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1. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 263

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
Chlodowech von seiner Bekehrung bis zu seinem Tode. Wir haben sie zwar im Laufe der Erzählung bereits kennen gelernt, aber es wird gut sein, sie hier noch einmal nach den Worten eines bewährten Geschichtsforschers*) zusammenzufassen. ^ _ „Der wichtigste Umstand war unstreitig die Einheit des Glaubens. Damit war dem nationalen Gegensatz die Spitze abgebrochen, während anderwärts der Arianismus eine Versöhnung der Romanen mit der germanischen Herrschaft unmöglich machte. Wandalen und Ostgoten blieben Arianer bis zum Untergang ihrer Reiche, die Burgunden bis auf die letzten Zeiten König Gundobads, die Westgoten bis zu Ende des sechsten, die Langobarden gar bis zur Mitte des siebenten Jahrhunderts. Die Franken dagegen, die in Gallien gleich das katholische Christentum kennen lernten, gewannen mit seiner Annahme nicht bloß die Unterstützung der gallischen Bischöfe, welche in der Not und Verwirrung der Zeit vielfach die eigentlichen Herren der Städte geworden waren, sondern auch die Sympathien der Bevölkerung, die sich nun um so leichter mit dem Fall des römischen Reichs aussöhnte. Darum wurde die Ausdehnung der fränkischen Herrschaft über das westgotische Aquitanien, das burgundifche Reich und die ostgotische Provence nicht als Unterwerfung unter fremde Gewalt, fontlern als Befreiung von ketzerischem Druck angesehen. . . . Die Kirche war die einzige Macht, welche in der Zeit der allgemeinen Auslösung die Ordnung aufrecht erhalten, Schutz gewährt und Freund und Feind miteinander versöhnt hatte; wäre sie in Gallien zwiespältig geworden, so würde auch dieser letzte Halt verloren gegangen sein. So aber ward sie das Bindeglied zwischen Römern und Germanen und führte zur Erhaltung und Wiederbelebung wenigstens eines Teiles der Kultur des Altertums. Daher die unendliche Tragweite der Bekehrung Chlodowechs; sein Beispiel wirkte entscheidend, so daß nun auch die übrigen germanischen Stämme sich allmählich vom Arianismus abwandten und zur Glaubenseinheit mit Rom bekehrten. Er erkannte die siegreiche Macht der Kirche, die allein in den Stürmen der Völkerwanderung nicht untergegangen, sondern nur erstarkt war, während die weltlichen Reiche zusammenbrachen wie Kartenhäuser. Dazu kam ein zweiter Umstand. Das fränkische Reich war das einzige, das mit der Heimat in Verbindung blieb. So liefen denn die Franken auch keine Gefahr, im Romanentum unterzugehen. Nur langsam waren sie in der ersten Zeit vorgerückt, die Salier zu beiden Seiten der Schelde und zwischen Schelde und Maas auswärts, die Rheinfranken zwischen Maas und Rhein, die Oberfranken zwischen Rhein und Mosel; je weiter nach Süden, desto breiter wurde der Zusammenhang mit den Stammesbrüdern aus dem diesseitigen Rheinufer. Soweit sie vordrangen, *) Wilhelm Arnolds, a. a. O. S. 115 ff.

2. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 264

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
264 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. wurde die römische Bevölkerung vertrieben oder unterjocht und das Land germanisiert; noch heutzutage bildet die Sprachschätze die Grenze dieser älteren fortschreitenden Ansiedelung von den späteren großen Eroberungen. Keine Spur von Landteilungen, wie sie bei den übrigen Völkern durch- geführt wurden, läßt darauf schließen, daß irgendwo römische Bevölkerung sich in größerer Anzahl länger behauptet hätte. Es waren deutsche Kolonien, die jenseit des Rheines gegründet wurden, die ein fortwährendes Nachrücken aus der Heimat gestatteten und so die Gefahr einer Romanisierung, wie sie den Wandalen, Goten, Burguuden und Langobarden drohte, gar nicht aufkommen ließen. Diese Gefahr trat erst ein, als Chlodowech im Lauf weniger Jahrzehnte den größten Teil des römischen Galliens eroberte. Sollte ein Staat gegründet werden, so war das unerläßlich; denn dazu bedurfte man einer römischen Provinz. Aber nun erfolgte gleichzeitig auch eine bedeutende Stärkung des deutschen Elementes: auf den Sieg bei Soissons folgte der Sieg über die Alamannen, und dieser war fast noch wichtiger als der frühere. Wieder war es Chlodowech, der mit sicherem Blick die schwierige Lage erkannte, die Alamannen zunächst aus dem Felde schlug und so eine Verbindung aller fränkischen Stämme möglich machte. Auch in der Folge gingen die Eroberungen im Osten stets mit denen im Westen Hand in Hand: dem Sieg über die Westgoten folgte bald die Unterwerfung der Thüringe, der Eroberung Burgunds und der Provence die Verbindung der Alamannen und Baiern mit dem Reich; selbst Karl der Große vereinigte nach der Eroberung des Langobardenreiches in Italien dem Reiche nun auch den letzten deutschen Stamm, die Sachsen. So breitete sich die fränkische Herrschaft zugleich nach zwei Seiten aus; zu keiner Zeit erlangte das eine oder andere Element ein entscheidendes Übergewicht; ruhig und sicher konnten beide sich miteinander verbinden und ausgleichen, bis etwa die politischen Grundlagen stark genug wären, um die Bildung selbständiger nationaler Staaten zu gestatten. Denn hätte das fränkische Reich länger fortgedauert, so würde es allerdings doch um den Preis einer Schädigung unserer eigenen Nationalität geschehen sein, so mächtig erwies sich noch zu Karls des Großen Zeit romanische Bildung und Sitte, Verfassung und Staatskunst. Das eben wurde vermieden. Das deutsche Element blieb erhalten, so lange als nötig war, um es mit neuen Bildungskeimen zu befruchten und mit dem romanischen ins Gleichgewicht zu setzen. Endlich ein dritter Umstand. Gerade daß die Franken als Eroberer kamen, half ihnen über viele Schwierigkeiten hinweg, welche die übrigen germanischen Reiche nicht überwinden konnten, so sonderbar das klingen mag. Denn damit hörte wenigstens der Zwiespalt im Staat und seiner Verfassung auf, die doppelte Beamtenreihe fiel weg, und an die Stelle einer

3. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 265

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
Chlodowech von seiner Bekehrung bis zu seinem Tode. 265 getrennten Civil- und Militärverwaltung trat staatliche Einheit. Die fränkische Heer- und Gerichtsverfassung ward durchgeführt, gleichzeitig aber auch den Römern Wergeld und Bürgerrecht und damit die Ausnahme in den neuen Staat zugestanden: sie erhielten einen thätigen Anteil an der Herrschaft. Damit verband sich eine überaus schonende und rücksichtsvolle Be> Handlung. Sie durften nickt bloß ihr römisches Privatrecht behalten wie in den übrigen Staaten, sondern es wurde ihnen bei den späteren Eroberungen auch feine Landteilung mehr zugemutet. Die Hauptqnelle dauernder Unzufriedenheit und die Veranlassung zu fortwährenden Reibungen fiel also weg. Als Erbe des römischen Fiskus und der eroberten Nachbarreiche gewann Chlodowech doch Land genug, um seine Getreuen zu belohnen. Nehmen wir nun noch den starken Schutz, den er gewährte, und den versöhnenden Einfluß der Kirche hinzu, so darf es uns in der That nicht wundern, wenn die Provinzialen in Gallien die römische Herrschaft nicht als Unterdrückung ansahen. War doch der Zustand in den letzten Jahrhunderten des römischen Reichs selbst ungleich schlimmer gewesen: es hat viel mehr gedrückt und doch weniger geschützt als das fränkische. Ebenso schonend verfuhr man bei den Eroberungen in Deutschland. Auch hier verschlechterte sich die Lage der neu unterworfenen Stämme mit der fränkischen Herrschaft durchaus nicht. Sie behielten ihr altes Wergeld und Recht, ihre Freiheit und ihren Grundbesitz, nur die Stammhäupter wurden weggeräumt und an deren Stelle trat der fränkische König; das Volk blieb in denselben Verhältnissen, in denen es unter feinen früheren Königen oder Herzögen lebte. Ja bei den späteren Eroberungen wurden nicht einmal mehr die Stammherzöge beseitigt, sondern diese nur zur Heeresfolge und Anerkennung der fränkischen Oberherrschaft und allenfalls zur Zahlung eines Zinses oder Tributs verpflichtet. Freilich war ein solches Abhängigkeitsverhältnis, wie die spätere Geschichte zeigt, oft unsicher genug; denn die fremden Herzöge, die sich dem Könige ebenbürtig dünkten, sahen ihre Stellung mehr als freiwillige Bundesgenosfenschaft wie als wirkliche Unterordnung an, und die Stämme selbst standen dabei regelmäßig auf ihrer Seite. Man wollte sich die fränkische Hilfe wohl gefallen lassen, die fränkische Herrschaft aber nicht. Darum war mit der weiteren Entwicklung, als die Gefahren größer wurden und der König fest auf den gesamten Heerbann zählen mußte, eine solche Zwitterstellung unvereinbar. Von diesem milden Verfahren macht nur die Behandlung der Alamannen eine Ausnahme. Sie wurden aus den nördlichen Gebirgsteilen vertrieben oder, soweit sie bleiben durften, einer Abgabe unterworfen. Hier aber kämpften die Franken um ihre eigenen Ansiedelungen; alte unausgeglichene Ansprüche standen sich gegenüber, und deshalb mußten die Alamannen nach ihrer Niederlage weichen. Es wurde noch einmal das alte

4. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 266

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
266 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. Recht der Eroberung geltend gemacht, wonach die Besiegten ihr Land ganz oder zum Teil an den Sieger verloren. Hätte Chlodowech sie in den nördlichen Strichen bis zur Mosel und Lahn hin geduldet, so wäre eine Vereinigung der fränkischen Stämme eine Unmöglichkeit gewesen. Und doch war eine solche die allernotwendigste Voraussetzung für den Bestand und die Sicherheit des Reichs. Davon abgesehen haben die Franken jenen älteren strengen Grundsatz vollständig verlassen. Weder den Romanen noch den verwandten deutschen Stämmen gegenüber haben sie ferner noch ein Recht der Eroberung geltend gemacht, an die Stelle der früheren Knechtung und Landteilung trat vielmehr das neue System der persönlichen Rechte, wonach jeder Angehörige des Reichs im ganzen Umfang der Monarchie sein angeborenes Recht behielt. Auch insofern verkündet die Gründung des fränkischen Reichs einen gewaltigen Fortschritt staatlicher Entwicklung. Die rohe Gewalt wich dem Schutz und der Sicherheit, bestimmte Bezirksgrenzen wurden gezogen, und die willkürliche Ausbreitung der Stämme nahm ein Ende. Ohne Frage hat das Christentum dabei wesentlich mitgewirkt. Aber schon im eigenen Interesse, aus politischer Klugheit, waren die Franken genötigt, die alten Grundsätze fallen zu lassen, wenn sie einen Staat von größerer Ausdehnung gründen wollten. Trotzdem verstanden es die fränkischen Könige vortrefflich, ihre Herrschaft in den neu gewonnenen Ländern zu befestigen. Dazu dienten vorzugsweise neue Kolonien, die sie darin anlegten und entweder durch königliche Beamte verwalten ließen oder an ihre Getreuen vergaben. Denn herrenloses oder unangebautes Land war überall genug vorhanden, worüber die Könige verfügen konnten: in den romanischen Gebieten das ganze römische Staatsland, das ihnen zufiel, in den deutschen die endlosen Wälder, die auf Jahrhunderte einen freien Ausbau gestatteten. So entstanden überall zahlreiche neue Höfe und Dörfer, die mit fränkischen Ansiedlern bevölkert wurden und auf die wirksamste Weise ihre Macht befestigten und verstärkten. Daher die große Anzahl von Königshöfen, die wir in den neuen Provinzen finden und die zuweilen die Erinnerung an ihren Ursprung im Namen „Königshofen" bis auf den heutigen Tag bewahren. . . . Aber auch zahlreiche andere Orte wurden gegründet und halfen das neue Reich ausbreiten und sichern. Wir erkennen sie meist an der Endung „heim", die den fränkischen Orten vorzugsweise eigentümlich ist. Nicht als ob alle Orte mit dieser Endung fränkischen Ursprungs sein müßten oder die neuen Kolonien alle so benamt wären; denn „heim" als Ortsbezeichnung ist gemeindeutsch, und außerdem sind viele fränkische Ansiedelungen nachweisbar anders benamt." Aber wo wir solchen Namen auf „heim" auf kleinem Raum auffallend zahlreich begegnen wie in Flandern und Brabant, zu beiden

5. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 267

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
Chlodowech von seiner Bekehrung bis zu seinem Tode. 267 Seiten der Mosel, im heutigen Nassau und der Wetterau, in Rheinhessen, der Pfalz, zwischen Main und Neckar und weit in das Elsaß hinauf, da deuten sie auf fränkische Niederlassungen hin, die seit der Zeit des Übergangs zur Seßhaftigkeit d. H. seit dem fünften Jahrhundert stattgefunden haben. Sie bezeichnen ziemlich genau den Weg, den von da an die Ausbreitung der fränkischen Herrschaft genommen hat, während sie in den ältesten Stammländern, in Althessen, verhältnismäßig selten sind. „Man möchte fast versucht werden zu glauben, die Franken hätten das Kolonisieren von den Römern gelernt, so glücklich und geschickt haben sie zur Sicherung ihrer Macht davon Gebrauch gemacht. Jahrhunderte wurde es fortgesetzt; noch Karl der Große hat es in größtem Maßstab und nicht ohne Gewalt gegen die Sachsen durchgeführt, indem er zahlreiche fränkische Kolonien in ihrem Lande anlegte, die widerspenstigen Sachsen aber in andre Gegenden verpflanzte. Darum finden sich später in allen Teilen des Reichs fränkische Ansiedelungen in Menge, in Thüringen und Schwaben, wie in Sachsen und Baiern, besonders häufig an der Grenze. In manchen Fällen sind sie urkundlich bestimmt nachzuweisen, in andern hat sich das Andenken daran in den zahlreichen mit Franken- zusammengesetzten Namen erhalten." Durch solche Ansiedelungen wurden die gewonnenen Gebiete geschützt und oft neu bevölkert; das fränkische Element stärkte überall den Zusammenhang mit dem Reiche. „Gewiß, es unterliegt keinem Zweifel, die Franken haben in Gallien von den Römern die eigentlich staatsbildenden Elemente überkommen und alles davon festgehalten, was sie für ihre Zwecke brauchen konnten. So haben sie auch die Regierungskuust von ihnen gelernt. Denn die vollendete Meisterschaft, wie sie nicht bloß zu erobern, sondern die Eroberungen auch zu sichern wußte, ist echt römisch und sonst keinem andern deutschen Stamme eigen." Aber während sonst das römische Reich Verfassung und Sprache, Recht und Sitte der siegreichen germanischen Völker zersetzt und aufgelöst hat, sind die Franken daneben zugleich ihren deutschen Überlieferungen treu geblieben und haben, soweit es möglich war, das Recht und die Eigenart der zu ihrem Reich gezogenen Stämme geschützt und erhalten. Nur so konnte es gelingen, dieses Reich allmählich über ganz Deutschland auszudehnen. So war es in der That ein Verein der allerglücklichsten Umstände, die Chlodowechs Werk mit Erfolg krönten. Er hat sie alle sich dienstbar gemacht und beherrscht, aber sie haben ihn auch emporgehoben und getragen. Nur eine Schwierigkeit blieb, die nicht überwunden werden konnte: der Gegensatz des Volkstums. Denn ein einheitlicher Staat setzt zu längerem festen Bestand auch ein einheitliches Volk voraus. Wohl war der Zwiespalt in der Verfassung überwunden, und in der Gemeinschaft der

6. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 288

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
288 Die Franken bis zum Untergänge der Merowinger. nahmestellung den Römern gegenüber einzunehmen, sondern gemeinsam mit diesen ihren Mitbürgern wie die Wehrlast so auch die Steuerlast für den Staat zu tragen. Aber freilich, wie die Besteuerung wohl vor allem aus Selbstsucht verlangt wurde, so wurde sie auch von den freien Franken aus Selbstsucht und aus trotzigem Festhalten am altgermanischen Brauch mit Ingrimm abgewehrt. Ein gewisser Parthenius, ein Römer, der am Hose Theudeberts eine hohe Stellung einnahm, wurde vom König mit der Ausführung dieser wichtigen Maßregel betraut, ein Beweis dafür, wie frühe auch römische Laien — nicht nur hohe Geistliche — im Frankenreich zu einflußreichen Ämtern gelangten und dazu gelangen mußten, wenn das römische Verwaltungswesen fortgeführt werden sollte. Auf dieser Fortführung aber beruhte nicht nur die Erhaltung der Kultur, sondern auch Macht, Reichtum und Bestand des Staates selbst. Nur wettn es gelang, auch die Germanen in diesem Reiche zu stärkerer Beugung unter die Staatsgewalt heranzuziehen, konnte der Staat zum herrschenden im Abendlande und — nach der Auflösung der fränkischen Monarchie — zur Wiege für die Staatenbildung des Mittelalters werden. Wir haben schon angedeutet, daß dieser Versuch wirklich gelang und welche günstigen Umstände sein Gelingen herbeiführten. Zunächst aber leisteten die Franken jenem römischen Staatsgedanken den trotzigsten Widerstand. „Die Franken," erzählt Gregor,*) „haßten den Parthenius bitter, weil er von ihnen Steuern eintreiben wollte, und fingen an ihn zu verfolgen. Und da er sah, daß er in großer Gefahr schwebe, floh er aus der Stadt Trier und bat zwei Bischöfe dringend, sie möchten ihn dahin zurück geleiten und den Aufruhr des wütenden Volkes durch Ermahnungen zu beschwichtigen suchen. Auf der Reife aber, als er nachts auf dem Lager ruhte, schrie er plötzlich im Traume laut auf und rief: „Weh, weh! Alle, die ihr da seid, kommt und helfet mir! Ich komme um." Da erwachten seine Begleiter von dem Geschrei und fragten ihn, was ihm denn wäre. Er antwortete: „Mein Freund Aufanius und mein Weib Papianilla, die ich ermordet habe, zogen mich vor ihren Richterstuhl und sprachen: Komm und gieb Rechenschaft! denn zwischen dir und uns soll gerichtet werden vor dem Herrn." Er hatte nämlich einige Jahre vorher aus Eifersucht sein unschuldiges Weib und feinen Freund getötet. Da aber die Bischöfe nach Trier kamen und die Bewegung des lärmenden Volkes nicht bewältigen konnten, wollten sie ihn in der Kirche verbergen. Sie steckten ihn daher in eine Lade und breiteten Gewänder darüber aus. die zum kirchlichen Gebrauch dienten. Aber das Volk drang in die Kirche und durchsuchte alle Winkel. Und da es ihn nicht fand, ging es wutknirschend wieder hinaus. Einer schöpfte jedoch Verdacht und sprach: „Da *) Buch 3, Kap. 36. Giesebreckt 1, S. 147.

7. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 301

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
Aus dem Leben und Treiben in Stadt und Land im Merowingerreiche. 301 nicht sich zu erheben, und man mußte abwarten, bis sie in Politik oder Privatfehden ein gewaltsames Ende fanden. Leider scheinen die Einbrecher und Gewaltthäter in der Regel Germanen gewesen zu sein, am ärgsten die Vornehmen. Im übrigen verstanden die Deutschen nicht übel, sich mit dem Stadtleben zu befreunden, sie waren im Verkehr höflich und hielten darauf, in Worten Gebührendes zu geben und zu empfangen, und Bekannte küßten einander bei der Begrüßung, auch Könige. Bei einer üppigen Mahlzeit wußte der Germane so gut Aloe zu essen für neuen Appetit wie ein Römling, und im Zechen übertrafen ihn wenige. Auch im Königshause blieben nach der Mahlzeit die Gäste lange aus ihren Bänken beim Trunke sitzen. Wenn ein Bösewicht seinen Gegner umbringen wollte, so sagte er ihm vorher Artiges und lud ihn zu sich zum Wein; er lernte auch von den Römern um Erbschaft zu schleichen und Testamente zu fälschen. Er gab sich zuverlässig als Lebemann unter Römern einige Blößen, er wurde heftig, zuweilen bärenhaft, dann wieder weich und gemütvoll. Er betrog und beanspruchte wie ein Kind Vertrauen des andern, er verhöhnte den Priester und bat doch um seinen Segen, er beraubte den Heiligen und betete darauf eifrig zu ihm, er war schnell bereit, mit Axt und Speer am Leben des andern seinen Zorn auszulassen, und raste einfältig wie ein Werwolf, ohne sich darum zu kümmern, daß diese Thorheit ihn selbst ant nächsten Tage verderben mußte. Der Deutsche in der fremden Stadt war nicht ganz Römer geworden, aber er war rüstig, die antike Bildung zu gewinnen, und er bezahlte dafür seinen Preis. Unendlich viel war verwüstet worden, aber in den Ländern des Mittelmeers hatten viele Jahrhunderte des kaiserlichen Roms so reichlich schöne Gebilde und kluge Lehren, so viel Erfindung und Lebensgenuß abgelagert, daß die Germanenstämme immer noch sehr vieles sanben, was unmerklich in ihr Leben überging, von ihnen bis zu uns, und was eine Fortbauer der Kultur erhielt, die wir uns wohl geringer denken, als recht ist. Denn der Schmieb hämmerte, und der Zimmermann hieb die Späne von bett Balken wiihrenb der ganzen Wanberzeit, der Steinschneiber schnitt dem Frankenkönig seinen Siegelring wie einst dem römischen Cäsar, und der Buchhänbler in Rom, Pavia ober Paris verkaufte an den langobctrdischen oder fränkischen Bischof die Handschriften des Virgil oder des heiligen Augustinus. Wer mit Büchern handelte, war entweder ein Buchhändler, der Altes und Neues abschreiben ließ, ober ein Antiquar, der nur alte Autoren korrigierte und verkaufte. Sein Handel war ärmlicher geworden, Papier und Pergament wurden teurer und waren im Binnettlanbe oft nicht zu haben, aber in die Seestäbte kam von Osten her noch das Papier in verschiedenen Sorten: Kaiserpapier — das feinste — und anderes zum Schreiben, auch Packpapier als Hülle. Außerdem Pergament, nicht nur

8. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 306

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
306 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. Weizen, als Gegenstände des Verbrauchs, die man aufsammelte oder gegen Waren umtauschte, die man aber nicht wieder benutzen konnte, um von ihnen einen Zins zu ziehen. Das Geld war nicht das Mittel, Reichtümer zu erwerben, sondern ein Teil des Erworbenen. Wenn die Kirche um diese Zeit den Christen für unziemlich erklärte, Geld gegen Zinsen zu leihen, so setzte sie nichts Neues fest, sie sprach nur aus, was nach dem damaligen Zustand der Geldwirtschaft für den Germanen in der Ordnung war. Da aber der Verkehr Geldleihen um Zins doch nicht ganz entbehren konnte, so wurden die Juden, die das Kirchengesetz ohnedies nichts anging, auch gesetzlich ermächtigt, gegen Zins zu leihen; sie wurden privilegiert für die Geldgeschäfte, die sie bereits thatsächlich in der Hand hatten, und kamen dadurch in eine unerhörte Stellung zu den abendländischen Völkern. Sie allein vermochten im modernen Sinne reich zu werden, indem sie das Kapital arbeiten ließen, und sie wurden bei hohen Zinsen und bei Darlehen gegen sicheres Faustpfand unvermeidlich sehr reich und in gewissem Sinne die stillen Regenten der Mitlebenden. Aber sie lebten in einer räuberischen Zeit, in der ihr Gewinn fortwährend die Habsucht der Schlechten und die Bekehrungslust der Frommen aufregte, sie blieben deshalb durch das ganze Mittelalter die Bankiers und Kapitalisten und wieder die Ausgeplünderten und Beraubten, der Kirche höchst anstößig und doch sehr begehrenswert, vom Volke verachtet und gefürchtet, Vertraute und Opfer der Könige. Auch in den Städten des Römergebiets war der freie Germane nicht Handwerker, sondern Wirt, auch dort besaß er ein Eigen in Haus, Flurstück, Weinberg; sein Grundbesitz erwies ihn nicht nur als freien, waffenfähigen Mann, er umschloß ihm auch die ganze Möglichkeit zu leben. Wer aus der Heimat schied, dem versiegten alle Quellen der Existenz, fobalb er seine letzte Goldmünze oder Halskette um Nahrung verkauft hatte. Wer Geld zu zahlen hatte als Buße für ein Vergehen und keinen Schatz befaß, der mußte sich feines Eigentums entaußevn, indem er es einem benachbarten Grundherrn, dem Bischof, dem Könige verkaufte und von diesem zurückempfing gegen einen jährlichen Zins, der fortan das Grundstück belastete, ihn selbst aus einem freien Eigentümer zum Zinspflichtigen eines Herrn herabdrückte. Auch auf diesem Wege begann die Verschlechterung in der Lage der^ Gemeinfreien ; allerdings arbeitete noch vieles andere daran, sie herabzudrücken. Dieser niedrige Zustand der Geldwirtschaft dauerte durch Jahrhunderte bis zur Entwicklung der deutschen Städtekraft. Unbehülslich und langsam wälzte sich das Geld aus einer Truhe in die andre; lange Zeit floß nach dem Süden ab, was durch Beute und Bergbau von den Deutschen gewonnen wurde. Die Städte der Langobarden waren die ersten, die ^u eigener Handelschaft mit dem Orient kamen; in ihren Schreinen sammelte

9. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 148

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
148 Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit. Die langobardische Geschichte ist zu Ende, die Langobarden, die schon stark mit romanischen Elementen vermischt waren, vergaßen allmählich ihre deutsche Sprache*) und nahmen die römische an, die sich zur italienischen umgestaltete. Nur im Norden erhielt sich das Deutsche in manchen Gegenden noch lange. Einige deutsche Gemeinden in den Thälern Südtirols behaupten noch heute mit Stolz, Nachkommen der alten Langobarden zu sein. Überhaupt ging das deutsche Wesen in Oberitalien durchaus nicht spurlos unter. Der hohe Wuchs, die blauen Augen, die weiße Hautfarbe, das blonde Haar, die unter den nördlichen Italienern so vielfach zu finden sind, beweisen beren germanische Abkunft ebenso deutlich wie der Freiheitstrotz und unbändige Mut der „Lombarden", der den späteren deutschen Kaisern so oft das Leben schwer machte. Mit ungeahnter Schnelligkeit und ohne einen großen, das Gemüt zugleich erschütternden und erhebenden Todeskampf brach das Reich Alboins, nachdem es etwas länger als zweihundert Jahre bestanden hatte, zusammen. Aber die sagenbildende Phantasie des gesunkenen Volkes war geschäftig bemüht, auch noch seinen Untergang mit ihrem verklärenden Lichte zu umgeben. Wie um die ganze Geschichte des Langobardenstammes hat die Sage auch um diese letzten schweren Zeiten, besonders aber um die gramgebeugte, nicht fleckenlose Gestalt des letzten Königs mitleidig und liebevoll ihre grünen Ranken geschlungen; ja der geschichtlich kaum hie und da aus dem Dunkel heraustretende Adelgis wird im Gedächtnis des gemütvollen Volkes zu einem gewaltigen Helden, der selbst dem großen Überwinder Karl Furcht und Schrecken einjagt. So legt die Sage lindernden Balsam auf die tapferen Herzen, die wund waren vom Gram über die verlorene alte Herrlichkeit. Den Trost, nicht ruhmlos untergegangen zu sein, noch späteren Geschlechtern Bewunderung und Teilnahme abzuzwingen, diesen Trost kann die Geschichte zwar nicht, wohl aber die Sage spenden, und selbst unter den siegreichen Franken erzählte man nicht teilnahmlos vom Unglück des wackeren Langobardenvolkes. Es wäre ein Unrecht gegen einen längst untergegangenen, hochbegabten und ritterlichen deutschen Bruderstamm, wenn mir nicht auch berichteten, wie dieser selbst noch nach Jahrhunderten von feinem Falle sang und sagte. 22. Die Sagen von Desidenus und Adelgis.^") In der Stadt Brescia lebte, so heißt es, ein frommer und gottes-fürchtiger Mann aus edlem Geschlecht, mit Namen 2) e sib ex iu ß. Als nun *) Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts war sie bei den Langobarden im großen und ganzen bereits ausgestorben. , , **) Hauptquelle ist die in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts geschriebene Chronik des Klosters Novalese (am Fuß des Mont Cenis, unweit Susa), deren

10. Geschichtsbilder aus den Reichen der Langobarden und merowingischen Franken - S. 368

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
368 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger. und phrasenreichen Litteraten mitgeteilt, aus der vor allem das hervorgeht, daß sich diese Studien gänzlich dem wirklichen — freilich sehr trübseligen — Leben entfremdet hatten und sich nur aus dem Boden der Schule bewegten. „Die Prosa war bis auf einen unerträglichen Grad erkünstelt; die gesuchte, kaum verständliche Schreibart auf die äußerste Spitze getrieben. Die Poesie diente säst nur dem Zeitvertreib der vornehmen Welt; durch Gelegenheitsgedichte suchten die Poeten die Gunst hoher Gönner, oder diese griffen auch selbst zur Feder und bewiesen ihre feine Bildung durch allerhand poetisches Spielwerk." Fast möchte man bedauern, daß unter diesen Wortpoeten auch hie und da ein wirklich dichterisch angelegter Mann auftaucht, wie Ausonius aus Bordeaux (um 310—393) im vierten und Apollinaris Sidonius aus Lyon (430—488) im fünften Jahrhundert; denn auch sie schwimmen im trüben Strome der Modepoesie; das Leben bietet ihnen keine Ausgabe, die sic zu herzlicher Begeisterung erwärmen könnte, und die Manier des Vortrags ist durch ihre Geziertheit auch bei ihnen meist unleidlich. „Einst hatte Konstantin die fränkischen Gefangenen den wilden Tieren vorwerfen lasten,*) weil sie ihm zu wild und zu treulos erschienen, um sich wie andere Barbaren zum Anbau des Landes, zum Kriegsdienst oder als Sklaven verwenden zu lassen; nur der Schrecken, meinte er, vermöge sie zu bändigen. Aber die vielfache, wenn auch meist feindliche Berührung mit den Römern milderte allmählich diese Wildheit." Bald treten Franken in hohe römische Ämter; einzelne Teile der Völkerschaft werden von den Römern abhängig und führen deren Kriege. Als Bundesgenoß der Römer durchzog Childerich Gallien. Er kam dem Lande nicht mehr als wildester der Feinde, sondern als Retter und Beschützer. Und andrerseits wohnten daheim im Salierlande schon Römer als Gäste und Hausgenossen des Königs, und die Salier selbst zeichneten ihr altes Volksrecht in lateinischer Sprache auf. Die Vermischung der Franken mit den Provinzialen ging leicht von statten; man hatte sich beiderseits schon lange daran gewöhnt, miteinander zu leben und zu verkehren. So wie die Franken das römische Christentum sogleich mit Eifer ergriffen, so waren ste auch der übrigen römischen Bildung durchaus nicht feind. Ein Enkel Chlodowechs versuchte sich in lateinischen Versen. Am bezeichnendsten für diese erste Zeit der Vermischung des Alten und Neuen ist die Persönlichkeit des Dichters und Legendenschreibers Ve-nantius Fortunatus. Er stammte aus Italien und kam um das Jahr 565 an König Sigiberts Hos, wo man viel Gefallen an seiner Poesie fand. Es war die altherkömmliche, rhetorisch gebildete Schulpoesie, un- *) Siehe eben S. 197.
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