1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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416 Erstes Kapitel.
Kreis Wetzlar im Osten und die Hohenzollernschen Laude (Regierungsbezirk
Sigmaringen) im Südosteu.
Der Hauptteil grenzt im Westen an die Königreiche der Niederlande und
Belgien sowie an das mit den Niederlanden verbundene Großherzogtum Luxem-
bürg, im Südwesten an das Reichsland Elsaß-Lothringen, im Südosten an die
bayrische Oberpfalz und Rheinhessen, im Osten an die Provinz Hessen-Nassau, im
Nordosten an die Provinz Westfalen und im Norden noch eine kleine Strecke weit
an die Provinz Westfalen. Im Süden umschließt die Provinz das oldenburgische
Fürstentum Birkenfeld. Die Exklave Wetzlar wird von Gebieten der Provinz Hessen-
Nassau und des Großherzogtums Hessen umschlossen, der Bezirk Sigmaringen von
Gebieten des Königreichs Württemberg und des Großherzogtums Baden.
Die Provinz hat znr Hauptstadt Koblenz und zerfällt in die sechs
Regierungsbezirke Koblenz, Düsseldorf, Köln, Trier, Aachen und Sigmaringen.
Die älteste Geschichte dieser Gegenden läßt uns in der Provinz am
linken Rheinufer die Trevirer (an der Mosel) und die Eburonen (in der Maas-
gegend), beide zu den Velgen gehörig, am rechten Rheinufer in der Reihen-
folge von Süden nach Norden die Mattiaker (zwischen Main und Lahn), die
Bataver, Usipeter und Tenchterer finden. Seit Cäsar waren die Römer be-
müht, auf beiden Seiten des Rheinstromes ihre Herrschaft zu begründen, doch
gelang ihnen dies für längere Zeit nur anf dem linksrheinischen Gebiete,
welches daher auch der römischen Kultur in vollstem Maße teilhaftig wurde.
Beim Verfalle des römischen Reiches gelangte das Gebiet der Provinz unter
die Botmäßigkeit der Franken und hatte uameutlich unter den karolingischen
Königen eine große Bedeutung. Bei der Teilung des Frankenreiches fiel
anfangs (im Vertrage zu Verdun 843) nur der östliche, später (im Vertrage
zu Mersen 870) jedoch auch der westliche Teil der Provinz an Deutschland
(Ostfranken). Das linksrheinische Gebiet zerfiel seit Otto I. in die Herzog-
tümer Oberlothringen (im Süden) und Niederlothringen (im Norden). Während
des später eintretenden Verfalls des Lehnswesens und der kaiserlichen Macht
kamen 'auch im Rheinlande viele, zum Teil kleine Herrschaften ans; die hervor-
ragendste Bedeutung unter denselben behaupteten aber die Erzbistümer Köln
und Trier, die Herzogtümer Jülich, Kleve Berg, die Abteien Essen, Werden.
Auch in dieser Zeit behielten die Rheinlands eine hervorragende Bedeutung im
deutscheu Lande und überstanden selbst die trübsten Zeiten verhältnismäßig
leicht. Nachdem durch die jülich-klevesche Erbschaft Preußen am Niederrheine
festen Fuß gefaßt hatte, ging durch den Baseler Frieden (1795) das linke
Rheinnfer an Frankreich verloren. Nach dem Sturze der napoleonischen Ge-
Weltherrschaft wurde (im Winter 1815/16) die gegenwärtige preußische Rheiu-
Provinz gebildet, welche anfangs noch einen Regierungsbezirk mehr hatte (Kleve).
In der Römerzeit entstanden seit der Herrschaft des Auguftus am Rheine zahl-
reiche Kastelle, welche sich allmählich zu blühenden Städten entwickelten. Spätere
römische Kaiser (Konstantin I., Konstantin Ii., Konstans, Konstantins, Valentinian I.,
Gratian, Valentinian Ii.) residierten in diesem Gebiete längere Zeit, besonders zu
Trier: der Weiustock und edlere Obst- und Gemüsearten wurden eingeführt; zahl-
reiche Bauten entstanden (Brücken, Wasserleitungen, Bäder, Thore, Heerstraßen). -
Von den Karolingern war schon Pipin v. Heristal den Rheinlanden günstig gesinnt;
den höchsten Glanz gewannen dieselben jedoch durch Karl den Großen, der besonders
gern in Aachen residierte. — Während der territorialen Zersplitterung des späteren
Mittelalters blühten im Rheinlande viele Städte durch Handel, Verkehr und Gewerb-
sleiß, zahlreiche Grafen und Ritter gründeten hier, besonders am Strome selbst und
an dessen Nebenflüssen, ihre festen Schlösser, und lange Zeit noch pulsierte gerade
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426 Erstes Kapitel.
Eisenhüttenwerk), Brachbach; ferner zwischen Sieg und Heller, bei Betzdorf (an
der Mündung der Heller in die Sieg, Bahnkreuzung, Eisenhütte, Fabrikation von
Maschinen, Leder und Leinwand, Steinbrüche; in der Nähe die Baumwollenspinnerei
Struth), Alsdorf, Grünebach (Eisenhütte), Gebhardshain (reiche Lager von
Eisenglanz und Brauneisenstein), Daaden (Bergrevier), Herdorf an der Heller
(Bahnstation, außer den sehr bedeutenden Eisengruben auch zwei wichtige Eisen-
Hüttenwerke), Friesenhagen (auch Eisenhütten, die dem Grafen V. Wildenburg-
Schönstein gehören: Sitz desselben das nahe Schloß Wildenburg), Steeg an der
Wisse (auch Eisenhütte), Bei Wehbach ein Eisenwalzwerk und eine Baumwollen-
spinnerei (Jungthal), Bei Niederfischbach außer Eisenerz- auch Bleigruben.
In einiger Entfernung zwischen Hessen-nassauischem und großherzoglich-hessischem
Gebiete liegt der Kreis Wetzlar, an der Lahn und Dill; das Acker- und Gartenland
(40,g Proz.) steht hinter dem Waldboden zurück (über 42 Proz.)' ausgedehnt sind
auch die Wiesen (über 10 Proz.); die Bevölkerung ist fast ganz evangelisch. Bestand-
teile des Kreises sind die ehemalige freie Reichsstadt Wetzlar und die Standesherr-
schasten Solms-Braunfels und Solms-Hohensolms-Lich. Darin: Wetzlar, Kreisstadt
und Eisenbahnkreuzungspunkt am Einflüsse der Dill in die Lahn, 7783 Einwohner
(größtenteils evangelisch). Gymnasium, Bergrevier, Domkirche (teils evangelisch, teils
katholisch), bedeutende Loh- und Wcißgerberei und Handschuhfabrikation, Seifen-
siederei und Färberei; bedeutende Eisengießereien; Fabrikation optischer Instrumente:
im ganzen Kreise sehr reiche Eisensteingruben; außerdem Branntweinbrennereien
und Bierbrauereien, Getreidehaudel, Reichsbanknebenstelle; Obst- und Gemüsebau,
In der alten freien Reichsstadt befand sich ^lange das Reickskammergericht (1691 bis
1806); Erinnerung an Goethe; Sieg der Österreicher über die Franzosen (1796). —
Eisenerzgruben finden sich in Grabenheim, Nieder- und Oberkleen, Nau-
boru, Burgsolms, Leun, Nieder- und Oberbiel, Aßlar (Eisenhütte), Eh-
ringshausen, Stockhausen ?e. Bei Oberndors an der Solms liegt die Burg-
ruine Dahlheim. — Braunfels, Stadt am Jsarbache, 1626 Einwohner. Schloß
und Standesherrschaft des Fürsten v, Solms-Braunfels mit bedeutenden Eisenstein-
gruben. — Hohensolms, Flecken; Schloß und Standesherrschaft des Fürsten
v, Solms-Hohensolms-Lich.
Der Kreis St. Goar liegt rechts von der unteren Mosel und am linken Rhein-
user, zieht sich zum Huusrück hinein und bildet eine an Ruinen reiche, herrliche
Landschaft, welche zwar verhältnismäßig wenig Acker- und Gartenland (gegen
30 Proz.), dagegen viel Wald (über 50 Proz.) und auch ziemlich viel Wiesen (gegen
8 Proz.) und Weinberge (fast 3 Proz.) besitzt; über */5 der Bevölkerung ist katholisch.
Außer der Grafschaft Katzenellenbogen umschließt der Kreis ehemalige Gebiete von
Kurtrier und der Rheinpfalz. Darin: St. Goar, herrlich gelegene Kreisstadt und
Bahnstation am Rheine, 1453 Einwohner. Starker Obst- und Weinbau, Schiffahrt
und Salmfang; über der Stadt die Ruinen der großartigen Burg Rheinfels (1245
erbaut, 1797 von den Franzosen zerstört). St. Goar entstand um die Kapelle des
heiligen Goar v. Aquitanien (570 erbaut). — Das Dorf Werlau mit Kupfer- und
Bleierzgrube. — Boppard, Stadt und Bahnstation am linken Rheinufer, unter-
halb St. Goar. Realprogymnasium, katholisches Schullehrerseminar, Besserungsanstalt
(ehemaliges Kloster St. Martin); Zigarrenfabrikation. Bedeutender Obst- und Wein-
bau und Zwiebelhandel; Schiffahrt. In der Nähe die Kaltwasserheilanstalten Marien-
berg (ehemalige Reichsabteil und Mühlenbad. — Salzig, mit Wein- und Obstbau.
— Oberwesel, Stadt und Bahnstation oberhalb St. Goar am Rhein, 2545 Ein-
wohner (meist katholisch). Alte Frauenkirche; Weinbau, Salmenfang, Schieferbruch.
Ehemalige freie Reichsstadt, noch jetzt von Mauern und Türmen umgeben und von
der Ruine Schönburg überragt. — Bacharach, Stadt und Bahnstation, weiter
rheinaufwärts, 1686 Einwohner. Weinbau, Weinhandel, Laubsägenfabrikation; Ruine
der Weruerkapelle und der Burg Stahlcck (1156 — 1253 Residenz der Pfalzgrafen).
Weitere Weinorte sind: Steeg (der treffliche „Steeger"), Oberdiebach (Ruine
Fürstenberg), Ober- und Niederheimbach (Burgruine Hohneck oder Heimburg),
Trechtiughaufen (schöne Ruine Sooneck und Schloß Rheinstein, von Prinz Friedrich
v. Preußen wiederhergestellt, sowie Ruine Reichenstein), Brodenbach, an der Mosel
(schöne Ruine Ehrenburg). Eisenerzlager finden sich bei Niedergondershausen,
Alken (Ruine Thurand, Weinbau), Ober- und Niederfell.
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674 Drittes Kapitel.
Dorf Mackweiler mit den Ruinen eines römischen Bades und Steinbrüchen. —
Saarunion, Stadt und Bahnstation an der Saar, 3189 Einwohner. Strohhut-
flechterei; bis 1793 zu Nassau-Weilburg gehörig. — Das Dorf Saarwerden an
der Saar war früher Hauptort der Grafschaft gleichen Namens. — Das Dorf Alt-
weiler mit Bad. Weinbau wird betrieben in den Dörfern Dettweiler an der
Zorn, Burbach, Jmsweiler, Kirchweiler.
Der Regierungsbezirk Ober-Elsaß.
Der Kreis Golmar liegt an der Jll, dem Rhein-Rhonekanal und an der Fecht
und erstreckt sich vom Rheine bis zur französischen Grenze; Acker- und Gartenland
umfassen gegen 44, Wiesen 10, Weinpslanzungen 4,7 und Waldungen 28 Proz.;
nicht ganz V3 der Bevölkerung ist evangelisch. Darin: Golmar im Elsaß, Haupt-
stadt des Bezirks, Kreisstadt und Eisenbahnknotenpunkt an der Lauch und dem
Logelbache, 30400 Einwohner (1890). Bezirkspräsidium, Kreisdirektion, Oberlandes-,
Land- und Schwurgericht sowie Kammer für Handelssachen; Forstdirektion; eine
evangelische und zwei katholische Kirchen (zu letzteren Münster St. Martin); Gym-
nasium mit Realschule, simultanes und katholisches Schullehrerseminar, Museum (Ge-
mäldesammlnng und Bibliothek, in dem ehemaligen Dominikanerkloster Unterlinden),
Waisenhaus, Bürgerhospital; Getreidehalle (ehemalige Dominikanerkirche). Präch-
tiges Bezirkspräsidialgebäude (Park), Oberlandesgerichtsgebäude; Bezirksgefängnis.
An die enge und unregelmäßige Altstadt schließt sich (nach dem Bahnhofe zu) die
schöne Neustadt mit dem „Marsfelde" und den Standbildern des Generals Rapp und
Admirals Bruat. Bedeutende Industrie: Große Baumwollspinnereien und -Webe-
reien ; Fabrikation von Gänseleberpasteten, Wagen und Maschinen; Gerberei, Glocken-
gießerei und Bierbrauerei; Sägewerke. In der flachen, fruchtbaren Umgegend er-
giebiger Acker-, Garten- und Weinbau; lebhafter Handel (Wein, Getreide, Holz,
Kolonialwaren :e.); Handelskammer. Zu der Stadt gehört der Fabrikort Logel-
bach am gleichnamigen Bache; Schlacht „auf dem Lügenfelde" (833), freie Reichs-
stadt (seit 1226), französisch seit 1680; Geburtsort des Fabeldichters Psessel (1736,
Denkmal). — Horburg, Dorf an der Jll; ehemaliger Hauptort der gleichnamigen
Grafschaft. — Neubreisach, Stadt, Festung und Bahnstation am Rhein-Rhone-
und Neubreisacher Kanal, 3058 Einwohner (1890). Von Ludwig dem Xiv. an-
gelegt, als er Altbreisach wieder hatte zurückgeben müssen (1699); Kapitulation am
10. November 1870. — Winzenheim, schön gelegene Stadt am Eingange des
Münsterthales, 3735 Einwohner. Eisengießerei, Baumwollenspinnerei und -Weberei,
Bierbrauerei; Weinbau, Steinbrüche. In der Nähe die Ruinen Hohenlandsberg
(Aussicht) und Plixburg sowie die Wilspenschlucht. — Egisheim, Flecken und Bahn-
station am Wasgenwalde; großartige Ruine „Drei-Exen" (oder „drei Türme"); Wein-
bau. — Türkheim im Elsaß, Stadt und Bahnstation an der Fecht und am Ein-
gange des Münsterthales, 2542 Einwohner. Papierfabrikation, Baumwollenspinnerei,
Weinbau (gurer Rotwein); Aussichtspunkt „Drei-Ähren." Früher Reichsstadt, Sieg
Tnrennes (1675). — Münster im Elsaß, schön gelegene Stadt und Bahnstation im
Münster- (oder Georgien-) thale, an der Fecht, 5389 Einwohner. Hauptzollamt,
Realschule; große Baumwollenspinnerei und -Weberei, sowie Bleicherei (große Fabrik
von Hartmann mit Mustereinrichtungen für Arbeiter); Holzhandel. In der Um-
gegend großartige Waldungen sowie viele Sennhütten mit Alpenwirtschaft („Münster-
käse"). Der größte Teil des Münsterthales gehörte der ehemaligen freien Reichsstadt
Münster (Mitglied des „Zehn-Städtebundes"), die sich der Reformation anschloß,
Ehemalige Benediktmerabtei (von 634). Schönheiten des Münsterthales. Sulz-
bach, Dorf am gleichnamigen Bache, schön gelegener Badeort; Ruinen Haneck,
Schrankenfels und Hohenhattstatt. — Wasserburg, Dorf am Sulzbache, Baum-
wollenweberei, Ruine. — Stoßweier, Dorf im Kleinbachthale, mit Baumwollen-
fpinnerei und -Weberei, sowie Bleichen; Fabrikation von Holzschuhen und Käsen.
Berühmte Straße, die westwärts durch die Schlucht nach Frankreich führt. — In
dem Kreise mehrfach noch Baumwollenspinnerei und -Weberei, z. B. in den Dörfern
Günsbach, Breitenbach, Mühlbach, Metzeral und Sondernach an der
Fecht (alle im Münsterthale).
Der Kreis Altkirch liegt im Süden des Bezirkes, an den Jllqnellen; das
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664 Drittes Kapitel.
die neue Lehre bald eine heftige Reaktion, geführt von den Bischöfen von
Metz, Tonl und Verdun. Hierdurch wurden die Protestanten zum Anschlüsse
an Frankreich bewogen, durch welchen die Gebiete Metz, Tonl und Verdun dem
Deutschen Reiche verloren gingen (bestätigt durch den Passauer Vertrag, 1552).
Nachdem dann durch den Dreißigjährigen Krieg die Besitzungen und Rechte des
Hauses Habsburg an Frankreich übergegangen waren, wußte sich Ludwig Xiv.
in der allerunredlichsten Weise in den Besitz der noch selbständigen Teile des
Elsasses (vor allem auch Straßburgs, 1681) zu setzen (durch deu Frieden von
Ryswijk 1697 bestätigt). Durch deu Polnischen Erbfolgekrieg gewann Frank-
reich dann auch Lothringen, welches durch den Herzog Franz Stephan, den
Gemahl Maria Theresias, an den Schwiegervater Ludwigs Xv., Stanislaus
Lesziusky von Polen, abgetreten und nach dessen Tode (1766) in Frankreich
einverleibt wurde. Die Bewohner hatten unter französischer Herrschast ziemlich
entschieden das deutsche Wesen und die deutsche Sprache festgehalten, doch war
in letzter Zeit das Franzosentnm in deutlicher Zunahme begriffen. Der Krieg
von 1870/71 befreite das Land von der französischen Gewaltherrschaft (Frank-
furter Friede, 10. Mai 1871); vom Elsaß blieb namentlich nur Belfort mit
Umgegend bei Frankreich. Das gewonnene Gebiet wurde unmittelbares Reichs-
land (Reichsgesetz vom 9. Juni 1871).
Das Christentum wurde im Elsaß durch den Herzog Etticho eingeführt; für
dasselbe war besonders auch dessen Tochter Ottilia, die Schutzheilige des Elsasses
und Begründerin des Klosters Hohenburg auf dem Ottilienberge, thätig. Der Name
Elsaß wird als „Land der seßhaften Alemannen" oder besser als das „Land der
Sassen am Jll" gedeutet. In Lothringen hatte sich wohl schon zu Anfang des
6. Jahrhunderts eine Sprachgrenze derartig vollzogen, daß der von Alemannen
nicht besetzte südliche Teil verwelschte, während der nördliche germanisch blieb. Der
lothringische Herzog Giselbert, welcher sich Frankreich angeschlossen hatte, wurde durch
König Heinrich I. gewonnen (dann Gemahl der Tochter des Königs Gerberga).
Später finden wir Lothringen in zwei Gebiete (Ober- und Unterlothringen) geteilt.
Kaiser Karl Iv. vereinigte 1354 die freien Städte des Elsasses (außer Straßburg
die Städte Weißenburg, Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Oberehnheim, Rosheim, Mül-
Hausen, Kaysersberg, Türkheim und Münster) in den „Bund der zehen Städte." Die
Schirmherrschaft über dieselben sowie die Rechte von Landgrafen im Elsaß übten
schon früh die Habsburger aus. In den Besitz von Metz, Toul und Verdun gelangte
König Heinrich Ii. besonders durch das Bündnis mit Kurfürst Moritz von Sachsen;
er spielte sich übrigens als „Schützer der deutschen Freiheit" auf. Der letzte Herzog
von Lothringen, welcher später als Franz I. die deutsche Krone trug, gab sein Land
dem Erbfeinde Deutschlands preis, um für dasselbe das italienische Land Toscana
zu erhalten. Nach der Besitznahme des Landes durch Frankreich haben namentlich
die Landbewohner in Elsaß-Lothringen die deutschen Einrichtungen, Sitten und Ge-
bräuche festgehalten; daß sich in dem jetzigen Jahrhundert das Franzosentum, nament-
lich in den Städten, stark verbreitete, hatte besonders in der Zerrissenheit Deutsch-
lands seinen Grund; trotzdem hat sich die deutsche Sprache in Predigt und
Kinderlehre bis zum Jahre 1870 auf dem Lande fast überall erhalten.
Der östliche Teil vom Elsaß gehört zur oberrheinischen Tiefebene, der
westliche enthält die Ostabhänge des Wasgeuwaldes. Züge des letzteren bilden
die Grenze gegen Lothringen, welches seinerseits ein Hochland darstellt.
Im südlichsten Teile vom Elsaß finden sich Ausläufer des Schweizerischen Juras
bis zum Passe von Belsort hin. Jenseit desselben erhebt sich das Gebirge des Was-
genwaldes als eine Kette aneinander hängender Berge und Höhen. Dasselbe wird
durch das Markircher Thal in eine südliche und eine nördliche Abteilung geschieden.
Die erstere bildet größtenteils ein llrgebirge aus Granit, Gneis, Syenit, Porphyr
und Melaphyr, welchen nur bisweilen Grauwacke, Rotliegendes und Sandstein an-
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Die Bevölkerung. 59
An Romanen umschloß unser Vaterland bis 1870 außer einigen französi-
schen Kolonien sin Berlin, Magdeburg, Halle ic.) nur eine Anzahl Wallonen
(10000) im Westen des Regierungsbezirks Äachen (Malmedy und Umgegend); seit-
dem ist durch die Einverleibung von Elsaß-Lothringen die Gesamtheit der Romanen
auf etwa 250000 gewachsen. Von der schweizerischen Grenze bis zum Reisberge im
Wasgenwalde entspricht die Landesgrenze fast genau der Sprachgrenze: weiter nörd-
lich finden sich im Wasgenwalde nur einzelne kleine französische Distrikte. Während
so das Elsaß also fast ganz dem deutschen Elemente anheimfällt, läuft in Lothringen
die Grenzlinie zwischen dem deutschen und französischen Elemente von Bixingen
über Dieuze nach Dudenhofen, so daß namentlich die Stadt und der Landkreis Metz
und der größte Teil des Kreises Chateau-Salins dem französischen Sprachgebiete
anheimfallen. In neuerer Zeit gestalten sich durch starke Einwanderung von Reichs-
deutschen und ebenso bedeutende Auswanderung von Franzosen in Metz selbst die
Verhältnisse wesentlich günstiger, weniger ist das auf dem Lande der Fall.
Vorhanden sind gegenwärtig etwa:
Polen und Kaffubeu. . . 2600000 Litauer.......... 145000
Wenden.......... 140000 Dänen........... 110000
Tschechen......... 50000 Franzosen und Wallonen 250000
Gesamtsumme der Nichtdeutschen .... 3295000
Deutsche.................. 43560704
Summa der Gesamtbevölkerung (1885) 46 855 704.
§ 8. Die Religionsverhältnisse.
Die Religion der alten Germanen beruhte auf dem alten indischen
Göttersystem, das jedoch im Laufe der Zeit mannigfach getrübt und verschoben
worden war. An der Spitze aller Göttergestalten stand Wnotan (Wodan.
Odin), in welchem der ungebrochene, sieghafte, todverachtende Heldengeist per-
sonifiziert und zum höchsten Gegenstande der Verehrung und des ganzen sitt-
lichen Strebens gemacht war. Am Ende aller Dinge stand ein vergeltendes
Weltende. Um Wuotau scharten sich die Asen, die leuchtenden Herrscher der
Welt, die sie geschaffen und mit der sie wieder vergehen sollten; aber auch die
mannhaften Helden wurden ihm von den Walküren zugeführt, um seine Ge-
nossen in Walhalla zu werden. Neben den Asen aber walteten die Vanen,
die Gottheiten der Liebe, der Fruchtbarkeit und des Friedens, über der er-
schaffenen Erde, während sich die Thurseu (Riesen) als Vertreter der rohen
Urkräste der Herrschaft der Asen feindlich entgegenstellten.
Dieser altgermanische Glaube geriet unter der Berührung mit den Kultur-
Völkern der alten Welt, ebenso wie die deutsche Sitte, allmählich ins Wanken;
das Christentum führte eine Neubildung und Neugestaltuug des ganzen ger-
manischen Lebens herbei. Anfangs zum Teil höchst hartnäckig bekämpft und
verhältnismäßig spät, namentlich durch britische Sendlings, und znletzt durch
das Schwert Karls des Großen verbreitet, wurde die christliche Religion von
dem deutschen Volke mit großer Wärme erfaßt, so daß gerade auf deutschem
Boden später auch die Rückkehr zu der ursprünglichen Lehre Christi und seiner
Apostel errungen wurde. Die Reformatio» bewirkte eine religiöse Spaltung
im deutschen Volke, indem im Süden unsres Vaterlandes der Katholizismus
teils die Herrschaft behielt, teils später wiedergewann, während der größere
nördliche Teil das evangelische Bekenntnis annahm und bewahrte. Noch jetzt
ergeben sich die Folgen des früher geltenden Grundsatzes „cujus regio, ejus
religio" in vielen Teilen des Reiches dadurch, daß sich iumitteu eines im
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74 Sechstes Kapitel.
eine sehr starke Einfuhr notwendig, um den Bedarf der Bevölkerung an Körner-
nahrnng zu decken. Uuter den Getreidearten nimmt wiederum der Roggen
die erste Stelle ein, welchem im Jahre 1887: 5 842 280 ha gewidmet waren,
die 1887 pro Hektar einen Durchschnittsertrag von 1,09 (0,99 im Durchschnitt der
letzten Jahre) Tonnen (ä 1000 kg) und überhaupt: 6375734 Tonnen ergaben.
Der Roggenbau nahm 1883 10,8 Proz. der Gesamtfläche und 22,2 Proz.
der Ackerfläche in Anspruch; er sindet sich namentlich in Norddeutschland, und zwar
mehr im Osten als im Westen der Elbe. Hier sind die Hauptroggenländer die
Königreiche Sachsen und Preußen, sowie die Großherzogtümer Mecklenburg. In
Sachsen betrug während der letzten Jahre die Fläche ca. 14,9, in Preußen 12,8, in
Mecklenburg 12,i Proz. Dagegen in Bayern nur 6„ , in Baden 3,2, in Elsaß-
Lothringen 2,8 und in Württemberg gar nur 2,0 Proz. In allerletzter Zeit scheint
der Roggenbau in Elsaß-Lothringen erheblich zuzunehmen. Im Königreich Preußen
sind die Provinzen Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen
und die Regierungsbezirke Hannover, Lüneburg, Hildesheim, Osnabrück, Münster,
Minden, Kassel, Düsseldorf und Köln für den Roggenbau von hervorragender
Bedeutung.
Dem Weizen bau, der sich ans die srnchtbarereu Laudesteile beschränkt,
waren 1887 im Deutschen Reiche 1 919682 ha mit einem Dnrchschnitts-
ertrage von 1,47 Tonneu pro ha gewidmet; die Erute betrug im geuauuteu
Jahre innerhalb des ganzen Reiches 2830 804 Tonnen.
Das Deutsche Reich hat Weizenland ungefähr nur im ganzen 3,6 (7,4 Proz.
der Ackerfläche), Preußen 2,9, Württemberg 1,,, Bayern dagegen 3,5 Proz. der Ge-
samtfläche. Als Weizengegenden sind besonders zu nennen: das untere Weichselthal
in der Gegend von Marienburg, das südliche Schlesien von Liegnitz bis Leobschütz,
der südliche Teil des Regieruugsbezirks Magdeburg in der Gegend von Halberstadt,
das oldenburgische Gebiet in Holstein, die Gegend von Soest und Hamm in West-
salen, das linksrheinische Tiefland von Düren bis Krefeld, die rheinhesfische Land-
schaft von Alzei über Mainz bis Friedeberg, die Donaugegeud in Niederbayern,
die Gegend von Metz und Straßburg in Elsaß-Lothringen. — Im südlichen
Deutschland tritt vielfach, namentlich diesseit des Rheins, Spelz oder Dinkel an
Stelle des Weizens; derselbe findet sich am stärksten in Württemberg (1887: 184419 Im),
Bayern (92623 ha) und Baden (69077 ha Fläche).
Gersteubau beschräukt sich gleichfalls auf die fruchtbareren Gebiete und
uimmt im Reiche durchfchuittlich 3,3 Proz., im Königreich Preußen nur 2,5 Proz.
der Gesamtfläche ein. Im Jahre 1887 waren im ganzen 1731121 ha der
Gerste gewidmet, von denen pro Hektar der Ertrag durchschnittlich 1,27 Tonnen
betrug. Der Gesamtertrag des Reiches war 1887 2 205 504 Tonneu.
Der Gerstenbau ist besonders ausgedehnt (über 10 Proz.) in den fruchtbaren
Teilen von Schlesien (1887: 166 731 ha), der Provinz Sachsen (1887: 171891 ha)
und von Anhalt, ferner im östlichen Teile von Holstein, in Niederbayern, Unter-
franken, im württembergischen Donaukreise, im nördlichen Baden, in Rheinhessen und
einzelnen Gegenden von Elsaß; geschätzt ist namentlich die Gerste der Provinz Sachsen.
Hafer nimmt uuter den Getreidearten die zweite Stelle ein, denn dem-
selben sind im Reiche durchschnittlich 6,9 Proz. (1883: 7,0 Proz.), iu Preußeu
sogar 7,i Proz. der Gesamtfläche gewidmet. Im Jahre 1887 betrug das auf
Haferbau verwendete Areal 3 810 244 ha mit einem Dnrchfchuittsertrage vou
1,ig Tonnen pro Hektar und einer Gesamterute von 4301407 Tonnen.
Es finden sich Gegenden, welche dem Haferbau über 15 Proz. widmen, so in
Schlesien der Bezirk von Grottkau, Stormarn in Schleswig - Holstein, der Distrikt
von Aurich in Hannover, der Ostkreis von Altenburg, namentlich aber einzelne
Gegenden des Königreichs Sachsen (Freiberg, Meißen, Borna, Döbeln, Rochlitz :e.).
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226
Erstes Kapitel.
und öffentlichen Arbeiten, des Innern, der Justiz, des Krieges, der landwirt-
schaftlichen Angelegenheiten.
Neben den Ressortministerien stehen als selbständige Behörden die Oberrech-
nungskammer in Potsdam (zugleich Rechnungshof für das Reich) und der evan-
gelische Oberlirchenrat Dem Staatsministerium, bezüglich den einzelnen Ressort-
Ministerien unterstehen 1) folgende Zentralbehörden: das Zentraldirektorium für
die Vermessungen, der Disziplinares für nichtrichterliche Beamte, das Ober-Ver-
waltnngsgericht, die Ober-Examinationskommissionen, die Staatsarchive, die Haupt-
Verwaltung der Staatsschulden, die Seehandlung, das statistische Bureau; 2) die
Provinzialbehörden und die Bezirksregierungen. Die Provinzialbehörden
sind folgende: l) die Oberpräsidenten, welche meist auch an ihrem Wohnsitze die Stelle
eines Regierungspräsidenten bekleiden, 2) die Konsistorien für die Verwaltung der evan-
gelischen Kirchenangelegenheiten, 3) die Prüfungskommissionen, 4) die Justizbehörden
höherer Instanz (Oberlandesgerichte), 5) die Oberbergämter, 6) die königlichen Eisen-
bahndirektionen; wozu noch die Verwaltungen der Universitäten, Akademien ic. treten. —
Für die innere Verwaltung der katholischen Kirchenangelegenheiten bestehen das
Erzbistum Posen -Gnesen mit dem Bistum Kulm, das Erzbistum Köln mit den
Bistümern Paderborn, Münster und Trier, die Bistümer Ermeland, Breslau (Fürst-
bistum), Hildesheim, Osnabrück, Fulda und Limburg; einzelne Landesteile sind auch
außerpreußischen Bischöfen (in Mainz, Freiburg i. B. :c.) unterstellt. Der Wegebau,
das Armen- und Besserungswesen, die Jnimobilien-Feuerversicherung, das land-
wirtschaftliche Kreditwesen u. dgl, sind den Provinzialverbänden überwiesen, welche
nach einer „Provinzialordnung" von Landesdirektoren und Provinzialausschüssen ver-
waltet werden. Dem Oberpräsidenten sind namentlich folgende Behörden unterstellt:
die Provinzial-Schulkollegien, Medizinalkollegien, Provinzial-Steuerdirektionen für
indirekte Steuern und Zölle, die Generalkommissionen (für Regelung der Guts- und
bäuerlichen Verhältnisse), die Provinzial- und Bezirksräte, die Bezirks-Verwaltuugs-
gerichte, die provinzial- und kommunalständischen Verwaltungsorgane und die Be-
zirksregierungen. Die letzteren haben gewöhnlich drei Abteilungen: 1) für das
Innere, 2) für Kirchen- und Schulwesen, sowie 3) für direkte Steuern, Domänen
und Forsten. Den Regierungen sind alle niederen Verwaltungsbehörden unter-
stellt (Landratsämter, Polizeipräsidien, Kreisphysiei, Schul- und Forstinspektoren,
Steuereinnehmer, Bürgermeister :c.). — Die Haupt- und Residenzstadt Berlin
bildet unter dem Polizeipräsidenten, einem direkt von dem Minister des Innern
abhängigen Beamten, einen besonderen Bezirks doch stehen die Gemeindebehörden
unter der Regierung in Potsdam.
Diese Provinz bildet den nordöstlichsten Teil des preußischen Staates und
grenzt an die Ostsee, die russischen Gouvernements Kowno, Augustowo und
Plock, sowie an die Provinz Westpreußen, von welcher letzteren sie am I.april
1878 getrennt worden ist. Die Provinz hat die beiden Regierungsbezirke
Königsberg und Gumbinnen. Provinzialhauptstadt ist Königsberg.
Im 10. Jahrhundert war das Land im Besitze des lettischen Volksstammes
der Preußen, welcher an seinem heidnischen Glauben zäh festhielt. Nach dem
fruchtlosen Märtyrertode Adalberts von Prag und Brunos von Querfurt legte
der Bernhardinermönch Christian (seit 1215 „Bischof von Preußen") ostwärts der
Weichsel den ersten Grund christlicher Bildung, doch erst durch das Erscheinen des
durch den Herzog Konrad von Masovien gerufenen Deutschen Ritterordens wurde
1230—83 das preußische Volk dauernd für das Christentum und eine höhere Kultur
gewonnen. Der in den heißen Kämpfen mit den Ordensrittern stark zusammen-
geschmolzene Rest der Preußen vermischte sich mit den eingewanderten Deutschen.
Aus den zur Sicherung des Landes von den Rittern allenthalben angelegten Burgen
entstanden blühende Städte (Königsberg, Elbing, Thorn :e.); 1309 verlegte der
Hochmeister des Ordens, Siegfried von Feuchtwangen, seinen Sitz von Venedig nach
1900 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
314 Erstes Kapitel.
Städte und Bischöfe in diesen Gegenden herbei, welche zuletzt eine fast völlige
Unabhängigkeit von Kaiser und Reich erlangten. Damals gewann das auf der
Wartburg herrschende Geschlecht die Landgrafenwürde in Thüringen, und dieses
Gebiet wurde in die Kämpfe zwischen dem Kaiser Heinrich Iv. und den Sachsen
verwickelt (Schlacht bei Hohenburg 1075, bei Hohenmölsen 1080). Gegen Kaiser
Heinrich V. lehnten sich die Dynasten dieser Gegend gleichfalls auf, denn unter
Führung Lothars von Süpplingenburg, Wieprechts von Groitzsch, Ludwigs des
Springers und andrer kämpften sie erst unglücklich bei Warnstädt (1113), dann sieg-
reich am Welfsholz bei Mansfeld (1115) gegen den kaiserlichen Feldherrn Hoher
von Mansfeld. Sehr einflußreich war bald darauf für die geschichtliche Entwicke-
lung dieser Gegenden die Belehnung Konrads von Wettin mit der erblichen Mark-
grafenwürde von Meißen durch Kaiser Heinrich V. (1123), ein Akt, durch welchen
zugleich diese südliche Wendenmark aus dem Abhängigkeitsverhältnisse zu dem Herzog-
tum Sachsen ausschied. Unter Heinrichs Nachfolger, Lothar dem Sachsen, geschah
die gleichfalls höchst folgenreiche Belehnung Albrechts des Bären mit der Nordmark,
dessen um die brandenburgischen Lande vermehrtes Gebiet unter dem folgenden
Kaiser gleichfalls vom Herzogtum Sachsen unabhängig wurde. Nach der Ächtung
Heinrichs des Löwen (1180), dessen germanisierende Wirksamkeit hauptsächlich nörd-
licheren Gegenden (Mecklenburg, Holstein) zu gute gekommen war, wurde der Sohn
Albrechts des Bären, Bernhard, mit der Herzogswürde von Sachsen belehnt, die,
ebenso wie die später hinzukommende Kurwürde, freilich an dem verhältnismäßig
kleinen Gebiete von Sachsen-Wittenberg haftete. Nach dem kinderlosen Tode des
Markgrafen von Meißen behaupteten Friedrich mit der gebissenen Wange und Diez-
mann aus dem Hause Wettin, die Söhne des Landgrafen Albrecht von Thüringen,
gegen König Adolf von Nassau Meißen und die Ostmark, und beim Aussterben der
Askanier in Sachsen-Wittenberg wurde der Besitz der Wettiner auch um dieses Land
vermehrt (1423). Die Teilung der Dynastie in einen Ernestinischen und einen
Albertinischen Zweig brachte jenem anfangs die Kurwürde mit Sachsen-Wittenberg
und Thüringen, diesem die Meißenschen Lande, und jener übernahm in fürsorglicher
Weise die Beschützung des Wittenberger Reformators und seines Werkes ^Friedrich
der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich); als jedoch bei Mühlberg
(1547) Johann Friedrich dem Kaiser Karl V. und seinem Vetter Moritz gegenüber
erlag, wurde letzterer mit der Kurwürde bekleidet und erhielt das Land Wittenberg
zu seinem Meißener Gebiete hinzu, während die ältere Ernestinische Linie sich hin-
fort auf Thüringen beschränken mußte. Die sächsischen und thüringischen Bistümer
wurden 1564 eingezogen. In den folgenden religiösen Streitigkeiten, besonders im
Dreißigjährigen Kriege, stand Kursachsen nicht unter der Reihe der Verteidiger der
evangelischen Kirche, und verschuldete, um äußerliche Vorteile (Erwerbung der Lausitz)
zu gewinnen, teilweise die Niederlage der Protestanten. Nur notgedrungen trat es
später in einen Bund mit Gustav Adolf von Schweden (1631), verließ aber diese
Partei bald wieder (im Frieden zu Prag 1635). Im Westfälischen Frieden (1648)
fielen die Stifter Magdeburg und Halberstadt nebst der Grafschaft Reinstein und
einem Teile von Hohenstein an Kurbrandenburg. Dasselbe erwarb sodann die
übrigen Gebiete der Provinz nach und nach, nämlich 1697 die Schutzherrschaft über
das Stift Quedlinburg (einverleibt 1803), 1780 einen Teil der Grafschaft Mansfeld
(der übrige fiel an Kursachsen), 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluß die
kurmainzischen Länder in Thüringen (Erfurt, das Eichsfeld), die Grafschaft Unter-
gleichen, Treffurt und die freien Städte Mühlhausen und Nordhausen. Nachdem
während der Napoleonischen Zwingherrschaft die preußischen Besitzungen in der Pro-
vinz westlich von der Elbe zu dem Königreich Westfalen gehört hatten (mit Ans-
nähme von Erfurt, das direkt zu Frankreich gekommen war), fielen sie durch die
Beschlüsse des Wiener Kongresses dem Staate der Hohenzollern wieder zu, welcher
überdies von dem Königreiche Sachsen noch den nördlichen Teil (Wittenberg, Merse-
bürg, Naumburg :c.) und Gebiete auf dem Thüringer Walde (Suhl-Schleusingen,
Ziegenrück, Gefell), sowie die Grafschaften Stolberg-Roßla und Stolberg-Stolberg
und Barby mit dem Amte Gommern erhielt. Aus den älteren Besitzungen dieser
Gegend (Altmark, Magdeburg, Halberstadt ?e.) und diesen neuen Erwerbungen,
sowie einem kleinen Teile der Kurmark wurde nunmehr die Provinz Sachsen
gebildet.
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Leipzig
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- Autor: Richter, Julius Wilhelm Otto
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- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
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§ 5. Das Reichsland Elsaß-Lothringen.
Elsaß-Lothringen erstreckt sich von 47° 25' bis 49° 30' nördl. Br. niib
von 5° 52' bis 8° 17' östl. L. v. Gr. Im Westen wird es von den sran-
zösischen Departements Meuse, Meurthe-et-Moselle, Vosges, Haute-Saöne
und Doubs, im Süden von den schweizerischen Kantonen Bern, Solothurn,
Basel-Stadt und Basel-Land, im Osten vom Großherzogtum Baden (Grenze
der Rhein), im Norden von der bayrischen Rheinpfalz, dem preußischen Regie-
rnngsbezirke Trier und dem Großherzogtum Luxemburg begrenzt. Den nord-
westlichen Teil des Landes bildet der Bezirk Lothringen, von dem südöstlichen
Teile durch den Gebirgskamm des Wasgenwaldes deutlich getreuut. Der süd-
östliche Teil, das Elsaß, zerfällt in die Bezirke Unter- und Ober-Elsaß. Haupt-
stadt des Laudes ist Straßburg.
In vorchristlicher Zeit gehörte das Land zu Gallien und hatte eiue
vorherrschend keltische Bevölkerung. Julius Cäsar begründete auch hier die
römische Herrschaft. In der späteren römischen Provinz Germania superior
oder prima fanden sich hier die germanischen Stämme der Nemeter und Tri-
boker; aus den Niederlassungen, welche die Römer damals gründeten, ent-
standen mehrere noch jetzt blühende Städte, wie Straßbnrg (Argentoratum),
Metz (Urbs Mediomatricorum), Zabern (Tres Tabernae) 2c. Nachdem in der
Völkerwanderung sich die Alemannen in den Besitz des Landes gesetzt hatten,
wurde dasselbe dem Fraukenreiche einverleibt und das Elsaß bildete ein frän-
kisches Herzogtum (ducatus Alsatiae), welches in einen Nord- und einen Süd-
gau zerfiel. Auf den zerstörten römischen bildeten sich nun fränkische Ansiede-
lungen (Schlettstadt, Kolmar, Metz, Toul). Durch den Teilungsvertrag von
Verdun (843) kamen diese Gebiete an Lothar (daher Lotharii regnum, Loth-
ringen genannt), durch den Vertrag von Merseu (870) an Ludwig den Deutschen,
und wurdeu durch König Heinrich I. (925) dauernd mit Deutschland (Ost-
franken) verknüpft. Im Mittelalter blühte auch hier eine Anzahl freier Städte
empor, welche Mittelpunkte für Kunst, Handel und Gewerbfleiß wurdeu: die
Reformation faud bereitwillige Aufnahme in den Städten, doch entstand gegen
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Das Reichsland Elsaß-Lothringen. 669
an Kreis- und Vizinalstraßen gegen 6000 km vorhanden sein. Seit Einverleibung
des Landes ist sehr viel gethan worden, um den Verkehr desselben mit Alt-Deutsch-
laud zu hebert, daher sind zahlreiche Brücken über den Rhein gebaut worden (Schiff-
und Steinbrücken). — Die Eisenbahnen hatten 1888/89 eine Gesamtlänge von fast
1319 km, wovon 622 km zwei- und mehrgeleisig waren; der Betrieb war fast ganz
in den Händen des Staates. — Zu deu älteren Bahnlinien: Mülhausen-Thann
(schon 1839), Straßburg - Basel, Metz-Pagny, Metz - Diedenhosen - luxemburgische
Grenze, Straßburg - Saarburg - Avrieourt, Straßburg-Hagenau-Weißenburg-bayrische
Grenze, Mülhansen-Alt-Münsterol (Belfort), Straßburg - Kehl, Hagenau - Saar-
gemüud, Schlettstadt-Markirch, Münster-Kolmar, Saargemünd-preußische Grenze,
Bollweiler-Gebweiler je. traten nach den Neugestaltungen von 1870/71 zahlreiche
Linien, welche namentlich auch die Verbindung mit Alt-Deutschland vermitteln.
Unter den letzteren ist besonders wichtig: Diedenhosen-Sierck-Trier (Teilstrecke der
Berlin-Metzer Bahn). — Das Post- und Telegraphenwesen ist entsprechend ent-
wickelt; für die Verwaltung desselben bestehen Oberpostdirektionen zu Straßburg
und Metz.
Die Regierung führt ein kaiserlicher Statthalter (zu Straßburg), welchem
ein Ministerium für Elsaß-Lothringen mit vier Abteilungen (für das Innere,
für Justiz und Kultus, für Finanzen und Domänen und für Gewerbe, Land-
Wirtschaft und öffentliche Arbeiten) unterstellt ist. Ein Laudesausschuß von
58 Mitgliedern mit beratender Stimme und dem Rechte, Gesetze vorzuschlagen,
steht der Regierung zur Seite. — Das Generalkommando des Xv. Armee-
korps hat seinen Sitz in Straßburg, das des Xvi. in Metz. Die Landes-
Universität befindet sich in Straßburg; ein Oberlandesgericht, dem sechs Land-
gerichte unterstellt sind, in Kolmar, katholische Bistümer bestehen in Straßburg
und Metz, ein evangelisches Oberkonsistorium in Straßburg; Bezirksregierungen
in Straßburg (Unter-Elsaß), Kolmar (Ober-Elsaß) und Metz (Lothringen).
Aer Regierungsbezirk Unter-Elsaß.
Strasburg im Elsaß, Hauptstadt des Landes und des Bezirks, Stadtkreis,
Festung ersten Ranges und Eisenbahnknotenpunkt an der Jll, in welche links (ober-
halb) die Breusch und rechts der Rhein-Rhonekanal münden, 123566 zur kleineren Hälfte
evangelische Einwohner (1890); Sitz der Zentralbehörden des Statthalters, Bezirks-
Präsidium für Unter-Elsaß, Kreisdirektion für den Landkreis, Landgericht nebst Kammer
für Handelssachen und Schwurgericht, Oberkonsistorium für die Kirche Augsburgischer
Konfession, katholischer Bischof, jüdisches Konsistorium, Forstdirektion und Forstmeister-
bezirke, Generaldirektion der Elfässisch-Lothringischen Eisenbahnen, Oberpostdirektion,
Direktion der Zölle und indirekten Steuern, Hauptsteueramt, Bergrevier. Unter den
sechs evangelischen Kirchen die Thomaskirche, unter den sieben katholischen das Münster
(1277 durch Erwin von Steinbach begonnen, 115 m lang, 43 m breit und sein einer
vollendeter Turm, 142 rn hoch); Universität (1872 neu gegründet), Landesbibliothek (jetzt
etwa 500000 Bände). Kaiserliches Lyceum, Gymnasium mit Realklassen, protestantisches
Gymnasium, zwei Realschulen, Schullehrersemiuar, evangelisches Lehrerinnenseminar;
Bezirksgefängnis, Bürger-, Militärspital, Waisenhaus am Broglieplatz; Stadthaus
und Theater; Denkmäler Gntcnbergs (Gntenbergplatz) und des Generals Kleber
(Kleberplatz); neuer glänzender Kaiserpalast, Kornhalle, Schlachthaus. Mildes Klima,
doch häufiger Witterungswechsel und Regen. Die Gewerbthätigkeit ist schon seit
alter Zeit vielseitig und lebhaft; gegenwärtig sind vornehmlich zu erwähnen: Fabri-
kation von Tabak und Zigarren (darunter die kaiserliche Manufaktur, welche hauptsächlich
clsässische Blätter verarbeitet), zahlreiche Gerbereien und Lederfabriken, Fabrikation von
Handschuhen, Maschinen und Stahlwaren, zahlreiche Färbereien, Bierbrauereien, Buch-
druckereien, Fabrikation von Bijouterien, Gold- und Silberwaren, Orgeln und Pianinos,
Schokolade und Gänseleberpasteten, Senf, Tapeten, Möbeln, Öfen, Bürsten, Hüten,
Zement, Leim, Chemikalien, optischen und physikalischen Instrumenten, Korb- und
Spielwaren, Seifen und Lichten, Wagen, Strohhüten, künstlichen Blumen und Federn;