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besitzt den schönsten Bahnhof in ganz Süddeutschland. Hier
müssen wir dem geneigten Leser ein Geheimniß verrathen: das
eigentliche Ziel unserer Reise ist nämlich Paris und die allge-
meine Industrie- und Kunstausstellung. In Ludwigshafen aber
werden Billets zu ermäßigten Preisen für die Reise über Mainz,
Cöln, Aachen, Lüttich, Brüssel, Lille, Amiens nach Paris und
zurück über Metz und Saarbrücken, oder umgekehrt, ausgegeben,
mit dem Rechte, beliebig auf einer der genannten Stationen zu
verweilen; für 110 Franken die Person macht man die ganze
Tour in den Wagen erster Classe.
Der Zug von Ludwigshafen war ungewöhnlich besetzt;
denn in Worms wurde die neu aufgeschlagene Rheinbrücke ein-
geweiht. Der Großherzog von Hessen hatte sich persönlich zur
Feier dort eingefunden, das alte Worms, das so viele Erinne-
rungen aus der deutschen Geschichte und Heldensage (Nibelungen)
in uns erweckt, prangte ganz im Festschmuck von Laub und
Fahnen, und immer neue Menschenschaaren strömten durch die
Thore der ehemaligen Hauptstadt des Wonnegaus, die heute
einen eigenthümlichen Gegensatz zu ihrer melancholisch stimmenden
Vergangenheit bietet. Schon im 5. Jahrhundert von den Hun-
nen erobert und zerstört, blieb Worms (das alte Hordotomak-uz,
die Hauptstadt der Vangionen, im Mittelalter Wormatia) in
Trümmern liegen, aus denen die Stadt nur langsam sich wieder
erhob, so daß sie unter Karl dem Großen mehre Reichstage und
Maiversammlungen beherbergte. Unter dem Hohenstaufen Fried-
rich Ii. zählte die Stadt 60,000 Einwohner; blühend war sie
noch, als Karl V. im Jahre 1521 dort den Reichstag hielt,
vor dem Luther erschien. Erst der Würgengel des dreißigjährigen
Krieges brach die Blüte. Von da an ein beständiger Kampf mit
Noth und Jammer: im Jahre 1635 eine gräßliche Hungers-
noth; am Ende des großen Krieges nur mehr 200 Familien
innerhalb der weiten Ringmauern und als die Stadt langsam
sich zu erholen begann, verwandelte sie der 31. Mai 1689 im
sogenannten Orleansschen Kriege in einen Schutthaufen. Ihre
Mauerkrone umhüllte fortan der Witwenschleier; erst in den letz-
ten Jahren stieg die Bevölkerung sichtbar, wenn auch langsam;
gegenwärtig (1857) beträgt sie 10,325 Seelen. — Beim An-
halten erfahren wir, daß die Liebfrauenmilch, der köstliche Reben-
saft von dem Hügel, der die Liebfrauenkirche in Worms (nicht
zu verwechseln mit dem Dom) trägt, für diesen Herbst besser
zu gerathen verspricht, als seit Jahren. Dann geht es rasch
weiter, rasch, wie die hessische Ludwigsbahn fährt, durch Boden-
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T105: [Stadt Dom Jahrhundert Zeit Bau Kirche Rhein Baukunst Deutschland Mainz], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus]]
Extrahierte Personennamen: Wormatia Karl_dem_Großen Karl Karl_V. Karl_V.
Extrahierte Ortsnamen: Paris Ludwigshafen Mainz Aachen Lille Amiens Paris Ludwigshafen Worms Rheinbrücke Hessen Worms Worms Worms
235
Anerkennung erworben. Bierkannen gehen in erstaunlicher Zahl
besonders nach Bayern. Neuerdings hat man angefangen, den
Bierkannen eine schöne künstlerische Gestalt zu geben, da die Ver-
mählung der Kunst mit dem Gewerbe auch hier einzieht. Man
nennt diese Thonwaren gewöhnlich Coblenzer Krüge, da Coblenz
ein Hauptstapelplatz für die Versendung derselben ist.
Vom Herausgeber.
20. Wanderungen durch Westfalen.
a. Minden und die Porta Westfalica.
Das alte Minden ist berühmt wegen seiner freundlichen
Lage an der Weser; die Stadt selbst aber ist keineswegs schön;
sie ist enge und winklicht zusammengebaut. Die starken Befesti-
gungen hindern sie an aller Entwicklung und an jener Ausdeh-
nung in freundlich helle, mit Gartengebüsch und grüner Natur
durchsetzte Vorstadtanlagen, die sich heutzutage um alle größern
Städte bilden, welche nicht das wenig beneidenswerthe Glück
haben, Festungen zu sein. Wie freundlich und anmuthig erscheint
uns z. B. Braunschweig, gleichsam in einem Laubocean mit
weiten Wallpromenaden und Parks umgeben, Leipzig, das
ja vom slavischen Worte lipa, d. h. blühende Linde, seinen
Namen hat, mit seinen schönen Anlagen, Frankfurt am Main mit
seinen reizenden Gartenwohnungen und so viele andere Städte!
Minden ist eine der alten Bisthumsstiftungen Karls des
Großen, die man an das Jahr 780, besser wohl an 803 knüpft.
Der Dom soll gegründet sein an der Stelle eines Schlosses des
alten Sachsenherzogs Wittekind; doch spricht dafür eben nur die
Sage. Von den alten Bischöfen, denen Karls des Großen Stif-
tung anvertraut wurde, ist nicht viel zu sagen. Sie errangen die
landesfürstliche Gewalt nach dem Sturze Heinrichs des Löwen.
Hervorragende Charaktere, wie die Kirche von Paderborn in dem
berühmten Bischof Meinwerk, die von Münster in Otto Iv., die
von Osnabrück in Benno sie besaß, hatte Minden nicht. Die
Residenz der Bischöfe war, wie überall, nicht die Landeshaupt-
stadt, sondern das kleine ein paar Stunden tiefer an der Weser-
liegende Petershagen; so residierten die Bischöfe von Osnabrück
in Iburg, die von Paderborn in Neuhaus u. s. w.
Der westfälische Frieden gab das Fürstenthum Minden an
Kur-Brandenburg; am 1. Februar 1650 nahm der große Kur-
fürst selbst die Huldigung der Stände des Landes an. Es war
eine höchst wünschenswerthe Arrondierung der Besitzungen, welche
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Karls Karls Heinrichs Otto_Iv. Otto_Iv. Osnabrück Benno Osnabrück
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Bierkannen Coblenz Westfalen Porta_Westfalica Leipzig Frankfurt Main Karls Paderborn Weser- Petershagen Iburg Paderborn Neuhaus Kur-Brandenburg
375
Schottland, Oesterreich ohne die italienischen Provinzen hat 62,
wovon 24 in Ungarn, die Schweiz 5, Deutschland 24, wovon 8
in Preußen: die Erzbisthümer Cöln und Posen, das Fürstbis-
thum Breslau, die Bisthümer Kulm, Ermelan'd, Münster, Pader-
born, Trier, 8 in Bayern: die Erzbisthümer München und Bam-
berg, die Bisthümer Passau, Regensburg, Würzburg, Augsburg,
Eichstädt, Speyer; Hannover hat 2, Hildesheim und das 1857 neu
errichtete Osnabrück, Baden (Erzbisthum Freiburg, das Haupt
der oberrheinischen Kirchenprovinz), Württemberg, Hessen-Darmstadt,
Kurhessen, Nassau, Limburg je 1 (in dem zum deutschen Bunde gehö-
renden Herzogthum Limburg ist das Bisthum Roermonde). Polen
zählt 15, das europäische Rußland 10, die europäische Türkei, Grie-
chenland und die jonischen Inseln 20. In Asien gibt es 65, in Afrika
11, in Amerika 124, wovon 70 auf das nördliche, 11 auf Mittel-,
43 auf Südamerika kommen, und in Océanien (Australien) 10.
Die von der Congrégation de Propaganda Fide abhangenden
apostolischen Vicariate und Delegationen belaufen sich in Europa
auf 22, in Asien 63, in Afrika 17. Hierzu kommen noch die
gleichfalls unter Leitung der Propaganda stehenden Missionen,
deren es in Nordamerika 5, in Südamerika 4, in Océanien 10
gibt, jede mit verschiedenen Häusern und Collégien. — lieber
die Zahl der Katholiken, der Protestanten und der Christen über-
haupt vergl. den Artikel: Bilder aus Nordrußland.
Vom Herausgeber.
6. Sicilien.
Sicilien, diese von der Natur so reich gesegnete, aber durch
politische und gesellschaftliche Unbilden so unglückliche Insel zählte
auf 496 Quadr.-Meiten am Ende des Jahres 1856 2,141,800
Einwohner. Bekannt ist die Dreiecksgestalt der Insel, die von
ihren drei Vorgebirgen Peiorum (jetzt Peloro) an der Nordost-
spitze, Pachynum (Passaro) im Süden und Lilybaeum (Boco)
im Westen, bei den Alten Trinacria hieß. (Vergleiche Ovids
Metamorphosen V. 346 ff.:
Vasta Giganteis ingesta est insula membris
Trinacris, et magnis subjectum molibus urget
Sidereas ausum sperare Typhoea sedes.
Nititur ille quidem pugnatque resurgere saepe:
Dextra sed Ausonio manus est subjecta Peloro,
Laeva, Pachyne, tibi; Lilybaeo crura tenentur;
Degravat Aetna caput; sub qua resupinus arenas
^Ejectat flammamque fero vomit ore Typhoeus.)
In der Mitte erhebt sich ein Gebirge, der heräische Berg-
rücken, welcher in 3 Armen bis zu den drei Vorgebirgen sich
verbreitet; seine größte Höhe erreicht das Gebirge an der Nord-
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
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Extrahierte Personennamen: Aetna
Extrahierte Ortsnamen: Schottland Oesterreich Ungarn Schweiz Deutschland Posen Breslau Kulm Trier Bayern Regensburg Würzburg Augsburg Speyer Hildesheim Baden Württemberg Hessen-Darmstadt Kurhessen Nassau Limburg Asien Afrika Amerika Südamerika Océanien Australien Europa Asien Afrika Nordamerika Südamerika Océanien Nordrußland Sicilien Sicilien Pachynum Lilybaeum_(Boco Laeva
19
in die Neichsacht. Damit war dieser rechtlos und verlor seine
Lehen wie auch sein Erbgut. Sofort fielen seine vielen Feinde über den
Geächteten her; aber der Löwe hielt ihnen jahrelang stand. In der
Nähe von Osnabrück, auf dem Haler Felde, besiegte er die westfälischen
Großen und nahm den Grafen von Tecklenburg gefangen, der ihm seit-
dem ein treuer Freund war. Als aber der Kaiser das Reichsheer aufbot,
mußte Heinrich sich beugen; er verlor Sachsen und Bayern, so daß ihm
nur seine Familiengüter, die Länder Braunschweig und Hannover, ver-
blieben, und mußte in die Verbannung gehen. Bayern erhielt Otto
von Wittelsbach, dessen Nachkommen dort heute noch regieren; Sachsen
wurde geteilt: Der Erzbischof von Köln erhielt die Bistümer Köln und
Paderborn, Bernhard von Askanien, Albrechts des Bären Sohn, das
östliche Sachsen. Doch machten viele Grasen, wie die von Tecklenburg
und Lingen, von Lippe, Oldenburg und Mecklenburg, sowie die Bischöfe
von Münster, Osnabrück, Minden, Verden und Magdeburg, die bisher
unter dem Sachsenherzoge gestanden hatten, sich bald stelbständig;
Lübeck wurde eine freie Reichsstadt. Später wurden auch die welsischen
Stammlande zu einem besonderen Herzogtume Braunschweig-Lüneburg
erhoben.
4. Kreuzzug Barbarossas. Friedrich Barbarossa hat sich um die
Stadt Osnabrück dadurch verdient gemacht, daß er ihr gestattete, sich
mit Mauern zu umgeben, und ihr das Recht verlieh, daß ihre Bürger
vor keinem anderen Richter zu erscheinen brauchten, als ihrem eigenen
oder dem des Kaisers. Gegen Ende seines Lebens unternahm Kaiser
Friedrich noch einen Kreuzzug; auch Bischof Arnold von Osnabrück
nebst vielen geistlichen und weltlichen Herren unseres Landes schlossen
sich ihm an. In Kleinasien mußte das Heer einen Fluß überschreiten,
der von Regengüssen hoch angeschwollen war. Deshalb suchte der Kaiser
eine Furt und wagte sich, als wäre er noch ein Jüngling, in die
Strömung, um schwimmend das andere Ufer zu erreichen. Aber mitten
im Fluß verließ ihn die Kraft, und er rief um Hülse. Wohl brachte
man ihn noch lebend ans Ufer, doch gleich daraus verschied er. In
Deutschland wollte man die Nachricht von dem Hinscheiden des Kaisers
nicht glauben, sondern erzählte, er sitze im Kyffhäuser und werde der-
einst wieder hervorkommen, um das Deutsche Reich in alter Herrlichkeit
wieder aufzurichten. Das Kreuzheer setzte seinen Weg fort; als aber
im folgenden Jahre auch des Kaisers Sohn starb, kehrten die meisten
wieder um. Bischof Arnold starb im heil. Lande an der Pest. Auch
an späteren Kreuzzügen haben sich Osnabrücker beteiligt; aber nur
wenige sind heimgekehrt, und diese brachten noch ansteckende Krankheiten,
wie den Aussatz, mit. Deshalb errichteten die Osnabrücker vor dem
Hasethore für solche Kranke das Siechenhans zur Süntelbeke, das jetzige
Hoshaus. — Auch Gras Otto Iv. von Bentheim nahm an diesem Kreuz-
zuge teil und kehrte glücklich zurück, während sein Bruder ans demselben
starb.
13. Albrecht der Dür; 1150.
Gleichzeitig mit Heinrich dem Löwen bekämpfte ein anderer
deutscher Fürst die Wenden an der mittleren Elbe: Albrecht der Bär,
2*
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TM Hauptwörter (100): [T37: [Friedrich Brandenburg Heinrich Herzog Sachsen Land Albrecht Kaiser Mark Johann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Otto
von_Wittelsbach Otto Bernhard_von_Askanien Albrechts Albrechts Barbarossas Barbarossas Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Friedrich Friedrich Arnold_von_Osnabrück Arnold Otto Albrecht Heinrich Heinrich Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Osnabrück Tecklenburg Sachsen Bayern Hannover Sachsen Paderborn Sachsen Tecklenburg Lingen Oldenburg Mecklenburg Minden Magdeburg Kleinasien Deutschland Deutsche_Reich Bentheim
47
Sobald int Frühjahr die Wege gangbar waren, eilte der Kurfürst
in die Mark. Da die Fußsoldaten ihm nicht so rasch zu folgen ver-
mochten, hatte er zuletzt nur 5600 Reiter mtd 13 Kanonen bei sich;
dennoch griff er das doppelt so starke schwedische Heer unter dem General
Wrangel bei Fehrbellin an. (1675.) Der Kurfürst leuchtete allen im
Kampfe voran. Als der Oberst eines Regiments fiel, stellte Friedrich
Wilhelnt sich selber an die Spitze, indem er rief: „Getrost, tapfere
Brandenburger! Ich, euer Kurfürst und jetzt euer Oberst, will mit
euch siegen oder sterben!" Einmal war er ganz von Feinden umringt
und schieit verloren ; aber neun Dragoner machten ihren geliebten Landes-
vater mit ihren Säbeln wieder frei. Der Stallmeister Froben fiel in
der Schlacht. Die Schtveden zogen sich zurück; der Kurfürst vertrieb sie
sogar aus ganz Pomtnern. Die Schlacht bei Fehrbellin setzte Fretlltd
und Feiltd in Erstaunen; Friedrich Wilhelm aber hieß seitdem der
Große Kurfürst.
6. Der Kurfürst als Christ. Der Große Kurfürst war ein frommer
evangelischer Christ; fein Wahlspruch war: „Gott ist meine Stärke."
Morgens und abends sprach er knieeitd fein Gebet; auf allen Reisen
trug er das Neue Testament und die Psalmen stets bei sich. Als
Ludlvig Xiv. die Evangelischen Frankreichs bedrückte, um sie zur Rück-
kehr zum katholischeit Glauben zu zwingen, bot der Kurfürst ihnen
Brandenburg als Zufluchtsstätte an. 20 000 folgten der Einladung,
unter ihnen viele geschickte Handwerker, Hut- und Uhrmacher, Gold-
schmiede, Seiden- und Samtweber; sie wurden für Braitdettburg von
großem Segen.
41. Ernst August I., Kifchof von Osnabrück
und Kurfürst von Hannover.
1. Des Bischofs Wirken im Frieden. Nach dem Tode des Bischofs
Franz Wilhelm wurde Ernst August aus dem welfischeit Hause Braun-
schwetg-Lüneburg Bischof von Osnabrück. Seilte Gentahlin war Sophie,
eine Tochter des Kurfürsten Friedrich Volt der Pfalz und Königs von
Böhmen; ihre Mittler war eine Tochter des Königs von England.
Der Bischof wurde hier mit großer Feierlichkeit elnpfangen und nahm
seinen Sitz in Iburg. Da er vermählt war mtd einen fürstlichen Hof-
hält führte, reichte das Jburger Schloß für ihn nicht aus; er erbaute
sich daher auf der Neustadt Osnabrück ein neues Schloß. Die Bürger
nutzten ihm auch gestatten, eine Besatzung in die Stadt zu legen. Da der
Bischof von Osnabrück mehrere Gogerichte (Kreise) im Ravensbergifchen
und der Kurfürst Volt Brandettburg als Graf von Ravensberg mehrere
im Bistum Osnabrück besaß und daraus oft Streitigkeiten entstanden,
so schloß Ernst Augltst mit dem Großen Kurfürsten einen Vertrag,
ttach welchen! die Gogerichte Bvrgholzhausen, Halle, Bünde und Enger
alt Ravensberg, dagegen die Gogerichte Buer, Dissen, Hilter, Laer und
Glandorf an Osnabrück überlassen wurden. Für den Schloßbau und
die Unterhaltung des fürstbischöflichen Hofes genügten die bisherigen Ein-
nahmen des Bischofs nicht. Es gab damals hier noch keine eigentliche
Steuer; sondern nach Notdurft erhob man eine Kopfsteuer, einen Bieh-
und einen Rauchfchatz, d. h. für jeden Eimvohner, für jedes Stück Vieh
TM Hauptwörter (50): [T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich
Wilhelnt Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Ernst August_I. Kifchof_von_Osnabrück Franz_Wilhelm Franz Wilhelm Ernst August Osnabrück Friedrich Friedrich Jburger_Schloß Osnabrück Ernst_Augltst Ernst
36
Als er im Alter auf Einladung des Grafen von Mansfeld nach Eis-
leben reiste, erkrankte er dort schwer. Kurz vor feinem Tode fragte ihn
ein Freund: „Ehrwürdiger Vater, wollt Ihr auf die Lehre Jesu, wie
ihr sie gepredigt habt, auch sterben?" — „Ja", antwortete Luther-
deutlich; daun entschlief er am 18. Februar 1546. Sein Leichnam
wurde in der Schloßkirche zu Wittenberg beigesetzt. — Zwingli fiel im
Kampfe für seinen Glauben; seine Lehre wurde von Calvin in Gens
weiter entwickelt und verbreitet. Ihre Anhänger nennt man Reformierte;
ihr wichtigstes Lehrbuch ist der Heidelberger Katechismus. Lutheraner und
Reformierte nennt man gemeinsam Evangelische. Reformierte wohnen be-
sonders in der Schweiz, den Niederlanden, Rheinlanden und in Kurhessen.
Auch die römische Kirche, die den Namen katholische, d. i. allgemeine,
seitdem allein führt, hat damals eine Reformation an Haupt ltitb Gliedern
durchgeführt. Die Bischöfe werden jetzt unter Zustimmung des Laudes-
herrn voll den Domgeistlichen gewählt und vorn Papste bestätigt; dieser
wird von den höchsten Geistlichen, den Kardinälen, gewählt.
31. Die Reformation im Regierungsbezirk Osnabrück.
1. Vergebliche Versuche. Schon in demselben Jahre, als Luther
vor dem Reichstage in Worms stand, predigte der Mönch Hecker, der
Luthers Lehrer in Erfurt gewesen war, im Augustinerkloster zu Osna-
brück in evangelischem Geiste, und mehrere Prediger der Stadtkirchen
folgten seinem Vorbilde. Acht Jahre lang wurden sie nicht gestört,
dann wurden die Stadtprediger auf Veranlassung des Domkapitels durch
den Bischof vertrieben; den greisen Hecker störte man nicht. Bald dar-
aus starb der Bischof; sein Nachfolger, Franz von Waldeck, war der
Reformation zugethan; ihre Einführung wurde aber durch die Unruhen
der Wiedertäufer in Münster verzögert. Die Wiedertäufer rühmten
sich, daß ihnen Gott in Gesprächen und Träumen seinen Willen offen-
bare ; daher achteten sie die Bibel gering. Sie verwarfen die Kinder-
taufe und die weltliche Obrigkeit, forderten Gütergemeinschaft und
wollten ein Reich aufrichten, das nur aus Wiedergeborenen bestände.
Durch List und Gewalt hatten sie die Stadt Münster in ihre Hände
gebracht und dort ein „himmlisches Jerusalem" mit Gütergemeinschaft
und Vielweiberei eingerichtet. Bon dort sandten sie Boten aus, um
auch andere Städte zu gewinnen. In Osnabrück fiel ihnen viel Volks
zu; aber der Rat sperrte sie in den Bocksturm und lieferte sie dem
Bischof aus, der zugleich Bischof von Münster war. Er setzte sie in
das Burgverlies zu Iburg und ließ sie dann enthaupten.
2. Hermann Bonnus. In Osnabrück duldete der Bischof die
evangelischen Prediger; er schenkte sogar das Augustiner- und das Bar-
füßerkloster, die säst leer standen, der Stadt. Auch gestattete er dem
Rat, den aus Quakenbrück gebürtigen Superintendenten Bonnus in
Lübeck einzuladen, hier die Reformation durchzuführen. Aul 2. Februar
1543 hielt dieser in der Marienkirche die erste evangelische Predigt;
dann predigte er auch in anderen Kirchen der Stadt, arbeitete eine
evangelische Kirchenordnung aus und richtete mit Hülfe des Rats im Bar-
füßerkloster ein evangelisches Gymnasium ein. Der Bischof ließ ihil
nach Iburg kommen, hörte erst von ihm eine evangelische, dann voll
einem Möilch eine katholische Predigt und beauftragte hierauf Bonnus,
auch in den Landkirchen beit evangelischen Gottesdienst einzurichten. Die
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Calvin Mönch_Hecker Franz_von_Waldeck Franz Hermann_Bonnus
42
verdorben. Dennoch atmeten die Evangelischen auf. Die evangelischen
Prediger und Lehrer wurden jetzt zurückgerufen, der evangelische Magi-
strat wieder eingesetzt. Die Schweden eroberten auch die Burgen zu
Fürstenau, Börden, Wittlage, Hunteburg, Gronenberg und Iburg. Die
Königin von Schweden verschenkte sogar das ganze Bistum an den
Grasen Gustavsvn. Bischof Franz Wilhelm suchte das Bistum zurück-
zugewinnen ; daher war es voll von Kriegsvolk und hatte viel zu leiden,
am meisten die Stadt Osnabrück. Handel und Gewerbe lagen danieder,
trotzdem mußte die Einquartierung unterhalten, die Kriegssteuer gezahlt
werden. Manche Bürger zahlten wöchentlich je 50 Mark. Ein Drittel
der Bürger waren umgekommen oder davongezogen. Wiederholt wurde
die Stadt vom Feinde umlagert; dabei ging das Kloster Gertrudenberg
in Flammen ans. Den Bürgern wurde das Vieh von der Wüste ge-
raubt ; als sie es dem Feinde wieder abnehmen wollten, wurden ihrer
70 erschlagen, die übrigen gefangen von dannen geschleppt. Die Kirch-
spiele Dissen, Hilter, Laer, Glandorf und Hagen waren schon zu Anfang
des Krieges vollständig ausgeplündert worden.
37. Die letzten Kriegsjahre; -er Friede: 1648.
1. Kriegsgrenel. Bald nach Gustav Adolfs Tode erlangten die
kaiserlichen Heere in Süddeutschland die Oberhand; deshalb fielen die
meisten evangelischen Fürsten von Schweden ab. Da trat Frankreich
offen auf die Seite der Schweden; infolgedessen währten die Kriegsgreuel
noch bis zum Jahre 1648. Auch die schwedischen Soldaten waren jetzt
ebenso roh wie die übrigen. Der ans Frauen, Kindern, Händlern und
Gaunern bestehende Troß eines Söldnerheeres war mindestens dreimal
so groß als das eigentliche Kriegsheer. Wohin ein solches Heer kam,
wurde alles Brauchbare mitgenommen: Eßwaren, Vieh, Geld, Geräte,
Betten, das ausgeraubte Hans meistens verbrannt. Die Bürger des
platten Landes vergruben daher ihre Wertsachen oder flüchteten mit ihrer
Habe in dichte Wälder oder unwegsame Moore. Am gefürchtetsten waren
die entlassenen Söldner. In manchen Gegenden rotteten sich auch die
Bauern zusammen, um sich zu verteidigen oder selber zu rauben und
zu morden.
2. Friedensschluß. Endlich einigte man sich dahin, daß die Ge-
sandten der deutschen Staaten und Städte mit den fremdländischen Ge-
sandten zusammen über den Frieden beraten sollten. In Münster wollte
man vorwiegend mit den Katholiken, in Osnabrück mit den Evangelischen
verhandeln. Beide Städte wurden für neutral erklärt; deshalb ver-
ließen die Schweden die Stadt Osnabrück, nachdem sie noch große Summen
erpreßt hatten; das Land blieb teils in den Händen der Schweden, teils
in denen des Bischofs. — Die Stadt Osnabrück hatte damals noch ein
fast ländliches Aussehen. Die Straßen waren meistens nngepflastert und
schmutzig, die Häuser einstöckig, nur für eine Familie eingerichtet; vor
vielen waren Schweineställe. Nur schwer fanden die Gesandten hier ein
Unterkommen. Die Verhandlungen fanden meistens in den Wohnungen
der Gesandten, größere Besprechungen im Friedenssaale statt. Nach
dreijähriger Verhandlung ward der Friede endlich am 24. Oktober 1648
in Münster unterzeichnet. Am folgenden Tage, einem Sonntage, brachte
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
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TM Hauptwörter (200): [T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T9: [Frieden Napoleon Krieg Kaiser Frankreich Friede Preußen Rußland Jahr Franz]]
Extrahierte Personennamen: Franz_Wilhelm Franz Wilhelm Hagen Kriegsgrenel Gustav_Adolfs Gustav Adolfs Hans Friedensschluß
43
der Bürgermeister von Münster die erfreuliche Nachricht nach Osnabrück.
Als nach der Kirche ein Ratsherr von der Treppe des Rathauses dem
Volke die Friedensbotschaft verkündete, bliesen die Spielleute vom Marien-
kirchturm : „Nun lob, mein Seel, den Herren", das ganze Volk stimmte
ein; vielen standen die Freudenthränen in den Augen. Ähnlicher Jubel
ward an vielen Orten laut; Paul Gerhardt sang damals: „Gott Lob,
nun ist erschollen das edle Fried- und Freudenwort". Die Osnabrücker
hatten schon vor dem Friedensschluß unter Führung ihres Bürgermeisters
Schepeler die verhaßte Petersburg zerstört.
3. Der westfälische Friede, so genannt, weil er in Westfalen ab-
geschlossen wurde, war für Deutschland schmachvoll und verderblich:
Fremde berieten über Deutschlands Geschick, er hat Deutschlands Ohn-
macht ans Jahrhunderte hinaus besiegelt. Frankreich behielt Metz, das
es schon früher geraubt hatte, und erhielt das Elsaß ohne Straßburg
dazu. Schweden erhielt außer einer Kriegsentschädigung Vorpommern,
sowie die Bistümer Bremen und Verden. Die Niederlande und die
Schweiz wurden von Deutschland getrennt. Jeder der 360 deutschen
Reichsstände — Fürsten und Städte — wurde selbständig, durfte Sol-
daten halten, Festungen bauen, Bündnisse schließen und Krieg führen,
nur nicht gegen Kaiser und Reich. Lutheraner und Reformierte sollten
fortan mit den Katholiken gleiche Rechte haben; doch konnte der Landes-
herr die Religion seiner Unterthanen bestimmen. Wer damit nicht zu-
frieden war, konnte auswandern.
4. Bischof Franz Wilhelm erhielt das Bistum Osnabrück zurück;
doch wurde bestimmt, daß nach seinem Tode stets ein weltlicher Bischof
ans dem Hause Braunschweig-Lüneburg (Hannover) mit einem katho-
lischen abwechseln solle. Für die Beaufsichtigung der evangelischen Kirche
des Bistums wurde in Osnabrück ein evangelisches Konsistorium eiu-
gerichtet. Auch wurde genau bestimmt, welche Kirchen des Bistums
katholisch, welche evangelisch sein sollten. Bischof Franz Wilhelm führte
jetzt auch den neuen, von Papst Gregor Xiii. verbesserten Kalender ein,
dagegen konnte er die Jesuitenschule nicht wieder einrichten und die
Petersburg nicht wieder aufbauen. Die Stadt Osnabrück behielt ihre
bisherige Selbständigkeit.
38. Folgen -es dreißigjährigen Krieges.
Deutschland hatte seine schönsten Grenzländer verloren; alle seine
Flußmündungen waren in den Händen der Fremden. Der Kaiser war von
dem Reichstage, in dem auch Schweden und Dänemark mit beraten und
beschließen dursten, vollständig abhängig. Das Reich war ohnmächtig,
ein Spott der Fremden, bald der Deutschen selber. Zwei Drittel aller
Deutschen waren durch das Schwert, durch Hunger und Pest umge-
kommen; ein ganzes Geschlecht war während des Krieges hingestorben,
das im Kriege ausgewachsene verwildert und verarmt. Wieviele Gold-
und Silbersachen waren eingeschmolzen oder ins Ausland geschleppt!
In fast allen Städten und Dörfern lagen Häuser und Höfe wüst und
verlassen; ganze Dörfer waren verschwunden. In Osnabrück war die
Zahl der Haushaltungen von etwa 1800 auf 800 zurückgegangen. Die
Felder waren vielfach mit Heide und Sträuchern bewachsen; den Land-
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Extrahierte Personennamen: Paul_Gerhardt Bürgermeisters
Schepeler Franz_Wilhelm Franz Wilhelm Franz_Wilhelm Franz Wilhelm Gregor_Xiii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Osnabrück Petersburg Westfalen Deutschland Deutschlands Deutschlands Frankreich Deutschland Bistum_Osnabrück Hannover Osnabrück Petersburg Deutschland Schweden Osnabrück
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haltsamkeit und durch ihre volkstümlichen Predigten gewonnen die Bettel-
mönche großen Anhang.
3. Einsiedler. Noch eindringlicher als die Bettelmöuche predigte
ein Einsiedler, Bruder Reiner, unsern Vätern Enthaltsamkeit. Er
stammte aus einer vornehmen holländischen Familie, kam im Anfang
des 13. Jahrhunderts nach Osnabrück und baute sich mit Erlaubnis
des Bischofs auf dem Domhvf eine Bretterhütte. Auf der bloßen
Haut trug er einen eisernen Ningelpanzer, darüber ein borstiges Ge-
wand, dessen Haare seine Haut zerstachen. Seine Zehen zwängte er in
eiserne Ringe; dabei geißelte er sich, daß er von Blut triefte. Er lebte
fast nur von Brot, Wasser ltub Gemüse; fast beständig lag er im Ge-
bet. Er sprach nur von göttlichen Dingen; um sich vor unnützen Reden
zu bewahren, trug er gewöhnlich einen Stein im Munde. Sein Lager
bestand aus Brettern, die mit etwas Stroh bedeckt waren; als Kissen
benutzte er einen Klotz. Solches Leben führte er 22 Jahre. Das Volk
verehrte ihn als einen Heiligen. Gleich nach seinem Tode erzählte es
von mancherlei Wundern, welche seine Leiche verrichtet haben sollte;
selbst aus Herford kamen Kranke, um an Reiners Grabe im Dome
Heilung zu finden.
20. Fehden; Johann von Hoya.
1. Fehden. Jeder freie deutsche Mann durfte in alter Zeit sich
selber Recht schaffen; im Mittelalter machten hiervon noch die Ritter,
Grafen, Bischöfe und Städte Gebrauch. Glaubte z. B. ein Ritter, ihm
sei von einem andern Unrecht geschehen, so sagte er ihm die Fehde an.
Dann zog er mit seinen Mannen vor die feindliche Burg oder Stadt,
mit Sturmböcken suchte man die Thore oder Mauern einzurennen, mit
Wursmaschinen schlenderte man schwere Steine über die Mauer, suchte
mittels Sturmleitern die Mauern zu erklimmen und durch brennende
Pechkränze oder glühende Pfeile die Häuser zu entzünden. Die Be-
lagerten verteidigten sich hinter den Zinnen und auf den Türmen der
Mauern, schleuderten Pfeile, Speere und Steine ans die Angreifer, oder
begossen sie mit siedendem Pech und Wasser. Der Besiegte mußte oft
jahrelang in ungesundem Gefängnis schmachten, bevor er durch hohes
Lösegeld, durch Abtretung von Vorrechten, Land und Burgen seine Frei-
heit wiedererlangte. Seit dem 13. Jahrhundert herrschte in Deutschland
wohl niemals vollständiger Friede; auch in Westfalen nahmen die
Raufereien zwischen den Grasen, Bischöfen und Städten fast kein Ende.
Gar oft wurde eine Fehde nur ans Beutegier begonnen. Der Gras
voll Tecklenburg raubte einst ans der Gegend von Meppen 600 Kühe,
über 1000 Schafe, außerdem Pferde uitb Schweine. In einer Fehde
zwischen Osnabrück und Münster verlor unser Bischof Ludwig auf dem
Haler Felde sogar das Leben.
2. Johann von Hoya. Die Stadt Osnabrück geriet 1440 in
Streit mit Bischof Erich; deshalb verbündete dieser sich mit seinem
Bruder, dem Grasen Johann von Hoya, mit einem anderen Bruder,
der Bischof von Minden war, sowie mit den Herzögen von Brannschweig
und sagte der Stadt die Fehde an. Gras Johann und der Bischof
raubten den Bürgern das Vieh von der Weide und führten es nach
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Extrahierte Personennamen: Reiners Johann_von_Hoya Johann Ludwig Ludwig Johann_von_Hoya Johann Erich Johann_von_Hoya Johann Johann
Extrahierte Ortsnamen: Osnabrück Domhvf Herford Deutschland Westfalen Tecklenburg Meppen Minden
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Drei Jahre nach seinem Regierungsantritt brach in Frankreich eine
Revolution oder Staatsumwälzung aus, von der auch unser Vaterland
schwer zu leiden hatte. Die Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit
wurden abgeschafft, und die französische Königsfamilie gefangen gesetzt.
Frankreich in eine Republik verwandelt. Selbst die Religion wurde
aufgehoben, das Kirchenvermögen für Staatseigentum erklärt. Daher
vereinigten sich die Nachbarsürsten, um dem Könige von Frankreich zu
Helsen lmb die Revolution von ihrem eigenen Lande fern zu halten.
Aber ihre Uneinigkeit und Unentschlossenheit verschaffte den Franzosen
den Sieg; sie enthaupteten den König und die Königin und eroberten
sogar die Niederlande. Deshalb zog sich Friedrich Wilhelm vom Kriege
zurück; bald nachher starb er.
50. Ende -es Kistums Osnabrück; Keginn -er
Fremdherrschaft.
1. Kriegsunruhen. Die Nachricht von der Aufhebung der Standes-
unterschiede in Frankreich belebte die Hoffnung der Bauern auch in
anderen Ländern und verleitete sie sogar zu Gewaltthätigkeiten. Als
Herr von Hammerstein in Gesmold einen Müller mit Unrecht — wie
das Volk meinte — in den Turm geworfen hatte, überfielen die be-
nachbarten Bauern Gesmold, rissen den Turm nieder und befreiten den
Müller. Auch an anderen Orten gärte es unter den Bauern; in Os-
nabrück empörten sich die Handwerksgesellen. An dem Kriege gegen die
französische Revolution beteiligte sich auch England; der Führer des
englisch-hannoverschen Heeres in den Niederlanden war unser Bischof
Friedrich. Ein Teil des hannoverschen Heeres wurde von den Franzosen
in der kleinen Festung Menin belagert; als die Besatzung sich nicht
mehr halten konnte, schlug sie sich nach einem von dem Hauptmann
Scharnhorst entworfenen Plane durch das zehnmal so große Belage-
rungsheer. Im ganzen aber blieben die Franzosen Sieger, sie ver-
drängten das englisch-hannoversche Heer aus den Niederlanden und
hatten schon Bentheim erobert, als Preußen Frieden schloß uiib da-
durch auch unser Land für neutral erklärt wurde.
2. Aufhebung des Bistums. Dieser Friede befreite unser Bistum
auch von der lästigen englischen Einquartierung und die Stadt Osna-
brück von den vielen französischen und niederländischen Flüchtlingen. Das
Bistum hatte damals nur 180 000 Einwohner; die Hauptstadt zählte
nur 8500 und war für die Aufnahme so vieler Fremden nicht einge-
richtet. Fast alle Häuser boten nur einer Familie Raum; erst infolge
dieses Fremdenzustusses sing man an, abends die Straße zu erleuchten,
die Straßennamen anzubringen und die Häuser mit Nummern zu ver-
sehen. Zu beiden Seiten erhielten die Straßen jetzt Fußsteige und
Gassen; damit verschwanden die große Gosse in der Mitte, die Dünger-
haufen und Holzlager vor den Häusern, sowie die Tische unter den
Fenstern, auf denen die Gewerbetreibenden bis dahin ihre Waren feil-
geboten hatten. Die Franzosen führten indes den Krieg gegen ihre
übrigen Feinde fort. General Bonaparte unterwarf Italien, besiegte
den Kaiser und zwang ihn, das ganze linke Rheinufer an Frankreich
abzutreten. Die deutschen Fürsten, welche dadurch Land verloren, wnr-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Kistums_Osnabrück Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Frankreich Niederlande Frankreich Gesmold England Niederlanden Niederlanden Bentheim Italien Frankreich