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1. Völkerwanderung und Frankenreich - S. 232

1906 - Gotha : Thienemann
— 232 — mordeten und brannten und verwüsteten, ahd. auch heri (Heer), ihre Tat Heerung oder ahd. firkeriön, mhd. verhern, nhd. verheeren. Und noch hören wir heute aus dem Worte heraus, daß das Verheeren eine Missetat war, die, wie auch die Teilnahme daran, stärker bestraft ward als die Tat eines einzelnen. Einst war Vieh des Mannes Reichtum, jetzt auch Haus und Hof, Getreide, Geräte, Schmuck an Gold und Silber, ja auch Münzen. Dem entsprach es, wenn man im Altertum von der Eintreibung der Strafe^ nämlich der Tiere, nun aber von der Einziehung oder Beiziehung der Strafe, nämlich der Beiziehung von Waffen, Getreiden, Münzen, sprach. Das sittliche Urteil war feiner geworden. Raub sah man jetzt als ehrlose Handlung an: für das erstmalige Verbrechen sollte der Räuber ein Auge verlieren, sür das zweite sollte ihm die Nase abgeschnitten werden, für das dritte sollte er den Tod erleiden. Eine Reihe von Strafen freilich zeigt auch die Roheit der Zeit; es sind die Verstümmelungen des Körpers: Blendung eines oder beider Augen, Abschneiden der Nase, Abhauen einer oder beider Hände für Meineid, Abhauen der Finger oder Zehen für Teilnahme an einem Aufstand. Durch die christlichen Geistlichen war die Kunst des Schreibens von Italien her gekommen, nun ward sie in allen Klöstern gelehrt und geübt (S. 240), von den Beamten der königlichen Domänenverwaltung wie von denen der Grundherren gebraucht. Daher entstand auch eine Neuerung im Beweisverfahren, die Urkunde (ahd. urkundi) = das Schriftstück. Neben den Urkundigen (ahd. urchundo) trat die Urkunde (ahd. urkundi), neben i)en Zeugen das Zeugnis. Freilich galt die Person noch mehr als die Sache. Nur die Königsurkunde galt als unbedingt wahr; die Behauptung, daß sie Unwahres enthalte, war bei Todesstrafe verboten. Die Wahrheit der Privaturkunde, wenn vom Gegner bestritten, mußte durch Eideshelfer oder Urkundszeugen gestärkt werden. 5. Die Rechtsbildung. Das Frankenreich war eine Vereinigung von Nationen und Stämmen: der Romanen in Italien und Gallien und der Germanen: der Langobarden, Franken, Friesen, Sachsen, Thüringer, Bayern und Alamannen; es war in seinem deutschen Gebiet eine Zusammenfassung der damaligen westgermanischen Stammesstaaten (S. 33 ff.). Eine Einheit und doch eine Vielheit. Wir berühren somit die Frage nach dem Geltungsbereich eines Rechts: gab es ein für das ganze Frankenreich gültiges Recht? oder Rechte, nur für Teile des Reiches gültig? Die Besonderheit des Rechts nach Nationalitäten und Stämmen blieb bestehen, und zwar sowohl nach dem Inhalt als nach der Geltung des Rechts. So betrug das Wergeld für einen Gemein-

2. Völkerwanderung und Frankenreich - S. 234

1906 - Gotha : Thienemann
— 234 — das Latein als Weltsprache im Verkehr und im christlichen Kultus und die Vielheit der deutschen Mundarten; die Fertigkeit, mit aus Pergament geschriebenen Worten untrügliche Kunde in ferne Räume zu senden und geschehene Taten einer späten Zukunft zu berichten, und die mühevolle Arbeit, wenige Runen in Stein oder Holz zu ritzen und dann zu enträtseln; die Lektüre der Kirchenväter, der Vulgata (der lateinischen Übersetzung der Bibel), auch einiger klassischer Schriftsteller und die Erzählung der Sagen von Heldentaten deutscher Männer. Die Reste der griechisch-römischen Kunst und Literatur, das römisch-katholische Christentum mit seinem Schrifttum und die aus eigenem Volkstum erwachsene, aber noch geringe Bildung der Deutschen, das waren die drei Tatsachen, die das Geistesleben des karlingischen Weltreiches kennzeichneten. Dem offenen Auge Karls blieben diese Unterschiede nicht verborgen. Er sah sie sogleich klar, als er, auch König der Langobarden, 781 zum erstenmal längere Zeit in Italien weilte. Und sofort faßte er den Entschluß, diese höhere Bildung den Deutschen zu bringen, sie anzuschließen an die höhere Kultur der südlichen Völker. Damit begann Karls Bildungspolitik. Sie war Kulturpolitik: die Erhöhung der Bildung sollte die Kultur fördern. Diese Politik ruhte auf der tiefen Einsicht, daß die Stärkung und Mehrung der geistigen Kräfte dem Dasein nicht nur einen höheren Wert verleihe, sondern auch zu größeren wirtschaftlichen Leistungen befähige. Auf zwei Wegen war dies höhere Ziel erreichbar: durch Stärkung und Mehrung der aus dem eigenen Volkstum gewonnenen Kräfte oder durch Aneignung des Fremden. 1. Karl als Förderer deutscher Bildung. Karl liebte sein Volkstum und achtete es, war er doch in Gestalt, Charakter und Tat ein Germane reinen Blutes. Wir brauchen nur zusammenzustellen, was Einhard davon zerstreut berichtet: „Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die jedoch das richtige Maß nicht überschritt — denn seine Länge betrug sieben seiner Füße —, der obere Teil seines Kopfes war rund, seine Augen sehr groß und lebendig, die Nase ging etwas über das Mittelmaß, er hatte schöne weiße Haare und ein freundliches, heiteres Gesicht. So bot seine Gestalt, mochte er sitzen oder stehen, eine höchst würdige und stattliche Erscheinung, wiewohl sein Nacken zu dick und kurz, sein Bauch etwas hervortretend scheinen konnte; das Ebenmaß der andern Glieder verdeckte das. Er hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche Haltung des Körpers und eine helle Stimme, die jedoch zu der ganzen Gestalt nicht recht passen wollte. Beständig übte er sich im Retten und Jagen, wie es die Sitte seines Volkes war; denn man wird nicht leicht auf Erden ein Volk finden, das sich in dieser Kunst mit

3. Völkerwanderung und Frankenreich - S. 241

1906 - Gotha : Thienemann
— 241 — Die geistige Entwickelung unseres Volkes zeigte bis 800 zwei Richtungen: 1. von den Anfängen unserer Geschichte her eine volkstümliche, aus eigner Kraft geborene, enthalten vor allem in der Religion der alten Deutschen und in den Heldenliedern; 2. seit Chlodovechs Taufe eine fremde, von außen gekommene, übertragene, bis zu Karl dem Großen nur kirchlich-christliche, durch ihn und seit ihm auch antik-klassische. Letztere Bildung ward als die höhere, bessere angesehen. Daher ward die volkstümliche Geistesrichtung auf Jahrhunderte gehemmt; das Geistesleben der Nation ward in eine ihm ursprünglich fremde Richtung gezwungen, so lange, bis die Nation, nun des Fremden Herr geworden, sich der Bildungs-schätze aus ihrer eignen Vergangenheit bewußt ward. Es geschah erst durch Herder und die ihm nachstrebenden Romantiker. Die beiden Geistesrichtungen entwickelten auch zwei Bildungstypen, einen höheren und einen niederen: 1. Die höhere Bildung empfingen Karl und die Seinen aus Italien durch die Vermittelung der lateinischen Sprache. Seitdem gilt bei uns bis heute das Lateinische (durch den Humanismus erweitert in Verbindung mit dem Griechischen) als die Grundlage aller höheren Bildung überhaupt. (Gymnasium, Realgymnasium.) 2. Die Bildung, die nur an den Werken des nationalen Geisteslebens und an den Schriften des Christentums gewonnen wird, gilt als die niedere. Ob mit Recht? Wie lange noch als die niedere? Die Schule empfingen wir durch das Christentum und die karlingische Renaissance. Sie brachte einen neuen Riß in unser Volk. Es war bis dahin gegliedert: 1. nach der Religion: in Heiden und Christen: doch seit der Unterwerfung der Sachsen gab es diesen Unterschied nicht mehr; 2. nach Stand und Recht: in Adelige — Gemeinfreie — Halbfreie — Unfreie; Beamte des Königs — Nichtbeamte; 3. nach dem Besitz: in Grundherren — besitzende freie Bauern — freie, halbfreie und unfreie Hintersassen — freie, halbfreie und unfreie Landlose. Und doch waren diese Unterschiede nicht zu grell; denn der Fürst und der Edeliug hatten im allgemeinen keine anderen geistigen Interessen gehabt als der freie Bauer und der leibeigne Hintersasse. Nun ward das allmählich anders, nun bildete sich die Spaltung des Volkes in Gebildete und lln gebildete oder Höher gebildete und Wenigergebildete. Wie hat sie sich seit den Tagen Karls des Großen vertieft! Sollen wir die Spaltung an sich beklagen? Nein; denn alle Entwickelung schreitet durch Differenzierung vorwärts — und ja; denn der Abstand B ä r, Deutsche Geschichte. Ii.

4. Völkerwanderung und Frankenreich - S. 260

1906 - Gotha : Thienemann
— 260 — Staatskunde. Wie viel Elend und Not war über das Frankenreich gekommen, weil das Reich als Erbgut der königlichen Familie betrachtet wurde, weil eine privatrechtliche, nicht eine staatsrechtliche Auffassung vom Reich maßgebend gewesen war! Darum vermögen wir nun den Segen des Erstgeburts-rechts in der Thronfolge völlig einzusehen. Preußische Verfassung Art. 53. »Die Krone ist den königlichen Hausgesetzen gemäß erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge." 6. Die Entstehung des Deutschen Reiches. Das ostfränkische Reich umfaßte nicht alle deutschen Stämme. Ganz gehörten ihm nur zu die Sachsen, Thüringer und Bayern; es fehlten die Friesen, fast alle Franken westlich des Rheins, die Alamannen im Elsaß. Die fehlenden Stämme wurden im Laufe des 9. Jahrhunderts noch erworben: es geschah durch das Erlöschen der Linie Lothars. Das Reich Lothars, der 855 starb, teilten seine drei Söhne so, daß Ludwig Ii. Italien und den Kaisertitel erhielt, Karl Burgund und die Provence, Lothar das Land der Franken und Friesen. Nach diesem Lothar tragen die Landschaften an der Mosel und Maas den Namen Lotharingen. Aus dieser Teilung gingen nach Ludwigs Ii. Tode (876) drei Reiche hervor: Italien, Arelat oder Niederburgund und Hochburgund. Lotharingen fiel auf Grund eines zwischen Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen 870 zu Mersen, westlich von Aachen an der Maas, geschlossenen Vertrags und infolge innerer Wirren nach dem Tode Karls des Kahlen (877) an Ostfranken. Seit 880 gehörte alles Land östlich der Schelde und Maas bis zur Quelle der Saöne (außerdem ein Streifen westlich der Maas bei Verdun) zu Ostftanken, Diese Grenzlinie war im allgemeinen die romanisch-deutsche Sprachgrenze. Freilich Cambrai, Lüttich, Verdun, Metz und Toul waren französische Städte. Alle deutschen Stämme waren zu einem Staats wesen vereinigt. Otto Behaghel gibt in Pauls Grundriß der germanischen Philologie I, 2. Aufl. 1901, S. 650 ff., in dem Kapitel „Geschichte der deutschen Sprache" eine genaue Benennung der deutsch-romanischen Sprachgrenze. Er berichtet über die Romanisierung der Langobarden, Burgunder und Westfranken und saßt dann so zusammen: „Mit der Romanisierung der drei genannten Stämme ist die Grenze des Deutschen gegen das Romanische im wesentlichen festgestellt." — Eingehende Literaturnachweise ebenda S. 654. Johannes Zemmrich, Die deutsch-romanische Sprachgrenze, Deutsche Erde Iv (1905), S. 47 ff. (Verschiebungen der Sprachgrenze in früherer Zeit. Gegenwärtige Bewegung der Sprachgrenze. Nationale Minderheiten zu beiden Seilen der Sprachgrenze.) Methodisches. „Die deutsch-französische Geschichte besteht in einem fortgesetzten Kampfe um dieses große Zwischengebiet (Lothringen), dessen Bevölkerung mehr germanisches Blut hatte als das west-

5. Ottonen und Salier - S. 10

1910 - Gotha : Thienemann
— 10 — form auch slawischen Ursprung, wie Meitzen (Ii, 471 und Iii Anlage 4) gezeigt hat. Vergleiche. Auf dem Boden des heutigen Deutschland haben drei Völker gesiedelt: Kelten, Westgermanen und Slawen. Die Westgermanen haben die beiden anderen verdrängt, aber noch kann man an den Siedelungs-sormen den Urzustand erkennen. c) Slawische Orts- und Familiennamen. Wenn auch nicht für jeden Fall stimmend, so kann doch im allgemeinen gesagt werden, daß die Ortsnamen mit den Endungen itz, itzsch, irr und au auf Orte slawischen Ursprungs Hinweisen. Im Kreise Delitzsch finden wir Ortsnamen mit der Endung: itz, itzsch in Delitzsch, Gertitz, Kertitz, Storkwitz, Paupitzsch, im ganzen gegen 60, in in Werbelin, Glesien, Zscheppelin, au, slawisch ow (noch erhalten in Rathenow, Grabow), mhd. ou, nhd. au in Zschortau, Wölkau, Zwochau, Wölluau. In andern Gebieten sind ähnliche Ortsnamen leicht zu finden: Chemnitz — Berlin, Stettin, Kammin — Buckau bei Magdeburg. Die Gleichheit der Endung tritt hervor im pommerschen Stargard und Naugard, im serbischen Belgrad und im russischen Nowgorod. Eine zusammenfassende Arbeit über die slawischen Ortsnamen aufzufinden, ist mir leider nicht gelungen. Was einzelne Gebiete anbelangt, so sei auf die Literaturangaben hingewiesen in Pauls Grundriß der germanischen Philologie Iii und auf Langhansens Zeitschrift „Deutsche Erde" (Gotha, Perthes). Die sehr große Zahl slawischer Ortsnamen östlich der Saale und Elbe, ja auch in Thüringen am linken Saalufer, ferner im hannoverschen Wendland zeigt, daß das Slawentum wie eine große Flut sich über den Boden gewälzt hat, der einstmals germanisch war. Von den Ortsnamen stammen viele Familiennamen ab, so: Eammin, Schwerin, Bublitz, Dewitz, Niemitz; Flotow, Grabow, Vangerow. Häufig sind die Familiennamen mit gehäuften Zischlauten: Ranitzsch, Pernitzsch, Roitzsch, Goitzsch, Groitzsch, Fratzscher. d) Kultur und Religion der Slawen (nach Hauck Kelten: Westgermanen: Slawen: Rund- und Straßendörfer. Östlich der Saale und Elbe. Westlich der Weser. Zwischen Weser, Saale und Elbe. Gewann- oder Hi, 84 ff.).

6. Ottonen und Salier - S. 34

1910 - Gotha : Thienemann
>/ — 34 — b) Das Reich 919 und 936. 919: 936: Das Reich in allen seinen Teilen in festgegründet und gebaut, Verwirrung: durch innere Fehden, beruhigt und geeinigt, durch auswärtige Kämpfe. die Barbaren besiegt. Ein Königtum, hervorgegangen aus Ein Königtum über alle Stämme Designation Konrads I. und Wahl aus Designatton, Wahl und der fränkischen u. sächsischen Großen. eigner Kraft. Giesebrecht I, 222: „Als Gründer des Reichs hat Heinrich für uns Deutsche eine Bedeutung, die ihn den ersten Männern unserer Geschichte an die Seite stellt. Durch die Einigung der deutschen Stämme zu einer staatlichen Gemeinschaft, zu einem nun politisch wie kirchlich in sich abgeschlossenen Volke und aus sich beruhenden Ganzen bildete sich erst ein gemeinsames nationales Bewußtsein unter den Deutschen klar und bestimmt heraus; jetzt erst konnte man im strengen Sinne von einem deutschen Volke reden, und erst jetzt fing man an, die Deutschen scharf zu scheiden, wie hier von den romanischen Völkern der Monarchie Karls des Großen so dort von der skandinavischen Bevölkerung des Nordens und den überseeischen Angelsachsen. _ Mit Heinrich beginnt die Geschichte des deutschen Reiches und des deutschen Volkes, wie man von jener Zeit bis auf den heutigen Tag den Begriff desselben gefaßt hat." c) Heinrichs Mittel: Unterhandlung und Waffengewalt. Wahl und Handhabung dieser Mittel sind in seinem Charakter begründet: weil ruhiger Selbstbeschränkung und Mäßigung fähig, darum Unterhandlungen mit Bayern, Schwaben, dem westfränkischen König, den Ungarn, Dänen — darum die kluge Vorbereitung kommender Ungarnkämpfe durch den Bau von Burgen und die Errichtung des Reiterheeres — darum die Unterhandlungen mit den Großen des Reiches auf dem Tage zu Erfurt — darum eins nach dem andern; weil fest und nachhaltig in seinem Willen, darum rastlos tätig bis ans Ziel in der Bekämpfung der Teilgewalten, der auswärtigen Feinde. L a m p r e ch 11, 130: „Allzeit korrekt, war er recht eigentlich zum Gründer des Reiches geschaffen." d) R u o t g e r, Leben des Erzbischoss Bruno, 3. (Bruno war Ottos I. Bruder — Ruotger sein Zeitgenosse. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit, X. Jahrhundert, 3. Band), Kap. 3: „Es würde zu weit führen, wollte ich's darlegen, wie der genannte König Heinrich, der Vater des großen Mannes, von dem wir handeln (Bruno), zum erwünschten Genuß des Friedens gelangte, während er beim Antritt seiner Regierung das ganze Reich durch die fortwährenden Einfälle der Nachbarvölker und die heftigsten inneren Zwistigkeiten zerrissen und geschwächt fand: von der einen Seite drohte das wilde Dänenvolk, zu Wasser und zu Lande mächtig, von der andern die treulosen Horden barbarischer Slawen, Rache für erlittene Knechtschaft suchend; die grausamen Ungarn verwüsteten, nach-

7. Ottonen und Salier - S. 75

1910 - Gotha : Thienemann
— 75 — Universalreiche der weltgeschichtlichen Bewegung des 10. Jahrhunderts: Germanen, Byzantiner und Sarazenen begannen um sie zu streiten, denn in ihrem Besitz, lag der Schlüssel zu den Toren Mitteleuropas, zu den byzantinischen Meeren, ja zu den Ländern des Morgenlands. Vor den großen politischen Möglichkeiten, die sich hier darboten, ist dann die religiöse Trennung zurückgetreten: völlig klar sollte gar bald die Frage gestellt werden, ob Germanen und Griechen oder Griechen und Sarazenen zusammenstehen sollten. Schließlich haben sich die Mittelmeer-möchte vereinigt; Islam und Ostrom erwehrten sich gemeinsam der germanischen Barbaren Mitteleuropas, freilich nur, um völlig erschöpft am Ende den Barbaren des Nordens, einem andern Zweig der großen germanischen Völkerfamilie, den Normannen, die vielgehütete Eingangspforte nach Konstantinopel wie Palästina zu überlassen." Otto erreichte in wenig Jahren viel. Die Fürsten von Spoleto, Capua und Beuevent traten unter seine Oberhoheit; kriegerische Wirren mit Ostrom endeten durch die am 14. April 972 vollzogene Vermählung des 18jährigen Otto Ii. mit der 16jährigen griechischen Prinzessin Theophano. Befriedigt über die Erfolge der Jahre 962—972 kehrte Otto heim nach Deutschland. Da rief ihn am 6. Mai 973 der Tod, in seiner Pfalz zu Memlebeu, da, wo er auch seinen Vater Heinrich gerufen. Im Dom zu Magdeburg ward er begraben. h) Das Kaisertum Ottos, seine Art und seine Zukunft. Kaisertum war Weltherrschaft (vgl. Ii § 39, 2: Idee des Kaisertums). Das Kaisertum erhob den Anspruch, die höchste Gewalt im Abendland zu sein. Karls Kaisertum war dies tatsächlich, das Ottos nicht; denn wenn auch durch die Slawenkriege die Grenzen des Reiches im Osten weit über die Saale und Elbe hinausgerückt worden waren, es fehlten doch Westfranken, das Land bis zum Ebro und Burgund. Aber ein Weg wies znr Weltherrschaft, wenn auch mittelbar: wie Otto durch den deutschen Episkopat Deutschland, so konnte er durch das Papsttum die abendländische Kirche und ihre Länder beherrschen, ganz so, wie er 948 durch eine Synode von deutschen und westfränkischen Bischöfen in einen Thronstreit Frankreichs zwischen Ludwig Iv. und Hugo von Franzien zugunsten des ersteren eingriff. Wie aber, wenn das Papsttum sich von dieser Herrschaft des Kaisertums frei machte? icinti brach das deutsche Königtum zusammen. Eine zweite Gefahr für dieses Kaiserreich lag in d e m n ct t i o tt a -

8. Ottonen und Salier - S. 76

1910 - Gotha : Thienemann
— 76 len Gegensatz der Völker, die es vereinte. Das Reich Karls des Großen war geeint im katholischen Glauben; auch das Ottos, wenn man absieht von den noch zu bekehrenden slawischen Völkern. Doch hatte sich seit den Tagen Karls allmählich eine nationale Trennung herausgebildet: die europäischen Nationen standen einander abgeschlossen gegenüber, das nationale Bewußtsein war erwacht und verlangte Beachtung feiner politischen Rechte. In Deutschland und Frankreich zeigte sich das namentlich in der Sprache. Der Heliand, der Krist und das Ludwigslied waren in deutscher Sprache gedichtet worden; die Straßburger Eide hatte man in romanischer und deutscher Sprache geschworen (Ii § 40, 5). Die Kirche Deutschlands war eine nationale und dem Königtum unterworfen. Ferner: die Italiener fühlten sich mit Stolz als Träger einer höheren Kultur gegenüber den nordischen Barbaren. Über Ottos Romzug hören wir sie so urteilen: „Das Heer des fremden Kriegsfürsten besteht aus mancherlei Kriegsvolk, verschieden nach Stamm und Sprache. Es find Menschen, denen es unmöglich ist, mäßig zu leben: sie rauben alles, was Wert hat, selbst im Heiligtum schänden sie edle Frauen. Haben sie das Land zur Wüste gemacht, dann beginnt der Rückzug. Denn es ist unmöglich, diese Scharen in der Fremde lange zusammenzuhalten. Auch ist es einem so großen Fürsten unziemlich, von dem eigenen Heer im Stich gelassen, bei denen zu verweilen, deren schwache Treue er fürchtet. Deshalb zieht er nach der Heimat zurück, fröhlich, sie wiederzusehen." Wie, wenn sich die nationale Kraft der Italiener steigerte, würde das deutsche Kaisertum feine Macht über sie behaupten können? Otto erlangte das Königtum der Italiener, das Patriziat über Rom und die Weltherrschaft nur, weil das deutsche Königtum fcie erste politische Macht des Abendlandes war. Die Kraft des deutschen Königtums war sein und seines Vaters Verdienst. „Die Ent- scheidungen beruhen darauf, daß die italienischen Potenzen zweiter Klaffe, zuerst in der Lombardei, dann auch in dem mittleren Italien, dem ostsränkischen Königtum beitraten. Es war eine Erweiterung der Weltstellung desselben überhaupt. Wäre feine Macht nicht bereits konsolidiert gewesen, so daß sie zugleich Ehrfurcht und Schrecken erweckte, so würde es nicht geschehen sein. Es war nicht etwa eine unmittelbare Herrschaft von Germanien, was dadurch begründet wurde, sondern das Prinzipat des ostsränkischen Reiches über Italien. Die Grundbedingung von allem war nun aber die Erhaltung des Königtums in Deutschland. Das Königtum und das Kaisertum waren immer zwei verschiedene Begriffe, die einander gleichsam bedingten: nur ein mächtiger König

9. Ottonen und Salier - S. 89

1910 - Gotha : Thienemann
— 89 — von Apulien ein normannisches Fürstentum in Unteritalien begründet. ^ In dem Kriegsgetümmel Unteritaliens zwischen den longo-bardischen Grafen, den Griechen und Sarazenen hatten normannische Ritter, die als Pilger aus dem gelobten Lande heimwärtszogen, den kleinen longobardischen Fürsten Dienste geleistet. Kriegerische Taten zu vollbringen, Land und Macht mit dem Schwerte zu gewinnen, fönten andere ans der Normandie nach. (£s gelang * sie empfingen Lehen um Lehen, sie wurden von den Kaisern bestätigt, 1056 war Robert Guiskard der mächtigste der normannischen Fürsten Unteritaliens. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts waren die Normannen eine bedeutsame politische Macht West-uud Südeuropas. Es kam darauf an, wer ihre Kraft für sich gewann, ob das Kaisertum oder das Papsttum. Vorblick. Vandalen, Westgoten und Lougobarden verloren im Süden ihr Volkstum. Ob die Normannen es sich erhalten konnten? Die Normannenfahrten von 800 — 1 100 können wir als Völkerwanderung der Nordgermanen bezeichnen. Völkerwanderungen der Germanen. Westgermanen: Erste westgermanische Wanderung: bis zu Cäsar — Vordringen der Germanen bis zum Rhein; I §§ 2—4. Zweite westgermanische Wanderung: Mitte des 3. bis Ende des 5. Jahrhunderts; Ii § 25. Ostgermanen: Mitte des 2. Jahrhunderts bis 568, Völkerwanderung, germanische Staaten auf römischem Boden. Nordgermanen: 800—1100. Deutmanös^ ^ germanischen Wanderungen für die Bildung Einwanderung der Westgermanen (I § 1): das Land zwischen Elbe und Weser, Mittelgebirge und Meer wird gewonnen Erste westgermanische Wandernng (I §§ 2-4): das Land bis zum Rhein wird gewonnen — Völkerschaftsstaaten. Zweite westgermanische Wanderung (Ii § 25): das Land bis zur Mosel und Maas im Westen, bis zum Kamm der Alpen im Süden wird gewonnen: der Stammesstaat. Nordgermanische Wanderungen: Einwirkungen auf die Bildung des Herzogtums Sachsen: Verlust von Friesland. ' ' 3. Das Kaisertum und seine politischen Folgen für Deutschland. ^ .. .fjlt d02 waren die deutschen Könige zugleich Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation. Diese Tatsache bestimmte die

10. Ottonen und Salier - S. 51

1910 - Gotha : Thienemann
— 51 — empfing Hermann Billnng, die südliche, die Ostmark, von der Havel bis zum Erzgebirge, Markgraf Gero. Zwischen Deutschen und Wenden waltete flammender Haß; man kämpfte nicht nur mit den Waffen, sondern auch mit List und Verrat; man wollte den Feind nicht nur besiegen, sondern auch vernichten. Typisch ist, was Markgraf Gero tat (was bereits S. 45 angedeutet ward). Als er, kurz nachdem ihm der Befehl über das südliche Wendenland übertragen worden war, davon Kunde erhielt, daß die Unterworfenen ihn zu ermorden planten, war sein Entschluß rasch fertig: er lud 30 der Verschworenen, Fürsten und Edle, zum Mahle; an seinem eigenen Tisch ließ er sie alle ermorden. So stellte er dem Verrat Verrat entgegen. Nach dem Tode Geros, 966, wurde dessen Mark unter süns Grafen verteilt. Dadurch entstanden fünf neue Marken: die Nordmark, die Ostmark, die Mark Meißen, die Mark Merseburg und die Thüringer Mark. Die Mark Meißen wurde bis 1046 von den Eckardinern verwaltet, von da bis 1067 von den Grafen Wilhelm und Otto von Weimar; 1067 empfing sie Graf Dedi von Wettin, und seitdem erhob sich dies Geschlecht unter die Fürsten Deutschlands. Von ihm stammen ab die Herrscherhäuser des Königreichs Sachsen, des Großherzogtums Sachsen und der Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Altenburg und Coburg-Gotha. Die Markgrafschaft als militärische Einrichtung zur Behauptung eines unterworfenen Feindeslandes schuf Karl der Große, s. Ii § 31, 4 die Avarenmarken; § 31, 5 die spanische Mark. Otto hat dies System erneuert. Im Schutze der Burgwarde entstanden deutsche Kolonien. Zwischen den reichlicher bewohnten Flußgebieten gab es weitausgedehnte Waldbezirke, in denen menschliche Niederlassungen fast gänzlich fehlten. Dieser Boden war Königsland (Ii § 35, 3); er ward von den Königen geistlichen und weltlichen Großen verliehen, und die zogen nun deutsche Bauern als Kolonisten zur Urbarmachung und Bebauung des Bodens heran. Es war also eine grundherrliche Kolonisation. Weit schwieriger als die militärische Behauptung des Landes war die Verschmelzung seiner Bewohner mit dem deutschen Volk; denn da waltete, wie gesagt, ein dreifacher Gegensatz: ein nationaler, kultureller und religiöser. Es galt, ihn zu mindern. Und da faßte Otto den Gedanken, daß die Einheit der christlichen Religion die Klammer zwischen den alten und neuen Bestandteilen des Reiches sein solle. (Vgl. Karls des Großen Sachsenkriege Ii § 33. So kehrte 4*
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