96 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung.
Feldzeugmeister Bene de k. In drei großen, gesonderten Armeen, insgesamt 280000 Mann stark, rückten die Preußen auf verschiedenen Straßen in Böhmen ein. „Getrennt marschieren, vereint schlagen", so hatte es der General Moltke geplant. Die erste Armee in der Mitte befehligte der Prinz Friedrich Karl, die zweite auf dem linken Flügel führte der Kronprinz Friedrich Wilhelm, und die dritte, die Elbarmee unter dem General Her-warth von Bittenfeld, bildete den rechten Flügel.
Als nächstes Ziel war den preußischen Heerführern die böhmische Stadt Gitschin bezeichnet. Auf ihrem Wege dorthin, der über die Pässe und durch die Schluchten der Sudeten in die böhmischen Täler führte, hatten sie heftige Kämpfe zu bestehen.
Der österreichische Oberbefehlshaber hatte sein ganzes Heer, 220 000 Mann und 672 Geschütze, aus den Höhen zwischen Königgrätz und Sadotva gesammelt und eine sehr vorteilhafte Stellung eingenommen. Am 2. Juli war König Wilhelm aus dem Kriegsschauplatz eingetroffen und hatte selbst den Oberbefehl übernommen; mit ihm kamen auch Moltke und Bismarck an. Noch in der Nacht wurde der Befehl gegeben, daß die gesamte preußische Armee am folgenden Tage vorrücken und den Feind in seiner festen und geschützten Stellung angreifen solle. Eilboten gingen an den Kronprinzen ab, der noch am weitesten zurück war, damit auch er mit seiner Armee schleunigst herbeikomme.
So begann am Morgen des 3. Juli unter den Augen des Königs die Entscheidungsschlacht bei Königgrätz. Die Österreicher wurden geschlagen und zogen sich in fluchtartiger Eile auf die nahe Festung Königgrätz zurück. Aber der Sieg war teuer erkauft; er kostete dem preußischen Heere 10 000 Tote und Verwundete. Die Preußen zogen dem geschlagenen Heere, das keine weitere Schlacht mehr wagte, durch Böhmen und Mähren nach. Am 20. Juli lagerten preußische Truppen bereits auf dem Marchfelde, im Angesicht der Hauptstadt Wien. Während das preußische Heer in Böhmen so glänzende Erfolge errungen hatte, war auch die Mainarmee siegreich bis nach Bayern vorgedrungen. Da trat Waffenruhe ein.
c) Der Friede. Am 23. August kam nach längeren Verhandlungen der Friede zu Prag unter folgenden Bedingungen zustande:
1. Österreich schied aus dem deutschen Staatenverbande aus und erklärt sich damit einverstanden, daß die Staaten nördlich vom Main sich zu einem engern Bunde unter Preußens Führung zusammenschließen. Österreich überläßt Preußen seine Anrechte auf Schleswig-Holstein und zahlt 60 Millionen Mark Kriegskosten.
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Der deutsch-französische Krieg. 1870—1871. 99
tag des norddeutschen Bundes zusammen und bewilligte einmütig die Mittel zum bevorstehenden Kriege. Auch die süddeutschen Fürsten, auf deren Unterstützung Napoleon ganz besonders gehofft hatte, stellten ihre Truppen dem König Wilhelm zur Verfügung. Ein Sturm der Begeisterung ging durch die deutschen Lande. So einig hatte man das deutsche Volk noch nie gesehen, und überall ertönte ,,Die Wacht am Rhein" mit ihrem zündenden Aufruf zum Kampf.
Kaum 14 Tage dauerte es, so stand die vereinigte deutsche Kriegsmacht mit 600 000 Mann und 1500 Geschützen zu Angriff und Abwehr an der Grenze gegen Frankreich, und hinter diesen sammelte sich noch fast eine halbe Million Landwehr und Ersatz-truppen^ um den heimischen Herd zu schützen oder später ins Feld nachzurücken. Nach Moltkes Kriegsplan, den er in treuer Arbeit schon lange vorher bis ins Genaueste festgelegt hatte, wurden 3 Armeen aufgestellt. Die I. Armee unter dem General Steinmetz bildete den rechten Flügel und stand an der Mosel. Die Ii. Armee befehligte der Prinz Friedrich Karl; sie stand in der Gegend von Mainz. Die Iii. Armee, bei der sich auch die süddeutschen Truppen befanden, führte der Kronprinz von Preußen; sie bildete den rechten Flügel und nahm ihren Weg durch den südlichen Teil der Rheinpfalz. Ende Juli war der Heeresaufmarsch beendet, und am 31. Juli begab sich König Wilhelm zur Armee, um den Oberbefehl zu übernehmen. Wiederum stand ihm sein treuer Helfer, der General von Moltke, zur Seite.
Die französische Hauptarmee unter dem Marschall B a-zaine stand bei Metz; eine Südarmee unter dem Marschall Mac Mahon hatte im Elsaß bei Straßburg Aufstellung genommen; eine Reservearmee lag noch zurück im Lager von Ehalons.
c) Die ersten Kriegstaten. Der Kronprinz von Preußen überschritt mit der Iii. Armee zuerst die französische Grenze und griff am 4. August die feindlichen Vortruppen der Südarmee bei W e i ß e n -bürg an. Er erfocht hier mit einem Teil feiner Truppen durch die Erstürmung der Stadt und des dahinter gelegenen Geisberges den ersten Sieg. Zwei Tage später, am 6. August, griff der Kronprinz mit seiner ganzen Armee den Marschall Mac Mahon an, der mit seinem Korps bei dem Städtchen Wörth eine sehr feste Stellung inne hatte. Es entspann sich eine große Schlacht. Das französische Heer wurde vollständig geschlagen und eilte in wilder Flucht auseinander. Aufs neue hatte sich hier die Waffenbrüderschaft der Nord- und Süddeutschen bewährt und befestigt.
An demselben Tage erstürmten Teile der I. und Ii. Armee die
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Extrahierte Ortsnamen: Rhein" Frankreich Mainz Rheinpfalz Mahon Elsaß Straßburg Mahon
104 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung.
Schlachten geschlagen. Durch diese Siege und jene an der Loire wurden die Feinde von Paris fern gehalten, so daß die deutschen Belagerungstruppen hier nicht in Gefahr kamen.
Eine dritte französische Armee wollte von Lyon aus in Elsaß-Lothringen einfallen, um den Deutschen die Zufuhr aus der Heimat abzuschneiden. Diesen Plan vereitelte der General v. Werder durch seine ruhmreichen Siege bei Belfort (45000 Deutsche gegen 140 000 Franzosen). Als ihm dann noch ein neues Heer unter dem General von Manteuffel zu Hilfe kam, wurden 90000 Franzosen auf Schweizer Gebiet gedrängt, wo sie die Waffen abgeben mutzten.
i) Der Friede und die Heimkehr der Sieger. Frankreichs Widerstand war gebrochen. In 7 Monaten waren 16 größere Schlachten und 150 größere und kleinere Gefechte gewonnen, 26 Festungen erobert, über 370 000 Gefangene gemacht, 250000 in Paris zur Niederlegung der Waffen gezwungen, 90 000 über die Schweizer Grenze gedrängt und 7500 Geschütze erbeutet worden. Nach dem Fall von Paris kam zunächst am 26. Februar ein Vorfriede zu Versailles zustande, und am 1. März 1871 zog König Wilhelm mit 30 000 Preußen und Bayern in Paris ein.
Der endgiltige Friede wurde am 10. Mai 1871 zu Frankfurt ct. M. abgeschlossen. Frankreich trat Elsaß und Deutsch-Lothringen an das Deutsche Reich ab. Es zahlte 4 Milliarden Mark Kriegskosten; bis zur Entrichtung dieser Summe blieben bestimmte Teile Frankreichs von deutschen Truppen besetzt.
Während Frankreich noch einen furchtbaren Bürgerkrieg durchmachen mußte, kehrte ein großer Teil der deutschen Truppen in die Heimat zurück, überall mit Jubel und großen Ehren empfangen. Am glänzendsten war jedoch der Einzug der Gardetruppen in Berlin am 16. Juni, zu dem das gesamte deutsche Heer durch Abordnungen aller Truppenteile vertreten war. An der Spitze ritt Kaiser Wilhelm, umgeben von seinen Prinzen und Heerführern. Die eroberten Fahnen wurden auf den Stufen des Denkmals niedergelegt, das er seinem Vater Friedrich Wilhelm Iii. hatte errichten lassen und an diesem Tage enthüllt wurde. Zwei Tage darauf fand im ganzen Deutschen Reiche ein feierlicher Dankgottesdienst statt. Erst im September 1873 kehrten die letzten der Besatzungstruppen aus Frankreich zurück.
6. Die Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserreiches 18. Januar 1871.
a) Die vorbereitenden Schritte. Die gemeinsamen Siege aller deutschen Stämme hatten das Gefühl der Zusammen-
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100 Die deutsche Einigung unter Preußens Führung
steilen Höhen bei Spichern, südlich von Saarbrücken, und trieben die Franzosen zurück, die ihre Stellung für uneinnehmbar gehalten hatten.
Der Jubel in Deutschland über diese schnellen Siege war groß; sie hatten die Gefahr eines feindlichen Einbruchs in deutsche Lande abgewendet und den Mut der deutschen Truppen und die Begeisterung des Volkes bedeutend gesteigert.
d) Die deutschen Siege bei Metz. Der Marschall Ba-zaine hatte sich mit der Hauptarmee bis in die Gegend von Metz zurückgezogen. Er wollte sich in Chalons mit den übrigen französischen Streitkräften vereinigen, auf Paris zurückgehen und hier erst die Entscheidung herbeiführen. Zu diesem Zwecke aber mußte er so schnell als möglich die Mosel überschreiten und Chalons zu gewinnen suchen. Die Ausführung dieses Planes vereitelten die drei großen Schlachten vor Metz vom 14.—18. August.
Am 14. August griff Steinmetz mit der I. Armee den abziehenden Feind bei Lolombey östlich von Metz an und warf ihn nach heftigem Widerstande in die Festung Metz zurück; durch dies Treffen verzögerte sich der Abmarsch Bazaines nach Westen. Prinz Friedrich Karl war während der Zeit in Eilmärschen mit seiner Ii. Armee südlich von Metz über die Mosel gegangen und traf am 16. August schon westlich von Metz auf die zurückmarschierende Armee Bazaines. Hier entwickelte sich bei den Dörfern Vionville und Mars la Tour ein gewaltiges Ringen. Zwölf Stunden lang mutzten die deutschen Truppen gegen eine Übermacht standhalten, bis ihnen das hannoversche Korps zu Hilfe kam. Die Franzosen zogen sich aus Metz zurück; der gerade Weg nach Westen war ihnen verlegt. Noch einmal wollte Bazaine den Durchbruch versuchen. Er hatte eine neue und sehr feste Stellung westlich von Metz auf einem Höhenrande zwischen Gravelotte und St. Privat eingenommen. Von hier aus gedachte er den angreifenden Gegner zu zerschmettern oder wenigstens ihn so zu schwächen, daß er ihm den Weg nicht weiter versperren könnte. Am 18. August griff hier die I. und Ii. deutsche Armee unter dem Oberbefehl König Wilhelms die Franzosen an. Die größte und blutigste Schlacht des ganzen Krieges entspann sich. Lange schwankte das Kriegsglück. Als dann aber die Sachsen und die preußische Garde St. Privat mit Sturm genommen hatten und das pommersche Armeekorps, das bereits seit 2 Uhr morgens auf dem Marsch gewesen war, in die Schlacht ein-griff, mußten die Franzosen weichen, und spät abends konnte Moltke seinem Könige die Meldung bringen: ,,Majestät, der Sieg ist unser; der Feind ist auf allen Punkten geschlagen."
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Extrahierte Personennamen: Metz Friedrich_Karl Friedrich Karl
Der deutsch-französische Krieg. 1870—1871. 101
Infolge der mörderischen Schlachten um Metz mußte sich Bazaine mit seiner Armee in die Festung zurückziehen. Nun galt es, ihn hier festzuhalten. ' Diese Aufgabe fiel dem Prinzen Friedrich Karl zu, der mit 160 000 Mann die stolze Festung einschloß.
König Wilhelm aber nahm mit der Iii. und der neugebildeten Iv. Armee unter dem Oberbefehl des Kronprinzen Albert von Sachsen den Weitermarsch nach Chalons auf, wo man Mac Mahon mit seiner Armee vermutete.
e) Der Tag von Sedan. Mac Mahon hatte unterdessen sein Heer bis auf 130 000 Mann verstärkt und von Paris die Weisung erhalten, dem Marschall Bazaine in Metz zu Hilfe zu eilen. Er marschierte zu diesem Zweck in nordöstlicher Richtung auf Metz zu. Sobald die deutsche Heeresleitung hiervon Kenntnis erhielt, ließ sie die Armeen der beiden Kronprinzen rechts abschwenken, um dem Marschall Mac Mahon den Weg nach Metz zu verlegen. Ende August traf ihn die Iv. Armee an der Maas und nötigte ihn in mehreren Gefechten, auf das linke Maasufer zurückzugehen. Nun nahte auch die Iii. Armee, die sich auf dem linken Ufer der Maas hielt und dem Feinde den Rückweg nach Paris verlegte; im Rücken der Feinde lag die belgische Grenze. So von allen Seiten bedrängt, entschloß sich Mac Mahon, einen letzten Kampf bei der kleinen Festung Sedan an der Maas zu wagen.
In der Frühe des 1. Septembers waren beide deutsche Armeen bei Sedan angelangt und umgaben den Gegner in einem großen Halbkreise mit fast doppelter Übermacht. Schon um 5 Uhr morgens begann der Kampf. Ein Dorf nach dem andern wurde den Franzosen entrissen, und immer enger zogen die Deutschen den Feuerkreis um Sedan. Schließlich warf sich das geschlagene Heer in die Festung Sedan, und die Stadt wurde beschossen. Da endlich um 5 Uhr erschien auf der Festungsmauer die weiße Fahne. Sofort wurde ein Unterhändler in die Festung geschickt, um Armee und Festung zur Übergabe aufzufordern. Dieser kehrte mit der Nachricht zurück, daß Kaiser Napoleon sich selbst in Sedan befände; ein Bote sei bereits unterwegs, um dem Könige ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers zu überbringen. Bald darauf erschien ein französischer General und überreichte das kaiserliche Handschreiben, das nur die wenigen, aber inhaltsschweren Worte enthielt: ,,Da ich nicht an der Spitze meiner Truppen habe sterben können, so lege ich meinen Degen in Ew. Majestät Hände." Die Antwort König Wilhelms lautete, daß er den Degen annehme, wenn sich die ganze Armee ergäbe. Noch spät in der Nacht fanden die weitern Verhandlungen wegen der Übergabe statt, die erst am
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Extrahierte Ortsnamen: Chalons Mahon Sedan Mahon Paris Mahon Maas Maas Rückweg Paris Sedan Sedan Sedan Sedan Sedan
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mahlte er sich mit der englischen Königstochter Viktoria, die er später
mit dem Kosenamen Viky zu rufen pflegte, Nach der in London
stattgefundenen Trauung begab sich das junge glückliche Paar nach
dem Festlande und lebte in angenehmer Häuslichkeit zu Berlin und
Potsdam oder auf den Gütern Bornstedt und Eiche. Alljährlich gab
die kronprinzliche Familie ihren Knechten und Mägden, wenn die
Früchte eingeerntet waren, ein vergnügtes Erntefest. Zu Weihnachten
aber wurde der ganzeu Bornstedter Schuljugend eine reiche Bescherung
unter dem Christbaume veranstaltet. Der Gutsherr erschien auch von
Zeit zu Zeit in der Schule, um sich nach dem Betragen und den
Fortschritten der Kinder zu erkundigen.
Wie in der Volksschule, so erschien der Kronprinz auch oft und
gern in Gymnasien und Seminarien und in den Berliner Fortbildungs-
schulen. Arbeiterkolonieen und Erholungsheime für schwächliche arme
Kinder und andre nützliche Einrichtungen fanden stets an dem Kron-
prinzen einen warmen Beförderer.
2. Der Kronprinz als Feldherr. — Im dänischen
Kriege (1864) hatte der Kronprinz keine führende Stelle innegehabt:
im Kriege mit Österreich (1866) befehligte er die zweite Armee. Der
glückliche Ausgang der entscheidenden Schlacht bei Königgrätz ist haupt-
sächlich sein Werk. Zum Lohne für die umsichtige Führung der
Armee erhielt er am Abende auf dem Schlachtfelde aus der Hand
seines königlichen Vaters den Verdienstorden (pour le msrito).
Im deutsch-französischen Kriege 1870/71 führte der Kronprinz
die 3. Armee, die vorzugsweise aus süddeutschen Truppen bestand.
Sein außergewöhnlich sanftes, liebenswürdiges Wesen machte ihn be-
sonders geeignet, Gegensätze zu vermitteln und auszugleichen. Durch
seine Leutseligkeit und sein kluges Vorgehen gewann er besonders die
Herzen seiner ihm auf Leben und Tod ergebenen Soldaten. Weißen-
burg, Wörth und Sedan sind vorzugsweise die Stätten, wo er mit
Ruhm und Erfolg gegen den Feind gefochten hat. Nicht blos das
eiserne Kreuz, sondern auch die höchste Würde für Kriegstüchtigkeit,
die eines Feldmarschalls, wurde ihm verliehen. Nachdem er noch vor
Paris siegreich eingegriffen hatte, wohnte er am 18. Januar 1871
der Kaiserproklamation in Versailles bei und kehrte im März 1871
nach Berlin zurück.
Auch im Kriege bekundete der Kronprinz sein edles, menschliches
Herz. Unzählige Züge seiner hochherzigen Gesinnung sind später be-
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