Das Deutsche Reich nach 1648:
a) Unklare Begrenzung.
Ein Staat muß fest bestimmte, allgemein anerkannte Grenzen haben, andernfalls wird sein Ansehen bei fremden Völkern gering sein. Leider besaß das Deutsche Reich im 17. Jahrhundert nach allen Seiten hin unklar bestimmte Grenzen. So kam es, daß sich die Nachbarn in den Grenzlanden des Deutschen Reiches wiederholt die gröbsten Übergriffe erlaubten.
Italien. Wir wollen eine Wanderung längs 'der deutschen Grenze unternehmen und begeben uns zunächst nach Italien. Die italische Halbinsel war einst den römischen Kaisern deutscher Nation untertan gewesen. Wir erinnern uns jedoch, daß schon Kaiser Friedrich I. heftige Kämpfe mit dem aufstrebenden Bürgertum der italischen Städte auszufechten hatte, und seit dem 15. und 16, Jahrhundert hatten sich in Italien eine ganze Reihe größerer und kleinerer selbständiger Staaten gebildet, so daß die politische Karte Italiens ein ähnliches Bild zeigte wie die Karte Deutschlands. Die römischen Kaiser aus dem Hause Habsburg wollten aber von der Selbständigkeit der italischen Gewalthaber nichts wissen und beanspruchten noch im 17. Jahrhundert die Lehnsoberhoheit über die verschiedenen italischen Gemeinwesen.
Das Elsaß. Begeben wir uns nach der Westgrenze. Die Abschnitte der Friedensurkunde von 1648, welche die Erwerbungen Frankreichs im Elsaß betrafen, waren mit Absicht durchaus unklar abgefaßt. Denn die friedenschließenden Mächte, Frankreich und das Deutsche Reich, hatten die im Augenblicke unbeglichenen Ansprüche in der Schwebe halten wollen; sie hofften, bei erster günstiger Gelegenheit dem Nachbar die Erfüllung ihrer Wünsche abzutrotzen.
Es heißt in der Friedensurkunde z. B., daß die dem Hause Österreich gehörige Landgrafschaft von Ober- und Unterelsaß jetzt Frankreich zufallen solle. Das Wort Landgrafschaft hatte aber einen doppelten Sinn. Man konnte bei dem Worte bloß an ein Reichsamt denken, und man konnte mit dem Worte auch den Begriff der Landeshoheit verknüpfen, wie man doch von einer Landgrafschaft Hessen sprach. Es war zweifelhaft, was hier gemeint sei; die Friedensurkunde
Stoll, Geschichtliches Lesebuch Ii. Teil. 1
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gab darüber keinen Aufschluß, und Zwistigkeiten waren unausbleiblich.
Ähnlich waren die Bestimmungen über die zehn elsässischen Reichsstädte. Der Friede übertrug Frankreich die bisher gleichfalls im Besitz des Hauses Habsburg gewesene Landvogtei über diese Städte; aberden zehn Städten wurde in nachdrücklichster Weise zugesichert, daß sie auch hinfort freie Reichsstädte bleiben sollten. Hier handelte es sich augenscheinlich nicht um einen Landbesitz, sondern um ein Amt. Diese Landvogtei war übrigens ein Amt mit nicht ganz klar bestimmten Rechten und Pflichten. Der Landvogt besaß eine gewisse Schutzherrschaft über die zehn Städte; er schwor, ihnen ihre Rechte zu bewahren; sie schworen ihm Gehorsam in den Grenzen seiner Befugnisse; er beaufsichtigte die Wahlen zu den städtischen Ämtern; er bezog gewisse Einnahmen aus den Städten und ebenso aus einer Anzahl bei Hagenau gelegener Reichsdörfer. Aber die zehn Städte galten als ebenso reichsunmittelbar wie Nürnberg und Augsburg. Nun wurde die Landvogtei der Krone Frankreich übertragen. Dem französischen König wurde also ein Amt übertragen, welches bisher im Namen des Reiches und über Mitglieder des Reiches ausgeübt war. Das Amt wurde ihm ausdrücklich als eine völlig vom Reiche losgelöste Befugnis zuerteilt; aber der Gegenstand, auf den sich seine Tätigkeit erstreckte, verblieb bei dem Reiche.
So entstanden hier Zustände unhaltbarer Art. Es war völlig undenkbar, daß Frankreich, das gerade damals rücksichtslos nach fest geschlossener Einheit strebte, sich durch zweideutige Paragraphen lange würde fesseln lassen. — Straßburg war durch den Friedensvertrag in seiner Selbständigkeit zunächst sichergestellt und besaß die Macht, sein zweifelloses Recht noch ein Menschenalter hindurch zu behaupten. Aber wie hätten jene zehn kleinen elsässischen Landstädte und die kleinen reichsfreien Herren im Elsaß dem Drucke des gewaltigen Frankreich auf die Dauer widerstehen können?
Lothringen. Im Westen Deutschlands lag ferner das Herzogtum Lothringen, ein Grenzland zwischen den Bereichen deutscher und französischer Zunge. Dieses Land blieb nach dem Westfälischen Frieden noch' zehn Jahre lang von den Franzosen besetzt. Denn während des Dreißigjährigen Krieges „führte Frankreich auch einen Krieg mit Spanien, der nach 1648 noch fortdauerte, und der Herzog von Lothringen hatte sich mit Spanien verbündet, hatte im Kriege sein Land an die Franzosen verloren und sich in Münster und Osnabrück vergeblich bemüht, sein Herzogtum zurückzuerlangen. Gar zu gern hätten die Franzosen Lothringen überhaupt behalten; nach zehn Jahren mußten sie das Land jedoch wieder herausgeben. Aber man war in Frankreich überzeugt, daß Lothringen früher oder später doch an Frankreich fallen müsse.
Der Burgundische Kreis. Die Landschaften im Nordwesten Deutschlands faßte man unter dem Namen des Burgundischen Kreises zusammen. Karl V. hatte es nämlich durchgesetzt, daß seine gesamten niederländischen Erblande als ein besonderer Reichskreis anerkannt wurden. Derselbe sollte seinen Beitrag zu den Reichssteuern
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haben — kurz, alle waren einig in dem Gedanken, daß die Allgewalt der Krone das Heil des Landes bedeute.
Dabei verfügte der König über reiche Mittel. Frankreich besaß ein wohlgeschultes Beamtenheer, das von dem Gedanken, die Monarchie sei die beste Staatsform, völlig durchdrungen war. Der Wohlstand des Landes war zwar durch einen langen Krieg gegen das Haus Habsburg in Österreich und in Spanien schwer erschüttert; aber umsichtig wurde darauf hingearbeitet, daß sich Handel und Gewerbe entwickelten, und nachdem der König in Colbert für die wirtschaftlichen Arbeiten einen vorzüglichen Minister gefunden hatte, entfalteten sich Handel und Gewerbe schnell zu schönster Blüte. Frankreich besaß schon lange ein stehendes Heer, und dieses Heer hatte sich jetzt in dem Kriege gegen Habsburg aufs glänzendste bewährt; kein anderes Heer in Europa kam dem französischen an Ruhm und Erfahrung gleich, und der Kriegsminister Louvois war unermüdlich, die Armee noch mehr zu verstärken und zu vervollkommnen. Die französischen Diplomaten waren allen übrigen durch ihre geschickte Geschäftsführung überlegen, und sie wurden bald das Vorbild für die gesamte Diplomatie Europas.
An die Spitze dieses reichen und überlegenen Landes trat nun ein junger König, Ludwig Xiv. (1661—1715), der ganz von Stolz auf seine unvergleichliche Stellung erfüllt war, der sich den Geschäften seines Amtes mit Geist, mit Arbeitskraft und mit nie ruhender Unternehmungslust widmete, der das Gefühl hatte, daß Frankreich Großes von ihm erwarte, und der entschlossen war, diesen Erwartungen gerecht zu werden.
Die Einverleibung des Elsaß bis auf Straßburg. In verschiedenen Kriegen gelang es diesem Könige, die Grenzen Frankreichs ein gutes Stück weiter hinauszuschieben. Artois und Roussillon, große Stücke von Flandern und die Franche Comte wurden erworben, und wie hätte es anders sein können, als daß Ludwig auch daran ging, im Elsaß klare Verhältnisse zu schaffen? Zunächst wurden die 10 Reichsstädte in bezug auf die Rechtspflege dem Parlamente in der französischen Stadt Metz unterworfen. Darauf wurden diese Städte gezwungen, dem Könige zu schwören, daß sie ihm mit Treue alles das leisten wollten, wozu sie nach dem Westfälischen Frieden verpflichtet seien. Endlich wurde Waffengewalt angewendet, um sie völlig zu unterwerfen. Im Sommer 1673, nachdem ein Krieg zwischen dem Kaiser und Brandenburg einerseits und Frankreich andererseits ausgebrochen war, wurde das Elsaß widerrechtlich — denn das deutsche Reich befand sich damals nicht im Kriege gegen Frankreich — von französischen Truppen überschwemmt, und eine der ersten Unternehmungen der Truppen bestand darin, daß die zehn Reichsstädte besetzt und entwaffnet und ihre Festungswerke niedergerissen wurden. Darauf mußte sich die reichsfreie Ritterschaft dem neuen Landesherrn beugen. Darauf wurden auch die Ämter, welche das Landgebiet der Stadt Straßburg bildeten — aller Gegenvorstellungen des Magistrats ungeachtet — in königliche Verwaltung genommen. Bis auf die alte freie Reichsstadt selbst, die das Ende auch
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ihrer Freiheit zagend vor Augen sah, war damit die Einverleibung des Elsaß in die französische Monarchie tatsächlich vollzogen.
Die Reunionskammern. Um diesen und anderen noch folgenden Gewalttaten den Schein des Rechtes zu geben, wurden in Frankreich die sogenannten Reunionskammern eingesetzt. Die französische Regierung ging dabei von dem Grundsätze aus, daß nicht nur Sotch die letzten Friedensschlüsse (1648 Münster und Osnabrück 1668 Aachen, 1678 und 1679 Nymwegen) an Frankreich abgetretenen Besitzungen ihm rechtmäßig Zuständen, sondern auch alle Gebiete, die einst zu diesen gehört hatten und ihnen im Laufe der Zeit entfremdet waren. In Metz, Breisach und Besanqon wurden besondere Gerichtshöfe eingesetzt, eben die Reunionskammern, welche über alle derartigen Ansprüche Frankreichs gerichtlich entscheiden sollten In erster Linie wurden die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun veranlaßt, ihre Ansprüche bei der Kammer in Metz vorzubringen. Sie verfehlten auch nicht, wie es von ihnen gewünscht wurde, eine lange Reihe von deutschen Besitzungen namhaft zu machen, die angeblich einst Lehen der drei lothringischen Bistümer gewesen waren. Und der fügsame Gerichtshof verfehlte nicht, obgleich sich die Forderungen fast sämtlich auf Scheinbeweise und Rechtsverdrehungen stützten, dieselben als gerechtfertigt anzuerkennen. In gleicher Weise verfuhren die Kammer von Breisach im Elsaß und die von Besanqon in der Franche Comte. Die Urteilssprüche der drei Höfe wurden als unwiderruflich betrachtet, und die deutschen Fürsten und Herren, welche das von Frankreich beanspruchte Land bisher besessen hatten, wurden aufgefordert, für dieses Land dem französischen Könige den Lehnseid zu leisten. Weigerten sie sich, so wurde das Land militärisch besetzt, und die Einkünfte aus dem Lande wurden beschlagnahmt. Natürlich ließ man es von deutscher Seite nicht an Beschwerden über die französischen Gewalttaten fehlen; aber dadurch wurde nichts geändert.
Straßburg. Schließlich krönte Ludwig Xiv. die Reunionen mit der Wegnahme Straßburgs. — Das Gefühl, daß der Freiheit der elsässischen Hauptstadt ein Angriff drohe, lag seit dem Beginn der Reunionen in der Luft. Aber die Stadt war nicht gerüstet, ihm zu begegnen. Kaiserliche Truppen, welche bisher in der Stadt gelagert hatten, waren abberufen worden; die eigene Söldnerschaft war wenig zahlreich und jedenfalls für eine Verteidigung völlig unzureichend, und Verhandlungen in Wien, beim Reichstage in Regensburg und am französischen Hofe blieben fruchtlos. — Im Sommer 1681 wurden von der französischen Seite so geheim wie möglich die militärischen Vorbereitungen zur Besetzung Straßburgs getroffen. Man glaubte, daß Zürich und Bern einen Versuch machen könnten, die altbefreundete Stadt zu unterstützen, und stellte darum eine kleine Truppenschar zur Beobachtung an die Schweizer Grenze. Ebenso wurden Maßregeln getroffen, um einem Eingreifen Spaniens von den Niederlanden her zuvorzukommen. Aber man hatte auf französischer Seite die Entschlossenheit dieser Gegner überschätzt; nirgends dachte man daran, Straßburg tatkräftig zu unterstützen. — In der Nacht vom 27. auf den
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28. September rückten die französischen Truppen an die Stadt heran und schlossen sie von allen Seiten her ein. Am nächsten Morgen, als man in der Stadt sah, was geschehen war, wollte die große Masse der Bevölkerung sich an die Verteidigung machen; die Wälle wurden besetzt, Geschütze wurden aufgefahren. Aber alle Einsichtigen erkannten, daß Widerstand unmöglich sei, daß es sich nur noch darum handle, die Stadt zu übergeben und einen gewaltsamen Zusammenstoß zu verhindern. Denn es war undenkbar, eine Festung von dem Umfange Straßburgs mit 400 Söldnern und einer wahrscheinlich bald ermattenden Bürgerschaft gegen eine große Armee verteidigen zu wollen. Der Rat Straßburgs trat darum mit dem französischen General in Unterhandlungen. — Noch an demselben Tage traf auch der Minister Louvois ein, der sich vorbehalten hatte, das Unternehmen, welches von ihm im einzelnen vorbereitet war, auch persönlich zum Abschluß zu bringen. Herrisch sprach er seine Forderungen aus. Straßburg sollte als elsässische Stadt die Hoheit des Königs anerkennen, ihm die Huldigung leisten und eine französische Besatzung aufnehmen. Die Gnade des Königs werde dann darein willigen, daß alle städtischen Vorrechte erhalten blieben. Wenn die Stadt es auf Gewalt ankommen lasse, werde sie einem harten Schicksal entgegengehen und die Strafe dafür ertragen müssen, daß sie den Versuch gemacht habe, sich zu empören. — Den folgenden Tag hindurch (am
29. September) wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Louvois drängte gebieterisch, daß man sich entschließe. Aber der Magistrat hatte zunächst in der Stadt die schwere Aufgabe zu lösen, die aufgeregte Bürgerschaft zur Unterwerfung unter das unvermeidliche Schicksal zu überreden. Darauf erst, am 30. September, wurde zu Illkirch, im französischen Hauptquartier, die Kapitulation unterzeichnet. Noch an demselben Tage hielt Louvois an der Spitze der französischen Truppen seinen Einzug in die bezwungene Stadt. — Im Oktober erschien Ludwig selber in glänzendem Königsgepränge, von seiner ganzen Familie begleitet. An der Schwelle des Münsters empfing ihn der Bischof Egon von Fürstenberg, ein französisch gesinnter deutscher Kleinfürst, der schon lange in französischem Solde stand. In seiner berüchtigt gewordenen Begrüßungsrede wiederholte er die Worte des alten Simeon: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben» deinen Heiland gesehen.“
Die Verwüstung der Pfalz. Nächst der Wegnahme Straßburgs hat sich keine andere Demütigung Deutschlands durch die Franzosen so tief in das Bewußtsein und in die Herzen des deutschen Volkes eingeprägt als die Verwüstung der Pfalz. — Im Jahre 1688 brach wieder einmal ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich aus. Die Franzosen fielen in Süddeutschland ein und hofften, vom Reiche einen schnellen Frieden zu erzwingen. Aber darin hatten sie sich getäuscht. Die Stimmung in Deutschland war kriegsmutig; die größeren Reichsstände schickten beträchtliche Truppenmassen, und die Franzosen wichen, ohne daß es zu einem größeren Angriff kam, überall gegen den Rhein hin zurück. Dadurch kam Frankreich in
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das i,n Paris auftauchte, nachgeahmt. Da es üblich ward, daß die jungen Leute aus den höheren Ständen von jetzt ab Bildungsreisen nach Frankreich machten, strömte neue und neueste Kunde über die Wandlungen im französischen Geschmack ununterbrochen nach Deutschland. — Ein anderes Zeichen der Zeit waren die zunehmende Sprachmengerei: Man kann freilich für dieselbe nicht das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges allein verantwortlich machen. Denn mit lateinischen Worten und Wendungen war die deutsche Sprache schon seit den ältesten Zeiten versetzt. Aber neben dem Lateinischen drängten nun mehr und mehr auch Wörter und Wendungen aus den modernen fremdländischen Sprachen in die deutsche Sprache ein, verhältnismäßig wenig spanische und italienische, um so mehr französische. Denn die höheren Stände Deutschlands bemühten sich seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, in schriftlichem und mündlichem Verkehr ausschließlich das Französische zu gebrauchen, und immer weitere Kreise suchten diese vornehme Gewohnheit nachzuahmen. Nun besaßen nicht alle die Fähigkeit, sich die völlige Herrschaft über das Französische anzueignen; dann putzte man wenigstens seine deutsche Sprache mit französischen Wörtern und Redewendungen auf, und es entstand ein Kauderwelsch, das jedem gebildeten Ohr unausstehlich erscheint. Französische Ausdrücke, die damals von Frankreich her zu uns kamen, waren z. B.: galant, nett, adrett, honett, kokett, charmant, brillant, nobel, Kabale, Schikane, Intrigue, Malice, Courtoisie, ferner Armee, Parade, Bataillon, Infanterie, Brigade, Batterie, Barrikade, Chef, Adjutant. — Mit der Annahme französischer Tracht und Sprache verband sich häufig die maßloseste Bewunderung alles französischen Wesens überhaupt, und bis ins kleinste hinein ahmte man die französischen Sitten nach. Wie natürlich, hatte man jedoch häufig für die französischen Formen kein rechtes Verständnis, und so entstanden lächerliche Zerrbilder, welche geradezu zum Spotte herausforderten.
Nach Erdmannsdörffer.
e) Beziehungen zu Schweden.
Der Westfälische Friede. Auch Schweden konnte mit den westfälischen Abmachungen zufrieden sein. Zunächst bekam es Vorpommern und Rügen. Ferner wurde ihm Wismar, der wichtigste Hafenplatz Mecklenburgs, nebst dem angrenzenden Gebiete abgetreten.
Ja, auch an die Ufer der Nordsee, in die Mündungsgebiete der Elbe und Weser, wurde die Herrschaft Schwedens vorgeschoben. Denn das Erzbistum Bremen und das Bistum Verden wurden zu Herzogtümern gemacht und der Krone Schweden als deutsche Reichslehen übertragen. Für diese neuerworbenen Besitzungen trat die Krone Schweden als Reichsstand in den deutschen Staatsverband ein, hatte also Sitz und Stimme auf dem deutschen Reichstage und vermochte natürlich dort ihren Einfluß zugunsten ihrer Reiche zu verwenden. Dazu kam, daß sich in beiden Provinzen, in Pommern und Bremen-Verden,
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dem Kurfürsten eine Teilung der hinterpommerschen Seezölle anbot. Auf Grund dieses Angebots einigten sich die beiden Gegner endlich. Im Mai 1653 wurde zu Stettin die Urkunde über die Grenzlinie unterzeichnet, und zugleich kam man dahin überein, daß Schweden und Brandenburg die Seezölle, Schiffsgelder, beschlagnahmten Güter und Strafgelder in den hinterpommerschen Häfen zu gleichen Teilen genießen sollten. Darauf erst wurde Hinterpommern den branden-burgischen Kommissaren übergeben und von den schwedischen Truppen geräumt, fünf Jahre nach dem Westfälischen Frieden.1
Streitmitderstadtbremen. Im Westen geriet Schweden in Streit mit der Stadt Bremen. In der letzten Zeit war die Reichsunmittelbarkeit der Stadt von Kaiser und Reich wiederholt feierlich anerkannt worden. Als freie Reichsstadt hatte Bremen an den westfälischen Friedensunterhandlungen teilgenommen. Während die Friedensurkunde das Erzstift Bremen als weltliches Herzogtum den Schweden zueignete, wurde zugleich ausgesprochen, daß die Stadt Bremen nicht abgetreten werde, sondern nebst ihrem Gebiet in ihrem gegenwärtigen Rechtszustande erhalten bleiben solle. Aber wie hätte es anders sein können, als daß Schweden trotzdem mit allen Mitteln sich bemühte, entweder die reiche Handelsstadt unter seine Herrschaft zu bringen, oder, wenn das nicht gelang, ihre Handelsmacht zu untergraben ?
Die schwedischen Angriffe begannen schon ein paar Jahre nach dem Frieden, und die schwedische Regierung war in einer um so günstigeren Lage, als Bremen eben jetzt, voll trotzigen Selbstgefühls, sich mit dem Kaiser und dem Reich überwarf. Dem Grafen von Oldenburg war nämlich vom Kaiser auf der Weser eine Zollgerechtigkeit verliehen, und dieselbe war im Westfälischen Frieden bestätigt worden. Vergeblich hatte Bremen gegen diese Beschwerung seines Handels Widerspruch erhoben; jetzt widersetzte es sich der Erhebung des Elsflether Zolles mit offener Gewalt. Als alle Abmachungen erfolglos blieben, sprach Kaiser Ferdinand (Oktober 1652) über die widerspenstige Stadt die Reichsacht aus — willkommene Gelegenheit für die schwedische Regierung in Stade, ihre eigenen Pläne gegen die geächtete Bürgerschaft auszuführen. Graf Königsmark, der königliche Statthalter in den Herzogtümern Bremen und Verden, der die Stadt vergeblich aufgefordert hatte, der Königin Christine von Schweden zu huldigen, besetzte die an der unteren Weser gelegenen bremischen Ämter; stromauf- und abwärts an der Weser, an den Mündungen der Aller, der Lesum und der Geest, wurden starke schwedische Schanzen errichtet, und die Schiffahrt nach Bremen wurde gesperrt. Es galt, durch die Vernichtung ihres Handels den Eigensinn dieser Hanseaten zu brechen.
In Bremen verhehlte man sich nicht, daß man vor einem Kampf um das Dasein stand. Alle Klassen der Bevölkerung waren jedoch entschlossen, lieber unterzugehen, als schwedisch zu werden. Man rüstete sich zum kräftigsten Widerstand und erwartete, daß auch die
1 Die Streitigkeit zwischen Schweden und Mecklenburg dauerte fort und ist überhaupt nicht beigelegt worden.
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welches damals noch nicht erledigt war. Für Brandenburg war es ein schwerer Verlust, daß es auf einen bedeutenden Teil von Pommern sogar auf die Hauptstadt Stettin verzichten mußte; auf der ändern Seite aber bildeten doch Magdeburg, Halberstadt und Minden ein sehr erwünschtes Verbindungsglied zwischen den märkischen Stammlanden und den Besitzungen Brandenburgs am Rhein. Mecklenburg wurde für die an Schweden abgetretene Stadt Wismar durch die Bistümer Schwerin und Ratzeburg entschädigt.
Frankreich gegenüber hatte das Haus Habsburg die Kosten zu tragen. Zunächst wurde Frankreich die volle Landeshoheit über die Bistümer und Städte Metz, Toul und Verdun eingeräumt, welche sich tatsächlich schon seit 1552 in seinem Besitze befanden, ohne daß dieser Besitz jedoch rechtlich anerkannt gewesen wäre. Außerdem wurde Frankreich das Elsaß eingeräumt. Es erhielt nämlich die Stadt Breisach, die Landgrafschaft Ober- und Unterelsaß, den Sundgau und die Landvogtei der zehn Reichsstädte. Freilich versprach es, die unmittelbaren Reichsglieder in ihrer Reichsfreiheit zu erhalten; allein dann hieß es weiter, daß den französischen Oberhoheitsrechten kein Abbruch geschehen dürfe. Bei so unklaren Bestimmungen war späteren Ansprüchen Frankreichs, wenn sie mit dem erforderlichen Nachdruck geltend gemacht wurden, Tor und Tür geöffnet.
Endlich wurden noch zwei tatsächlich schon früher eingetretene Gebietsverluste durch den westfälischen Frieden gesetzlich anerkannt, nämlich die Selbständigkeit der Schweiz und die Selbständigkeit der vereinigten Niederlande.
2. Die religiös-kirchlichen Bestimmungen.
Auf religiös - kirchlichem Gebiete entbrannte in Münster und Osnabrück ein besonders lebhafter Streit um das Restitutionsedikt und den geistlichen Vorbehalt. Im Laufe der Verhandlungen stellte es sich dann immer unzweifelhafter heraus, es sei notwendig, daß man sich ein für allemal auf einen bestimmten Termin einige, der fortan für die Verteilung der geistlichen Fürstentümer und Güter maßgebend sein solle. Während die Protestanten das Jahr 1618 als Normaljahr festgesetzt wissen wollten, brachte der Kaiser 1630 als Normaljahr in Vorschlag. Schließlich einigte man sich auf den Zeitpunkt, der zwischen 1618 und 1630 genau in der Mitte liegt, auf den 1. Januar 1624. Dieses Datum sollte für alle Zukunft entscheidend sein, d. h. alle geistlichen Güter, welche an dem genannten Tage im Besitze von Protestanten gewesen waren, sollten protestantisch, alle, welche im Besitz von Katholiken gewesen waren, katholisch auch in Zukunft bleiben.
Außerdem wurde als Grundsatz festgestellt, daß alle Stände beider Bekenntnisse, des katholischen und des protestantischen, völlig gleichberechtigt sein sollten; die reformierten Stände sollten unter die protestantischen mit einbegriffen seien. Zu einer unbedingten Gleichberechtigung der katholischen und protestantischen Untertanen vermochte man sich noch nicht zu entschließen. Noch immer hatte
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das in Paris auftauchte, nachgeahmt. Da es üblich ward, daß die jungen Leute aus den höheren Ständen von jetzt ab Bildungsreisen nach Frankreich machten, strömte neue und neueste Kunde über die Wandlungen im französischen Geschmack ununterbrochen nach Deutschland. Ein anderes Zeichen der Zeit waren die zunehmende Sprachmengerei: Man kann freilich für dieselbe nicht das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges allein verantwortlich machen. Denn mit lateinischen Worten und Wendungen war die deutsche Sprache schon seit den ältesten Zeiten versetzt. Aber neben dem Lateinischen drängten nun mehr und mehr auch Wörter und Wendungen aus den modernen fremdländischen Sprachen in die deutsche Sprache ein, verhältnismäßig wenig spanische und italienische, um so mehr französische. Denn die höheren Stände Deutschlands bemühten sich seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, in schriftlichem und mündlichem Verkehr ausschließlich das Französische zu gebrauchen, und immer weitere Kreise suchten diese vornehme Gewohnheit nachzuahmen. Nun besaßen nicht alle die Fähigkeit, sich die völlige Herrschaft über das Französische anzueignen; dann putzte man wenigstens seine deutsche Sprache mit französischen Wörtern und Redewendungen auf, und es entstand ein Kauderwelsch, das jedem gebildeten Ohr unausstehlich erscheint. Französische Ausdrücke, die damals von Frankreich her zu uns kamen, waren z. B.: galant, nett, adrett, honett, kokett, charmant, brillant, nobel, Kabale, Schikane, Intrigue, Malice, Courtoisie, ferner Armee, Parade, Bataillon, Infanterie, Brigade, Batterie, Barrikade, Chef, Adjutant. Mit der Annahme französischer Tracht und Sprache verband sich häufig die maßloseste Bewunderung alles französischen Wesens überhaupt, und bis ins kleinste hinein ahmte man die französischen Sitten nach. Wie natürlich, hatte man jedoch häufig für die französischen Formen kein rechtes Verständnis, und so entstanden lächerliche Zerrbilder, welche geradezu zum Spotte herausforderten.
Nach Erdmannsdörffer.
e) Beziehungen zu Schweden.
Der Westfälische Friede. Auch Schweden konnte mit den westfälischen Abmachungen zufrieden sein. Zunächst bekam es Vorpommern und Rügen. Ferner wurde ihm Wismar, der wichtigste Hafenplatz Mecklenburgs, nebst dem angrenzenden Gebiete abgetreten.
Ja, auch an die Ufer der Nordsee, in die Mündungsgebiete der Elbe und Weser, wurde die Herrschaft Schwedens vorgeschoben. Denn das Erzbistum Bremen und das Bistum Verden wurden zu Herzogtümern gemacht und der Krone Schweden als deutsche Reichslehen übertragen. Für diese neuerworbenen Besitzungen trat die Krone Schweden als Reichsstand in den deutschen Staatsverband ein, hatte also Sitz und Stimme auf dem deutschen Reichstage und vermochte natürlich dort ihren Einfluß zugunsten ihrer Reiche zu verwenden. Dazu kam, daß sich in beiden Provinzen, in Pommern und Bremen-Verden,
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Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Deutschland Deutschlands Frankreich Schweden Schweden Wismar Mecklenburgs Nordsee Bremen Schweden Schweden Pommern
Das Deutsche Reich nach 1648:
a) Unklare Begrenzung.
Ein Staat muß fest bestimmte, allgemein anerkannte Grenzen haben, andernfalls wird sein Ansehen bei fremden Völkern gering sein. Leider besaß das Deutsche Reich im 17. Jahrhundert nach allen Seiten hin unklar bestimmte Grenzen. So kam es, daß sich die Nachbarn, in den Grenzlanden des Deutschen Reiches wiederholt die gröbsten Übergriffe erlaubten.
Italien. Wir wollen eine Wanderung längs der deutschen Grenze unternehmen und begeben uns zunächst nach Italien. Die italische Halbinsel war einst den römischen Kaisern deutscher Nation untertan gewesen. Wir erinnern uns jedoch, daß schon Kaiser Friedrich I. heftige Kämpfe mit dem aufstrebenden Bürgertum der italischen Städte auszufechten hatte, und seit dem 15. und 16. Jahrhundert hatten sich in Italien eine ganze Reihe größerer und kleinerer selbständiger Staaten gebildet, so daß die politische Karte Italiens ein ähnliches Bild zeigte wie die Karte Deutschlands. Die römischen Kaiser aus dem Hause Habsburg wollten aber von der Selbständigkeit der italischen Gewalthaber nichts wissen und beanspruchten noch im 17. Jahrhundert die Lehnsoberhoheit über die verschiedenen italischen Gemeinwesen.
Das Elsaß. Begeben wir uns nach der Westgrenze. Die Abschnitte der Friedensurkunde von 1648, welche die Erwerbungen Frankreichs im Elsaß betrafen, waren mit Absicht durchaus unklar abgefaßt. Denn die friedenschließenden Mächte, Frankreich und das Deutsche Reich, hatten die im Augenblicke unbeglichenen Ansprüche in der Schwebe halten wollen; sie hofften, bei erster günstiger Gelegenheit dem Nachbar die Erfüllung ihrer Wünsche abzutrotzen.
Es heißt in der Friedensurkunde z. B., daß die dem Hause Österreich gehörige Landgrafschaft von Ober- und Unterelsaß jetzt Frankreich zufallen solle. Das Wort Landgrafschaft hatte aber einen doppelten Sinn. Man konnte bei dem Worte bloß an ein Reichsamt denken, und man konnte mit dem Worte auch den Begriff der Landeshoheit verknüpfen, wie man doch von einer Lan3grafschaft Hessen sprach. Es war zweifelhaft, was hier gemeint sei; die Friedensurkunde
Stoll, Geschichtliches Lesebuch Ii. Teil. -
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_I. Stoll
Extrahierte Ortsnamen: Deutsche_Reich Italien Italien Italien Italiens Deutschlands Frankreichs Elsaß Frankreich Frankreich Hessen