344
Gefallenen suchten sie den Leichnam des Gothenkönigs und hielten ihm ans
dem Schlachtfelde ein feierliches Leichenbegängnis unter Wehklagen und
Waffengetön, geschmückt mit Hunnenbeute, angesichts Attilas, der ' bte Be-
stattung nicht zu stören wagte. Attila kehrte unverfolgt über den Rhein
zurück.
Im folgenden Jahre machte er noch einen Ranbzug nach Italien, er-
oberte Aquileja und zerstörte die Stadt gänzlich. Damals flohen viele
Römer auf die kleinen sumpfigen Inseln des adriatischen Meeres und
legten daselbst den ersten Grund der Stadt Venedig. Attila zog gegen
Rom. _ Schon war man auf den Untergang bereitet, als plötzlich Rettung
vom Himmel kam. Leo, Bischof von Rom, ein gottbegeisterter Greis,
zog an der Spitze der römischen Geistlichkeit, in priesterlichcm Schmuck
und mit feierlichem Gesänge, einer Taube des Friedens oder einem gott-
gesandten Engel gleich, den wilden, mordbegierigen und bluttriefenden
Hunnen entgegen. Niemand wagte, die frommen Priester anzutasten. Sie
kamen ungehindert vor Attila selbst, und dieser ward durch den Anblick
und die Worte Leos bewogen, Rom zu verschonen und sogleich den Rück-
weg einzuschlagen. Die innere geistige Gewalt, womit die Erscheinung des
heiligen Greises auf den Helden wirkte, ist in der Sage dergestalt be-
zeichnet worden, daß Attila über dem Haupte des Greises einen ungeheuren
Riesen gesehen, der ihn drohend zurückgeschreckt habe.
Aus dem Rückwege aus Italien starb Attila plötzlich. Er wurde mit
großer Feierlichkeit zur Erde bestattet. Sein ganzes Heer ritt um seine
Leiche. Sie ward in einen goldenen Sarg gelegt, der wieder in einen
silbernen und dieser in einen ehernen. Alle, die an seinem Grabe ge-
arbeitet hatten, wurden umgebracht, damit niemand es entdecken könne.
Nach Kohlrausch.
7. Bonifacius, der Apostel der Deutschen.
1. Das Christentum in Deutschland. — Zur Zeit Pipins
herrschte das Christentum bereits bei den meisten deutschen Völkern. Die-
jenigen von ihnen, welche in fremde Länder eingewandert waren, hatten es
durch die Römer kennen gelernt und sich leicht und rasch von ihren alten
Göttern zu Christo, dem Heilande bekehrt. Unter den Franken war das
Christentum seit Chlodwig verbreitet. Im Innern Deutschlands dagegen
dauerte es länger, bis das Licht des Evangeliums das Heidentum besiegte.
Über das Meer her aus Irland und England kamen die Glaubensboten,
welche hier das Wort vom Kreuze verkündeten. Denn ans jenen Inseln
hatte das Christentum kräftig Wurzel gefaßt; es blühten dort zahlreiche
Kirchen und Klöster, und in den Mönchen lebte ein heiliger Eifer, die
Segnungen des Evangeliums auch andern Völkern zu bringen. Lo zogen
viele von ihnen nach Deutschland, wanderten unter mancherlei Mühselig-
keiten, Entbehrungen und Gefahren durch die dunkeln Wälder, verkündeten
den rohen Volksstämmen die Lehre von Christo und legten in der Wildnis
Klöster an, damit in ihnen das christliche Leben feste Stätten habe, von
denen aus es immer weiter dringe. Der thätigste unter allen diesen
Männern war der englische Mönch Winfried, der um seines wohlthätigen
Wirkens willen den Namen Bonifacius, d. i. Wohlthäter, erhalten hat.
Mit Recht wird er als der eigentliche Apostel der Deutschen gepriesen.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Attila Attila Leo Attila Leos Attila Attila Bonifacius Apostel Christo Chlodwig Christo Winfried Winfried Apostel
Extrahierte Ortsnamen: Attilas Rhein Italien Venedig Rom Rom Rom Italien Deutschland Deutschlands Irland England Deutschland
354
Ritter zu werden, von unten auf dienen und als Knecht oder Knappe
eine gewisse Lehrzeit durchmachen solle. Für die ausgebildeten Ritter führte
er glänzende Waffenspiele, sogenannte Turniere, ein, wo vor den Augen
edler Frauen und Jungfrauen zu Roß gekämpft ward und der Sieger aus
den Händen der Zuschauerinnen einen Preis erhielt. — Während dieser
Schöpfungen aber ließ Heinrich es auch nicht an kriegerischem Ernste fehlen.
Da die östlichen Nachbarn, die Slaven, vielfach an den Raubzügen der
Ungarn theilgenommen hatten, so brach er gegen sie auf, eroberte die
Sauptstadt Braunibor und gründete hier zur Bewachung der Mark oder
renze die Markgrafschast Brandenburg, indem er sächsische Bauern
unter die Besiegten verpflanzte und deutsche Bildung unter ihnen verbreitete.
Ebenso züchtigte er die räuberischen Dänen. Er eroberte das Land zwischen
Eider und Schlei und gründete auch hier eine Markgrafschaft mit der
festen Burg Schleswig.
Als darauf der Waffenstillstand mit den llngarn abgelaufen war,
erschienen ihre Gesandten vor dem König, den alten Tribut zu fordern,
Heinrich aber verkündigte ihnen Krieg auf Leben und Tod. Da brachen
die Ungarn ungesäumt in ungeheuren Massen in das Reich. Sie theilten
sich in zwei große Haufen, von denen der kleinere, 50 000 Mann stark,
bei Sondershausen auf den tapfern Heerbann der Sachsen und Thüringer
stieß und aufs Haupt geschlagen wurde. Das andere, noch größere Heer
stand an der Unstrut unweit Merseburg dem König selbst gegenüber.
Heinrich hatte sich auf einem Berge verschanzt. Sobald die llngarn die
Niederlage ihrer Brüder bei Sondcrshausen erfuhren, zündeten sie längs
dem Flusse hohe Feuer au, die zerstreuten Plünderer zu sammeln, und
am Morgen begann die große Schlacht. Heinrich hielt eine begeisternde
Rede an sein Volk, und alle schwuren mit ihm, den Feind der Christenheit
zu verderben oder unterzugehen. Das Bild des heiligen Michael, des
kriegerischen Engels, ward als das große Banner des Reichs vorausge-
tragen. Ein furchtbares Morden begann, die Ungarn schrien alle: „Hui,
Hui!" — die Deutschen: „Kyrie eleison!" Lange schwankte die Schlacht,
aber endlich siegte die neue Kriegskunst und die heilige Wut der Deutschen.
30 000 Ungarn blieben todt auf dem Platze, der Rest entfloh. Zahllose
christliche Sklaven wurden befreit. Sobald der Sieg entschieden war,
kniete der fromme Heinrich mit dem ganzen Heere aus dem Schlachtfelde
nieder und dankte betend dem himmlischen Schutzherrn. Das deutsche Volk
aber frohlockte und pries seinen König als Retter und Vater des Vater-
landes. Drei Jahre nach der Schlacht starb der treffliche Heinrich (936),
verehrt von der ganzen Christenheit. Er liegt in Quedlinburg, seiner
Lieblingsstadt, begraben. Nach Kappe und Keck.
15. Heinrich der Vogelsteller.
..^5-err Heinrich sitzt am Yogel-
ttüt herd
recht froh und wohlgemut;
aus tausend Perlen blinkt und blitzt
der Morgensonne Glut.
2.
In Wies’ und Feld und Wald und Au’,
horch, welch ein süsser Schall!
der Lerche Sang, der Wachtel Schlag,
die süsse Nachtigall!
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Michael Heinrich Heinrich Heinrich_( Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Wachtel
368
es den Seeräubern; eine Flotte lief gegen sie aus, suchte sie ans, vernichtete
ihre Fahrzeuge, ersäufte ihre Mannschaft. Bald erzitterte alles vor der
deutschen Hansa — so nannte man diesen Bund, dem bald eine Stadt
nach der andern beitrat. Die bekanntesten Hansastädte damaliger Zeit
waren Brannschweig, Wismar, Rostock, Stettin, Stralsund, Greifswald,
Stolpe, Kolberg, dann Köln, Nimwegen, Frankfurt a. d. O., Königsberg,
Danzig, Magdeburg — im Ganzen über sechzig Städte. Sie hatten sich
nun, da sie durch Einigkeit stark geworden, vor den mächtigsten Feinden
nicht mehr zu fürchten, rüsteten eine Flotte von 200 Schiffen, hielten ein
furchtbares Landheer und führten Kriege mit Königen und Fürsten. Der
schwedische König Magnus wurde von der Hansa gezwungen, seine Krone
niederzulegen, und dem dänischen Könige Christoph erklärte ein Bürger-
meister von Danzig den Krieg. Andere Städte und Länder bemühten sich
lim die Freundschaft der deutschen Hansa und räumten ihren Schiffen
Stapelplütze und Handelsvorrcchte ein. Weithin nach allen Weltgegenden,
nach England und tief nach Rußland hinein zogen deutsche Kaufleute, geehrt
in der Fremde wie in der Heimat.
Zu Lübeck wurden die Hansatage oder die Bundesversammlungen ge-
halten, wobei sich alle Bundesstüdte durch ihre Abgeordneten einfanden.
Auch Gesandte aus den benachbarten Staaten erschienen dabei, um mit
dem Bunde ihre Angelegenheiten zu verhandeln. Da wurden dann alle
Unternehmungen verabredet, die Beitrüge zu den Kosten ausgeschrieben und
die Beschwerden eines jeden gehört und abgethan. Der Bund hielt strenge
Polizei unter seinen Gliedern. Hatte eine Stadt ihre Pflichten nicht
erfüllt oder sonst sich eines Frevels schuldig gemacht, so wurde sie ver-
hanset, d. h. aus dem Bunde gestoßen und geächtet, für eine Feindin
aller andern erklärt. Eine solche Strafe war immer von furchtbaren Folgen;
denn der geächteten Stadt wurden ihre Schiffe fortgenommen und ihr
Handel zerstört.
Dreihundert Jahre lang erhielt sich die deutsche Hansa auf dieser
Höhe ihrer Gewalt und ihres Ansehens. Als aber ihr Zweck erreicht,
d. h. die Sicherheit und Ausbreitung ihres Handels nach Wunsch befördert
war, trat wieder eine Stadt nach der andern vom Bunde ab, und so
blieben am Ende nicht mehr als die drei Städte Hamburg, Lübeck und
Bremen übrig, die auf dem letzten Bundestage im Jahre 1630 ihren
Verein erneuerten und bis auf diesen Tag den Namen der Hansastädte
behalten haben. Jerrer.
26. Die Erfindung der Buchdruckerkunst.
In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters kamen Erfindungen
auf, welche für die weitere Entwickelung des Menschengeschlechts von hoher
Wichtigkeit waren und als Vorboten des Überganges in eine neue Zeit
anzusehen sind. So wurde im Anfang des 14. Jahrhunderts der Kom-
paß erfunden und dadurch die Seefahrt auf dem freien Weltmeer möglich
gemacht. Durch die Erfindung des Schießpulvers, die gewöhnlich dem
Franziskaner Berthold Schwarz zu Freiburg im Breisgau zugeschrieben
wird (1340), wurde ein gänzlicher Umschwung in der Kriegführung hervor-
gerufen.
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff]]
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Extrahierte Personennamen: Stolpe König_Magnus Magnus Christoph Berthold_Schwarz
23
5 Da kam in seinem Schäferrock 6. Und damit schlendert er auf ihn
ein Jüngling, zart und fein, und traf die Stirne gar;
er hatte nichts als seinen Stock, da fiel der große Esel hin,
die Schleuder und den Stein, so lang und dick er war.
und sprach: „Du hast viel Stolz und Wehr, Und David haut' in guter Ruh
ich komm' im Namen Gottes her." ihm nun den Kopf noch ab dazu.
7. Trau nicht auf deinen Tressenhnt,
noch auf den Klunker dran!
Ein großes Maul es auch nicht thut,
das lern' vom großen Mann;
und von dem kleinen lerne wohl,
wie man mit Ehren fechten soll. M. Claudius.
32. Gott allein die Ehre.
Ein Dachdecker arbeitete hoch oben ans der Spitze eines Kirchthnrms.
Da riß das Seil, mit dem er sich am Knopf befestigt hatte, und er fiel
vom Thurm herab auf das Kirchendach. Hier wollte er sich halten, aber
er rollte von: Dach hinab in einen Lindenbaum, hier wollte er sich wieder
halten, aber die Aeste brachen, und so fiel er von Ast zu Ast und endlich
herab auf das Pflaster. Die Leute hatten mit einem Geschrei des Ent-
setzens ihn fallen sehen, rannten herbei und meinten, ihn zerschmettert zu
finden, aber der Dachdecker lebte und war ganz unversehrt und rieb sich
die Augen, — denn er wußte gar nicht, wie ihin geschehen war.
Mittlerweile mehrte sich der Menschcnhanfc um ihn, und jeder ließ sich
die Geschichte erzählen, und endlich rief ein Wirt, der auch hinzugetreten war:
„Das ist doch zu wunderbar, der Tag muß gefeiert werden, kommt mit in
mein Haus, der Mann muß sich's heut einmal wohl sein lassen!" Gesagt,
gethan! Zwei nahmen den Dachdecker in die Mitte, der andere Hanfe
folgte, und im Triumph ging's ins Wirtshaus, wo gezecht, gelärmt und
Bivat gerufen wurde bis in die späte Nacht. Der Dachdecker wollte sich
die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ans fremde Kosten sich gütlich zu thun,
aß und trank und hörte dabei nicht ans, immer wieder von neuem die Ge-
schichte seines wunderbaren Sturzes zu erzählen. Des lieben Gottes, der
seinen Engeln über ihm Befehl gethan, gedachte er dabei mit keiner Silbe,
vielmehr erzählte er den Hergang also, als sei das nicht Gottes Beschir-
mung, sondern eine ganz besondere Geschicklichkeit und Besonnenheit von
ihm selber gewesen, zuerst auf das Dach, dann auf den Lindenbaum und
dann ganz allmählich von Ast zu Ast bis herunter auf das Pflaster zu
fallen, und zuletzt vermaß er sich sogar, wenn sich etwas Erkleckliches damit
verdienen ließe, wolle er eigens das ganze Kunststück noch einmal machen.
Bon dem vielen Reden und Trinken ward er endlich müde, legte sich
auf die Ofenbank und schlief ein. Als die letzten Gäste eben das Wirts-
haus verlassen wollten, bemerkten sie, daß er allerlei ängstliche Gcberden
machte und ein banges Stöhnen ausstieß. Er fuhr mit den Händen in
der Luft herum, als ob er sich an etwas halten wollte, dann schrak er
wieder heftig zusammen. Es war offenbar, daß er den Fall noch einmal
durchträumte, den er am Vormittag gethan hatte, und die Gäste fanden
eine große Belustigung darin, seine seltsamen Bewegungen anzuschauen,
besonders als sie bemerkten, daß er jeden Augenblick von der Bank hinunter-
fallen müsse. Endlich machte er wieder eine Bewegung und fiel wirklich
unter schallendem Gelächter der Anwesenden von der Bank herab in die
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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74
5.
7.
Noch erhellt dein Blitzen
auf dem Thurm den Kranz
und der Berge Spitzen
mit dem Purpurglanz.
Du, o Gott der Wunder,
der im Himmel wohnt,
gehest nicht so unter,
wie die Sonn', der Mond.
6.
8.
Seht, sie ist geschieden,
lässt uns in der Nacht,
doch wir sind im Frieden,
der im Himmel wacht!
Wollest doch uns senden,
Herr, dein ewig Licht,
dass zu dir wir wenden
unser Angesicht!
Chr. G. Barth.
111. Predigt der Garben
Der heiße Erntetag war vorüber; eine laue Sommernacht breitete sich
über die schönen Gefilde. Da richtete sich eine Garbe ans und rief über
den Acker hin: „Lasset uns dem Herrn ein Erntedankfest halten unter dem
stillen Nachthimmel!" — lind alle Garben richteten sich ans, und von ihrem
Rauschen erwachten die Lerchen und die Wachteln, die in den Stoppeln
umher schlummerten.
Die erste Garbe begann ihre Predigt: „Bringet her dem Herrn
Ehre und Preis! Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine
Güte währet ewiglich. Er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute,
er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte. Aller Augen warten auf ihn,
und er gibt ihnen Speise zu seiner Zeit. Jahrtausende sind über die Erde
gegangen, und jedes Jahr hat Ernten gesammelt und Speise bereitet.
Immer noch deckt der Herr seinen Tisch, und Millionen werden gesättigt.
Seine Güte ist alle Morgen neu. Bringet her dem Herrn Ehre und Preis!"
Da stimmte der Chor der Lerchen ein Danklied an. Und eine andere
Garberedete: „An Gottes Segen ist alles gelegen! Der Landmann
rührt seine thätige Hand, pflüget den Acker und streuet Körner in seine
Furchen. Aber vom Herrn kommt das Gedeihen. Viele kalte Nächte und
heiße Sommertage liegen zwischen dem Säen und dem Ernten. Menschen-
hand kann die Regenwolken nicht herbeiführen, noch den Hagel abwehren.
Der Herr behütet das Körnlein im Schoße der Erde, behütet die grünende
Saat und die reifende Ähre. Fürchtet euch nicht! Er war mit uns. An
Gottes Segen ist alles gelegen."
Nun nahm die dritte Garbe das Wort: „Die mit Thränen säen,
werden mit Freuden ernten! Mit schwerem Herzen ging ein ^ohn
aus, zu säen. Ach, der Vater war ihm gestorben, und daheim weinte die
verlassene Mutter; denn die harten Gläubiger hatten die Scheuer geräumt.
Ein mitleidiger Nachbar lieh ihm den Samen; aber Thränen sielen mit
den Körnern in die Furchen. Nun erntet er zehnfültig, denn der Herr hat
seine Ernte gesegnet. Die mit Thränen säen, werden mit Freuden ernten;
sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, kommen wieder mit
Freuden und bringen ihre Garben."
Darnach fuhr eine vierte fort zu reden: „Wohlzuthun und mitzu-
theilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott tvohl. Konnten
wir das Hineinrusen in die Häuser der Reichen, die ihre Scheunen jetzt
füllen! Könnten wir es dem hartherzigen Manne zurufen, der gestern die
armen Ährenleser von seinem Acker trieb! Wen der Herr gesegnet hat,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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167
227. Der Mond ein Bild des Lebens.
Am westlichen Himmel schwamm der Mond, wie ein leichter Nachen
in dem Widerscheine des Abendrotes. Die Kinder zeigten ihn dem Vater.
„Wie schön und zart ist er," sagte Alwin, „so sieht er nicht immer aus!"
— „Er ist in seiner Kindheit," erwiderte der Vater. „Mit jedem Tage
wird er wachsen, und sein Licht wird zunehmen, bis er uns die ganze volle
Scheibe zeigt. Vielleicht werden ihn bisweilen Wolken bedecken, und er wird
sein Angesicht gleichsam verhüllen. Nach einiger Zeit wird er wieder ab-
nehmen und kleiner werden, bis er endlich ganz verschwendet, um ein voll-
kommenes Bild des menschlichen Lebens zu werden." — „Ich verstehe nicht,
was du meinst," sagte Theodor. — „O ja," fiel Alwin ein, „ich weiß,
was du sagen willst: der Mensch nimmt auch zu und ab; er glanzt eine
zeitlang über der Erde; dann verschwindet er und wird im Grabe ver-
borgen." — „Und die Wolken, die den Mond bisweilen umhüllen?" sagte
der Vater. — „Diese weiß ich nicht zu deuten." — „Es sind die Unfälle,
die dem Menschen begegnen," fuhr der Vater fort; „kein Leben ist noch so
glänzend und heiter über die Erde hinweggezogen; jedes hat seine trüben
Tage gehabt. Aber an dem unschuldigen und guten Menschen ziehen die
Wolken vorüber, und die Ruhe seiner Seele bleibt ungestört. Und wenn
er auch endlich vor unsern Angen verschwindet, so geht er nicht zu Grunde,
sondern strahlt in einer andern Gegend ewig dauernd und unveränderlich."
Fr. Jacobs.
228. Der "Wanderer in der Sägemühle.
1. Dort unten in der Mühle
sass ich in süsser Ruh
und sah dem Räderspiele
und sah den Wassern zu.
2. Sah zu der blanken Säge —
es war mir wie ein Traum, —
die bahnte lange Wege
in einen Tannenbaum.
3. Die Tanne war wie lebend,
in Trauermelodie;
durch alle Fasern bebend,
sang diese Worte sie:
4. „Du kehrst zur rechten Stunde,
o Wanderer, hier ein,
du bist’s, für den die Wunde
mir dringt ins Herz hinein.
5. Du bist’s, für den wird werden,
wenn kurz gewandert du,
dies Holz im Schoss der Erden
ein Schrein zur langen Ruh.“
6. Vier Bretter sah ich fallen,
mir ward’s ums Herze schwer,
ein Wortlein wollt’ ich lallen,
da ging das Rad nicht mehr.
Kerner.
229. Die Neujahrsnacht eines Unglücklichen.
Ein alter Mensch stand in der Neujahrsmitternacht am Fenster und
schaute verzweiflungsvoll ans zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel
und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf jetzt niemand
so freuden- und schlaflos war, als er. Der Kirchhof lag vor ihm und
zeigte ihm sein nahes Grab, und er brachte aus dem ganzen reichen Leben
nichts mit als Irrtümer, Sünden und Krankheit, einen verheerten Körper,
eine verödete Seele, die Brust voll Gift und ein Alter voll Neue. Seine
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
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Extrahierte Personennamen: Alwin Theodor Alwin Jacobs
146
nicht sein. Ich bedarf deiner nicht mehr, und nun soll dir deine Untreue
vergolten werden." Mit diesen Worten gab er dem Riesen einen Stoß,
daß er vom Rande des Felsens hinab taumelte und in der Tiefe zer-
schmettert ward.
5. Wie Siegfried mit dem Drachen kämpfte.
Kriemhild hatte bei diesem schrecklichen Kampfe die Hände gerungen
und zu Gott um Hilfe gerufen; auch jetzt noch zitterte und weinte sie,
aber Siegfried trat zu ihr und sprach: „Nun sei getrost, holdselige Jung-
frau; noch bin ich unbezwungen, und mit Gottes Hilfe werde ich auch
wohl dich befreien." Aber Kriemhild sagte: „Ich fürchte, daß noch schwerere
Kämpfe dir kommen, als bisher." „Ja," erwiderte Siegfried, „schlimm
wär' es, wenn ich jetzt sogleich mit dem Drachen streiten sollte, denn es
ist heute der vierte Tag, daß ich nicht gegessen und getrunken, noch auch
geschlafen habe." Das hörte der Zwerg Engel, und sogleich ließ er durch
eine Schaar seines Volkes köstliche Speisen und Getränke auftragen.
Aber kaum hatte Siegfried zu essen angefangen, da erhub sich ein
Getöse, als stürzten die Berge zusammen. Ängstlich fuhren die Zwerge
auseinander, sich zu verstecken, und Kriemhild sprach: „Jetzt, edler Held,
wird es unser Ende sein. Nun naht der Drache heran, von seinem
Schnauben kommt das Getöse." Aber Siegfried blieb getrost und er-
mutigte auch die Jungfrau. Da sah man einen hellen Feuerschein, der
kam aus dem Rachen des noch meilenweit entfernten Ungeheuers. Ängstlich
zog Kriemhild den Jüngling in eine Höhle herein, um hier das Weitere
zu erwarten. Da erschien der Drache; wie er an den Felsen heranflog,
bebte die ganze Erde ringsumher. Sofort trat Siegfried aus der Höhle,
mit der Rechten das Schwert führend, das ihm der Riese gezeigt hatte.
Fürchterliche Schlüge versetzte er dem Drachen, aber dieser riß ihm mit
seinen Krallen den Schild weg, und so fühlte er immer schrecklicher die
Glut, die aus dem Rachen des Ungetüms hervorgehaucht ward; sie er-
hitzte den Felsen so, als wär' er glühendes Eisen. Unerträglich ward
endlich die Qual, immer gieriger züngelten rote und blaue Flammen ihm
entgegen. Endlich mußte er fliehen, doch vergaß er nicht Kriemhildens;
schnell zog er sie mit in eine kleine Höhle hinein, in welche der Drache
ihnen nicht folgen konnte. Hier erblickte er einen unendlichen Schatz von
Gold und Edelgestein; es war der Hort des unterirdischen Zwergenvolkes,
der Nibelungen, welche vor dem Getöse des Kampfes ängstlich geflohen
waren; Siegfried aber meinte, daß es der Schatz des Drachen sei.
Nach einiger Zeit, als er sich erholt hatte, ergriff er wieder sein
Schwert und begann den Kampf von neuem. Die Glut der blauen und
roten Flammen, die das Unthier gegen ihn spie, brachte ihn wieder in
große Not; er mußte auf die Seite springen, aber nun versuchte das Unge-
heuer mit seinem Schwänze ihn zu umringeln, und nur mit genauer Not
entging er diesen Umarmungen. Von den wiederholten Schlügen aber und
von der gewaltigen Hitze begann allmählich die Hornhaut des Drachen weich
zu werden; als Siegfried das merkte, nahm er alle seine Kraft zusammen
und führte einen so gewaltigen Hieb auf das Thier, daß er es von oben
bis unten mitten hindurch spaltete und die eine Hälfte vom Rande des
Felsens in die Tiefe sank.
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer]]
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stahlgrau und dunkel, bald weißblau im Mondschein, oder geht unter in
schwarzer Nacht.
So geht es mehrmal fort, und zuletzt stürzt das schwarzwilde Wasser-
tröpflein in einen Fluß oder Strom und wird hinunter geschwemmt ins
Meer. Aber so groß und unergründlich das Meer auch ist, die kleine Welt
geht darin nicht verloren; und es gibt ein Auge, das jedem Tropfen im
Meere nachkommt, woraus jene Welle zusammengesetzt war.
Man kann oft in Büchern lesen, die Zeit sei wie ein Fluß, und die
Ewigkeit wie ein unendliches Meer. Nun denn, ein Tag im Menschen-
leben, ein „Heute" ist gerade so, wie eine kleine Welle, die im Bache
schwimmt und sich erhebt und glänzt und wieder versinkt.
Es quillt der Tag hervor aus der Nacht und dem Schlafe, glitzert
und zittert eine Weile an der Helle und sinkt wieder hinab in die Nacht und
den Schlaf. So ein Tag ist eine Spanne Zeit, ein Schritt, ein Pendel-
schlag, ein Stück vorwärts. Jeder Tag ist eingeklemmt zwischen zwei Nächten;
ein Tag kommt dem hinsterbenden Greise zuletzt noch vor, wie wenn man
im Finstern Feuer schlügt, wie wenn es in der Nacht blitzt.
O Mensch, du kannst die Uhr stillstehen machen, aber nicht die Zeit,
nicht dein Heute. Die Gelehrten sagen: Die Erde mit allem, was darauf
ist, jage schneller im Weltenraumc fort, als eine losgeschossene Büchsenkugel,
ohne daß wir es sehen. Das ist das stille Jagen, der stille Sturm der
Zeit. Laß dein Leben nicht darin zerbröckeln und zerstäuben in verdorbene,
nutzlos verlebte Tage. Jeder Tag wird auferstehen von den Todten ins
ewige Leben, dir zum Gericht oder zur schönen Seligkeit. Aber du bist nur
Herr und Eigentümer des heutigen Tages; die vergangenen Tage sind
unauslöschlich eingeätzt im Buche deines Lebens, und vielleicht kommt bald
das letzte Blatt, dein letzter Tag; und der Sarg, in den sie dich legen, ist
der Gedankenstrich zu deinem verflossenen Erdenlcben; dann nagelt der
Schreiner noch den eisernen Schlußpunkt hinein, der Todtengräber aber
wirft den Streusand über dich hin mit seiner Schaufel. Gott behüte dich!
Alban Stolz.
224. Wiege und Sarg.
Ruhestätten gibt es gar viele im Leben — und wer kennt unter ihnen
nicht die zwei wichtigsten? Die eine steht an der Eingangsschwelle des
Lebens, die andere an der Ausgangsschwelle desselben. Verschieden, sehr
verschieden, ja völlig entgegengesetzt scheinen sie in ihrem Zwecke zu sein, und
doch sind beide einander nahe verwandt.
Aus Brettern ist die Wiege gezimmert — und so auch der Sarg. Im
Walde stand einst ein Baum, von welchem die Bretter genommen wurden.
Frisch und grün streckte er seine Zweige aus, und schon damals ruhte der
müde Wanderer unter ihm. Endlich wurde der Baum gefällt, sein Stamm
zerschnitten und in friedlicher Werkstätte verarbeitet! Eine Wiege vielleicht
und ein Sarg zugleich entstanden aus seinem Holze. Wiege und Sarg, —
beide also wuchsen einst kräftig und voll als Waldbaum oder als Dbstbaum,
auf dessen Zweigen die Vögel sangen.
Beide wurden vom Frühlinge einst belaubt und vom Herbste entblättert.
Beide wurden gefällt durch Apt und Sturm.
Und in beiden schläft der Mensch. In beiden gibt's Ruhe und Frieden.
11*
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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nach Tahiti ab, das sie nach siebenmonatlicher Fahrt erreichten. Aber erst
nach 19jähriger Arbeit der Missionare siegte das Evangelium. Wie eine
Flamme verbreitete sich dasselbe nun von Insel zu Insel. Das diebische,
faule, schwelgerische Volk wurde zuverlässig, gesittet und gewerbsam. Die
Familien lebten in christlicher Eintracht; der Krieg, sonst der Wilden
Wonne, hörte auf; die tödtlichen Waffen verwandelten sich in Ackergeräte.
Kirchen, Schulen und Krankenhäuser entstanden. Es ist Tag geworden
ans den Südseeinseln. Nach Verschiedenen.
68. Die Bewohner Australiens.
Diejenigen Inseln Australiens, welche nach Amerika zu liegen, sind
meist von Malaien bewohnt. Der eigentliche Malaie hat eine der kau-
kasischen sich nähernde Schädelform, eine etwas gewölbte Stirn, schwarze
wcitgeöffnete Augen, einen wohlgeformten Mund; aber ihn entstellen die
glänzend geschwärzten Zähne. Haar und Hautfarbe erinnern an den
Neger, ebenso die überlangen Vorderarme. So klein verhültnißmäßig die
Malaien sind — sie erreichen selten anderthalb Meter — so entwickeln
sie doch eine Schmiegsamkeit und Gewandtheit der Glieder, welche fast
etwas Thierisches hat. Sie gehen und schlafen, z. B. auf Geländern, ohne
irgend einen Anfall des Schwindels; sie gebrauchen die Zehen als Finger,
heben damit auch die kleinsten Gegenstände vom Boden auf und überliefern
sie aus der Hinterhand in die vordere u. s. w. Der Charakter dieses Stam-
mes verbindet reges Gefühlsleben mit glühend aufschlagender Leidenschaft.
Zerfließend im Genuß und alle Gedanken spannend zur Rache am Feind,
träumerisch brütend und mit Wollust mordend, den erzürnten Gott durch
Menschenopfer sühnend — erscheint der Malaie gleichsam als das Produkt
seines von Erdfeuern durchglühten, von Erdbeben durchzuckten, und dabei
mit einer berauschenden Fülle der Naturgaben überschütteten Heimatlandes.
Neuholland, die größte Insel Australiens und der Erde überhaupt,
und die nordöstlich davon gelegenen Inseln sind meist von den Attstral-
negern oder Papuas bewohnt. Diese gleichen den eigentlichen Negern;
sie sind braunschwärzlich, haben krauses, schwarzes Haar, platte Gesichter
und breite Nasen. Unter allen Menschenstämmen haben sie das kleinste
Gehirn und befinden sich in fast thierischem Zustande. Sie können nur
bis 5 zählen, und ihre Sprache soll dem Vogelgezwitscher gleichen. Ihre
Speisen verzehren sie fast roh, gehen in der Regel ganz nackt und schlafen
unter freiem Himmel oder in elenden Hütten und Felsschluchten. Nirgends
verweilen sie länger als einige Tage. Sie leben von der Jagd, fangen
Fische und essen Wurzeln und Würmer. Dabei sind sie äußerst träge und
so gefräßig, daß sie so lange essen, bis sie sich nicht mehr bewegen können.
Von Gott haben sie keine Ahnung; sie fürchten sich nur vor bösen Geistern.
Missionare haben unter dem unglücklichen Geschlechte lange mit großer
Milde und Freundlichkeit gewirkt, können sich aber erst in neuester Zeit
einiger Erfolge rühmen, wo es der Brüdergemeinde gelungen ist, einzelne
Papuas zu bekehren.
Einige hundert Meilen weit südöstlich von Neuholland liegt Neu-
seeland. Die Einwohner bilden eine Verzweigung des mongolischen
Stammes; sie sind ein schöner Menschenschlag, haben ausdrucksvolle Ge-
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Extrahierte Ortsnamen: Australiens Australiens Amerika Australiens
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Pünktchen erscheinen auf der dunkeln Oberfläche und drängen sich da, wo das
Wasser in heftigere Bewegung gerät, zu leuchtenden Massen zusammen.
Die Kämme überstürzender Wellen sind in feurige Streifen verwandelt.
In ein flammendes Kleid gehüllt und durch lange Lichtspuren ihren Weg
bezeichnend, durchschießen Delphin und Fische blitzähnlich die Tiefe: jeder
Ruderschlag erregt tausend glitzernder Funken, die sallenden^Tropfen eines
Regenschauers erzeugen eine leuchtende Flüche, die ihren Schimmer nach
oben zurückwirft, so daß die Wolke als eine matt glänzende Wand am
schwarzen Himmelsgewölbe steht. Am prachtvollsten zeigt sich das Schauspiel
da, wo der Kiel des eilenden Schiffes die See in mächtigen Wogen aus-
einander wirft. Die schäumende und wirbelnde Wassermasse vor dem Buge
ist in zwei flammende Lichtberge verwandelt; von tausend Funken erfüllt,
treibt sie rauschend an den Seiten des Schiffes vorbei und vereinigt^ sich
im Kielwasser zu einem langen, hell leuchtenden Streifen, der die Spur
des einsamen Seglers auf der weiten Wasserwüste bezeichnet. Die Ursache
dieser Erscheinungen sind Millionen und aber Millionen unendlich kleiner
Thiere von gallertartiger Masse, welche die oberen Meeresschichten be-
wohnen und bei jeder Beunruhigung einen Schein von sich geben ähnlich
dem unserer Johanniswürmchen.
Merkwürdig ist das regelmäßige Steigen und Fallen des Meerwafsers,
die Flut und die Ebbe. Das Steigen dauert etwa 6 Stunden, nach
einem Stillstände von einigen Minuten tritt die Ebbe ein, die ebenfalls
etwas über 6 Stunden dauert. An jedem Tage tritt die Flut so ziemlich
eine Stunde später ein. Gerade so verhält es sich mit dem Aufgange des
Mondes. Auch hat man bemerkt, daß die Flut ihren höchsten Stand er-
reicht, kurz nachdem der Mond durch den höchsten Punkt seiner Bahn am
Himmel hindurchgegangen ist, und daß die Ebbe eintritt, wenn er am
Himmel sich wieder herabsenkt. Und so ist es denn ohne allen Zweifel
die Anziehungskraft des Mondes, welche diese Erscheinung hervorruft. Daß
die Sonne an dieser Bewegung des Meeres auch mit Ursache ist, sieht
man daraus, daß die Flut immer dann am höchsten steigt, wenn Sonne
und Mond genau nach derselben Richtung stehen, von der Erde aus ge-
sehen, oder nach gerade entgegengesetzter Richtung, als zur Zeit des Neu-
und Vollmonds. Dann entstehen die gefährlichen Springfluten, die
mitunter große Strecken Küstenland wegschwemmen, wie denn zum Beispiel
der Dollart dadurch entstanden ist, daß die Springfluten der Nordsee in
einer furchtbar stürmischen Nacht des Jahres 1277 die Küsteugegend in
einem Umfange von 6 Q.-Meilen bedeckten und eine Stadt nebst 50 Dör-
fern in der Tiefe begruben. Nach Romberg u. a.
71. Die Meerestiefe.
^ Das Meer hat gleich der Erdoberfläche nicht nur seine Berge und
Thäler, seine Hoch- und Tiefebenen, seine Moorlager und Sandwüsten,
seine Quellen und Ströme, sondern auch seine Urwälder mit ihren Schling-
pflanzen, ihrer Farbenpracht und Thierwelt, mit Blumengärten und unge-
heuren Wiesenflächen, auf denen die Herden der Pflanzenfresser des Meeres
weiden, es hat seine Landschaften, welche prachtvoller und wunderbarer sind
als irgend etwas auf Erden. Zwar gedeiht auf dem Meeresboden nur
die Pflanzenart der Tange und Seegräser; aber diesa sinn so mannigfach
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TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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