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Regionen (OPAC): Westfalen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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befinden. Daneben steht eine in der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts errichtete prachtvolle Kirche. Nördlich von Büren
liegt die zweite Stadt des Kreises: Salzkotten, mit einer Saline.
Nordöstlich von Büren, an der Alme, einem wilden, klaren
Gebirgsbache, erhebt sich die jetzt dem Verfalle nahe Wevels-
bürg. Wie die Sage meldet, soll Graf Friedrich der Streit-
bare den zuerst in Cappenberg gefangen gehaltenen heiligen
Norbert hier in den Kerker geworfen haben, weil derselbe
seinen Schwiegersohn, Graf Gottfried von Cappenberg, und
dessen Frau durch seine ernsten Bußpredigten veranlaßt hatte,
ins Kloster zu gehen. Man nennt das Burgverließ noch heute
das „Norbertloch". Eine andere Sage erzählt, daß Kurt
von Spiegel, Erbmarschall von Paderborn, als er einst
ohne Beute von der Jagd zur Wevelsburg zurückkehrte, im
Unmute einen Dachdecker vom Turme herunterschoß. Der
Bischof von Paderborn sprach das Todesurteil aus über den
Mörder. Kurt fiel durchbohrt von 7 Kugeln, deren Male
noch an den Wänden der Burg zu sehen sind.
4. Der Kreis Paderborn.
Der Kreis Paderborn umfaßt den nördlichen Teil der
westlichen Hälfte, welche durch das Eggegebirge gebildet wird.
Das ehemalige Bistum Paderborn ist schon gegründet
von Karl dem Großen. Der erste Bischof war Hathumar,
einer der verdientesten Meinwerk us, welcher, da er von dem
frommen Kaiser Heinrich Ii. und seiner Gemahlin Kuni-
guude eine Menge Schenkungen zu erhalten wußte, die Gren-
zen des Bistums erweiterte, Paderborn selbst vergrößerte, die
Schule daselbst zu großem .Ansehen brachte und Äildnng und
Wohlstand beförderte. Die Reichsuumittelbarkeit erhielt dieses
Bistum erst nach dem Sturze Heinrichs des Löwen. Durch
den Reichsdeputations-Hanptschlnß wurde das Bistum säku-
larisiert und Preußen übergeben, welches am 3. August 1802
Besitz von demselben ergriff.
Paderborn, 16 000 Einw., an der Pader gelegen, welche
an der Nordseite des Doms entspringt, ist eine alte Stadt.
Als Karl der Große die Sachsen für bezwungen ansah, hielt
er in Paderborn 777 einen Reichstag ab, auf welchem sich
eine große Anzahl Sachsen zur Huldigung und zur Taufe
einstellte. Auf diesem Reichstage erschienen ahch Gesandte
eines abgesetzten maurischen Statthalters vonsaragossa
in Spanien, um Karls Hilfe gegen den Khalifen von Cor-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Norbert Gottfried_von_Cappenberg Kurt
von_Spiegel Karl_dem_Großen Karl Heinrich_Ii Heinrich Heinrichs Heinrichs August Karl_der_Große Karl Karls
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Rache. Sie fand bei ihrem in der Nähe haltenden Geliebten,
dem Grafen von Steinfurt, Schutz, der sie bald als Gemahlin
in seine Burg einführte. In der Nähe von Ottenstein liegt
das Dorf Wessum mit seinen Kalköfen; von hier gelangt
man in einer Stunde nach der Kreisstadt.
Ahaus, 1740 Einw., an der in der Nähe des Vlutfeldes
entspringenden Aa. Das fürstliche Residenzschloß, welches dem
Fürsten von Salm-Kyburg gehörte, wurde verkauft. In dem
einen Flügel des Schlosses befindet sich jetzt eine Tabaksfabrik.
Auf der Heidefläche zwischen Ahaus und Heck erblickt
man in einem Kreise eine Menge Hügel. Viele Urnen (Thon-
töpfe) mit Asche, die man hier gefunden, lassen schließen, daß
hier ein Leichenverbrennungsort der Heiden jener Gegend
gewesen sein muß.
Im Norden dieses Kreises liegt die Industriestadt Gro-
nau. Die Eisenbahnen: Dortmund-Gronau und Münster-
Gronau gehen von hier nach Enschede ins holländische Gebiet.
6. Der Kreis Steinfurt.
Die Grasschaft Steinfurt, jetzt im Besitze des Fürsten von
Bentheim-Bentheim, gehörte in alter Zeit einem sächsischen
Geschlechte, den Edelen von Stenvarde, die auch Edelvogte des
Klosters St. Moritz in Münster waren. Das Geschlecht er-
langte mit dem Grafen Ludolf Viii. seine höchste Blüte, starb
mit ihm aber zu Anfang des 15. Jahrhunderts aus und die
Tochter Ludolfs, Mechtildis, brachte durch ihre Vermählung
mit dem Grafen von Bentheim diesem Hause die Grafschaft
Steinfurt zu.
Stcinfurt (Burgsteinfurt), 4220 Einw., Residenz des
Standesherrn Bentheim-Bentheim, hat mehrere Baum-
Wollspinnereien, Färbereien, Tabaks- und Essigfabriken. Ferner
ein fürstliches Residenzschloß mit einer schönen Sammlung
sehenswerter Gegenstände aus allen Erdteilen und einem
prächtigen, sich eine Stunde weit erstreckenden Park.
Das Städtchen Horstmar, südlich von Steinfurt, war
ehemals die Residenz eines Grafengeschlechts, aus welchem als
letzter Sproffe der durch ftine während des 3. Kreuzzuges
bewiesene Tapferkeit und Frömmigkeit bekannte Graf Bern-
hard, genannt „westf. Löwenherz", hervorging.
Rheine, 4960 Einw., an beiden Seiten der hier bereits
schiffbaren Ems und Residenz des Standesherrn, Herzogs von
Looz-Corswaren, hat 5 Kirchen und Kapellen, ein herzogliches
6*
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durch seine reichen Verzierungen und seine herrlichen Glas-
Malereien in den über 2o Meter hohen Fenstern, wie durch
Kunst und Pracht überhaupt auszeichnet.
Soest war im Mittelalter eine der blühendsten und mäch-
tigsten westfälischen Städte. Hatte doch diese zum Hansabunde
gehörende, ehemalige sreie Reichsstadt über 30 000 Einw.,
welche nicht nur durch ihre kriegerische Tüchtigkeit, sondern
auch durch ihre große Regsamkeit aus dem Gebiete des Han-
Ms, der Gewerbe und der Kunst sich eines weithin geachteten
Namens erfreuten.
Die Wehrhaftigkeit und Tapferkeit der Soester _ Bürger
mußte auch der Schutzherr der Stadt, Graf Dietrich von
Moers, Erzbischos von Köln, zu seinem großen Leidwesen
kennen lernen. Er gedachte nämlich seine großen Geldschulden
durch eine in seinen Ländern zu erhebende hohe Abgabe zu
decken. Soest jedoch und mehrere andere westfälische Städte
wiesen diese Zumutung zurück. Um sich zu rächen, wollte der
Erzbischos den Soestern ihre althergebrachten Rechte und Frei-
heiten nehmen. Als die Bürger dies erkannten, schickten sie
kurz entschlossen dem Erzbischos folgenden Abschiedsbrief:
„Wettet biscop Dierich von moers, dat wy den
vesten junker Johan von Cleve lever hebbet, als juwe,
und werd juwe hie met afgesegget. Soest, 1444."
Dies waren die Ursachen der berühmten Soester Fehde
(1444 — 1449). Die aus derselben hervorgehenden Kämpse
beschränkten sich nicht auf Soest, sondern breiteten sich aus
über ganz Westfalen. Zu Soest hielten treu und fest die
Fürsten von Lippe, Hoya und Hohenstein und die Stadt
Lippstadt. Von anderen westfälischen Städten dagegen, welche
auch ihre Hilfe zugesagt hatten, sah es sich bald verlassen.
Aus die Seite des Erzbischoss traten die Erzbischöfe von
Münster, Minden und Hildesheim, die Kurfürsten von Bran-
denbnrg, von der Pfalz und von Sachsen, die Herzöge von
Braunschweig und von Sachsen nebst vielen anderen Herren.
Am 21. Juni 1444 hielt der Junker Johann von Cleve,
Sohn Adolfs I., Herzog von Cleve und Graf von der Mark,
unter dessen Schutzherrschaft sich die Stadt begeben hatte,
seinen Einzug in Soest, mit ihm 2800 gewappnete Reiter.
Am folgenden Tage beschwor er die Rechte der Stadt und
nahm ihre Huldigung entgegen. Inzwischen waren auch die
erzbischöflichen Truppen herangerückt. Ihre Versuche, in die
Stadt zu dringen, waren vergebens. Um so mehr überließen
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Hause. In der Nähe von Lippstadt- liegt das Dorf Wester-
kotten, bekannt durch seine Saline.
Der Regierungsbezirk Minden.
95 ^M. 504657 Einw.
Der Regierungsbezirk Minden ist der kleinste in der Pro-
vinz Westfalen und hat die Gestalt eines Hufeisens. Man
kann einen nördlichen Teil mit den Kreisen: Minden, Lübbecke,
Herford, einen mittleren mit den Kreisen: Bielefeld, Halle,
Wiedenbrück und einen südlichen Teil, gebildet aus den Kreisen:
Paderborn, Büren, Warburg und Höxter deutlich unterscheiden.
1. Der Kreis Härter.
Das Eggegebrrge teilt den südlichen Teil des Regiernngs-
bezirkes Minden in eine östliche und westliche Hälfte. Der
nördliche Teil dieser ersteren Hälfte umfaßt den Kreis Höxter.
Höxter, 5700 Einw., an einem Bogen der Weser in rei-
zender Gegend gelegen, hat seine Entstehung den Äbten Cor-
veis, insbesondere dem Abte Saracho (1058) zu verdanken.
Während des dreißigjährigen Krieges wurde die Stadt von
allen Kriegsparteien arg mitgenommen. — Auf einer prächt-
tigen Kastanienallee gelangt man von hier nach kurzer Wan-
derung zu der Abtei Corvei, welche von dem Abte Adel-
Hardt, einem Enkel Karl Martells, zur Zeit Ludwigs des
Frommen gegründet, ehemals eine der bedeutendsten Kloster-
ftiftuugen Deutschlands war. Aus diesem Kloster gingen
ausgezeichnete Lehrer und Würdenträger der Kirche hervor,
wie St. Ansgar und St. R embertus, die ersten Erzbischöfe
von Hamburg und Bremen, ferner Rabanus Maurus,
erst Abt zu Fulda, dann Erzbischof von Mainz, im ganzen
fränkischen Reiche berühmt als Vater der Schulen und Pfleger
der deutschen Sprache. Ebenso verdient genannt zu werden
Papst Gregor V., der erste Deutsche, welcher den Stuhl
Petri bestieg. Der vornehmste Adel schickte seine Söhne nach
Corvei, um sie an dieser Stätte der Gelehrsamkeit erziehen zu
lassen. — Schon stand das tausendjährige Jubiläum der
Abtei in naher Aussicht, als sie durch den Frieden von Lüne-
ville 1801 säkularisiert wurde. Sie ist später in ein Schloß
umgewandelt worden und gehört heute dem Fürsten von
Hohenlohe-Schillingsfürst, Herzog von Ratibor und Corvei.
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Sitz der König!. Regierung. Die Stadt steht mit dem Bahn-
Hofe auf dem rechten Weferufer durch eine 189 Meter lange,
neu aufgeführte, massive Brücke in Verbindung. Minden soll
durch Karl den Großen gegründet worden sein. Die Sage
berichtet: Wittekind und Karl der Große stritten sich um die
Herrschaft der Stadt. Endlich wurde der Streit dadurch
geschlichtet, daß Karl der Große Wittekind erklärte: Sie soll
weder mein noch dein sein. Daher der Name Minden.
Wahrscheinlicher jedoch ist, daß die Römer schon auf ihren
Zügen in Deutschland die Stadt angelegt haben. Das Bis-
tum Minden, von Karl dem Großen gegründet, stand früher
in geringem Ansehen; erst nach dem Sturze Heinrichs des
Löwen gelang es den Bischöfen, ihre weltliche Herrschaft zu
begründen, die später durch Verleihungen Ludwigs des
Bayern noch bedeutend zunahm. Als mit dem sich mehren-
den Wohlstande der Bürger auch ihr Freiheitssinn wuchs,
gerieten sie mit den ihre Herrschast behauptenden Bischöfen in
langwierige Kämpfe, welche zur Folge hatten, daß die Bischöfe
Minden verlassen und ihre Residenz in Petershagen nehmen
mußten. Der letzte Bischof war Franz Wilhelm, ein
Graf von Wartemberg, der sich aber nicht behaupten konnte.
Während des dreißigjährigen Krieges nämlich bemächtigten
sich die Schweden der Stadt Minden, wie des Bistums,
und übergaben dieselben später, infolge des westfälischen
Friedens, dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Bran-
den bürg, welcher sie als Fürstentum am 15. Oktober 1649
in Besitz nehmen und sich am 12. Februar 1650 auf dem
Schlosse Petershagen von den Mindenschen Ständen huldigen
ließ. Während des siebenjährigen Krieges war die Gegend
zwischen Minden und Petershagen der Schauplatz einer großen
und mörderischen Schlacht. Am 1. August 1759 erfochten
hier 40000 Preußen, Hannoveraner und Engländer
unter dem Oberbefehle des Herzogs Ferdinand von
Braunschweig einen glänzenden Sieg über 85000 Fran-
zosen unter der Führung des Marschalls Contades. Die
Franzosen verloren 7000 Mann und 25 Geschütze, nebst vielen
Fahnen und Standarten. Schon im vorigen Jahrhundert war
Minden eine Festung. Da jedoch eine solche an dieser Stelle ihre
Bedeutung verloren hat, so wird sie jetzt geschleift, zur großen
Freude der Bürger; denn die Festungswälle traten der Entwicke-
lung Mindens hemmend entgegen, so daß in den letzten fünfzig
Jahren manche Stadt Westfalens sie weit überflügelt hat.
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Braunschweig Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Minden Deutschland Petershagen Petershagen Petershagen Westfalens
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 88 —
tet haben. Besonders sehenswert ist das Rathaus, welches
auch Erinnerungen an die Wiedertäufer, unter andern Zangen
und Marterwerkzeuge, die 1535 bei den Hinrichtungen an-
gewandt wurden, aufbewahrt. In ihm befindet sich aber
auch der berühmte Friedenssaal, in dem mehrere Haupt-
Verträge des westfälischen Friedens abgeschlossen wurden.
Hier wurde mit Frankreich unterhandelt, wie in Osna-
brück mit den Schweden. An den Wänden sieht man noch
die Bildnisse der Gesandten, die nach langen Beratungen
das große Werk zu Ende gebracht haben, also, daß am
24. Oktober 1648 auf dem Markte zu Münster unter
Kanonendonner und Glockengeläute die Friedensbedingungen
verlesen werden konnten, die den Schrecken des 30 jährigen
Krieges ein Ende machten. Münster hat außerdem viele
schöne Kirchen, welche alle bis auf eine katholisch sind. Die
Liebfrauenkirche, welche, da sie jenseits der Aa liegt,
auch wohl Überwasserkirche genannt wird, zeigt einen
herrlichen Turm, der aber leider von den Wiedertäufern
seiner Spitze beraubt worden ist. Das größte Gotteshaus
Münsters, ja ganz Westfalens, ist der Dom, dessen Bau im
Jahre 1261 vollendet wurde. Gar viele Bildwerke und an-
dere Sehenswürdigkeiten findet man im Innern dieser ge-
waltigen Kirche unter andern ein Bild, welches an den
Bischof Bernhard von Galen erinnert, und das Pletten-
berger Denkmal, welches dem Andenken Walters von Plet-
tenberg gesetzt ist, der im sernen Osten Rußlands große
Kriegsthaten vollbracht hat und im Jahre 1535 gestorben ist.
Unter den nenen Bildwerken ist die schöne Pieta am be-
merkenswertesten; das Bild stellt den am Kreuze gestorbenen
und im Schöße seiner Mutter Maria ruhenden Heiland dar.
Es ist ein Werk des Bildhauers Achtermann der bis zu
seinem Soften Jahre als Bauer in der Umgegend gepflügt
und gesäet, dann aber durch Talent und Fleiß sich zu einem
großen Künstler emporgeschwungen hat. Ein sehr berühmtes
Kunstwerk ist die Domuhr.
Draußen vor der Stadt liegt das ehemalige bischöfliche
Residensschloß, 1767 erbaut, jetzt der Wohnsitz des höchsten
Beamten der Provinz: des Oberpräsidenten sowie des komman-
dierenden Generals vom Vii. Armee-Corps, während der Bischof
einen Palast am Domhof besitzt. Hinter dem Schlosse breitet sich
der botanische Garten aus in dem gar viele ausländische Ge-
wachse gezogen werden, sichjiber euch herrliche Alleen vorfinden,
die den Bewohnern der (Stadt zu Spaziergängen dienen.
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_von_Galen Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Osna- Schweden Westfalens Domhof
478
Auch die Ratsherren eilten aus allen Richtungen, und nicht
so behaglich und würdevoll wie sonst, auf die Pfalz. Es wimmelte
draußen von Franzosen, an die 35 000 Mann. Das Sturmläuten
vom St. Wilhelm bis St. Nilllaus dauerte immer noch fort; man
hoffte die Bauern der Umgegend herbeizurufen als Verstärkung der
schwachen Besatzung. Viele Familien flohen auch in die Stadt und
brachten die Nachricht mit, daß von allen Seiten eine große fran-
zösische Armee Straßburg umzingle. Der Rat behielt aber durch-
aus den Kopf oben; eine Ehrenwache von 60 Bürgern wurde
vor dem Rathaus aufgestellt, um jedem Auflauf vorzubeugen.
Depeschen wurden abgesandt an Se. Majestät den Kaiser, an
einen erlauchten Reichstag und an den Herrn Markgrafen von Ba-
den-Durlach. Darin wurde gemeldet, daß eine starke Armee des Gene-
rals von Montclar in nachtschlafender Zeit die Stadt überfallen, die
Zollschanze nebst Rheinbrücke besetzt habe mit offenkundiger Absicht,
der altehrwürdigen Freiheit ein gewaltsames Ende zu bereiten. Bald
darauf schollen die Husschläge von fünf Reitern durch die Mond-
nacht. Da sie die Hauptstraßen besetzt wußten, so bogen sie unmittel-
bar vor dem Metzgertor links auf einen Feldweg ab; das gespannte
Pistol in der Rechten, sausten sie bei hellem Mondlicht wie die
wilde Fagd übers Feld, um die Depeschen über den Rhein zu bringen.
Bei Tagesanbruch ritt Herr Stadtsekretarius Güntzer, von einem
Trommler begleitet, vors Tor; hier wurde er von den französischen
Vorposten angehalten und nach Illkirch geführt, wo sich General
Montclar befand. Es war kein angenehmer Empfang. Se. Exzellenz
der General erklärte kalt und rauh, er fei als Gebieter da, nicht als
Unterhändler.
„Eure Stadt gehört nach den letzten Friedensvertrügen zu
Frankreich; wenn wir bis jetzt Straßburg nicht besetzt haben, so
geschah das nur deshalb, weil wir keine Zeit hatten. Wir machen
also nur von unserm Rechte Gebrauch. Erkennen aber die Herren
in Straßburg dies Recht nicht an, so habe ich hier bei mir 35o0o
Mann und werde den Herren Räten mit Pulver und Blei unser
Recht beweisen. Morgen oder heute noch trifft Minister Louvois
in Illkirch ein. Wenn Straßburg die Kanonen, deren Aufstellung
auf den Wällen man mir meldet, zu benutzen wagt, wenn Straß-
burg sich auch nur mit einem Schuß verteidigt, mein Herr Sekre-
tarius, so werde ich die Straßburger als Rebellen behandeln, wo-
nach man sich zu richten hat!"
So fertigte der General des Sonnenkönigs den Straßburger
Stadtschreiber ab. Als gegen elf Uhr Güntzer über diesen Empfang
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Stadtsekretarius_Güntzer General
Montclar
Extrahierte Ortsnamen: Rheinbrücke Rhein Frankreich Straßburg Illkirch
479
Bericht erstattete und der 35000 Mann Erwähnung tat, da zog
tiefe Mutlosigkeit in die Stadt ein.
Es war seit Sonnenaufgang ganz still' geworden in Straß-
durg. Die Männer standen aus ihren Posten; die Frauen aber
und die Greise waren in den Kirchen. Es war Sonntag. Er-
greifend tönten in die stille Stadt, die in der Nacht von Waffen-
lärm, Zusammenlauf und Sturmläuten widerhallt hatte, die lang-
samen, feierlichen Töne der Orgeln und der Kirchengesänge. In
allen Kirchen wurden aus Anordnung des Rats Bittgottesdienste ab-
gehalten.
Die Beratung ging weiter. Aber bald brachten Stadtknechte
zwei von den Boten, die man über den Rhein geschickt hatte,
in den Veratungssaal. „Wir haben gekämpft wie die Löwen,"
stöhnte der eine und ließ sich in einen Stuhl fallen. „Umsonst —
ehrenwerte Herren! — die drei andern sind gefangen. — Feig-
linge ! — Wir zwei haben uns durchgehauen — am Kleinen Rhein
war's — Hunderte von Franzosen sind über uns hergefallen —
die Stadt ist völlig umringt, völlig von Deutschland abgeschnitten!"
Diese Nachricht und der Anblick der zwei verwundeten, blu-
tenden, zerfetzten jungen Leute erzeugte in den Ratsherren völlige
Niedergeschlagenheit.
Nach kurzer, dumpfer, verdrossener Beratung einigte man sich
dahin, Güntzer und etliche Ratsherren sollten noch einmal zum Ge-
ueral Montclar hinausreiten und um Aufschub bitten. Die Abord-
nung begab sich zu dem Franzosen, und der Aufschub wurde von
Montelar gewährt.
Zwei Tage lang wurde noch in der verlassenen und verlorenen
Stadt beraten und wegen der Übergabe verhandelt. Die Bürger
und Soldaten standen düster mit ihren Gewehren aus den Wällen
und sahen zu, wie draußen die lachenden und singenden französi-
schen Soldaten das reife Obst von den Bäumen plünderten. Dann
wurde am Morgen des 30. September in Gegenwart des inzwischen
zu Illkirch eingetroffenen Louvois die traurige Urkunde unterzeichnet.
Straßburg, die alte Reichsstadt, war französisch.
2.
Wieder lag eine helle Septembernacht über der Rheinebene,
eine Septembernacht des Jahres 1870. Straßburg war feit sechs
Wochen belagert von deutschen Truppen. Mit Kanonendonner und
prasselnden Granaten verlangte jetzt Deutschland die alte Reichsstadt
zurück. Seit dem 15. August zischten und donnerten fast unablässig
in glühendem Bogen deutsche Kugeln in die volkreiche Stadt; ganze
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Rhein Deutschland Rheinebene Deutschland
19
Die Wasserspinne führt den Ganz.
Schwertlilienkrcinz am Ufer steht
10 Und horcht des Schilfes Schlummerliede;
Gin lindes Säuseln kommt und geht,
Ais flüsfr* es: Friede, Friede, Friede!
16. Mondnacht.
s war, als Hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
von ihm nun träumen müßt'.
Z. Und mei
Weit ihre Fl
Flog durch d
5lls flöge sie
von Joseph von Eichendorff.
2. Die Lust ging durch die Felder,
Die Ühren wogten sacht,
(Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
re Seele spannte
Igel aus,
e stillen Lande,
nach Haus.
17. Das Haus in der Heide.
Von Annette von Droste-Hülshoff.
7ie lauscht, vom Abendschein umzuckt,
W Die strohgedeckte Hütte,
Recht wie im Nest der Vogel duckt,
Aus dunkler Föhren Mitte.
2. Am Fensterloche streckt das Haupt
Die weiggestirnte Sterke,
Bläst in den Abendduft und schnaubt
Und stößt ans Holzgewerke.
3. Seitab ein Gärtchen, dornumhegt,
Mit reinlichem Gelände,
Wo matt ihr Haupt die Glocke trägt,
Aufrecht die Sonnenwende.
4. Und drinnen kniet ein stilles Kind,
Das scheint den Grund zu jäten;
2*
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