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1. Band 1 - S. 2

1900 - Glogau : Flemming
2 brach in den Stoßseufzer aus, Europa erscheine ihm wie ein Mg^il- wurfshügel, erst Asien sei für ihn eine imposante Ländermasse, dort gebe es große Reiche! Wir gehen nun dazu über, die geschichtlich-ethnographischen Verhältnisse Asiens uns wieder etwas in Erinnerung zu bringen. Asien zerfällt seiner Bevölkerung nach in zwei deutlich von einander geschiedene Gruppierungen, eine kleinere südwestliche und die unverhältnismäßig große und ausgedehnte des Nordostens. Die erstere weist Völker und Stämme der mittelländisch-kaukasischen Rasse ans, die zweite die eigentlichen Repräsentanten Asiens, die Mongolen. Dort am Pamirplateau, am Dache der Welt, treffen sich im letzten Vorstoß und Anprall Kaukasiertum und Mongolismus. Bei den Mongolen spricht man von zwei Hauptstämmen. Ein dritter, der Tschuktische an der Behringsstraße, kann wohl süglicher- weise seiner Unbedeutendheit wegen übergangen werden. Übrigens fand Nordenskiöld dort in den Jurten, die der eisige Buran um- heult, ein fast idyllisches Familienglück und -— die artigsten Kinder von der Welt. Die beiden Hauptstämme der Mongolen sind also der uralisch-tatarische und der südliche indochinesische. Von dem ersteren ragen Ausläufer bis nach Europa hinein, und zwar die Finnen, Ungarn und Türken. Die Finnen haben nie geschichtlich eine Rolle gespielt, aber es sind tapfere Soldaten, und die karelischen Volkslieder zeugen von hoher Begabung dieses nördlichsten europäischen Kulturvolkes. Desto empfindlicher waren die Berührungen Europas mit den Magyaren und Türken: das wilde Treiben des Czikos auf den Pußten der Theiß und alle die verwegenen Bravourstückchen der Husarenwaffe erinnern an die einstigen verheerenden Ungarneinfälle des frühen Mittelalters, und der Nngbärtige, stolz und ruhig in sein Kismet ergebene Muselmann in Konstantinopel ist der Abkömmling jener furchtbaren Türken, vor denen im 16. und 17. Jahrhundert die europäische Christenheit unter stehendem Glockengeläut die Hilfe des höchsten Gottes inbrünstig an- flehte. Auch die nordmongolischen Kernvölker aus der Gobi haben vor Zeiten Europa einen Besuch abgestattet. Wer erinnert sich nicht der Mongolenschlacht auf der Walstatt von Liegnitz 1241 und der langen Herrschaft der goldenen Horde! Es ist besonders interessant, bei diesen hochasiatischen Mongolen das Einst und Jetzt vergleichend nebeneinander zu stellen; wir wollen zunächst mit der Schilderung der heutigen Mongolen beginnen, wie sie uns in den Reiseberichten des vorzüglichsten Kenners Jnnerasiens, Prschewalskis, entgegentritt. Es giebt kein harmloseres und friedlicheres Treiben als das der Kalchamongolen innerhalb und außerhalb ihrer Filzjurten. Der Mongole scheut derart die aufregende Bewegung und jede Thätig- keit, die entfernt nach Arbeit schmeckt, daß er es sogar vorzieht, sich

2. Band 1 - S. 4

1900 - Glogau : Flemming
4 fast ganz Asien unter der neuen Despotenherrschaft. Zu Samarkand auf dem berühmten grünen Steine, der noch heute zu sehen ist, stand der Thron des übergewaltigen Mongolenfürsten, und stets diente ihm ein vornehmer Gefangener als Schemel seiner Füße. Es war, als ob die Genialität des seltsamen Mannes sich auch als besonders erfinderisch erwies in der Bestrafung der eroberten Städte. Ein Massengemetzel unter den unglücklichen Einwohnern hatte auch Dschingischan veranstalten lassen, aber Timur wußte in die Eintönig- keit der Blutscenen noch einige entsetzliche Abwechselungen zu bringen. In Persien wurden auf seinen Befehl die Gefangenen lebendig über- einander geschichtet, mit Lehm und Kalk verputzt und zu Mauern und Türmen kunstmäßig als Baumaterial verwertet. Ein andermal ließ er in einer großen Grube die kugelförmig gefesselten Feinde nebeneinander legen, dann Bretterlagen darüber befestigen und so wie bei den Schichten einer Pastete oder Fruchttorte Menschenleiber und Balkengezimmer in grausigem Gemische abwechseln. Jeder seiner Krieger mußte eine bestimmte Anzahl Köpfe erschlagener Feinde ab- liefern, und aus den übereinander gehäuften Schädeln — in Indien waren es neunzigtausend — wurden Siegespyramiden errichtet, bei deren Anblick wohl das Blut der Bezwungenen erstarren mochte. Wenn gegenüber diesen Mongolenstürmen und Eroberungszügen Europa als der leidende Teil erschien, so hat es auch nicht an An- griffskriegen gefehlt, die Europa gegen Asien geführt hat. Schon in den ältesten griechischen Mythen fordert Europa kampfgerüstet Asien zum Kampfe heraus, und in der troischen Ebene maßen sich zuerst Europäer und Asiaten in erbittertem Streite. Westasien wurde dann durch die Feldzüge Alexanders des Großen und die Kreuzzüge des Mittelalters heimgesucht. Der Einfluß des milderen Klimas, die Einwirkung einer ästhetisch so bezaubernden und als Augenlust dienenden Vegetation sänftigte und veredelte, wie Alexander von Humboldt sagt, die rauheren europäischen Nordländer und hat nach dieser Hinsicht trotz Kampf und Krieg unsäglichen Segen gestiftet. - Dann haben die Engländer sich in Asien ein großes Reich gegründet, und unter den stolzen Titeln der britischen Majestät prangt die wert- volle Bezeichnung einer Kaiserin von Indien. Neuerdings ist nun der gefährlichste Bedränger Asiens erstanden, der langsam und sicher in Asien vordringt —' das ist Rußland. Kaiser Nikolaus pflegte zu sagen, Rußland habe in Asien keine Grenzen, und in der That beherrscht ja heute der Zar aller Reußen drei Fünftel des asiatischen Länderleibes. So lvie die Trancheen gegen die belagerte Festung mehr und mehr vorrücken uní) dem Angegriffenen Raum und Be- wegung abgewinnen, so weiß Rußland von seinem kolossalen nord- asiatischen Länderbesitz her gegen Mittel- und Lmdasien vorsichtig vorzudringen.

3. Band 1 - S. 6

1900 - Glogau : Flemming
6 sagenhafte Rheingold der Nibelungenzeit wieder ans Tageslicht fördern, oder gar das Gold des Schwarzaflusses, das gerade genügt, um den Schwarzburgifchen Fürsten die Trauringe zu liefern! Deshalb ziehen auch die sibirischen Goldsucher, von ihrem Glücke berauscht, im Herbste nach Tomsk, übrigens der heutigen sibirischen Universität, und zechen dort wacker in Champagner, der natürlich entsprechend teuer ist und bis über 7 Rubel die Flasche gelten soll. — Der sibirische Besitz Rußlands hängt durch die Kirgisensteppe mit dem centralasiatischen zusammen. Hier in der Steppe kann man noch völlig echtasiatisches Tierleben beobachten. Wo in Nordasien die Renntierherden am Milz- brand auszusterben anfangen, ähnlich wie ja auch in Nordamerika die Büffel jetzt verschwunden find, gewährt es hier ein recht typisches Bild, wenn der russische Kurier in seinem Gefährte dahinfliegt und der kirgisische Kutscher die vierelang gespannten Kamele zur größten Eile anspornt. Man nennt die Kirgisen die Franzosen Westasiens, und unermüdlich ertönt ihre plappernde Unterhaltung in den zerstreut stehenden Jurten oder Kibitken. —- Und nun sind die Russen erobernd in das alte Baktrien vorgedrungen. Da, wo einst die Nordgrenze auf dem Feldzuge Alexanders des Großen war, wo er am Jaxartes sein Alexandria eschate gründete, haben die Russen schon längst die Grenze passiert und treten von diesem nördlichen Eingangsthore her- ein in die terra eo^nita der Alten. Jaxartes und Oxus, die heutigen Syr und Amu, sind zu russischen Flüssen geworden, in Taschkent residiert der Gouverneur des russischen Turkestan, und Chiwa, Mcrw und Samarkand sind russische Militärstationen geworden. Wo hätten sich das die persischen Dichter träumen lassen, die Samarkand, die Stadt des gewaltigen Timur, mit ihren Kuppeln und Moscheen, mit ihren lachenden Gärten und ihrer herrlichen Umgebung „das Schatz- kästlein der ganzen Erde" nannten, daß einst dieser Wunderort des Orients ein gehorsames Landstädtchen des weißen Zaren sein sollte. Und das entschieden zum Vorteil der ganzen Landschaft, denn die Reisenden sind froh, mitten unter dem Schmutz und Verfall der frü- heren Herrlichkeit auf die Spuren europäischer Civilisation zu stoßen. Von Samarkand und dem Thale des Amudarja aus steigt Asiens Boden zu seinen berühmten centralen Erhebungen. Dort, wo die gewaltigen Hochländer von Hinterasien und Vorderasien etwa um den 73. Längengrad zusammenstoßen, finden sich riesenhafte Ausrichtungen der Erdoberfläche, Bergzüge, Plateaus1 und unweit davon der zweit- größte Gipfel der Erde, der Dapsang in der Karakorumkette mit 8619 Meter Höhe, also fast doppelt so hoch als Europas höchster Berg, der Montblanc. Die dominierende Stellung innerhalb dieser auseinander stoßenden Erhebungen hat das Pamirplateau inne, das S. Anhang 1.

4. Band 1 - S. 7

1900 - Glogau : Flemming
7 deshalb auch den Ehrentitel trägt: Dach der Erde. Und hier an dieser interessantesten physikalisch-geographischen Stelle unseres Erd- planeten bereiten sich auch politische Ereignisse von entschieden welt- historischer Wichtigkeit vor. So wie etwa im lo. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Unteritalien den Tummelplatz und das Konfliktgebiet für die drei damaligen Weltmächte abgab, die Deutschen, die Griechen und die Araber, so haben sich hier auf dem Pamirplateau, zunächst aller- dings mit Protesten und völkerrechtlichen Streitpunkten, gegenüber- gestanden die drei Weltmächte Asiens: die Russen, Chinesen und Engländer. Wenn der alte lateinische Spruch des Seipio noch gilt, «plus animi est inferenti quam propulsanti periculum», so hat Ruß- land den Vorteil der größeren Kampfesfreudigkeit und wohl auch des Erfolges für sich. Denn planmäßig und ununterbrochen ist die russische Eroberung vorgedrungen, den Russen fällt die Rolle des siegreichen Angreifers zu, China und England müssen sich verteidigen, natürlich mit verschiedener Widerstandsfähigkeit. — In der letzten Zeit hat Rußland viel für die strategischen Sicherungen eines späteren An- griffskrieges gethan. Das Wichtigste ist natürlich der Bau einer Eisenbahn. Wenn wir die ganze Richtungslinie derselben verstehen wollen, so müssen wir schon einige westlichere Anschlußlinien auf- zählen. Demnach haben die Russen zunächst von Tiflis im Siiden des Kaukasus, der Stadt des Mirza Schaffy, eine Bahn gebaut nach Baku am Kaspischen Meere. Es ist das die heilige Stätte der alten Parsen oder Feueranbeter, wo die Naphthaquellen ihre flammenden Gase aus der Erde auflohen lassen und wo ringsherum Tempel zur Verehrung dieses Naturwunders einladen. Von Baku fahren Dampf- schiffe quer über den Kaspischen See nach Michailowsk im Turkmenen- lande, und dann beginnt jene merkwürdige Bahn im Wüstensande, deren beschwerlicher Bau wohl seines Gleichen gesucht haben mag. Dicht am persischen Gebiete entlang — und Grenzstreitigkeiten und Reibungen sind auch da schon vorgekommen — führt die Bahn nach der Oase Merw, dann wendet sie sich etwas nordwärts, überschreitet den Amu oder alten Oxus und mündet in Buchara und Samarkand. Von Merw ist es leicht, einen Vorstoß gegen Afghanistan zu machen, und von hier wird dann zum letzten Schlage gegen Indien ausgeholt. Den Amudarja befahren jetzt regelmäßig russische Dampfschiffe, und bis an die afghanische Grenze sind kreuzende russische Kriegsschiffe vor- geschoben. Da liegt in unmittelbarster Nähe Batch, das alte Bactra, und von Balch nach Kabul zum berühmten Eingangspasse Indiens, durch den schon Alexander der Große zog, rechnet man nur zehn Tagemärsche. Rußland hat sich den Grundsatz des alten Macedonierkönigs Philipp angeeignet, in seinem großen Eroberungswerke sich mehrere stellen zum Angriffe zugleich offen zu halten und die Gegner, wenn man an der einen Seite Einbuße erleidet, schnell wieder auf der

5. Band 1 - S. 9

1900 - Glogau : Flemming
9 dazu dienen soll, Sibirien in seiner ganzen Richtung von Ost nach West zu erschließen und eine rasche Truppenvorschiebung bis an die Küste des stillen Oceans zu ermöglichen, — das ist der Bau der sogenannten sibirischen Eisenbahn, die in Wladiwostok am Japanischen Meere und auch in Port Arthur am Golf von Petschili münden wird. Hier sind ja schon langst die Vorarbeiten in Angriff genommen, und Sträflinge schaffen im Schweiße ihres Angesichts an dieser eminent civilisatorischen und zugleich strategisch wichtigen Bauarbeit. Hoffentlich wird das Riesenwerk, das in seiner Kühnheit und in der kolossalen Schwierigkeit der Herstellung wohl den Durchstichen der Suez- und Panama-Landengen, den Tunnelbauten der Alpen und den gewaltigen Eisenbrücken, die in Amerika und England über breite Meeresarme führen, an die Seite gesetzt werden kann, langsam aber sicher seiner Vollendung entgegengehen. Bereits werden Schnellzüge von Peters- burg bis Tomsk, der sibirischen Universität, abgelassen. Sie fahren ununterbrochen sechs Tage und sechs Nächte und sollen an Luxus und Komfort noch die amerikanischen Expreßzüge überflügeln. Jen- seits des Tom beginnt Urwald von Cedern oder Espen, und die Ingenieure haben die Arbeit des Vermessens in dieser fürchterlichen Gegend als eine Höllenqual geschildert. Man sinkt Schritt für Schritt in dem Espendickicht in den Sumpf ein, und Myriaden von Insekten verfolgen die kühnen Pioniere. Wird die große sibirische Eisenbahn fertig, so umklammert das eiserne Band der Schienen zuletzt unmittelbar das große chinesische Weltreich, und wir müssen uns also weiterhin mit der Bedeutung und Würdigung des Chinesenreiches beschäftigen. Der größte jetzt lebende Sinologe, von Richthosen, gesteht ein, daß China ein sehr wenig bekanntes Land sei und abschließende Urteile sich kaum werden abgeben lassen. Dies gilt allerdings nur für die eigentlichen Bewohner des Reiches der Mitte. Denn die Chinesen besitzen einen regen Auswanderungstrieb — man hat sie darum mit den Normannen des Mittelalters verglichen —, und die Eigenart der chinesischen Kulis kann man in San Francisco, Australien und in der ganzen Südsee genugsam studieren. Sie sind ja dort so verbreitet, daß man bereits den stillen Ocean als chinesisches Meer bezeichnen will. — Die Russen haben als Nachbargebiet zunächst die Mandschurei mit Mulden, der ehemaligen Hauptstadt der Mandschu- dynastie und jetzt der Totenstadt der Kaiser, in welcher jeder neue Beherrscher die Annalen seines Vorgängers niederlegt. Dann beginnt vom Busen von Petschili ab das eigentliche China mit seinem ganz beispiellosen Volksgewimmel. Das Mündungsland der Flüsse Hoangho und Jantsee —- letzterer der Gürtel Chinas und der eigentlich heilige Strom der Chinesen —, also die Provinz Kiangsu, hat einen Flächen- raum nur viermal so groß wie Pommern, und doch wohnen dort

6. Band 1 - S. 3

1900 - Glogau : Flemming
3 — gar nicht einmal zu waschen und seinen Leib und seine Kleider von dem zahlreichen Ungeziefer zu säubern. An dem mistgenährten Feuer des Herdes wird der Ziegelthee bereitet, und bei den Hauptmahl- zeiten werden außer diesem Nationalgetränk fast fabelhafte Mengen Hammelfleisches vertilgt — Prschewalski spricht von fünf Kilogramm auf eine Mahlzeit. Dabei sind die Mongolen die gläubigsten Bud- dhisten, und neben dem eifrigen Abhaspeln ihrer Rosenkränze und Gebetstrommeln kennen sie kein anderes Interesse als die Pflege ihrer stattlichen Viehherden. Unter der chinesischen Herrschaft ver- sinken sie mehr und mehr in Feigheit und erleiden überhaupt mo- ralische Einbuße jeglicher Art. Und doch singen ihre fahrenden Sänger noch immer von der einstigen Zeit der Mongolenherrlichkeit, da „vor dem Blicke ihrer Chane die zehntausend Völker der Erde erstarrten und die Erde erzitterte, wenn sie sich rührten". Der erste Mongolenchan, von dem die Geschichte erzählt, war Temudschin, später Dschingischan genannt, der Chan aller Chane. Östlich von Urga, dem heutigen Sitze des zweiten großen Mongolenpapstes, des Bogdalama, an den Quellen des Onon wurde Temudschin geboren, und zu Beginn des 13. Jahrhunderts begann er seine welthistorische Laufbahn. Auf dem Kuriltai, dem Reichstage, neben der Fahne, von der vier schwarze Hengstschweife herabhingen, schworen die Mon- golenhäuptlinge ihm blinden Gehorsam, und nun brauste das Völker- unwetter hinab in die westlichen Tiefebenen, Dschingischan gab seinen Kriegern eine furchtbare Lehre. Als bei der Einnahme von Herat nicht alle Einwohner umgebracht waren, wurde er zornig und äußerte, Mitleid wohne nur in schwächlichen Gemütern; von Milde und Barmherzigkeit dürfe und solle niemals die Rede sein. Und so er- klärt es sich auch, daß später bei der Eroberung von Bagdad 20000 Menschen ihr Leben verloren haben. Zudem bereitete es dem Nomadenchan eine rechte Herzensfreude, seiner tiefen Verachtung aller Büchergelehrsamkeit den unzweideutigsten Ausdruck zu geben. Unter den Hufen der Rosse, auf denen die Mongolen in die Moscheen ritten, wurden die heiligen Bücher der mohamedanischen Religions- weisheit zertreten, oder es fraßen gar die hungrigen Gäule, da zwischen die Blätter der Bücher Hafer geschüttet war, alle die tief- sinnigen Sprüche vom großen Allah gleichmütig in sich hinein. — Der zweite große Mongoleneroberer war wenigstens nach dieser Seite hin eine gemildertere Erscheinung — denn er liebte die Gelehrten, namentlich die Ärzte und Gesetzeskundigen —, aber sonst war Tamerlan, der lahme Timur, ein weit entsetzlicherer Mensch als Temudschin. Leider war sein Ehrgeiz und sein Genie womög- lich noch bedeutender als bei dem ersten Mongolenchane. So wie es nur einen Gott gebe, so solle, sagte er, auch nur ein Herrscher auf Erden sein, und wirklich bei seinem Tode 1405 seufzte und zitterte

7. Band 1 - S. 13

1900 - Glogau : Flemming
13 Ereignisse, und wer will sich vermessen, die Zukunft vorauszusagen. Sollte es Deutschland zufallen, sich in Asien gleich den Engländern etwa ein Indien zu erkämpfen, oder sich doch wenigstens mit aller Energie „einen Platz in der Sonne zu verschaffen"? China ergeht es wie den Südsee-Jnsulanern, was Beurteilung und Wertschätzung anbetrifft. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnte man nicht genug thun im Lobe ihrer einfach patriarchalischen Sitten, und seit Voltaire galt China als ein Land der Gerechtigkeit, der Gelehrsamkeit und friedlichen Kultur, an dem sich die europäischen Nationen immer von neuem ein Muster nehmen sollten. Heutzutage kann man sozusagen die Kehrseite der Medaille betrachten, und die „gelben Teufel" nennt man nur mit Abscheu. Während aber die Südsee-Jnsulaner, von deren enthusiastischer Bewunderung man längst zurückgekommen ist, meist absterbende Generationen sind, hat man es in China mit einer Nation von 400 Millionen zu thun, und wir können im Zweifel sein, ob sich die Chinesen in ihrem Schiking1 in melancholischer Resignation ein richtiges Prognostikon gestellt haben: Wir bau'n mit glänzenden Altanen Gedächtnistempel unfern Ahnen; Wir bau'n mit Kunst an jeder Wissenschaft, Die uns're Weisen einst gegründet, lind wo sie uns ein Licht der Einsicht angezündet, Das hüten wir gewissenhaft. Es blieb von unsrer Geisteskraft Nichts Feinstes unerspäht, nichts Tiefstes unergründet; Doch Untergang ist uns verkündet, Denn unserm Wesen fehlt's am innern Haft. Der Hase mag wohl zierlich hüpfen, Dem Hunde wird er nicht entschlüpfen! Auf dem Wege des Verkehrs und Handels hat sich Deutschland noch an einer anderen Stelle Asiens vorgeschoben, loas wir schließ- lich doch nicht unerwähnt lassen wollen. Wir meinen die anatolische Bahn in Kleinasien, die neuerdings die Konzession zur Erweiterung des Eisenbahnbaus bis Bagdad und zum persischen Golf erhalten hat. Die Türken sind jetzt die Freunde Deutschlands, und man be- zeichnet die Türken Kleinasiens, in denen sich das Osmanentum am unverfälschtesten erhalten hat, geradezu als „Deutsche des Orients". Hier in Kleinasien ist nun die von deutschem Kapital gegründete und von deutschen Ingenieuren gebaute anatolische Bahn schon seit einigen Jahren im Betrieb und trägt deutsche und abendländische Kultur in die weltfremden Dorfschaften des kleinasiatischen Hochlandes. Wiesehr hatte doch die „Mutter der Welt", 2 wie die Türken ihr * 2 ' Bon Rückert übersetzt. 2 umma ed dünja.

8. Teil 5 = Oberstufe - S. 105

1905 - Glogau : Flemming
105 waren, hat eine Verschmelzung der Deltas stattgefunden; die be- kanntesten Beispiele dafür sind Ganges —Brahmaputra, Rhein— Maas—schelde. Die Ausfüllung von Seen durch eintretende Flüsse ist auf jeder genauen Karte ersichtlich, am anschaulichsten natürlich für den, der in der Natur (z. B. beim Blick von der Axenstraße nach Uri hinein, vgl. Mi 79a) die streng wagerechte Delta-Ebene am oberen Ende eines Sees gesehen hat. c) Seen. Wenn man den sog. „Mündungssee" außer acht läßt, der nur das Ende eines Binnenflusses an der niedrigsten Stelle einer weiten Steppenmulde bezeichnet (vgl. S. 102), so sind die Seen die Wasserausfüllungen eigener, beckenartiger Vertiefungen; diese werden unterschieden als „Eintiefungsbecken", wenn sie — meist in festem Fels — durch Einwärtsbewegung des Bodens (vgl. 37, z. B. in den großen Gräben Syriens und O-Asrikas) oder auch durch Ausräumung von oben her (z. B. durch Gletscher) hervor- gerufen tini);1 als „Aufschüttungsbecken" aber, wenn sie auf Dammbildung (z. B. von Endmoränen der Eiszeit, vgl. Mg 5b, oder von Flußsinkstoffen an der Meeresküste, vgl. Mi 17, 59, Mg 42) oder auf Wallbildung (wie bei vulkanischen Aufschüttungen) zurückzuführen sind. In anderer Weise unterscheiden sich Seen mit und ohne Abfluß. Die ersteren verändern sich stark durch die Deltabildung am oberen Ende (s. o.) und die Abzapfung am unteren, wo sich der Abfluß vertieft, so daß ein Bergsee schließlich auslaufen kann? Die letzteren halten sich viel länger, vorausgesetzt, daß nicht das Klima trockener wird; sie erleiden aber nicht selten bedeutende Schwankungen im Wasserstand und werden allmählich salzig (vgl. Nà 48). Er- löschende kleine Seen gehen unter Mitwirkung von Sumpfpflanzen oft in Tiefmoore über (vgl. Mg 46). Die Seenforschung (Limnologie) hat neuerdings eine bis ins einzelne gehende Pflege erfahren; der Seenreichtum einst vergletscherter Gebiete führt auch hier wieder auf die Eiszeit zurück. 42. Die Arbeit des Meeres; Küsten, Inseln. Wie in den Seen im kleinen, so wirkt im Meere im großen die Brandung (vgl. S. 84 u.) als stärkste der Kräfte, die die Küsten „in Belagerungs- zustand" versetzen, zumal dann, wenn sich Sturmwind und Spring- flut („Sturmflut") mit ihr vereinigen. Eine Steilküste wird in dem Bereich zwischen Niedrig- und Hochwasser (s. S. 85) aus- gewaschen; die überhängenden Teile stürzen herab; es entsteht ein Kliff (s. Mi 44) mit vorgelagerter flacher Strandplattform, oft durch 1 2 1 Der Kaspi-See, der alle anderen an Größe weit übertrifft (fast 440000 qkm, vgl. U. 96), scheint in der tiefen 8,- Hälfte ein Senkungsbecken auszufüllen, sonst aber — wie der Aral-See — ein Überrest eines alten, flachen Meeres zu sein. 2 „Seen sind nur vorübergehende Erscheinungen auf der Landoberfläche" (Brückner). In Tirol sind innerhalb eines Jahrhunderts 118 Seen verschwunden.

9. Teil 3 = Mittelstufe, 2. Stück - S. 93

1901 - Glogau : Flemming
93 48. Bodengestalt und Gewässer. Vorder-Asien ist ganz iiber- wiegend Hochland. Die einzige große Tieflandfläche bildet in der Rückverlängerung des Persischen Golfs Mesopotamien, und es erreicht erst im Nw — dort, wo der Euphrat dem Mittelmeer am nächsten kommt — die Höhe von 500 m (vgl. 11, 8, 25). Auf dieser Hochfläche erhebt sich im W ein Randgebirge, dessen W-Abfall zwischen sich und dem User des Golfs von Jskanderun nur einen schmalen Saum läßt (Schlacht bei Jssus!), aber etwas südlicher wird dieser Rand von dem Unterlaufe des Orontes^ durchbrochen. Von da aus führte deshalb schon die alte persische Königsstraße ost- wärts an den Euphrat,^ und diese Linie in Verbindung mit dem Euphrat grenzt den großen Sw als Ganzes, als ausgedehntes Tafelland, von dem übrigen Vorder-Asien abt Der von N her (s. o.) die Mittelmeerküste begleitende Rand Syriens erhebt sich in ihrer Mitte zu dem monatelang von Schnee bedeckten Libanon^ (mit einem Kamm von etwa 2000 m und einer Spitze von 3100 in Meereshöhe); dahinter streicht aber ihm parallel der weniger hohe Antilibanon, tm S mit dem dort alles Land überragenden Hermon (2800 in) endigendt In dem so gebildeten Längsthale (Coeleshrien — Hohlsyrien) besindet sich (bei 34 0 n. Br.) eine Wasserscheide (1000 in ü. d. M.); nach Nno fließt der Orontes (s. o.). Erst südlich von dieser Schwelle geben zwei Pässe Gelegenheit zum Übersteigen beider Gebirgszüge (jetzt Eisenbahn Beirut [berüt]— Damaskus). Aus Quellbächen des Hermon entwickelt sich der Jordan, dessen südwärts gerichtetes Thal schon bei 330 n. Br. unter die Höhe des Meeresspiegels hinunter- geht. Von da ab fällt er noch um weitere 400 in aus einer Strecke, die in der Luftlinie nicht einmal 140 Uni mißt, so daß er trotz viel- facher Krümmungen für Schiffahrt viel zu reißend ist. Im Anfang dieser Tiefsenke klärt er sein Wasser im fischreichen See Gene- zareth (— 200 m).6 Das Tote Meer (— 400 in), in dessen N- Ende er mündet, ist bei der tiefen, heißen Lage und der starken Verdunstung eine Salzlake von 24 0/0 ohne Tierleben, also wirklich „tot“! 7 Erst jenseit des Toten Meeres endet die sich durch zwei 1 * * 4 5 6 7 1 Für die Schiffahrt ist er jetzt durch eine Barre gesperrt. * Antiochien -— Chalylwn (jetzt Haleb) — Thapfakus (d. h. Brücke). b Alan sehe eine Karte (z. B. Diercke-Gaebler (1901), S. 30) oder gar ein Relief Vorder-Asiens von der i^4v-Ecke her an! 4 Dieser hebräische Name bedeutet „weißes Gebirge", vielleicht im Sinne von Schneegebirge, vielleicht auch wegen der Hellen Kalksteinfelsen. 5 Wie der Libanon ist der Hermon quellen- und waldreich, der Antilibanou sonst aber bei seiner Lage trockener und kahler. 6 Vgl. Diercke-Gaebler (1901), S. 28 u. 7 Sein Spiegel liegt (genau) 394 in unter dem des Mittelmeeres; seine Sohle noch 400 in tiefer! Wer in dem Salzwasser baden will (aufrecht, um die Sole nicht zu schlucken), fühlt sich von ihm — des spezifischen Gewichtes halber — getragen.

10. Teil 3 = Mittelstufe, 2. Stück - S. 94

1901 - Glogau : Flemming
94 Breitengrade erstreckende Depression, aber die Grabenfurche selbst setzt sich in geringer Meereshöhe nach dem Golf von Akaba hin fort (s. S. 92)1 und trennt so das eigentliche Palästina (Kanaan) und die Sinai-Halbinsel ganz von dem Syrisch-Arabischen Tafellande. Das Wests ord an land ist eine unebene Kalkfläche, die aus der Grabeneinsenkung steil aufsteigt, sich aber nach dem Meere hin all- mählich senkt (s. S. 92); nur der Höhenzug Karrn el ^ bildet einen beinahe 200 in hohen Küstenvorsprung (das 8-Ende Phöniziens). Im Sw des Toten Meeres erstreckt sich eine Wüste bis in die Sinai-Halbinsel hinein; die Granitmasse des Sinai selbst (2200 in) fällt schroff nach dem Roten Meere hin ab. Das riesige Syrisch-Arabische Tafelland im 0 jener Thal- surche und des Roten Meeres ist im Mittel mehr als 1000 m hoch mit sanfter Abdachung gegen No; die Randhöhen im W, schon im Ostjordanlande z. T. aus vulkanischem Gestein ausgebaut, erheben sich namentlich im 8 zu mehr als 2000 ni; dort bildet der Stufen- absall nach dem Roten Meere hin die fruchtbare Landschaft Jemen (Arabia felix). Ähnlich günstige Verhältnisse hat im 0 die Gebirgs- landschaft Oman trotz ihrer trocken-heißen Küste. Dauernd wasser- führende Flüsse besitzt aber ganz Arabien nicht; es giebt nur Wadi's (vgl. S. 63). Klein-Asien ist im Innern ein von Randgebirgen umgebenes Hochland, wie Iran im größeren und Central-Asien im größten Maß- stabe. Der W-Rand des Innern ist nicht besonders scharf ausge- prägt; von ihm aus streichen nur ein wenig höhere Gebirgsketten nach W hin, und die Längsthäler zwischen ihnen, meist von Flüssen (z. B. dem Mäanders durchfurcht, bieten bequeme Zugänge vom Griechischen Meere (s. Mst, S. 6 u.). zum Innern dar. Dieses ist aus mehreren Becken zusammengesetzt, deren tiefste Stelle in 900 in Seehöhe ein Salzsee bezeichnet. Im nordöstlichen Teile der Hoch- fläche beschreibt der Halys^ einen großen Bogen und durchbricht dann das nördliche Randgebirge in Stromschnellen nach dem Schwarzen Meere hin. Dieser N-Rand Klein-Asiens, der am Marmara-Meere beginnt, steigt an der 80-Seite des Pontus zu 3400 in Höhe an und geht darauf in die N-Kette Armeniens über. Am schärfsten ausgeprägt ist der 8-Rand Kleinasiens, der Taurus, den die alte 1 2 3 4 1 Unter dem Namen Wadi el Araba sarabäs, d. h. Wüstenthat. 2 Die Ebene vor seinem iblo-Fuße ermöglicht den niedrigsten Zugang zum Jordanthal (jetzt Eisenbahn). 3 Nach seinem stark gewundenen Laufe bezeichnet man mit dem Worte Mäander auch ein Ornament (Band ä Ja grecque). 4 D. h. Salzslnß; der jetzige Name Kisil Jrmak bedeutet: Roter Fluß (nach dem roten Mergelthon, der das Steinsalz dort umschließt).
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