1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und dunkel, so erwärmt er sich mehr, und theilt der Luft eine höhere Tem-
peratur mit als ein lockerer und Heller. Große Sümpfe und Landgewässer
wirken durch Verdunstung des Wassers kühlend auf die Luft, ebenso auch
große Wälder durch ihre Schattenkühle. Ueber Sandflächen wird eine größere
Hitze sich entwickeln. als über Grasfluren, während wiederum angebautes
Land auf das Klima günstiger wirkt, als wild daliegende Waldflächen. End-
lich üben noch die Winde aus die höhere cher niedere Temperatur einen
großen Einfluß, indem dieselben den Orten, an welche sie gelangen, von der
Temperatur, welche sie in kalten oder warmen Gegenden angenommen haben,
Kälte oder Wärme, Feuchtigkeit oder Trockenheit abgeben.
Von den verschiedenen Wärme- und Feuchtigkeitsgraden hängt insbe-
sondere die Existenz und das Gedeihen der Pflanzen ab. In der nördlichen
kalten Zone, wo nur Schnee fällt, wachsen keine Pflanzen mehr; aber an
der Grenze derselben, wo Schnee und Regen mit einander wechseln, treffen
wir eine Decke von Moos, zwischen welcher hier und da Rasen und
niedriges, heidelbeerartiges Gestrüppe, aber kein Baum und kein Strauch
vorkommt. Nähern wir uns der gemäßigten Zone noch mehr, so bemerkt
das Auge zunächst neben Rasen und Moos verkrüppeltes Nadelholz, Gebüsch
von Birkenholz, später Waldungen von Birken, Tannen und Buchen neben
den üppigsten Grasfluren und Getreidefeldern, zierlichen Gartenpflanzen
und nützlichen Küchengewächsen. Im Frühjahr grünt und blüht die Pflan-
zenwelt, im Sommer reist die Saat heran, im Herbst wird sie einge-
erntet, im Winter ruht mit der Natur auch die Pflanzenwelt. Nur
im mildesten Theile der gemäßigten Zone, wo der Winter nicht allzu
streng ist, gedeihet der Weinstock neben dem Mais und Tabak; der Reis
bedarf neben ausreichender Wärme auch überreich bewässerten Boden.
Noch südlicher endlich erscheinen Pomeranzen-, Citronen-, Oel- und Oliven-
bäume. Sie leiten uns über zu den Datteln und Palmen, welche in der
Nähe und in der tropischen Zone selbst uns überraschen. Myrthen, Ros-
marin, Feigen und Granaten treffen wir zunächst, später Zimmt-, Mus-
katen-, Nelkenbäume, den Kaffeestrauch, das Zuckerrohr, den Pfeffer und
Ingwer, lauter Sträucher und Bäume, deren Gewürze und Früchte uns un-
entbehrlich geworden sind.
B. Asiens Klima und Produkte.
Ganz Vorderasien, Syrien, Arabien und Persien haben ein äußerst
trockenes, continentales Klima. Ein heiterer, wolkenloser Himmel lagert
über den sandigen Strecken der Hochflächen. Nur an bewässerten Stellen
und im Gebirge zeigt sich üppiger Pflanzenwuchs, welchen immergrüne Bau-
hölzer, herrliche Früchte aller Art, Datteln, die Baumwollenstaude, Myrthen
und unsere Getreidearten charakterisiren. Vorder- und Hinterindien nebst
den ostindischen Inseln haben einen ungewöhnlichen Reichthum an allen tropi-
schen Gewächsen; unzählige Flüsse bewässern das Land und bewahren es
vor Dürre, von welcher Arabien und Persien fast verzehrt werden. Auf
den beiden Halbinseln von Indien bildet der Reis ein Hauptnahrungsmittel
und einen einträglichen Handelsartikel; ferner gedeihen dort unsere Getreide-
sorten, die herrlichsten Südfrüchte, Teak-, Ebenholz-, Maulbeer-, Zimmtbäume,
Gewürznelken, Muskatnüsse, Kaffee, Thee und Zuckerrohr. Die feuchten
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Seewinde bringen den verschiedenen Landstrichen im Laufe des Jahres genug
erquickenden Regen. Indien ist eines der gesegnetsten Länder der Erde, China
daö angebauteste. Unübersehbare, künstlich bewässerte Felder mit Getreide,
Reis, Maulbeerbäumen, Baumwollenstauden, Theesträuchern, Mohn nähren
die ungeheuer zahlreiche Bevölkerung des Landes und gewähren einträgliche
Handelsartikel. Schlägt man doch einzig den Werth des aus China all-
jährlich bezogenen Thees auf 70 Mill. Franken an. Dagegen bildet die
Hochfläche des innern Hochasiens einen traurigen Gegensatz. Sie hat ein
entschieden continentales Klima, im Sommer eine drückende Hitze, und im
Winter eine empfindliche Kälte; daneben fehlt eine genügende Bewässerung.
Kaum hat der Schnee vor den wärmeren Sonnenstrahlen sich zurückgezogen,
so versucht die Pflanzenwelt hervorzutreten. Aber gar bald verdorret Alles,
die Steppe wird Wüste, welche im Sommer kein Regen tränkt. Nur das
Hochland von Tübet, welches die zahlreichen Quellen des Himalaya bewässern,
macht eine Ausnahme. Hier gedeihen unsere Getreide-, Obst- und Gemüse-
arten neben vielen einheimischen Blumen noch in einer Höhe von 8 — 12,000'.
Besonders bekannt ist Tübet durch eine eigene Gattung von Schafen, welche
die feinste Wolle geben, durch Büffel mit seidenartigen Pserdeschweifen und
eine Ziegenart, deren Haare die feinsten 'Shawls liefern. Tübet ist zugleich
das Vaterland der europäischen Hausthiere; noch birgt es wilde Pferde und
Esel, welche in den Gebirgen sich umhertummeln. Die beiden Tiefländer
endlich, Turan und Sibirien, haben ein ausgeprägtes continentales Klima.
Turan ist ein steppen- und wüstenreiches Land, dessen Fruchtbarkeit nur in
den Flußthälern des Sir Darja und Amu Darja ersichtlich wird. Die
Sommer sind in beiden Tiefländern bei Tage sehr heiß, in der Nacht ent-
schieden kühl; die Winter lang und ausnehmend streng. Sibirien gilt na-
mentlich als Symbol eines rauhen, unwirthbaren Landes, ist stark bewässert
und an seinen Nordküsten den größten Theil des Jahres mit Eis bedeckt.
Im südlichen Theile, in der Nähe des Berglandes, sind Birken- und Tannen-
wälder, Felder mit Kartoffeln, Buchweizen, Kohl, Rüben, Hanf und Flachs.
Dann folgt nördlicher anfangs eine trockene, ungeheure Steppenfläche, welche
einem den größten Theil des Jahres gefrcrnen Sumpflande vorgelagert ist.
Dasselbe ist mit Moos und Flechten" bewachsen und hat zuweilen Stellen
mit Sträuchern, Beeren und krüppeligem Holz aufzuweisen. Diesen Theil
nennt man die Tundra, ein Aufenthalt wilder Gänse und Enten.
Asien ist die Heimath unserer meisten Hausthiere. Kameele, Elephanten,
Rennthiere, Pferde und Esel werden noch in wildem Zustande angetroffen.
Die Rennthiere, Kameele und Elephanten bilden 3 eigenthümliche Thierzonen
in Asien; im Norden bedient man sich der Rennthiere, im mittleren Asien
der Kameele, im Süden der Elephanten als Last- und Reitthiere. Die das
Rennthier begleitenden Raubthiere sind die Bären und Wölfe; im Gefolge
der Elephanten ist der Tiger in Vorderindien, während der asiatische Löwe
in der südlichen Heimath der Kameele sich aufhält. Wilde Pferde, Esel
und Ochsen gibt es namentlich auf der Scheitelfläche des östlichen Hoch-
asiens, wo auch vorzügliche Schafe, die Kaschemir-Ziege, die wilde Ziege,
Antilopen und Gazellen, das Moschusthier angetroffen werden. Besonders
reich ist die Thierwelt Indiens: Riesige Elephanten und Nashörner, Tiger,
Affen, die größten der Erde, zahlreiche Hirsche und Antilopen, die buntesten
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Raub halten die Beduinen für einen ehrlichen Erwerb; nur wenn sie Wider-
stand finden, thun sie den Reisenden Gewalt an. Sie ertragen unsägliche
Strapatzen, sind kiihn und unternehmend, halten Wort und Eid, üben Gast-
freundschaft und stehen einander bis zum letzten Athemzuge bei. Unent-
behrlich ist ihnen die Dattelpalme und das Kameel. Letzteres, vorzugsweise
in Redsched zahllos, welches auch die Nachbarländer mit diesem unentbehr-
lichen Thiere versah, wird von dem Araber sorgsam gepstegt und geliebt.
Wie der italienische Maulthiertreiber, erzählt der Araber seinem Thiere aller-
lei Geschichten, verspricht ihm schöne Disteln und Salzpflanzen, lobt es und
bläst ihm den Tabaksdamps in die Nasenflügel. Ebenso zankt und schimpft
er es, wenn es störrig wird. Zur Reise durch die Wüste ist es unentbehr-
lich, da es den Durst lange erträgt und mit schlechter Speise sich begnügt.
Die alte Eintheilung Arabiens in das steinige (peträische), das glück-
liche und wüste ist im Lande selbst unbekannt; dort unterscheidet man die
nachfolgenden Landschaften.
1. Hedschas
(peträisches A.) umfaßt die Halbinsel des Sinai, auf welcher das berühmte
St. Katharinenkloster liegt, und die sogenannte heilige Landschaft mit den
Städten Mekka und Medina, die Geburts- und Begräbnißstätten des Pro-
pheten. Mekka war schon im Alterthume heilig, enthielt „den Brunnen des
Lebens", den schwarzen Stein Abrahams und die darüber gebaute Kaaba.
Kein Christ und kein Jude darf Mekka betreten. Der Hafen von Mekka
heißt Dschidda. Die Wallfahrten nach Mekka und Medina haben bedeutend
abgenommen. Die Ufer am rothen Meere sind voller Korallenriffe und
Untiefen; das Küstenland ist trocken, aber gebirgig.
2. Jemen
(das glückliche A.),^ theils Küstenstrich, theils Gebirgsland, ist im Sommer
ein trocknes, heißes Land; aber von Oktober bis März regnet es drei oder
vier Mal des Monats, wodurch sich „die Wadys" der Berglandschaft mit
fließendem Wasser füllen und ein üppiger Pflanzenwuchs gedeiht. Diese
Bäche versiegen zwar, sobald sie zur Tehama, d. i. Küstenebene, gelangen;
aber in der Höhe von 1500' —2000' liegen die herrlichsten Kasseewäldchen;
hier gedeihen Arabiens eigenthümliche Produkte, Spezereien, Myrrhen, Weih-
rauch, Aloö, Sennesblätter, Südfrüchte, Manna, Balsam k. Höher hinauf
liegen Feigen-Waldungen. In Jemen wohnten früher die Sabäer; Königin
Saba war Salomons Freundin. Sana, 40,000 E. Beit el Fakih und
Mocka sind besuchte Kasfeemärkte. Aden, 40,000 E., gehört den Engländern.
3. Hadrainaut
(Hadramät) ist ein oasenartiges Küstenland und reich an Spezereien. Die
Einwohner wandern, wie die Schweizer, in die Nachbarländer und kehren dann
mit ihrem Verdienste heim. Hadramauts Dromedare werden im In- und
Auslande hoch geschätzt.
4. Oman
mit der Hauptstadt Masklt, 60,000 E., gehört dem mächtigen Imam von
Maskat, welcher auch jenseit des persischen Golfs und an der afrikanischen
Ostküste Besitzungen hat. Die Landschaft soll ebenfalls fruchtbaren Boden
haben und viel Getreide, Obst, Datteln und Trauben hergeben.
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dem einfachen Geburtsabel hat; 3) die Bürger. Diese sind persönlich frei
und stehen [unter selbstgewählten Obrigkeiten und Untergerichten; nur die
Polizei wirb vom Regierungsbeamten verwaltet; 4) den Bauernstanb. Noch
ein sehr großer Theil der Bauern ist leibeigen; sie gehören entweber der
Krone ober dem Abel. Man schätzt die Zahl der Leibeigenen auf 24 Mil-
lionen. Man gebraucht die Leibeigeneit als Bedienten, Kutscher, Hand-
arbeiter und Knechte. Alle Leibeigene gehören zu den Gütern, auf benen sie
leben, und bürfen mit benselbcn verkauft werben. Für ihre Dienste weist
ihnen der Herr ein Stück Ackerlanb an, welches sie zu ihrem Gebrauche
verwenben, aber nicht als Eigenthum ansehen können. Bei gänzlicher Miß-
ernte muß der Herr den Leibeigenen versorgen. Die Leibeigenen dürfen auch
gegen eine gewisse Abgabe irgend ein Gewerbe treiben, um sich die zu ihrem
Loskauf erforderliche Summe zu ersparen, indem es der Wille des Kaisers
ist, die Leibeigenschaft eingehen zu lassen. Znm Kriegsdienste ausgehoben
werden nur Bürger und Bauern, welche in der Garde 20, in anderen Re-
gimentern 22 Jahre Dienstzeit haben. Nach Ablaus dieser Dienstzeit ist der
verabschiedete Soldat frei von der Leibeigenschaft. Die russische Landmacht
besteht aus 780,000 Mann regulärer Truppen mit 2200 Geschützen. Die
irregulären Truppen sind die Kosacken vom Don, von dem asow'schen und
schwarzen Meere, vom Kaukasus, vom Ural, von Orenburg, von der sibiri-
schen Linie, von der chinesischen Grenze, von den sibirischen Städten, im
Ganzen 130,000 Mann; endlich gibt es noch 20,000 Mann irreguläre
asiatische Reiterei, aus Baschkiren, Buräten und Kirgisen zusammengesetzt.
Die Seemacht, welche in der Ostsee und dem schwarzen Meere vertheilt in
Station lag, wird auf 60 Linienschiffe, 58 Fregatten re. geschätzt, so daß
Rußland die dritte Seemacht Europa's ist. Die ungeheure Ausdehnung
des Reichs, sowie die Zersplitterung seiner Streitkräfte machen Rußland we-
niger gefährlich, als sich nach seiner imposanten Macht sonst befürchten ließe. *)
Der Ackerbau, welcher im mittlern und südlichen Rußland, insbesondere
in den Ostseeprovinzen, in Polen und am schwarzen Meere sehr lohnend ist,
steht im Allgemeinen wegen Mangel an Arbeitskräften hinter dem anderer
europäischer Länder zurück. Roggen, Weizen, Gerste, Hafer und Mais
wachsen aber in so reichlicher Fülle, daß jährlich bei nicht hohen Fruchtprei-
sen wenigstens für 60 Millionen Franken Körnerfrucht ausgeführt wird.
Die Hafenplätze der Ostsee und des schwarzen Meeres, Riga und Odessa,
verladen das Getreide und habett das westliche Europa schon öfter vor voll-
ständiger Hungersnoth bewahrt. Die gewöhnlichetr Obstsorten gedeihen in
Polen, im mittleren und südlichen Rußland, wo auch Wein, Pfirsichen, Ka-
stanien, Oel- und Maulbeerbäume gedeihen. Im nördlichen Theile von
Rußland sind ausgedehnte Waldungetr, welche im Süden fehlen. Die Rind-
vieh-, Pferde-, Schweine- und Schafzucht ist so bedeutend, daß von diesen
Thieren alljährlich viele Tausende ausgeführt werden können. In den
Steppen des Czaarthums Astrachati gibt es viele wilde Pferde. Für die Be-
wohner der Polargegend ist das Rennthier, welches Nahrung, Kleidung und
*) Nach dem Friedensschlüsse von 1856 darf Rußland keine Kriegsflotte auf
dem schwarzen Meere haltete; eine bestimmte Aitzahl von Kriegsschisfen ist ihm zu-
gestanden.
Cassian, Geographie. 4. 2luf[. 5
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8. Burgund
hat, wie die Champagne, durch seine Reben einen weltberühmten Namen
erlangt. Der Burgunder Wein wird in Dijon (37,000 E.), Macon,
(18,000 E.) und Chalous-siir-Saöne (20,000 Einw.) in den Handel ge-
bracht. Dijon ist die alte, schöne Hauptstadt von Burgund, und der her-
zogliche Palast steht noch. Bei Fontenai unterlag Lothar seinen Brüdern
Ludwig und Karl dem Kahlen (841).
9. Die Dauphins
ward im Mittelalter von Grafen beherrscht, welche ihr Land den französischen
Königen unter der Bedingung vermachten, daß der jedesmalige Thronfolger
den Titel Dauphin (delphinus) führen sollte. Hauptstadt ist das stark
befestigte Grenoble an der Isere (35,000 E.), in dessen Nähe im Alpen-
land die große Carthause liegt, das Mutterkloster des strengen Carthäuser-
ordens. In Vienne, einer alten Römerstadt, wohnte der mächtige Graf der
Dauphins, welcher einen Delphin (Dauphin) im Wappen führte. In der
Nähe von Grenoble lag das Schloß Bayard des Ritters sans peur et
sans repoche f 1524.
10. Lyonnais,
das Bergland rechts der Rhone und Saone, hat seinen Namen von der
zweiten Hauptstadt Frankreichs, Lyon am Zusammenfluß der Rhone und
Saone (320,000 E.). Lyon hat bedeutende Seide- und Sammetfabriken,
welche über 90,000 Arbeiter beichäftigen. St. Etienne, mit Lyon durch
eine Eisenbahn verbunden, zählt 93,000 E., und ist durch seine Waffen
und Seidenbänder, seine Glasfabriken und Steinkohlengruben berühmt.
An Lyonnais wollen wir noch eine benachbarte Provinz anreihen, die Land-
schaft Auvergne; sie liegt westlich davon, und bildet den höhern Theil des
französischen Mittelgebirgslands, welches an jener Stelle zahlreiche Spuren
ehemaliger vulkanischer Thätigkeit aufweisen kann. Auvergne ist die kälteste
und unfruchtbarste Landschaft Frankreichs; auf dem erstarrten Lavaboden
wächst herber Wein und saures Gras. Die Bewohner wandern zahlreich
aus und kehren mit dem Erlös ihrer Händearbeit zurück. Reizend gelegen
ist die Hauptstadt Clermont (38,000 E.), deren Häuser und Pflaster aus
Lava bestehen. Hier hielt Pabst Urban Ii. in Begleitung des Peter von
Amiens 1091 die Versammlung, welche den ersten Kreuzzug zur Folge hatte.
11. Die Provence,
vom lateinischen provineia, ward der Theil des alten Galliens genannt,
welcher den Römern zuerst unterworfen war. Es ist ein mildes, herrliches
Südland, in welchem Wein, Südfrüchte, Getreide vortrefflich gedeihen. Im
Mittelalter war es die eigeytliche Heimath der Troubadours oder proven^a-
lischen Dichter, welche den Hof der kunstliebenden Grafen von der Provence
durch ihr Spiel und ihren Gesang verherrlichten. Hauptort ist Marseille,
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zwei bis drei Monate im Ganzen. Die nasse Jahreszeit bringt starke Ge-
witterrezen, Ueberschwemmungen. Fieber und andere Krankheiten, Schwärme
von stechenden Fliegen und Mücken (Moskitos), üppige Grasfluren, wenn
das Wasser verlausen ist. Die trockne dagegen erzeugt eine solche unbe-
schreibliche Hitze und Dürre, daß die kleineren Gewässer vertrocknen, die
Pflanzen verwelken, der Boden wie ausgebrannt erscheint, und die Thiere
in das Dunkel der unermeßlichen Waldungen fliehen. Nördlich vom 30°
N. B. und südlich vom 23 '/2° S. B. erscheinen allmählich die Uebergangs-
zeiten vom Sommer und Winter, der Frühling und Herbst.
Afrika zeigt in allen Verhältnissen eine auffallende Einförmigkeit; diese
bemerken wir insbesondere auch in seiner Pflanzen- und Thierwelt; ste erklärt
sich zum Theil daraus, daß Afrika nur zwei Zonen angehört.
Wo Hitze und Feuchtigkeit mit einander abwechseln, hat die Vegetation
Afrika's eine auffallende Ueppigkeit und Kraft. Seine Gewächse haben
sehr fette, saftige Blätter und bunte Blumen. Afrika bietet besonders viel
Gewürz- und Arzneipflanzen dar.
An der Nordküste wird vorzugsweise Weizen, Mais und Reis gepflanzt;
an der Ostküste bildet der Reis das vorzüglichste Nahrungsmittel. Habesch
hat eigenthümlich den Kaffeebaum, dessen Heimath südlich von Habesch, die
Landschaften Kassa und Enarea, liegt. Baumwolle liefern nur die Länder
am Mittelmeere und das Capland, wo neben Wein (Constantia- und Cap-
Wein) alle europäischen Obst-, Getreide-, Gemüsearten und Hülsenfrüchte
gebaut werden. Während daneben die Küstenländer am Mittelmeere Oliven,
Mandeln, Feigen, Citronen, Orangen, Rosinen, Datteln im Ueberflusse bieten,
zeichnet sich das Capland durch eine Menge prächtig blühender Haidearten,
besonders Sträucher mit steifen, trocknen und lederartigen Blättern, Geranien re.
aus. Am Senegal findet man den ungeheuren Asienbrotbaum, dessen Stamm
80 Fuß im Umfang und dessen Krone 130 Fuß im Durchmesser erlangt,
seine Früchte werden genossen und gelten auch als Heilmittel. Neben diesem
Wunderbaum charakterisiren die afrikanische Flora noch insbesondere: Palmen,
Aloearten, Gewürz-, Spezerei- und Arzneipflanzen, Tischler- und Farbhölzer,
Schlinggewächse, die Papyrusstaude, welche Aegypten eigen ist, Gummibäume rc.
Afrika übertrifft an Wildheit und Kraft seiner Thiergeschlechter alle
andern Erdtheile. Eigenthümlich sind ihm die Giraffe, das Zebra, etwas
größer, das Quagga, etwas kleiner als der Esel, das Gnu, eine Antilopen-
art, an Größe den Ponies vergleichbar, mit Hörnern versehen, schnell,
wild und unbändig. Man trifft Antilopenheerden von 2 — 3000 Stück.
Aegypten hat das Krokodil, den Ichneumon, das Nilpferd und den Ibis
eigen. Groß ist die Zahl der Raubthiere aus dem Katzengeschlecht: der
Löwe, der Leopard, die Pardel-, die Kaffernkatze, die Hyäne rc. Affen sind
weniger zahlreich vorhanden; Pferde und Esel finden sich nur in Nordafrika;
der Ochse ist in Südafrika Haus- und Zugthier geworden. Auch das Kameel
scheint nur der Nordhälfte anzugehören. Es ist das Schiff der Wüste; seine
Führer sind die Steuerleute, ihr Kompaß sind Vögel, Winde und Sterne.
Innerhalb der Wüste leben die schnellfüßigsten aller wandernden Thiere, die
wie der Blitz erscheinen und verschwinden, die Antilopen und Strauße.
Buntgefiederte Vögel, Papageien, Flamingo's, Raubvögel aller Art erfüllen
die Wälder. Die Störche und andere Zugvögel halten in Afrika ihre Winter-
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Alleghanies. In Mexiko ist sie beiß und sandig, in der Union fruchtbar und
wellenförmig. Hier und da treten bedeutende Sumpfstrecken und riesenhafte
Schilfrohrwaldungen auf.
7) Die Savannen und Prairieen des Mississippi und Missouri (52,000
Q.-M.) sind unübersehbare Grassturen, in denen der Baumwuchs bald dicht,
wie in den Urwäldern am Marannon, auftritt, bald vereinzelt, bald gar
nicht vorkommt. Das Mündungsland des Mississippi ist ein wasserreiches
heißes Land und die Heimath der riesenhaftesten Vegetation: undurchdring-
liche Schilfwaldungen mit thurmhohen Bäumen vermischt, erregen einen be-
wundernswürdigen Anblick. Auf dem linken Ufer des Mississippi, da wo
der Ohio hereinströmt, fehlen die Savannen; ein fruchtbares angebautes
Hügelland breitet sich daselbst aus. Hinsichtlich des Klimas und der Vege-
tation zerfällt dies ansehnliche Tiefland in 4 Gürtel: 1) der südliche bis
31° N. B. ist die Zone des Zuckerrohrs und der Pomeranzen; 2) der
zweite bis 37° N. B. ist die Zone der Baumwolle und Feigen; 3) der
dritte bis 43° N. B. ist die Zone des Weizens und der Obstbäume; 4) die
vierte bis zu den Quellen des Mississippi ist die Zone der Kartoffeln und
Futterkräuter.
8) Die Steppen des arktischen Amerika (100,000 Q.-M.) sind ohne
eigentliche Gebirge, aber doch reich an Klippen und Felskämmen. Die
Ströme sind noch unentwickelt und bilden eine Unmasse größerer und kleine-
rer Seen, welche, wie der baltische Seengürtel in Europa, das Tiefland be-
gleiten. Theils die steinigte Oberfläche des Bodens, theils die mit der nörd-
lichen Lage verbundene Ungunst des Klimas machen eine Bebauung, wenn
auch nicht unmöglich, jedenfalls nicht nothwendig, so lange noch besserer Bo-
den vorhanden ist.
Zweiter Abschnitt.
8 110.
Die hydrographischen Berhältniffe Amerikas.
Amerika hat die größten Ströme und Stromgebiete der Erde, sowie
die meisten großen Süßwasserseen. Im Verhältniß zu seiner Größe hat
Amerika nicht viel Ströme. Diese wenigen zeichnen sich aber dadurch aus,
daß sie einen kurzen Oberlauf und einen sehr langen, wasserreichen Unterlauf
haben. Die amerikanischen Ströme gehören 3 Oceanen an.
I. Zum nördlichen Eismeere gehören:
1) Der Mackenzie entsteht unter dem Namen Athabaska im Felsengebirge,
durchfließt den Athabaskasce (156 Q.-M.) und tritt unter dem Namen
Lcklavenfluß heraus in den Sklavensee (560 Q.-M.), welchen er als Mackenzie
verläßt. Er ist ein breiter, schiffbarer Strom, welcher den großen Bären-
fluß aus dem großen Bärensee (330 Q.-M.) aufnimmt und in einem Delta
ausmündet.
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unter 52° N. B. Im Innern breiten sich südlich des Sklavensees kleine
Wälder von Fichten, Zwerglärchen und Birken aus; am nördlichen Ufer des
Athabaska (58° N. B.) hat man den Versuck gemacht, Gerste und Kar-
toffeln zu ziehen, an der Südseite des Winipeg aber gedeihen schon Zucker-
ahorn, kanadischer Reis, Hanf, Gerste, Roggen. Uebrigens ist der ganze
Distrikt des nördlichen Amerikas ein Hauptaufenthalt der Jäger und Fischer.
Insbesondere werden der Bison, das Elennthier, der amerikanische Hirsch,
braune Bären, Eisbären, Wölfe, Füchse, Biber, wilde Gänse und Enten
angetroffen, sie beleben das Jagdrevier der Pelzhändler, welche das Land
durchstreifen.
Südlich des 48° R. B. begegnet uns bereits jene Ueppigkeit des
Pstanzenwuchses, welche Amerika so sehr auszeichnet; Heidekräuter werden in
dieser Zone nirgends angetroffen, wohl aber jene unermeßlichen Prairieen,
von denen schon oben § 109 die Rede war. Oestlich derselben, wo sich
Europäer angesiedelt haben, sind die Savannen umgepflügt oder die Wälder
gelichtet. Da breiten sich die üppigsten Felder aus, welche alle europäischen
Feld-, Garten- und Obstfrüchte in einer Kraft und Fülle hervorbringen, wie
der europäische Boden nicht mehr vermag. Californien und die Staaten
der Union südlich des 40° R. B. haben ein Klima wie Sicilien und An-
dalusien; aber auch hier ist der Pflanzenwuchs der neuen Welt üppiger und
saftiger. Die Waldungen bieten ein Gemisch von Bäumen mit immergrünen
Blättern und solchen, welche das Laub abwerfen. Außer den europäischen
Feld- und Gartenfrüchten baut man daselbst auch Zuckerrohr, Baumwolle,
Melonen, Wein, Tabak, Südfrüchte rc. Mit dem 25° R. B. beginnt die
tropische Zone die Reichhaltigkeit ihrer Pflanzen in einem Maße zu ent-
wickeln, wie in keinem andern Welttheile, und man ist im Zweifel, ob man
mehr die Pflanzenfülle der wasserreichen Ebene, oder die Mannigfaltigkeit des
Pflanzenwuchses an den Gebirgsabhängen bewundern soll. Denn bis zu
3,000' hinauf gedeiht die tropische Pflanzenwelt (Banane, Palmen, Pisang,
Kokosnuß- und Kakaobaum); höher hinauf der Kaffeebaum, Zuckerrohr und
Baumwolle (letztere bis 4,200'). Die Region des Mais geht von 3,000
bis 6,000'; ihr folgt die der europäischen Getreidearten bis 9,400'. Stei-
gen wir noch etwa 2000' höher, so verschwindet der Holzwuchs, und durch
die Region der Alpenkräuter und Moose gelangen wir zuletzt in die Region
des ewigen Schnees.
Die amerikanische Thierwelt bietet nirgends so große und starke Land-
thiere dar, wie Asien und Afrika; nur die Vögel Amerika's machen an
Größe und Farbenfülle denen der alten Welt den Vorrang streitig, und die
Erscheinung der unzähligen Wandertaubeu in Canada ist einzig in ihrer Art.
Welchen Gegensatz bilden der riesenhafte Condor und der winzige Colibri!
Besonders fruchtbar ist Amerika an Thieren, welche im Wasser leben. Riesen-
hafte Wasserschlangen, Kaimane oder Alligatoren, ungeheure Eidechsen, Frösche,
Insekten, ganze Heerden großer Landkrabben finden sich häufig vor. Amerikas
eigenthümliche Thierwelt bilden folgende Arten: der Bison-Ochs, das größte
Landthier Amerikas; der Bisam-Stier an der Hudsonsbai, die Vikunna, von
der Größe eines Schafs mit seidenartiger Wolle (Cord. von Chile), das
Llama (Cord. von Peru), die Unze (Jaguar), der Tapir, Gürtelthiere, der
Ameisenfresser, das Faul- und Stinkthier, der kanadische Hirsch, das Meer-
1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Wechslung und reichste Mannigfaltigkeit und bringt Alles hervor, was die Be-
wohner zu ihrer Erhaltung bedürfen. Freilich gibt es auch arme Landstriche,
z. B. die Höhen des Westerwaldes, des Odenwaldes, der Rhön, der hohen
Veen, die Moose auf der baierischen Hochebene, die Geest-Felder der nordischen
Tiefebene und einzelne Strecken der Lüneburger Haide; allein im Ganzen
verschwinden diese Einzelheiten gegen die fruchtbaren Gefilde Badens und
Württembergs, Baierns und der Rheinpfalz, Mecklenburgs und der Wetterau,
der Marchebene und dem Marschlande der norddeutschen Tiefebene.
Schon oben (§ 41) haben wir die wichtigsten Naturerzeugnisse
der verschiedenen deutschen Gauen kurz erwähnt. Wir wollen Genaueres
hier nachtragen. Der Getreidebau ist ansehnlich genug, um dem Be-
dürfniß zu genügen, vorausgesetzt, daß die einzelnen bessern Distrikte den rau-
heren, unfruchtbaren aushelfen; bei mittelmäßigen Ernten aber muß aus
Rußland und Amerika Getreide eingeführt werden. Die allgemein verbrei-
teten Kartoffeln gedeihen seit einer Reihe von Jahren nicht mehr so
gut wie früher, und haben in allen Viktualien höhere Preise hervorgerufen.
Dagegen wachsen alle Küchengewächse, Hülsenfrüchte, Obstsor-
ten, Weintrauben in Menge. Der Weinstock gedeiht bis zum 51?
N. B. Ausgezeichnete Weine werden gezogen im badischen Oberlande (Mark-
gräfler, Affenthaler), am Neckar, in der baierischen Rheinpfalz, im Rheingau,
an der Mosel, am Main und an der fränkischen Saale. Tabak wird
vorzugweise am Main und in der Pfalz gebaut und int In- und Auslande
verbraucht. Flachs, Oel aus Hanf- und Flachssamen, Reps und Mohn,
ferner Hopfen in Baiern („Spalter Stadtgut") und Böhmen gewinnt
man zur Genüge. Obwohl es noch an vielen Orten große und reichhaltige
Waldungen gibt, so verspürt man doch hier und dort Mangel an Brenn-
holz. Ter Bergbau, 80 Salinen, die Dampfmaschinen, die Flöße, welche
vorzugsweise nach Holland gehen, haben bei einer mehr oder minder vor-
theilhaften Durchforstung der Wälder die letzteren arg gelichtet. Zum Glücke
hat die weise Mutter aller Menschen, die Natur, in ihrem Schoße durch
reichhaltige Torf-, Braun- und Steinkohlenlager diesem Mangel vorerst noch
abgeholfen, und die Kreuz- und Querbahnen der Schienenwege befördern in
Verbindung mit der Schifffahrt das neue Brennmaterial in holzarme Ge-
genden. *)
Ten Reichthum an Mineralien und Gesundbrunnen haben
wir ebenfalls schon oben (§ 41) berührt; es bleibt uns demnach noch zu
erwähnen übrig, wie es in den deutschen Ländern mit der Viehzucht be-
stellt sei. Das Wild, woran die Wälder vormals zum Nachtheil der
Landbewohner so überaus reich waren, ist, wie der Wald, sehr stark
gelichtet. Dagegen hat sich die nützlichere Schaf-, Rindvieh-, Pferde-,
Schweine- und Bienenzucht sehr vermehrt und verbessert. Viele Pferde wer-
*) Torf findet sich vorzugsweise in den Mooren des norddeutschen Tieflandes,
in den Mooren von Oberbaiern, auf der hohen Veen re.; Braunkohlen in Thü-
ringen, Sachsen, Böhmen, Hessen; Steinkohlen an der Ruhr, an der Saar, in
Schlesien, Sachsen und Böhmen. — Geestland nennt man das trockene, Marsch-
land das wohlbewässerte, Moorland das sumpfige, torfreiche Land.
1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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— Während in dem südlichen Theil die Allgäuer- und Tiroler Alpen das
baierische Hochland erfüllen, welchem die ausgedehnte baierische Hochebene vor-
gelagert ist mit ihren herrlichen, fischreichen Seen (z. B. dem Königs-,
Tegern-, Starnberger- und Bodensee), erfüllt das deutsche Mittelgebirge, der
fränkische und schwäbische Iura, der Böhmerwald, das Fichtelgebirge, der
Frankenwald, der Spessart und die Rhön, sowie links vom Rhein die Aus-
läufer der Vogesen, die Haardt und der Donnersberg das übrige Land.
Nur ein kleiner Theil gehört zun: mittelrheinischen Tieflande. Das baierische
Hügel- und Tiefland liefert namentlich in der Pfalz guten Wein und viel
Tabak neben Getreide, Obst, Gemüse, Hanf und Hopfen. „Spalter Stadt-
gut" ist eine sehr geschätzte Hopfenart; die Stadt Spalt*) zieht jährlich
über 3000 Centner ä 60 bis 250 fl. Die Umgebung von Bamberg liefert
Küchengewächse aller Art nach den Hauptstädten des Rheins und der Donau..
Die baierische Hochebene, welche Raum für eine doppelt so große Bevölkerung
bietet, hat neben recht ergiebigem Ackerland auch ausgedehnte sumpfige oder-
moorige, kahle Ebenen, Riede oder Moose genannt, z. B. das Donau-Ried
zwischen Günzburg und Donauwörth, das Donau-Moos im Süden von
Neuburg und Ingolstadt, das Erdinger-Moos zwischen München und Frei-
sing an der Isar. Die ungeheuren Gerstenfelder der baierischen Hochebene
und die Sorgfalt für den Hopfenbau zeigen an, daß Baiern vorzugsweise
Bier liefert. Bäurisches Bier wird jetzt, echt oder unecht, in der ganzen
Welt getrunken. Das Bier von München, Erlangen, Nürnberg, Würzburg,
Kitzingen und Kulmbach hat im Auslande großen Ruf. Außer Wein, Bier,
Tabak, Küchengewächsen, Obst und Hopfen führt Baiern noch Torf, Holz,
gute lithographische Steine (sie werden bei Sohlenhofen unweit Eichstätt
gebrochen), Nürnberger Spielwaaren und Lebkuchen, Spiegel und Glaswaaren,
Salz von den Salinen Reichenhall, Berchtesgaden, Traunstein, Rosenheim,
Kissingen und Dürkheim, welche jährlich 900,000 Centner liefern, aus.
Der Pfälzer Tabak geht sogar nach Amerika. Gute Landstraßen, Eisen-
bahnen, schiffbare Flüsse erleichtern den Verkehr im Innern. Die Bevölkerung
von Baiern zerfällt in 4 Hauptstämme, in Baiern, Schwaben, Franken und
Rheinpfälzer. Die Baiern oder Altbaiern sind meist stämmige und kräftige,
aber kleine Leute, nur die Gebirgsbewohner sind groß. Sie sind im Allge-
gemeinen weniger gebildet und Naturmenschen der kräftigsten Art, lieben
Bier, Spiel, Tanz und Gesang. Die Franken sind gebildeter, heiterer und
zutraulicher. Die Schwaben gleichen den Württembergern. Die Rheinbaiern
sind laut und lebhaft, trinken mehr Wein als Bier, und tragen viel von
französischer Beweglichkeit an sich. Die Baiern haben sich alle Zeit als
tapfere und unerschrockene Soldaten bewährt. Baiern zerfällt in 8 Kreise:
1) Dtier-Kaiern: Hauptstadt ist München an der Isar, 167,000 E. Uni-
versität, Kunstakademie. Sehenswerth sind die Glyptothek, die alte und
neue Pinakothek, die vereinigten Sammlungen, die Säle mit Fresko-
malereien aus dem Ribelungen-Liede im neuen Königsbau, reich ge-
schmückte Kirchen, die Sternwarte re.; in der Umgebung Münchens die
Ruhmeshalle mit Bildnissen berühmter Baiern und der kolossalen, 54' hohen
Erzstatue der Bavaria. Berchtesgaden in der Nähe des Königssees,
*) Sie liegt in Mittelsranken an der Rezat unweit Nürnberg.
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