzig : Engelmann
508 Die Zeit des französischer! Bürgerkönigthums. Unterdrückung des aufstrebenden Demokratismus und zur Bewältigung der von den emigrirten Polen geleiteten Verschwörungen und Umwalzungsversuche. Das gemüthliche östreichische Volk, mehr auf Genuß als auf Freiheit bedacht, ertrug mit großer Ergebung das patriarchalische Regiment, welches Fürst Met- ternich unter einem humanen Regentenhaus aufgerichtet hatte. Ausgeschlossen von deutschem Leben und deutscher Cultur und durch ein strenges Absperrungs- system getrennt von der Nation, mit der es ein Jahrtausend in trüben und fröh- lichen Tagen zusammengehalten, wurde Oestreich den deutschen Zustanden und Interessen immer mehr entfremdet; und mit fremden Nationalitäten zu einem unnatürlichen Ganzen verbunden, merkte es nicht, daß sein Staatswesen einem „S ch utt" cntgegenging, wie ihn sein Dichter ergreifend geschildert. — Preußen schien zu vergessen, daß seine wahre Macht in seiner Volksthümlichkeit bestehe, daß Friedrich Ii. seine Siege nicht minder der Sympathie der Völker als der Tapferkeit seiner Heere verdankte. Im Besitze der größten Intelligenz, des vor- trefflichsten Kriegswesens, einer blühenden Industrie und beherrscht von einem glorreichen Fürstenhause würde Preußen eine gebieterische Stellung unter den eu- ropäischen Staaten gewonnen haben, hätte es sich dem übrigen Deutschland fest und innig angeschlossen, wäre die Regierung dem Freiheitsbedürsniß des Volks durch constitutionelle Staatsformen entgegenkommen, hätte der König seinen Stützpunkt lieber im liberalen und aufgeklärten Mittelstand als in einer kleinen Zahl von Aristokraten, Strenggläubigen, Beamten und Gelehrten gesucht Mit Deutschland zu einem Ganzen verbunden und die kleinern Staaten von Mittel- europa unter seinen Schutz nehmend, würde ein constitutionelles Preußen mit Glaubens- und Lehrfreiheit die vermittelnde und gebietende Macht zwischen dem Osten und Westen gewesen sein, während es im Anschluß an den absoluten Osten und im hochmüthigen Streben nach dem Range einer selbständigen Großmacht eine untergeordnete Stelle in der europäischen Völkerpolitik einnahm. — Ruß- land, der Schrecken der Demokraten, die Stütze aller nach Absolutismus stre- benden Regierungen, ist durch seine autokratischeherrschermacht stark nach Innen, durch diplomatische Klugheit mächtig nach Außen. Kaiser Ni c o laus , von dem Gedanken beseelt, „die russische Nationalität aus sich selbst heraus zu civilisiren und in dieselbe alle unterworfene Volksstämme hineinzuziehen, in der Sprache wie im Glauben", verletzte nicht selten in seinem Streben nach Uniformität, Menschenrechte, Freiheit und Nationalität. Unbeschränkter Gebieter über Staat und Kirche beherrscht er sein unermeßliches Reich durch die Macht seines starken, strengen Willens; der reiche Grundadcl, die unwissende Geistlichkeit und das halbwilde, zum großen Theil aus Leibeigenen bestehende Landvolk werden durch den Schrecken des Despotismus und durch die Gewalt des Säbels in gleicher Unterwürfigkeit gehalten. — Polen, einst durch einen ungerechten Gewaltstrcich der drei absoluten Mächte aus der Reihe der Völker gestrichen, ist noch in seinen zerstückelten Gliedmaßen ein drohendes Gespenst für die Staaten, die durch seinen Raub sich vergrößert. Seitdem das Königreich Polen den russischen Waffen er- legen, war die Hoffnung der Emigranten auf Krakau gerichtet, das als Frei- staat unter den Schutz der drei Nachbarstaaten gestellt, mit seinen altpolnischen Königsgräbern und seinen nationalen Erinnerungen als eine glänzende Säule aus dem allgemeinen Ruin der Nation einen mächtigen Zauber auf die Flüchtlinge ausübte. Es wurden daher von der polnischen Propaganda mehrere Versuche gemacht, durch Verschwörung sich der Stadt zu bemächtigen und sie als Mittel- 1836. punkt einer Revolution zur Wiederbelebung des alten Polenreichs zu gebrauchen. Das erste Unternehmen der Art hatte eine vorübergehende Besetzung des Frei-

8. Bd. 2 - S. 511

1854 - Leipzig : Engelmann
Kampf der Nationalitäten. 511 kirchlichen Gemeinschaften. Aber „wie aufrichtig, abgesehen von einigen fratzen- haften Erscheinungen, die Frömmigkeit dieses Volks ist, noch hat sie nicht ver- mocht, durch Verbreitung schöner Menschlichkeit den gemeinsten Egoismus und den Druck einer geistlosen Geldaristokratie zu brechen," noch auch die Skla- verei in allen Staaten aufzuheben. Der Volksunterricht, wenn auch noch jung und in einigen Staaten erst im Beginne, gedeiht jedoch mehr und mehr unter guter und humaner Pflege und in Handel und Schifffahrt wetteifert Amerika mit England, von dem derkern seinerbevölkerung ausgegangen und gegen das es immer noch alte Nationaleiferfucht hegt, die bei Gelegenheit des Streits über den Besitz des Oregon- 1845. Gebiets am Columbia-Strom, mit der Pelzhandelniederlaffung Astoria, von Neuem angefacht wurde. — Als der Congreß mit dem früher zu Mexiko gehörigen, dann durch eine erfolgreiche Empörung unabhängig gewordenen Texas einen Vertrag schloß, in Folge dessen dieses sclavenhaltende Land den *845. Vereinigten Staaten einverleibt ward, gerieth der nordamerikanifche Freistaat mit der durch Parteiung und innere Kampfe zerrütteten Republik Mexiko in einen blutigen Krieg, der nach Erstürmung der Hauptstadt Mexiko mit einer 1847• wichtigen Erweiterung des Vcreinsgebiets gegen Westen endigte. Die ehemals spanischen Staaten Nordamerikas, die mit dem Mutterlande die Schlaffheit, Zerrissenheit und Unordnung gemein haben, wo bald Anarchie, bald dictatorische Gewalt (Santa Ana) herrscht, scheinen allmählich eine Beute des anglo- amerikanifchen Freistaats zu werden. Florida, Texas und Californien mit seinem neuentdeckten Goldstrom sind bereits gewonnen; das im Aufstand begriffene Pucatan wird nicht lange mehr mit Mexiko verbunden bleiben, und die in den südamerikanischen Freistaaten herrschende Gesetzlosigkeit, Parteiwuth und Empörungssucht, die durch fortwährende Bürgerkriege den Genuß gesetzlicher Freiheit und gesicherter Ordnung stören, geben Zeugniß von der Unfähigkeit des spanischen Volksstammes für ein republikanisches Selbstregiment. — Wie in- dessen auch die Regierungsweise eines Staats beschaffen sein mag, einer neuen Macht, die seit der Revolution in die Welt gekommen und die mit der zuneh- menden Civilisation und periodischen Literatur an Umfang und Bedeutung wächst, kann sich keine Obrigkeit auf die Länge mehr entziehen, diese Macht heißt d i e ö ffent lich e M ein un g , und diese fordert: politische Freiheit mit Anerkennung der Nationalitäten, Betheiligung des Volks am Staatsleben durch Repräsenta- tiv - Verfassungen und Achtung der individuellen Freiheit auf dem Gebiet des Glaubens und der Kirche, der Wissenschaft und der Industrie. 2. Der Kampf der Nationalitäten. h. 805. Der Westen. Hatte die frühere Politik nur die Ländergebiete und Staatenvereine berücksichtigt und bei Friedensschlüssen und Verträgen nur auf geographische Lage und Begrenzung , nicht auf Abstammung , Sprache und Nationalverschiedenheit Rücksicht genommen, so ging in neuerer Zeit das Ver- langen der Völker auf Scheidung des Ungleichartigen, auf Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Nationalitäten und Volksstämme unter eigener Verwaltung, auf Pflege und Geltendmachung der Stamm- und Volkssprachen. Das immer offener hervortretende Streben der Regierungen, die fremdartigen Bewohner eroberter Ländergebiete mit dem herrschenden Volksftamme zu verschmelzen und durch allmähliche Verdrängung der Sprache, Sitten, Einrichtungen und Natio- naleigenthümlichkeiten der Besiegten mit der Zeit ein aus gleichartigen Bestand- theilen zusammengesetztes Staats-Ganze zu bilden, erzeugte bei den Unterdrückten einen Geist des Widerspruchs, eine Vorliebe für die Sprache, Sitten und Ein-

9. Bd. 2 - S. 513

1854 - Leipzig : Engelmann
Kampf der Nationalitäten. 513 Dänemark waren (außer den deutschen Schleswigern) keine fremden Elemente zu bekämpfen, dagegen rührte sich daselbst eine sc an di nav isch e Partei, die, aus Studenten tind jungen lebhaften Männern bestehend, eine Vereinigung der Reiche zu einem großen Staatsganzen anstrebte. tz. 807. Der europäische Osten. Die heftigsten Nationalkampf? fan- den im Osten statt, wo verjährtes Unrecht und jahrhundertelanger Druck die Leidenschaften reizte, wo nicht die Kraft der Civilifation die Ausbrüche einer der- den Natur milderte und brach, wo feit den Tagen der großen Wanderzüge ein buntes Völkergemisch mehr streitlustig als friedfertig vereint und getrennt fort- besteht. Hier kämpfen drei Völkerstamme, Germanen, Slaven und Ma- gyaren, theils um Herrschaft theils um Fortdauer ihrer Existenz. Die ersten, in einigen Landern des ehemaligen Polenreichs der herrschende Stamm, können nur mit Mühe ihr errungenes Uebergewicht gegen die widerspenstigen, conspirirenden Polen bewahren und müffen, der germanischen Natur zuwider, häufiger das Schwert der Selbsterhaltung gegen die Ueberwundenen ergreifen als daß sie sich ihrer überlegenen Bildung zur Eultivirung derselben bedienen könnten. In Un- garn und Siebenbürgen müssen sie ihre deutschen Sitten, Sprache, Ein- richtungen gegen die feindlichen Eingriffe der herrschenden Magyaren schützen. Der slavische Volks stamm ist der verzweigteste in den östlichen Landern, aber nur in Rußland besitzt er die Herrschaft. Das alte Polen ist als Opfer innerer Gesetzlosigkeit und äußerer Gewaltthat zu Grunde gegangen und alle Ver- suche der rührigen Emigranten durch Propaganda und Conspiration den zer- stückelten Leichnam wieder zu beleben sind bis jetzt gescheitert und werden so lange scheitern, als der polnische Adel nicht Selbstentsagung lernt und das polnische Volk nicht die Rechte und die Bildung freier Staatsbürger erlangt. So lange der Bauer in Posen, trotz des regen Nationalgefühls und der warmen Vater- landsliebe, die allen Polen innewohnen, lieber unter preußischer Regierung stehen will als unter der Herrschaft des heimischen Adels, und so lange der galizische Leibeigene bereit ist, seinen ihm nur als Peiniger und Dränger bekannten Gutsherrn mitsense unddrefchflegel zuerschlagen, wieimi. 1846, ist an Polens Wiederher- stellung nicht zu denken. Die übrigen Slaven leben unter verschiedenen Namen in der ganzen östreichischen Monarchiezerstreut, nirgends herrschend, an wenigenorten frei und für die Güter der Civilifation wenig Empfänglichkeit zeigend. Nicht kräftig genug, um das Joch der fremden Stamme abzuschütteln und nicht hin- gebend genug, um sich das Wesen und die Eigenthümlichkeiten derselben anzu- eignen und das ihrige aufgehen zu lasten, stehen die Slaven überall in feindseli- gem Haß den fremden Nationalitäten gegenüber. Ein Versuch der böhmischen Czechen, mittelst einer blutigen Revolution ihre deutschen Landsleute zu unter- drücken und die Herrschaft des Landes in die eigenen Hände zu nehmen, endete mit ihrer Niederlage. Die weitverzweigte Verbindung der Panslavisten sucht unter den verschiedenen Stämmen aller Länder das Gefühl des gemeinsamen Ur- sprungs und der gemeinsamen Interessen lebendig zu erhalten und Alle für das große Ziel, nationale Einheit, zu begeistern. Der Panslavismus dient in manchen Ländern der russischen Politik als Träger und Förderer ihrer Interessen, in andern ist er der Gegenstand ihrer Furcht, ihres Mißtrauens und ihrer Verfol- gung. — Der rüstige Magyare herrscht in Ungarn, namentlich in den frucht- baren Niederungen ostwärts der Theiß. Ursprünglich ein streitbares Räubervolk haben die Magyaren auch in den Zeiten, wo mildere Sitten ihren Einfluß übten, die kriegerische Kraft, den ungebändigten Freiheitssinn und das bei ritterlichen Völkern meistens einheimische Feudalwesen beibehalten. Als Eroberer des frucht- Weber, Geschichte. Ii. 6. Alufl. 33 Ger- manen. Slaven.

10. Bd. 2 - S. 514

1854 - Leipzig : Engelmann
514 Die Zeit des französischen Bürgerkönigthums. deren Pannoniens sprechen sie die Herrschaft über die übrigen Bewohner germa- nischen und slavischen Ursprungs an und wollen die einst von ihnen bezwungenen Völkerschaften an den südlichen Grenzmarken, die Slavonier, Kroaten (Raizen, Ruthenen) u. a. nicht als Gleichberechtigte, sondern als Unterworfene behandeln. Stolz auf ihre Abstammung und Nationalität bewachen die Magya- ren neidisch ihre Stammeigenthümlichkeiten, ihre Sprache, Sitten und Einrich- tungen; ja um vom Auslande unabhängig zu sein und die Landesindustrie zu heben, bildeten sich Vereine, mit der Verbindlichkeit, zu Nahrung, Kleidung und häuslichen Bedürsniffen sich nur einheimischer Erzeugniffe zu bedienen. Stand- haft und muthig verfochten sie gegen die despotische Regierung ihre angestammten Rechte und Freiheiten, aber weniger gerecht als tapfer und herrschsüchtig versagten sie die Güter, die sie für sich so entschieden in Anspruch nahmen, ihren Unter- thanen. Sie verdrängten von ihrem aus einer Adelstafel (Magnaten) und einer Ständetafel bestehenden Reichstag die seit langeher gebräuchliche latei- nische Sprache durch die magyarische, ohne Irücksicht auf die andersredenden Völ- kerschaften; sie bestanden darauf, daß nur Ungarn (Magyaren) die höhern Mi- litär- und Beamtenstellen bekleiden dürften und während sie das Band, das sie mit dem östreichischen Kaiserstaat zusammenhielt, immer mehr zu schwächen be- müht waren, suchten sie zugleich die Herrschaft des Magyarenthums fester zu be- gründen. Um aber nicht das Loos des polnischen Adels zu theilen, lernten die Edelleute noch rechtzeitig Mäßigung und Klugheit. Die Stände bewilligten ein Urbarialgesetz, das dem Bauer Ablösung der Feudallasten und ein freies Eigenthum zugestand und hoben die lange bestandene Steuerfreiheit des Adels auf. Dadurch wurde das Magyarenthum in sich einiger und stärker. 3. Pauperismus und Social-Reformen. tz. 808. Das Proletariat. Die große französische Revolution, nach praktischer Verwirklichung des Grundsatzes der Freiheit und Gleichheit strebend, hat die Fesseln der Unfreiheit, welche die frühem Geschlechter dem Nie- driggebornen, Armen und Geringen angelegt, zersprengt und damit die untern, auf Erwerb durch Handarbeit angewiesenen Klassen als vollberechtigt den höhern Ständen zur Seite gestellt. Die Lastträger der menschlichen Gesellschaft, die zu den schweren körperlichen Arbeiten und zu den untern Geschäften des Lebens noth- wendigen Menschen, die in den Republiken des Alterthums rechtlose Sc laven waren, im Mittelalter theils leibeigene Bauern, theils Gesellen und Knechte ohne politische Rechte, ohne Eigenthum, Besitz und persönliche Frei- heit, traten nunmehr als gleichberechtigte Staatsbürger ins öffentliche Leben ein, mit den Ansprüchen auf das Recht der Existenz durch Arbeit und auf Gründung einer Familie durch Verheirathung, ein Recht, das in frühern Zeiten wesentlichen Beschränkungen unterlag. Als die Stürme der Revolution vorüber waren, als Ackerbau, Gewerbfleiß, Industrie wieder aufblühten und mit den Künsten des Friedens Wohlstand, Lebensgenuß und Luxus einzogen, da zeigten sich bald die Folgen der Auflösung der frühern gesellschaftlichen Bande. Die unbegrenzte Theilbarkeit der Güter und die gleiche Erbberechtigung aller Kinder vermehrte den Stand der Grundbesitzer ins Unendliche und schuf einen freien Bauernstand von kleinem Grundeigenthum. Die Anfangs erfreuliche Erscheinung wurde die Quelle unsäglichen Elends. Durch die mit jeder Generation sich mehrenden Thei- lungen wurde der Grundbesitz dermaßen gespalten und vermindert, daß nur wenige Familien von dem Ertrag leben konnten; atls freien Bauern wurden daher all-
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