512 Xxm. tz. 12. Krieg wider die Protestanten.
Karl's und Ferdinand's. Wie ganz Oestreich und Böhmen von
evangelischen Verneinungen erfüllt war, so erhub trotz aller Scheiter-
haufen und Marterwerkzeuge in Karl's Niederlanden die evangelische
Gesinnung immer unzweifelhafter das Haupt. Besonders seitdem
(1545) der ehrenwerthe Erzbischof und Kurfürst Hermann von
Köln den Entschluß gefaßt hatte, die Reformation in seinem Lande
einzusühren. Die Bisthümer Paderborn und Münster würden ge-
folgt sein. Der neuerwählte Erzbischof und Kurfürst von Mainz schien
nur eines solchen Beispiels zu bedürfen, um denselben Schritt zu thun.
Der Kurfürst von der Pfalz erklärte sich schon ganz entschieden evan-
gelisch. Schon wurde in Metz eine Reformation versucht. Wie hätte
Trier, wie hätte Utrecht, wie hätten die niederländischen Provinzen sich
länger unter katholischem Drucke halten lassen? Hier war cs für
Karl nothwendig geworden, zu einer Entscheidung zu kommen, entwe-
der in seinem eignen Lande den Protestantismus frei zu geben — aber
wie hätte er dann die Herrschaft in Spanien, in Italien, wie hätte
er die Kaisergewalt behaupten mögen? — oder den Protestantismus
aus allen Kräften zu bekämpfen. Ein anderer Grund. Seine ganze
Politik war seit einer langen Reihe von Jahren darauf hingegangen,
den Papst durch die Protestanten, die Protestanten durch den Papst
zu bedrohen, sie so beide seines Schutzes bedürftig zu machen, sie sei-
ner Leitung unterzuordnen. Nicht war er gemeint, das ganze katho-
lische System unverändert bestehen zu lassen. Er wollte es reformi-
ren, er wollte auch den päpstlichen Hof reformiren, aber dann sollten
auch die Protestanten sich mit den für die gesammte Kirche angeord-
neten Verbesserungen begnügen; es sollte wieder eine Einheit zu
Stande gebracht werden, und er der Kaiser wollte die wiederverei-
nigte Christenheit mit verstärkter Machtfülle beherrschen. Das Mit-
tel aber, wodurch er die Wiedervereinigung herbeiführen wollte, war
ein allgemeines Concilium, das unter seiner kaiserlichen Einwirkung
gehalten würde. Dies Concilium zu Stande zu bringen, darauf hin
waren alle seine Bemühungen seit vielen Jahren gerichtet gewesen.
Jetzt ward es eröffnet im December 1545. Aus Furcht vor der Rache
des Kaisers, der jetzt mit dem König von Frankreich, dem bisherigen
Schutzherrn und Bundesgenossen des Papstes, ausgesöhnt war, hatte
Papst Paul Iii. sich endlich entschlossen, das Concilium zu Trient zu
sammeln. Der Kaiser hoffte es ganz nach seinen Wünschen leiten zu
können. Da lag ihm aber Alles daran, daß die Prote ftanten das
Concilium beschickten und sich dessen Aussprüchen unterwarfen. Hät-
ten sich aber die Protestanten hierzu herbeilassen dürfen? Nimmer-
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Extrahierte Personennamen: Hermann_von
Köln Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Karl's_Niederlanden Mainz Spanien Italien Frankreich
528 Xxiv. §. 3. Beginn der Gegenreformation in Deutschland.
herbeigerufen sind, um die Universität aus den Händen protestantischer
Lehrer zu retten. Um dieselbe Zeit fassen sie auch in Ingolstadt
festen Fuß. Und von diesen drei Mittelpunkten aus verbreiten sie
sich nun mit unglaublicher Geschwindigkeit nach allen Seiten. Noch
nicht zwei Jahrzehende später haben sie Oestreich, Ungarn, Mähren,
Böhmen, haben sie Bayern, Tirol, Franken und Schwaben, haben sie
die Ufer des Rheins und der Mosel mit ihren Collegien, ihren la-
teinischen Schulen, ihren Kinderlehren, ihren Katechismen erfüllt. Pro-
testanten sah man ihre Kinder aus evangelischen Schulen zurücknehmen
und sie in die Jesuiten sch ulen bringen. Denn das mußte man
ihnen lassen, sie wußten die Kinder vorwärts zu bringen, ihnen Lust
zum Lernen einzuflößen, sie in guter Zucht zu halten, aber auch zu-
gleich sie von Kopf bis zu Fuß mit römischen, mit jesuitischen Ge-
danken, Anschauungen, Meinungen, Vorsätzen zu erfüllen. Und wie
wußten sie auf die Bischöfe, auf die Fürsten einzuwirken! Herzog
Albrech t von Bayern war geraume Zeit dem Protestantismus per-
sönlich zugethan, der größte Theil seiner Unterthanen war evangelisch.
Unter den Händen der Jesuiten ist er der entschiedenste, rücksichtsloseste
Römling geworden. So weit sein Arm reichte, unterdrückte er jede
protestantische Regung; in der ganzen Schärfe, wie eben vorher in
Italien ward auch in Bayern der katholische Gottesdienst wieder her-
gestellt. Alles, was noch von katholischen Fürsten in Deutschland war,
schloß sich an den mächtigen Bayernherzog an. Der Papst war über-
all mit gutem Rath, mit Gunstbezeugungen und Reizung zum wei-
tern Vorgehen bei der Hand. Fortan zeigte sich wieder auf den
Reichstagen eine fest geschlossene römische Partei, die den Protestan-
ten in allen kirchlichen Fragen den nachhaltigsten Widerstand leistete.
Und wo die weltlichen Fürsten vorschritten, wie hätten da die geist-
lichen Zurückbleiben sollen? Die Erzbischöfe von Tri er und Mainz,
der Abt von Fulda begannen alle ihre protestantischen Unterthanen
aus dem Lande zu jagen. Im Herzen Deutschlands das Eichsseid,
es war ganz evangelisch gewesen, jetzt wurde es vollständig zum Ka-
tholicismuö zurückgebracht. In der Erzdiöcese Köln hatte das Evan-
gelium unter dem Erzbischof Gebhard Truchseß schon fast den Sieg
in Händen; es schien, als würde das geistliche Kurfürstenthum bald
in ein weltliches protestantisches verwandelt werden. Ganz West-
phalen wäre in diese Umwandlung mit hineingezogen; aus den
Bisthümern Münster, Osnabrück, Paderborn und Hildesheim hätte
sich ein protestantisches Herzogthum gebildet. In Franken gingen
die Bischöfe von Würzburg und Bamberg mit gleichen Gedanken um.
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530 Xxiv. §. 4. Philipp n. und die Niederlande.
Fürsten sorgten wohl für Vas Beste ihres Landes, nicht aber für das
Beste der gesammten evangelischen Kirche. So begann denn jetzt die
evangelische Kirche ihren Weg in Knechtsgestalt, begleitet von dem
höhnischen Triumphgeschrei ihrer Feindin. Nach allen Seiten drang
letztere siegreich vor. Nach Gebhard's Fall ward auch das halb pro-
testantische Cleve wieder gänzlich für den Romanismus gewonnen.
Auf die protestantischen Bischöfe zu Osnabrück, Münster,
Paderborn folgten katholische Eiferer, die mit unnachsichtiger
Strenge den ganzen katholischen Cultus in ihren Ländern wiederher-
stellten und den Jeimten die volle Gewalt über ihre Unterthanen in
die Hände gaben. So geschah es auch in Hildesheim, in Würz-
burg, in Bamberg. Was war das für eine unerhörte Kirchenvisi-
tation, die der Bischof Julius von Würzburg 1584 in seinem Lande
vornahm. In einem einzigen Jahre hat er mit seinen Jesuiten 14
Städte, 200 Dörfer, 62,000 Seelen zum Katholicismus zurückgebracht.
Und was hier am Main, was am Rhein und an der Weser geschah,
das wiederholte sich nicht minder an der Donau. Nicht bloß in
Bayern , sondern auch in östreichischen Landen. Wir werden noch
davon zu reden haben. Noch ehe das Jahrhundert zu Ende ging,
welches seinen Namen von der Reformation empfangen hat, war die
eben noch so gewaltig vordringende reformatorische Macht auf allen
Punkten, wo der Kampf wieder begonnen halte, geschlagen und zurück-
gewichen. Die Gegenreformation erhob ihr Haupt zu den kühnsten
Entwürfen.
§. 4. Philipp Ii. und die Niederlande.
War unter den Protestanten kein Fürst, der willig und mächtig
genug gewesen wäre, um sich der evangelischen Kirche als eines groß-
ßen und zusammenhängenden Ganzen mit Eifer und Hingebung an-
zunehmen, so war ein solcher doch unter den Katholiken. Wir brau-
chen seinen Namen kaum erst zu nennen. Es war Philipp von
Spanien, unseligen Andenkens (1556—98). Unaufhörlich gestachelt
von den damals hervortretenden Päpsten P ius V. (1566—72), Gre-
gor Xiii. (72—85), den unbeugsamen Eiferern für die römische Kirche,
hat er keinen Augenblick seine Waffen ruhen lassen oder seine Mil-
lionen sparen wollen, wo es galt, die Ketzereien zu bekämpfen.
Lieber ist er arm, schwach, bei verödetem Reich und zu Grunde ge-
richteten Unterthanen aus der Welt gegangen. Für diesen Philipp,
der sich von Gott berufen achtete, die katholische Kirche wiederherzu-
stellen, war es nun von ungemeinem Werthe, daß er die Nieder-
lande besaß. Von dort aus konnte er als von einem trefflichen Mit-
telpunkte auf Deutschland, Frankreich und England zugleich einwirken.
Wir sahen schon, daß spanische Truppen den G ebhard Truchseß
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Julius_von_Würzburg Philipp_Ii Philipp Philipp_von
Spanien Philipp Philipp Philipp Gott
Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Paderborn Hildesheim Bamberg Main Rhein Donau Bayern Niederlande Deutschland Frankreich England
Xxiv. §. 8. Ausbruch des dreißigjährigen Krieges, 1618. 547
Glatz, in Mahren. Auch die friedliche Genossenschaft der mährischen
Brüder wurde zersprengt, der Strom des Katholicismus erfüllte alle
östreichischen Lande an allen Enden. Und, müssen wir hinzusetzen,
in Folge des sich weiter spinnenden Kriegs erfüllte er bald auch das
ganze obere Deutschland; ja schon sind die mittleren, schon werden
die norddeutschen protestantischen Stifter bedroht, Halberstadt, Mag-
deburg sind wieder in katholischen Händen, Bremen, Verden, Minden,
Camin, Havelberg, Schwerin werden von ihnen zurückgefordert; ganz
Deutschland scheint dem Andrang des waffengewaltigen Katholicismus
und der kaiserlichen Uebermacht rettungslos unterliegen zu müssen.
Da fing es an, sich zu erfüllen, was die weiseren Kurfürsten dem
unbesonnenen Friedrich v. d. Pfalz vor der Annahme der böhmischen
Königskrone warnend und weissagend geschrieben hatten: es würde aus
seinem Unterfangen ein Bruderkrieg entstehen, der die deutsche Freiheit
in Knechtschaft verwandeln, fremde Völker zu Herren in Deutschland
machen und ein unabsehbares Elend über das Vaterland herbeiführen
würde. Denn nicht ging mit der Wiedereroberung Böhmens der un-
selige Krieg zu Ende. Dreißig lange, schwere Jammerjahre hat die in
Böhmen entzündete Flamme fortgelodert, hat ihre dunkeln, verzehren-
den Gluthen von Osten nach Westen, von Süden nach Norden fortge-
wälzt, hat Dänemark, Schweden, Frankreich, Italien, Spanien, hat
allmälig ganz Europa mit ergriffen und einen ungeheuren Brand er-
nährt, dessen Heerd und Mittelpunkt unser unglückliches Vaterland
bleiben mußte. Da ist das Grab der deutschen Herrlichkeit gegraben
worden, und die einstmals eine Fürstin war unter den Völkern, ward
jetzt zur Magd, ein Raub und Spott der Fremden. Es haben aber
beide Confesfionen mit gleichem Fleiß an solcher Selbstzersteischung
unseres Landes mit geholfen. War von den protestantischen Böhmen
und vom reformirten Friedrich v. d. Pfalz der erste Schritt gethan,
so that Herzog Maximilian von Bayern mit seiner katholischen Liga
den zweiten Schritt. Er wollte sich den Kurfürstenhut erwerben und hat
ihn auch erworben. Dazu mußte er den pfälzischen Friedrich, ihn selbst
und alle seine Nachkommen ihres Kurfürstenthumes berauben. Das that
er, sobald Böhmen bezwungen war. Da ließ er zuerst die Oberpfalz *)
wegnehmen, dann die Unterpfalz. Alles wurde wieder katholisch; in Hei-
delberg wurde wieder die Messe gelesen, die berühmte Heidelberger Bi-
bliothek als Geschenk nach Rom an den Papst geschickt. Und nun
wäre vielleicht der Krieg zu Ende gewesen, wenn nicht etliche unberu-
fene, kriegslustige, kleine protestantische Fürsten in thörichtervermessen-
heit und kurzsichtiger Beutelust die Truppen der Liga und die Spanier,
die am Oberrhein standen, noch länger im Felde gehalten und hinter
*) Das jetzt bayerische Gebiet an der böhmischen Grenze von Regenöburg nörd-
lich bis in die Gegend des Fichtelgebirges.
35*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_v Friedrich Friedrich_v Friedrich Maximilian_von_Bayern Maximilian Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Halberstadt Bremen Minden Havelberg Schwerin Deutschland Deutschland Schweden Frankreich Italien Spanien Europa Hei- Rom Regenöburg
272 Xvii. §. 4. Einbruch der Germanen in die Grenzprovinzen.
zu nehmen. Durch diese neu hereinbrechenden Ansiedler wurden die
Alpengegenden südwärts der Donau völlig germanisch, nachdem
die früheren Bewohner (Kelten mit Römern vermischt) durch den ge-
waltigen Ansturm größtentheils auseinandergesprengt waren. Eben
so traten in dem römischen Grenzgebiet zwischen Rhein und Do-
nau neue suevische Völkerschaften hervor, die ebenfalls aus ihren
nordöstlichen Sitzen durch die Sachsen verdrängt waren, und bildeten
unter dem Namen Alemannen eine gewaltige Macht. Kaiser Ca-
racalla konnte sie nicht bezwingen, mußte sie auf römischem Gebiet
gewähren lassen und suchte nur ein möglichst freundliches Verhältniß
zwischen ihnen und den Römern herzustellen. Die Hauptgefahr drohte
den Römern aber immer wieder von den östlichsten Massen der Ger-
manenstämme, von den Geten oder Gothen. Diese gewaltigen
Kriegsleute ließen sich schon südwärts der Donau nieder, in Mosten,
und so oft sie auch geschlagen sein mochten, in immer neuer Kraft
richteten sie sich wieder auf, zwangen den Kaiser Alexander Se-
verus zur Zahlung von Jahrgeldern, besiegten den Gordia-
nus Iii., führten unter Philippus Arabs neue gewaltige Hee-
resmaffen über die Donau, überschritten das Hämusgebirge, sielen in
Macedonien und die südlichen Länder ein, überwanden und tödteten
den Kaiser Decius in einer Hauptschlacht (251) und ließen sich
nur durch große Versprechungen und Zahlungen seines Nachfolgers
bewegen, wieder über die Donau zurückzuziehen (vgl. S. 253.255).
Der Einbruch dieser germanischen Barbaren in die Grenzprovinzen
des römischen Weltreichs — mochten sie nun als römische Unterthanen
und Grenzvertheidiger oder als unwillkommene Störenfriede und nur
aus Noth geduldete Eindringlinge unter den Römern wohnen — gab
nothwendig auch den ersten Anlaß zur Bekanntschaft der Germanen
mit dem Christenthum im Römerreich. Denn durch den ganzen Rie-
senleib des römischen Weltreichs war ja schon das Christenthum in
tausend und aber tausend feinen Canälen bis in die entlegensten Pro-
vinzen verbreitet. Durch den Handelsverkehr, durch einen fortwähren-
den Wechsel der Legionen, durch neue Ansiedler aus Italien, aus Klein-
Asien, aus Griechenland war die ewige Wahrheit bereits bis an die
Ufer des Rheins und der Donau getragen. Man will schon im dritten
Jahrhundert Bischofsitze kennen in Metz, Trier, Cöln, Tongern, in
Mainz, Worms, Straßburg, Basel, in Augsburg, Regensburg, Fabian«
(Wien) u. s. w. Wenn sich auch wirkliche Bisthümer nur an den we-
nigsten genannten Orten Nachweisen lassen, so waren doch christliche
Gemeinden ohne Zweifel weit und breit vorhanden, besonders zahlreich
in Pannonien (Ungarn). Aber noch schwebte die Verfolgung über
den Häuptern der Christen, noch waren es nur heimliche oder doch nicht
vom Staat anerkannte Gemeinden, und das Blut der Märtyrer floß
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Se- Alexander Philippus_Arabs Decius
332 Xix. §. 5. Bonifacius, Gründer der deutschen Kirche.
der die bisher selbständig und willkürlich in ihrem Sprengel wirth-
schastenden Bischöfe unter feste Zucht stellte, durch strenge Regeln
zügelte und zum gemeinsamen Gehorsam gegen des Papstes Anord-
nungen verpflichtete. Es waren ja auch nicht eigentlich heidnische
Länder, wo er wirkte, sondern ste waren alle dem fränkischen Scepter
unterworfen, und das Ehriftenthum war überall schon gekannt und
verbreitet. Denn das ganze mittlere Deutschland bis zur Saale, und
die südlicheren Donauländer gehörten damals unter dem Namen
Austrasien zum fränkischen Reich. Hessen und Thüringen, der
Hauptschauplatz seiner Wirksamkeit, mochten noch am meisten Heiden-
thum aufzuweisen haben, und dort tritt seine missionarische Thä-
tigkeit auch noch am meisten hervor. Dagegen Bayern und Ale-
ni annien waren durch die irischen' und fränkischen Missionare schon
längst gänzlich dem Christenthum wiedergcwonnen. Es galt also nur,
die dortigen Bischöfe nach festen Regeln unter eine gemeinsame Ober-
leitung zu ordnen. Das that Bonifacius, indem er das Erzbis-
thum Mainz zur obersten geistlichen Stelle (Primat) machte, dem
alle Bischöfe in Austrasien untergeordnet waren. In Hessen und
Thüringen, wo er selbst erst neue Bisthümer gründete, ergab es sich
von selbst, daß ihm als Erzbischof von Mainz auch die unmittelbare
bischöfliche Verwaltung dieses ausgedehnten Sprengels zufiel. Durch
seine frühere Verbindung mit dem' Bischof von Utrecht endlich und
seine ehemalige missionarische Thätigkeit in Friesland — zu wel-
cher er auch im Alter zurückkehrte und mit der er sein Leben als Mär-
tyrer beschloß 735 — war es leicht zu bewerkstelligen, daß auch der
friesische Sprengel unter die Oberaufsicht des Mainzer Erzbischofs
gestellt wurde (doch so, daß Utrecht, Tongern, Lüttich zunächst der be-
sondern Aufsicht des alten Kölner Erzbisthums untergeordnet war).
Und so war es nun in der That zwischen den germanischen Völker-
stämmen des jetzigen Deutschlands, die sich damals kaum unter ein-
ander verständigen konnten wegen ihrer verschiedenen Sprachformen,
und die in tausend Fehden an einander zu gerathen stets bereit wa-
ren, zu einer festen Einigung, zu einer haltbaren unzerreißlichcn Ver-
bindung gekommen. Das Erzbisthum Mainz mit den sämmtlichen
seiner Oberaufsicht untergebenen deutschen Bisthümcrn ist der feste Kern
geworden, um den sich Alles angesetzt hat, was seitdem zu Deutschland
noch hinzugekommen ist.
Die ganze großartige Thätigkeit des Bonifacius beschränkte sich
also auf den östlichen Theil des großen Frankenreichs, welches da-
mals Austrien oder Austrasien genannt wurde und außer den Rhein.
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Hessen Erzbis-
thum_Mainz Hessen Mainz Utrecht Friesland Utrecht Deutschlands Mainz Deutschland Frankenreichs Rhein
Xix, §. 13. Ludwig der Fromme (814 — 840) und Anschar. 349
Söhne (Lothar, Pipin, Ludwig der Deutsche und Karl der
Kahle), den er selbst durch seine unzeitigen und unzuverlässigen Thei-
lungspläne herbeiführte, lähmte seine Macht ganz und gar, brachte
aber den Bischöfen und Aebten unerhörte Vergewaltigungen bald
durch die eine, bald durch die andere Partei. Schon war davon die
Rede, wie einst zu Pipin's Zeiten die Hälfte, so jetzt alles Kir-
chengut einzuziehen. Und wie ihre Besitzthümer rauben, so wollte man
die Bischöfe ihrer Rechte entkleiden, ihre Sprengel zerreißen, ihre
geistliche Gerichtsbarkeit in Abrede stellen, ihre Verbindung mit dem
Papste beeinträchtigen. Wie wenig Ludwig beim besten Willen
solchem Unwesen seiner Söhne und Großen zu steuern und kräftig
einzugreifen vermochte, sieht man am klärlichsten aus der Stiftung
des Erzbisthums Hamburg oder Bremen. Ludwig hatte die vor-
treffliche Absicht, in den nördlichsten Gegenden Deutschlands eine feste
geistliche Gründung aufzurichten, von der aus, gleich wie von dem
Erzbisthum Salzburg zu den heidnischen Slaven und Avaren, so zu
den Dänen und Schweden eine kräftige Missionsthätigkeit auö-
gehen möchte. Aber anstatt Anderen einen Halt und feste Zuflucht zu
bieten, anstatt der Stützpunkt eines erfolgreichen Angriffs gegen das
nördliche Heidenthum zu sein, ward das Erzbisthum selber überfallen,
geplündert, vergewaltigt, und der Erzbischof konnte sich so wenig
vor Hunger und Mangel schützen, daß am Ende ein Kloster in Flan-
dern aufgesucht und ihm geschenkt werden mußte, damit er von dort-
her wenigstens sein tägliches Brod ziehen könne. In späterer Zeit
wurde dadurch etwas besser für das Erzbisthum gesorgt, daß das
Bisthum Bremen, welches bisher zu der Kölner Erzdiöcese gehört
hatte, mit Hamburg vereinigt wurde (849). Seitdem residirte der
Hamburger Erzbischof gewöhnlich in Bremen. Aber die große Be-
deutung für die nordische Mission, welche ihm zugedacht war, konnte
dieser Bischofssitz niemals gewinnen.
Die Missionsunternehmung nach Dänemark und den übrigen
nördlichen Ländern war veranlaßt durch das Hülfsgesuch eines vertrie-
benen dänischen Fürsten, der um 826 zu Ludwig dem Frommen an
den Hof nach Ingelheim kam, sich mit seiner ganzen Begleitung taufen
ließ, und zur weitern Unterweisung für sich und für sein Volk sich
einige geschickte Lehrer erbat, die er mit nach Dänemark nehmen könnte.
An schar, ein Mönch aus dem Kloster Corvey, wurde mit einem an-
dern Mönch zu diesem Amte auscrsehen. Aber er hatte es kaum an-
getreten und in Dänemark seine Wirksamkeit begonnen, als der Fürst,
der ihn beschirmte, schon wieder vertrieben und ihm selbst alle Thätig-
keit in Dänemark untersagt wurde. Da versuchte er es in Schwe-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Lothar Ludwig_der_Deutsche Ludwig Karl_der
Kahle Karl Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
Xx. §. 3. Untergang der Karolinger. 365
stieß und Arnulf, Karlmann's Sohn, darauf erhob. Dieser
Arnulf (887—899) war der letzte karolingische Kaiser, und mit
Arnulf's Sohne, Ludwig dem Kinde (899—911), starb das
karolingische Geschlecht in Deutschland aus.
Durch die Theilungen des kaiserlichen Ländergebiets unter den Nach-
kommen Ludwig's des Frommen wurden die beiden Länder Frankreich
und Deutschland zum ersten Male bestimmt und klar von einander ge-
schieden. Man nimmt gewöhnlich den Thetlungsvertrag zu Verdun
843 als den Zeitpunkt, von wo an unser deutsches Vaterland sich als
ein besonderes und selbständiges Reich aus der großen Ländermaffe
Karl's des Großen und Ludwig's ves Frommen aussonderte. Damals
aber wurde der Rhein als westliche Grenze Deutschlands bestimmt.
Hinter dem Rhein fing jedoch keineswegs Frankreich an, sondern erst
hinter den Flüssen Rhone, Saone, Maas und Marne. Was zwischen
inne lag, sollte Eigenthum des Kaisers Lothar und seiner Söhne sein.
Als nun das ganze Geschlecht des Kaisers Lothar schon 875 ausstarb,
wurden diese Zwischenländer Burgund und Lothringen zwischen Deutsch-
land und Frankreich getheilt, und an Deutschland fielen diejenigen Stücke,
welche von des Vonifacius Zeiten her und durch spätere Bestimmun-
gen der Päpste unter dem Primat des Erzbischofs von Mainz standen.
Unter dem Primat von Mainz standen aber jenseits des Rheins die Erz-
bischöfe von Köln und Trier mit den Bisthümern Utrecht und Lüttich
(später auch Metz, Tul und Verdun), sowie die Bisthümer Worms,
Speier und Straßburg; selbst Basel mit einem großen Theile der west-
lichen Schweiz. Hier können wir also den Umfang des deutschen Kö-
nigthums, wie Ludwig der Deutsche es noch in seinem letzten Lebens-
jahre vollständig in Besitz genommen hatte, klar übersehen. Es reichte
von der Nordsee bis an die Alpen. Die nördliche Hälfte war nur
schmal und stark nach Westen geneigt; sie erstreckte sich von der Maas
nicht viel über die Elbe. Denn die slavischen Völker, welche ostwärts
der Elbe wohnten, entzogen sich noch immer der germanischen Herr-
schaft und blieben in wildem Heidenthum unter einer Menge kleiner
Fürsten zertheilt. Die südliche Hälfte des deutschen Landes war da-
gegen viel breiter, sie dehnte sich von der Saone bis an die Dran, bis
an die ungarische Donau, bis an die Theiß. Aber die südöstlichen
Länder konnten die deutschen Könige nicht behaupten. Es wurde ihnen
schon schwer, den mächtigen Herrscher des großen mährischen Reichs in
Unterthänigkeit zu halten. Als dann später gar die Magyaren Ungarn
in Besitz nahmen, das mährische Reich zertrümmerten und in verhee-
rendem Strome auch die deutschen Donauländer überflutheten, war es
kaum möglich, die karnische und steyerische Mark, ja auch nur die bayeri-
schen Grenzen gegen ihren ungestümen Andrang zu sichern.
§. 3. Untergang der Karolinger.
Gott der Herr sucht die Frevel der Väter heim bis in's dritte
und vierte Glied. Ob auch die Väter die Zukunft ihrer Kinder durch
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Deutschland Rhein Deutschlands Rhein Frankreich Burgund Lothringen Deutsch- Frankreich Deutschland Mainz Mainz Rheins Verdun Basel Nordsee Donau Ungarn
Xxiii. §. 14. Nngehinderte Ausbreitung des Protestantismus. 519
durchdrungen. Allgemein wurde die Messe, wurden die Reliquien, die
Rosenkränze, die Fasten und Wallfahrten verachtet. Von Ablaß und
Fegfeuer wollte Niemand mehr etwas wissen. Wer hätte noch Luft
gehabt, in ein Kloster zu treten? Mönche und Nonnen, Aebte und Bi-
schöfe wagten es kaum, sich in ihrer geistlichen Amtstracht öffentlich
zu zeigen. Die Klöster verfielen; die geistlichen Güter kamen in die
Gewalt der Landesherren. In Deutschland fanden sich weder auf den
Universitäten noch auf den Schulen kräftige Vertreter des Katholicis-
mus. Auf allen Universitäten waren die evangelischen Lehren einge-
drungen. Die gesummte Jugend Deutschlands saß zu den Füßen pro-
testantischer Lehrer. Schon wollte man einen Mangel an jungen Män-
nern bemerken, welche die Priesterweihe begehrten. Dagegen stüdirten
in Wittenberg jährlich nahe an 800 junge Leute aus allen Gegenden
des lutherischen Europa. Von dort aus wurden die übrigen Univer-
sitäten, wurden aller Orten die Kanzeln besetzt, so wie von Genf aus
die Kanzeln Frankreichs, Schottlands und der Niederlande. Ja in
Deutschland ging man noch weiter. Die Bischöfe wurden bekanntlich
von ihren Domcapiteln erwählt. Im nördlichen Deutschland aber wa-
ren allmälig die Domcapitel ganz und gar evangelisch geworden. Was
war natürlicher, als daß sie sich auch evangelische Bischöfe wählten.
Die Bisthümer Halberstadt, Paderborn, Minden, Verden, Lübeck, ja
die Erzbisthümer Bremen und Magdeburg, und wie viele Abteien ge-
riethen in protestantische Hände! Noch einmal schien es, wie schon unter
Hermann von Wied (S. 512), dahin kommen zu wollen, daß auch in
Köln, in Münster und Osnabrück evangelische Bischöfe den Platz be-
haupteten, und wie hätten dann Mainz und Trier Zurückbleiben wollen?
Aber es ist nicht also geschehen. Mitten im unzweifelhaften Sieges-
zuge wurden die Eroberungen der evangelischen Kirche gehemmt. Nicht
durch eine gewaltige Persönlichkeit, nicht durch großartige Begebenhei-
ten und wunderbare Ereignisse, nicht durch einen plötzlichen Umschwung
— langsam, geheimnißvoll, kaum wahrnehmbar bereitet sich eine dunkle
aber unwiderstehliche Macht, die das stolz dahersegelnde königliche
Schiff der reformatorischen Christenheit wie mit tausend verborgenen
Fäden umspinnt und festlegt und hemmt und zurückzieht. Neue Kämpfe
bereiten sich vor, die Gegenreformationen beginnen, Sieg und Glück
begleitet auf's Neue die katholischen Unternehmungen, mehr als die
Hälfte des schon gewonnenen Gebiets wird den Evangelischen wieder
entrissen. Sollen wir uns darüber wundern? Es wiederholt sich hier
ja nur, was je und je das Loos der neugeschenkten oder wiedergesun-
denen Wahrheit war, daß nämlich die Mächte der Finsterniß Alles auf-
boten, um sie zu vernichten. Wie die apostolische Christenheit alsbald
von dem Drachen angegriffen und nur durch die Allmachtshand Got-
tes vor ihm gerettet und zu einer ruhigen Eristenz im römischen Staate
geleitet wurde, so versuchten auch jetzt die Creaturen des Drachen:
Weltmacht und Kirchenmacht, ihre Waffen gegen die gereinigte Kirche.
Aber die Weltiuacht war zertheilt und die Kirchenmacht geschwächt,
deshalb erlitt die evangelische Christenheit zwar großen Verlust und
Schaden, aber sie wurde nicht unterdrückt. Nach einem Jahrhundert
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Extrahierte Personennamen: Hermann_von_Wied
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Xxiv. §. 11. Das Ende der Eegenrefvrmationen ic.
Katholiken schossen, und Protestanten auf Protestanten. Ja der letzte
General der kaiserlich katholischen Armee war ein hessischer Calvinist.
Nichts desto minder wurde doch durch diesen Krieg, insonderheit durch
die Siege Gustav Adolf's ein Umschwung in den Lauf der Dinge
gebracht, der siegreiche Fortgang des Katholicismus wurde gehemmt,
und ein Gleichgewicht der beiden Kirchen hergeftellt, welches auch
durch die späteren Kriegsereignisse nicht wieder umgestürzt worden ist.
So mußte denn auch im Friedensschlüsse das Gleichgewicht der bei-
den Bekenntnisse bestätigt und für alle Zukunft unangreifbar gemacht
werden. Kaiser Ferdinand hatte das sehr wohl erkannt und schon
im Prager Frieden den beständigen Friedstand zwischen beiden Con-
fessionen zugesichert. Nur mußten hierbei noch etliche nähere Bestim-
mungen getroffen werden. Zunächst lag dem Kaiser, obwohl er im
Reiche alle Duldung gewähren wollte, doch Alles daran, in seinen
Erb landen den Katholicismus nicht wieder aufkommen zu lassen.
Wenn also die Protestanten forderten, es sollten alle kirchlichen Ver-
hältnisse so wieder hergeftellt werden, wie sie vor Ausbruch des Krie-
ges (also 1618) bestanden hatten, so setzte sich der Kaiser mit aller
Entschiedenheit dagegen. Denn dann hätten Böhmen, Mähren, Schle-
sien u. s. w. wieder evangelisch werden müssen. Erst das Jahr 1624
ließ er als „Normaljahr" gelten, denn da waren die Gegenrefor-
mationen in seinen Erblanden vollbracht. Diejenigen Protestanten,
welche an Orten wohnten, wo 1624 kein protestantischer Gottesdienst
mehr gehalten war, hatten also auch in Zukunft keine Gewährung
eines öffentlichen Gottesdienstes zu hoffen. Hausandachten zu halten,
blieb ihnen unverwehrt. Dem katholischen Landesherrn stand aber
auch das Recht zu, sie zur Auswanderung zu zwingen. Auch Cal-
vinisten (Reformirte), die früher aus dem Frieden des Reichs so gut
wie ausgeschlossen waren, wurden von jetzt an den Lutherischen gleich
gestellt. Die protestantisch gewordenen Bisthümer und Stifter,
welche durch das Restitutionsedict der katholischen Kirche zurückgege-
den werden sollten, blieben nun doch in den Händen der Protestanten,
sie wurden, wie man es nannte, säcularisirt. Leider mußten zwei
der reichsten, Bremen und Verden, den Schweden übergeben wer-
den, später sind sie mit Hannover vereinigt worden; Branden-
burg wurde, wie schon erwähnt, am meisten bedacht; es empfing
das Erzbisthum Magdeburg und die Bisthümer Minden, Halberstadt
und Camin. Schwerin und Ratzeburg fielen an Mecklenburg, Osna-
brück an Braunschweig-Lüneburg u. s. w. Der damals festgestellte
Besitzstand und das Verhältniß der protestantischen zu der katholischen
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Adolf's Gustav Ferdinand Ferdinand