Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 52

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
52 Erstes Buch. Dritter Abschnitt. einen Boten nach Celle an Magnus H. ab, welcher demselben verkündete, daß die Stadt für ihre eigene Sicherheit Sorge tragen werde. Darauf, es war am Abend vor Lichtmessen 1371, barg eine Anzahl Bürger ihre Waf- fen unter Mänteln, und zog, untermischt mit betenden Frauen, zu dem am Fuße des Kalkberges liegenden Michaeliskloster. Von hier begaben sich zwei Gewaffnete zum fürstlichen Schlosse, stießen den Thürhüter nieder, erhoben, unterstützt von den nachfolgenden Verschworenen, den Kampf mit den ver- theidigenden Knechten, tödteten Siegbrand vom Berge, den herzoglichen Voigt und erstiegen das Schloß. Als in der Nacht darauf ein von Celle abgefandter Reiter anlangte, um der Besatzung die nahe Hülfe von Mag- nus Ii. zu verkünden, fand er die Höhe bereits besetzt. Die Bürger aber brachm das Schloß, welches die Freiheit ihrer Stadt zu vernichten drohte, bis auf dm Grund, und bewilligten den Benedictinern die Mittel zum Aufbau eines neuen Gotteshauses. Hiernach trugen die Bürger kein Bedenken, dem Herzoge von Sach- sen zu huldigen, welcher seinen Einzug in Lüneburg hielt und sich bald des großem Theiles des Herzogthumes bemächtigte. Die Städte Uelzen und Hannover schlossen sich ihm an; die vor Hannover gelegene Burg Lauen- rode wurde um Pfingsten 1371 von den dortigen Bürgem geschleift, welche seitdem ihre Stadt mit Wällen und Mauern umzogen. Mit der ganzen Heftigkeit seines Wesens sann Herzog Magnus Ii. nach diesen Unfällen auf Rache an den Bürgem von Lüneburg. Um ihn sammelte sich in Celle die ihm treugebliebene Ritterschaft. Von dieser be- gaben sich 700 Geharnischte, in kleine Haufen sich vertheilend, durch die Haide, und gelangten in der Nacht vor dem Tage der heiligen Ursula 1371 vor den Mauern von Lüneburg an, wo sie sich unter dem Bannerherm Heinrich von Homburg und dem Ritter Sivett von Saldern zum. An- griffe bereiteten. Sodann setzten sie Leitern an die Mauer und stiegen in die Stadt. Wer sich widersetzte, fand den Tod; einige von den Angreifen- den in Brand gesetzte Häuser mehrten die Verwirrung. Nur einzeln konn- ten die aus dem Schlafe sich ermunternden Bürger an Vertheidigung den- ken; 3 Burgemeister sielen, die Waffen in der Hand, und schon hatten die Ritter den Marktplatz erreicht und rüsteten sich jetzt zum Sturm auf das Rathhaus, woselbst die Waffen der Stadt aufgehängt waren. Zn dieser Noth wurde die Bürgerschaft durch die Entschlossenheit ihres Hauptmanns, des Edlen Ulrich von der Weissenburg, gerettet, welcher, unter dem Vor- wände, daß der Rath bereit sei, sich zu ergeben, listig eine kurze Waffen- ruhe mit den Führem der Feinde verabredete. Aber währmd die vom Kampfe ermüdeten Ritter sich an dem ihnen gebotenen Wein erquickten.

2. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 122

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
122 Zweites Buch. Erster Abschnitt. Fünftes Kapitel. Uebersichl der inneren Verhältnisse. Es hat kein Krieg dem deutschen Vaterlande so tiefe und bleibende Wunden geschlagen, wie der dreißig Jahre lang zwischen Evangelischen und Katholischen wüthende Kampf, wenn schon selbst aus diesem Ereignisse manche segensreiche Folgen sich ergaben. Schon gegen Ende des sechszehn- ten und im Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts hatten Seuchen die Städte und Dörfer unsers Landes entvölkert, als der Krieg mit seinen Schrecken hereinbrach. Handel und Gewerbe erstarben, der Feldbau konnte zum Theil wegen Mangel an Zugvieh nicht bestritten werden. Kaiserliche und Liguisten, Schweden und dänische Soldner verschlangen die Kräfte des armen Landes, das unter den ausgeschriebenen Abgaben und Brandscha- tzungen erlag. Keine Stadt, kein Dorf entrann dem allgemeinen Unglück; Tilly's Horden begnügten sich nicht immer mit der Plünderung; überall bezeichneten rauchende Wohnungen den Weg, welchen sie gezogen waren. Bürger und Bauern gaben verzweifelnd sich selbst verloren, und wollten nicht von Neuem für Fremde bauen und erndten. Der Dienst der Kirchen und Schulen hörte auf, Zigeuner durchstreiften in Banden die Landschaft, bewaffnetes Landvolk glühte nach Rache, und fand durch die Söldner einen martervollen Tod; im Gebirge lauerten unverdrossen die Harzschützen; die alte Tüchtigkeit des Volksstammes zwischen Weser und Elbe schien in La- stern jeder Art erstorben zu sein; es hörten Zucht und Sparsamkeit und der kecke, frische Scherz an den Höfen der Fürsten auf. Im gleichen Grade, als die schlichte Sitte früherer Tage schwand, gewann die Regierung an Künstlichkeit; die Zahl der fürstlichen Diener mehrte sich; gelehrte Doctoren verdrängten mit ihrer Kenntnis des römi- schen Rechts den nach bestem Wissen und Gewissen sprechenden Edlen; Ti- tel und Würden wurden erfunden, die untere Dienerschaft vergrößert, selbst in den Tagen des Friedens ein Troß von Trabanten, Arkebusi'rern und Gardereitern gehalten, deren Löhnung die Kräfte der Landschaft verzehrte. Adel und Städte büßten die frühere Stellung gegen den Landesherrn ein. Auf eine ungewöhnlich rasche Art mehrte sich die Gewalt der Fürsten, für welche der Kaiser und das römische Recht sprachen. Das Streben des Landesherrn war häufig auf eine unumschränkte Herrschaft gerichtet. Aber noch war er nicht durch eine gesonderte Hofdienerschaft von der engen Be- rührung mit dem Volke geschieden, und Heinrich Julius trug kein Beden-

3. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 94

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
94 Erstes Buch, Fünfter Abschnitt. mit dem Kurfürsten Moritz von Sachsen und den fränkischen Bischöfen zur Bekämpfung des Markgrafen. Dieser jedoch, rascher als sein Gegner, warf sich mit seinem Heere nach Niedersachsin und zog, verstärkt durch eine Menge braunschweigischer Edlen, welche mit ihrem Landesherrn in Zwie- tracht lebten, von Hannover über Peina der Stadt Braunschweig zu, als er bei Burgdorf erfuhr, daß Herzog Heinrich und Kurfürst Moritz bei dem Dorfe Sievershausen gelagert seien, um ihm den Weg zu verlegen. Hier war es, wo am 9. Julius 1553 Markgraf Albrecht den Feind mit seiner bekannten stürmischen Tapferkeit angriff. Lange Zeit schien sich der Sieg auf seine Seite zu neigen; von drei Kugeln getroffen, siel Kurfürst Moritz, und ein großer Theil seiner Sachsen gab die Schlacht verloren, als Hein- rich der Jüngere mit seinen Söhnen Philipp und Karl Victor an der Spitze der Braunschweiger so stürmisch angriff, daß die Brandenburger nicht widerstehen konnten. In dieser Noth stürzte sich der Markgraf mit seinen wieder geordneten Schaaren noch ein Mal auf den Feind; durch ihn siel Philipp Magnus, der Sohn des Herzogs von Wolfenbüttel; bald sah man auch Karl Victor stürzen, und schwer getroffen wurde Herzog Friedrich von Lüneburg aus der Schlacht getragen. Dennoch wurde der Sieg von Heinrich dem Jüngern vollständig erstritten; mehr als 4000 Todte zahlte man auf dem Schlachtfelde, unter ihnen viele Edle aus den braunschweigi- schen Landen. Die Leiche von Kurfürst Moritz wurde nach Sachsen abge- führt, nachdem seine Eingeweide in der Kirche zu Sievershausen bestattet waren. Kaum hatte der geschlagene Markgraf Albrecht sich nach dem südli- chen Deutschland zurückbegeben, als Herzog Heinrich die mit dem Gegner einverstandene Stadt Braunschwelg einschloß und zu dem Versprechen nö- thigte, sich fortan den gemeinen Steuern nicht entziehen zu wollen. So wurde seit langer Zeit zum ersten Male ein freundliches Verhältnis! zwischen Braunschweig und seinem Landesherrn begründet, der, gefolgt von vielen Edlen, 1555 seinen feierlichen Einzug in die Stadt hielt. Heinrich war alt geworden; die stürmische Heftigkeit beherrschte ihn nicht mehr wie in früheren Jahren, und ob er auch seinem Sohne Julius den Uebertritt zur evangelischen Kirche nicht verzeihen konnte, duldete er doch die Ausübung der jungen Lehre in seiner Nahe. Er starb im neun und siebenzigsten Jahre seines Lebens 1568 zu Wolfenbüttel.

4. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 127

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
Fünftes Kapitel. 127 hensverbande mit dem Fürsten standen, das gute Vernehmen zwischen diesem und der Stadt zu sichern suchten. Jetzt aber schloß sich die in ihrem Stolz gekrankte Geistlichkeit den Klagen Brabants an, und er- reichte, daß 1602 die meisten Patricier sich ihrer Stellen begaben, welche unverweilt von Männern aus der Gemeine besetzt wurden, so daß seit- dem die eigentliche Regierung sich in den Händen der Bürgerhauptleute befand. Als jedoch die Prediger den Druck des zünftischen Regiments für ungleich unleidlicher erkannten, als welchen die schon durch äußere Verhältnisse im Leben bevorzugten Patricier ausgeübt hatten, wandten sie sich zu diesen zurück, und forderten das Volk zum Sturze der Zunft- genossen auf. Wahrend dieser inneren Unruhen wurden die Streitigkei- ten mit Heinrich Julius durchgefochten. Henning Brabant, welcher diese auszugleichen beflissen war, gerieth in den Verdacht, ein heimlicher Fürstendiener zu sein; die Geistlichkeit, welche in ihm die Stütze der Volkspartei erblickte, suchte sein Ansehen durch Beschuldigungen der lä- cherlichsten Art zu untergraben. Endlich gelang es den vereinten Um- trieben der Prediger und Junker, auf den Verhaßten die ganze Wuth des Volkes zu lenken. Kaum entzog sich Brabant seinen Verfolgern durch schleunige Flucht. Da wurde er durch Verrath ergriffen, als ec sich bereits gesichert wähnte, in einen Kerker geworfen und den schreck- Uchften Qualen der Folter unterzogen, um das Gestandniß der Gemein- schaft mit dem Bösen zu erzwingen. Endlich erfolgte sein Todesurtheil; mit erfinderischer Grausamkeit wurde dieses an ihm vollzogen; der Un- glückliche athmete unter dem Mordmesser des Nachrichters, bis dieser das Herz traf. Solches geschah im Herbste des Jahres 1603. Die Geistlichkeit freuete sich des errungenen Triumphes, und nach wie vor- herrschten jetzt die Junker über die Gemeine der fünf Weichbilde von Braunschweig.

5. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 187

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
Fünftes Kapitel. 187 durchzuckte die Nachricht von diesen Ereignissen die Herzen der Braun- schweiger und Hannoveraner, während sich noch der Hof zu Cassel sorglos seinen ausgelassenen Vergnügungen hingab. Mit der Gluth der Begeiste- rung erhob sich das tiefgedrückte Preußen und als Friedrich Wilhelm Iii. im Februar 1813 von Breslau aus sein Volk in die Waffen rief, sam- melte sich Alt und Jung um die Fahnen des Königs, getrieben von Ver- langen, an den verhaßten Fremdlingen blutige Rache zu nehmen und die Erinnerung des Tages von Jena durch Siege vergessen zu machen. Un- aufhaltsam stürzten sich Landwehr und Landsturm in den Tod; es trieb sie das Vollgefühl der deutschen Ehre. Ein solches Preußen, so ritterlich kühn, voll Gluth für die gemeine Freiheit, hatte Deutschland noch nie gekannt! Endlich schlug auch für die deutschen Lande des welsi'schen Hauses die Stunde der Erlösung. Kleine Schaaren von Engländern landeten an der Mündung der Elbe; mit Russen und Deutschen zog der Obrist von Tet- tenborn in Hamburg ein und am 21. März 1813 sprengten die ersten Kosacken in's Thor von Lüneburg. Wer mag den Jubel der Bürgerschaft beschreiben, als sie die Befreier in ihren Mauern begrüßten! Freudig opferte jeder auf dem Altar des Vaterlandes; von nah und fern strömten Freiwil- lige, herbeigerufen von der Stimme kriegerfahrener Männer, die auch in den Zeiten der Knechtschaft die Liebe für das angestammte Regentenhaus nicht verloren hatten. Glücklich wurde eine Abtheilung westphälischer Reiter von der bewaffneten Bevölkerung Lüneburgs zurückgeworsen. Als aber der französische General Morand der Stadt nahte, gab man einen Widerstand auf, der, nach menschlicher Berechnung, keinen Erfolg verheißen konnte. So war Lüneburg abermals von 4000 Feinden besetzt, als der General von Dörnberg, im Verein mit Czernitsches und Benkendorf den Angriff beschloß. Am 2. April 1813 erfolgte dieser mit solchem Nachdruck und mit so glücklicher Leitung, daß es den Verbündeten, geführt von Bürgern der Stadt, gelang, Herrn der Thore zu werden. Nach muthiger Gegenwehr ergab sich der bis auf den Tod verwundete Morand. Aber noch ein Mal mußten die Verbündeten Lüneburg vor dem heranziehenden General Mont- brun verlassen. Erbittert über die Gegenwehr, welche eine seinem Kaiser unterthänige Stadt den Genossen geleistet hatte, ließ Montbrun hundert der angcsehnsten Bürger verhaften, um den zehnten Mann derselben zum Tode zu führen. Aber ihn schreckten Dörnbergs Drohungen, also daß er die Ausführung dieses Entschlusses aufgab. Ob dann auch nach der Ent- fernung Montbruns in Lüneburg die französische Verfassung aufgehoben wurde und die Werbungen für den Dienst des Vaterlandes von Neuem begannen, so mußte man doch noch ein Mal unter Sebastiani, dann un-

6. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 48

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
48 Erstes Buch. Dritter Abschnitt. Stande zu bringen. Doch bald wurde die tiefbegründete Feindschaft von Neuem geweckt, indem Heinrich Kiphut, herzoglicher Voigt auf dem Schlosse Bollruz, der Bürger Rechte auf eine ungebührliche Weise zu verkürzen suchte. Da waffneten sich die Zünfte, zogen hinaus und brachen 1590 die festen Hauser zu Harste, Bovenden und Rostorf. Ihnen entgegen eilte Otto; aber bei Rostorf erlag er, und mit seinem Banner geriethen viele der Junker in die Gewalt der Städter. Wahrend jenes Kampfes wagte Heinrich Kiphut mit Gewalt in das Haus des Burgemeisters Werner Rodens einzudringen und allda schändli- chen Muthwillen zu treiben. Als solches dem auf dem Rathhause weilen- den Burgemeister angesagt wurde, eilte er in seine Wohnung, erschlug den herzoglichen Diener mit der Axt und warf die Leiche auf die Gasse. Wie nun zu eben der Zeit die Bürger siegreich vom Schlachtfelde bei Rostorf heimkehrten und den Frevel erfuhren, welcher ihrem Burgemeister widerfah- ren sei, stürmten sie Schloß Bollruz, brachen es bis auf den Grund und setzten den Herzog von ihrem Verfahren in Kenntniß. Trotz seines Grolles mußte Otto den Bitten der ihn umgebenden Ritterschaft willfahren und mit den muthigen Bürgern von Göttingen eine Einigung eingehen. Erst als ihn das Alter beschlich, und der Fluch der Kirche, mit wel- chem ihn der Erzbischof von Mainz belegt hatte, schwer auf ihm lastete, ließ der Quade von seinem wüsten Leben nach. Als er 1394 zu Hardegsen starb, durfte er wegen des Bannes in keine geweihte Erde bestattet werden. In Wiebrechihausen fand er sein Grab. Seine Gemahlin Margarethe, Tochter des Herzogs Wilhelm von Jülich, eine durch tiefe christliche Fröm- migkeit ausgezeichnete Frau, welche vergeblich durch weibliche Sanftmuth und Milde auf den starren Sinn des Herzogs einzuwirken versucht hatte, lebte als Wittwe nur für die Kranken und Armen von Hardegsen, bis sie ebendaselbst aus dem Leben schied. Viertes Kapitel. Lüneburgische Linie. Von Herzog Johann bis auf den Tod Wilhelms. 1267 bis 1369. Herzog Johann, der Sohn Otto's des Kindes, seit der Theilung mit seinem Bruder Albrecht dem Großen im Besitze des Herzogthums Lüne- burg, hatte durch Thaiigkeit und Gerechtigkeit die Liebe seiner Unterthanen

7. Handbuch der Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg - S. 56

1838 - Lüneburg : Herold und Wahlstab
56 Erstes Buch. Dritter Abschnitt. Stadt Braunschweig eine Veränderung des Regiments vor sich gegangen, wie sie sich in diesen Zeiten in den verschiedensten Gegenden Deutschlands ereignete. Voll Unwillen über eine hart auf ihnen lastende Besteuerung hatten sich die Gilden der Stadt an den Rath gewandt und um Verringerung der Abgaben angehalten. Statt auf die gerechten Beschwerden der Klagen- den Rücksicht zu nehmen, fühlte sich der aus Patriciern zusammengesetzte Rath über den Widerspruch empört, welchen seine Verfügungen hervorge- rufen hatten, und nahm an den wortführenden Abgeordneten der Gilden eine ungebührliche Rache. Hierdurch zum äußersten Zorn getrieben, traten die Zunftgenossen zusammen; ihnen schloß sich der Pöbel der starkbevölker- ten Stadt an. Der Rath, von Furcht vor dem tobenden Haufen ergriffen, verlor den günstigen Augenblick, um mit Nachdruck den Aufstand zu be- schwichtigen, und mußte dulden, daß der Burgemeister Thiele von dem Damme gewaltsam aus dem Versteck seines Hauses hervorgerissen wurde. Einzelne Herren vom Rath, welche sich auf das Michaelisthor geflüchtet hatten, wurden gezwungen, sich der bewaffneten Gemeine zu ergeben. So- dann bestellten die Bürger ein Gericht, welches auf dem Hagenmarkte ge- halten wurde. Daselbst siel Thiele von dem Damme durch Henkershand; drei andere Burgemeister erlitten ebendaselbst ein gleiches Loos; drei Vor- steher der Stadt wurden auf den Straßen erstochen. Hiermit war die Wuth des Volkes noch nicht gestillt; einige Tage darauf wurde auf dem Markte der Altstadt der Burgemeister von Sonnenberg, darauf Dorring gerichtet, nachdem letzterer vergeblich gebeten hatte, daß man den Grund der gegen ihn erhobenen Beschwerden namhaft machen möge. Aus der Altstadt, Neustadt, dem Hagen und dem Sack mußten alle Patricier wei- chen, nachdem sie einen feierlichen Eid abgelegt hatten, der Stadt bis auf 10 Meilen nicht zu nahen. Nach diesen Ereignissen trat die Bürgerschaft zusammen, und erkor einen neuen Rath, welcher aus den Vorstehern der Zünfte bestand, ohne zu bedenken, daß den Gildemeistern Erfahrung und Gewandtheit abgehen müsse, um einem großen Gemeinwesen mit Erfolg vorzustehen. Diese inneren Unruhen, welche das Leben der Stadt Braunschweig zu zerreißen drohten, waren keinem willkommener, als dem Herzoge Otto dem Quaden, welcher von Wolfenbüttel aus die mächtige Bürgerschaft unter seinen Gehorsam zu zwingen hoffte. Andrerseits glaubte auch der Bund der Hanse sich um so bestimmter gegen diese Ereignisse aussprechen zu müs- sen, als er befürchtete, daß sie sich in anderen Bundesstadten wiederholen könnten. In allen umliegenden Städten fanden die vertriebenen Patricier

8. Die Lande Braunschweig und Hannover - S. 112

1871 - Hannover : Klindworth
112 und zähe Friesenvolk ließ sich nicht entmuthigen; immer wurden die Deiche aufs neue, und jedesmal höher und kräftiger herge- stellt. Die letzte große Fluth, welche an unseren Küsten fast alle Deiche durchbrach und sie auf weite Strecken hin zerstörte, fand im Jahre 1825 statt; doch hat sie glücklicherweife keinen Verlust an Land zur Folge gehabt. — Solch eine Fluth ist das Schrecklichste, was der Mensch erleben kann. Hoch bäumen sich dann die Wogen vom Nordweststurm gepeitscht und von der Fluth landeinwärts getrieben am Deiche empor; stundenweit hört man ihr dumpfes Brüllen. Vergebens hofft der den entfesselten Naturkräften gegenüberstehende Landmann auf den Eintritt der Ebbe; der Sturm läßt das Wasser nicht wieder zurücktreten. So kommt dann nach zwölf Stunden die zweite Fluth wie ein schwarzes Gebirge heran. Nun wird der Deich überströmt; alles Volk, durch die Sturmglocke zur Hülfe aufgeboten, hat sich an den bedrohten Stellen versammelt. Bisweilen gelingt es, mit herbeigeführtem Mist und Erde eine entstandene Oeffrtung zu stopfen; oft ist aber alle Hülfe vergebens angewandt. Dann bricht die salzige Fluth mit furchtbarer Gewalt durch die sich stets erweiternden Oeffnungen auf das dahinter liegende niedere Land ein, wühlt in demselben tiefe Löcher, verwandelt die weite Marsch in kurzer Zeit in einen tiefen See, zerstört die Felder und die Wohnungen der Menschsn. Können sich letztere nun vielleicht auch noch retten, so geht der Viehstand doch meistens verloren. Oft werden sogar weite Strecken Landes mit darauf stehenden Häusern und Bäumen losgerissen und weithin fortgeschwemmt; so wurde z. B. im Jahre 1509 am Dollart von der Groninger Küste eine große Fläche Landes losgerissen und mit Häusern, Menschen und Vieh auf das jenseitige ostfriesische Ufer getrieben. Legt sich dann der Sturm, und zieht sich das Meer in seine alte Grenzen zurück, dann sieht man oft die reichsten Felder mit unfruchtbarem Sande bedeckt. Ueberall trifft man Leichen von Menschen und Thieren, bald vereinzelt, bald in Gruppen bei einander liegend; hier er- blaßte Mütter, die ihre todten Kinder noch krampfhaft umschlungen halten, dort Eheleute aneinander gebunden; von Kälte erstarrte Menschen in den Bäumen hängend, andere im umgestürzten Kahn in den verschlammten Gräben liegend. Da kam es früher wohl vor, daß ein Mann der noch vor wenig Tagen als wohlhabend galt, nun, weil er die Kosten der Wiederherstellung des Deiches nicht erschwingen konnte, nach der alten Regel, die da hieß : „Wer rttch mit kann dieken, de mot wieken", den Spaten in seine Län- dereien steckte und seine Heimat mit dem weißen Stabe in der Hand als Bettler verließ. Wer dann den Spaten wieder herauszog und damit erkärte, die Deichlast übernehmen zu wollen, der wurde Be- fitzer des verlassenen Landes. Von dem Elend solcher Ueberschwem- mungen nur ein Beispiel. Die sogenannte Weihnachtsfluth (24. Dec.) des Jahres 1717, welche von Holland bis an die schleswigsche Küste alle Deiche zerstörte, kostete 11000 Menschen das Leben; so rasch kam das Unheil, daß fast niemand ihm entfliehen konnte. Mitten in der finstersten Nacht, als alles sorglos im tiefsten Schlafe lag,

9. Die Lande Braunschweig und Hannover - S. 20

1880 - Hannover : Klindworth
20 Die Küsten unseres Landes. tritt der Ebbe; der Sturm läßt das Wasser nicht wieder zurück- treten. So kommt dann nach zwölf Stunden die zweite Fluth wie ein schwarzes Gebirge heran. Nun wird der Deich überströmt; alles Volk, durch die Sturmglocke zur Hülse aufgeboten, hat sich an den bedrohten Stellen versammelt. Bisweilen gelingt es, mit herbeigeführtem Mist und Erde eine entstandene Oeffnung zu stopfen; oft ist aber alle Hülfe vergebens angewandt. Dann bricht die salzige Fluth mit furchtbarer Gewalt durch die sich stets erweiternden Oeffnungen auf das dahinter liegende niedere Land ein, wühlt in demselben tiefe Löcher, verwandelt die weite Marsch in kurzer Zeit in einen tiefen See, zerstört die Felder und die Wohnungen der Menschen. Können sich letztere nun vielleicht auch noch retten, so geht der Viehstand doch meistens verloren. Ost werden sogar weite Strecken Landes mit darauf stehenden Häusern und Bäumen losgerissen und weithin fortgeschwemmt; so wurde z. B. im Jahre 1509 am Dollart von der Groninger Küste eine große Fläche Landes losgerissen und mit Häusern, Menschen und Vieh auf das jenseitige Ostfriesische Ufer getrieben. Legt sich dann der Sturm, und zieht sich das Meer in seine alte Gränzen zurück, dann sieht man ost die reichsten Felder mit unfruchtbarem Sande bedeckt. Ueberall trifft man Leichen von Menschen und Thieren, bald vereinzelt, bald in Gruppen bei einander liegend; hier er- blastte Mütter, die ihre todten Kinder noch krampfhaft umschlungen halten, dort Eheleute aneinander gebunden; von Kälte erstarrte Menschen in den Bäumen hängend, andere im umgestürzten Kahne in den verschlammten Gräben liegend. Da kam es früher wohl vor, daß ein Mann der noch vor wenig Tagen als wohlhabend galt, nun, weil er die Kosten der Wiederherstellung des Deiches nicht erschwingen konnte, nach der alten Regel, die da hieß: „Wer nich mit kann dicken, de mot wieken", den Spaten in seine Län- dereien steckte und seine Heimat mit dem weißen Stabe in der Hand als Bettler verließ. Wer dann den Spaten wieder herauszog und damit erklärte, die Deichlast übernehmen zu wollen, der wurde Be- sitzer des verlassenen Landes. Von dem Elend solcher Ueberschwem- mungen nur ein Beispiel. Die sogenannte Weihnachtssluth (24. Dec.) des Jahres 1717, welche von Holland bis an die Schleswigsche Küste alle Deiche zerstörte, kostete 11000 Menschen das Leben; so rasch kam das Unheil, daß fast niemand ihm entfliehen konnte. Mitten in der finstersten Nacht, als alles sorglos im tiefsten Schlafe lag, kam die Noth. Mehrere Tage vor Weihnachten hatte es scharf aus Südwesten geweht, wodurch viel Wasser aus dem Kanal in
   bis 9 von 9
9 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 9 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 0
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
10 4
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 0
17 0
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 2
25 0
26 1
27 0
28 1
29 0
30 0
31 0
32 0
33 0
34 0
35 0
36 6
37 5
38 2
39 0
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 0
46 2
47 1
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 1
2 0
3 0
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
9 0
10 0
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 0
17 5
18 0
19 4
20 0
21 0
22 0
23 4
24 0
25 0
26 0
27 0
28 2
29 1
30 0
31 0
32 0
33 0
34 0
35 0
36 0
37 3
38 0
39 1
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 0
46 0
47 0
48 0
49 0
50 0
51 1
52 0
53 0
54 2
55 0
56 0
57 1
58 0
59 1
60 0
61 0
62 0
63 1
64 0
65 0
66 0
67 0
68 2
69 0
70 0
71 1
72 0
73 0
74 0
75 0
76 1
77 4
78 0
79 0
80 0
81 0
82 1
83 0
84 0
85 0
86 0
87 0
88 0
89 0
90 0
91 0
92 3
93 0
94 1
95 0
96 0
97 0
98 3
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 34
1 0
2 4
3 4
4 1
5 56
6 38
7 50
8 8
9 47
10 41
11 19
12 9
13 6
14 51
15 0
16 2
17 6
18 16
19 7
20 0
21 24
22 0
23 0
24 6
25 27
26 24
27 0
28 4
29 17
30 32
31 6
32 14
33 126
34 44
35 14
36 0
37 0
38 356
39 62
40 63
41 0
42 1
43 12
44 25
45 0
46 2
47 25
48 1
49 22
50 8
51 12
52 26
53 1
54 42
55 147
56 5
57 3
58 23
59 107
60 6
61 65
62 41
63 4
64 68
65 13
66 2
67 27
68 0
69 11
70 0
71 38
72 34
73 9
74 7
75 12
76 1
77 19
78 12
79 8
80 128
81 80
82 11
83 4
84 1
85 0
86 2
87 0
88 6
89 8
90 0
91 29
92 2
93 2
94 19
95 20
96 0
97 222
98 24
99 55
100 44
101 2
102 5
103 28
104 0
105 9
106 32
107 16
108 0
109 1
110 15
111 8
112 7
113 0
114 2
115 0
116 7
117 6
118 2
119 49
120 6
121 11
122 15
123 0
124 6
125 13
126 5
127 72
128 1
129 23
130 23
131 52
132 7
133 38
134 0
135 0
136 127
137 0
138 0
139 1
140 20
141 2
142 56
143 9
144 39
145 79
146 0
147 2
148 30
149 0
150 14
151 21
152 6
153 0
154 5
155 29
156 17
157 25
158 4
159 10
160 4
161 11
162 0
163 0
164 1
165 9
166 37
167 2
168 3
169 2
170 35
171 123
172 3
173 48
174 38
175 97
176 16
177 124
178 0
179 17
180 6
181 0
182 135
183 125
184 0
185 2
186 1
187 10
188 25
189 0
190 0
191 63
192 6
193 4
194 40
195 4
196 5
197 2
198 2
199 29