Chinese. 45
im Zorn, seine Achtung vor dem Alter und seine ungemeine
Liebe zur Heimat.
Der Rang der Beamten ist an dem Knopfe ihrer
Mütze zu ersehen, ob diese rot, golden, blau, oder ob einmal,
zweimal oder mehrmal gerändert, sowie man auch unsere Sol-
daten an der Zahl ihrer Sterne oder Halskragenstriche in ihrem
Range unterscheidet. Weiß nun ein Chinese, welchen Rang die
ihm begegnende Person einnimmt, so weiß er auch, welche und
wie viel Komplimente er machen muß. Begegnen sich zwei
Mandarinen, so drücken sie sich die Hände und grüßen sich, so
lange sie sich sehen können; sind sie von verschiedenem Range, so
muß der Geringere stehen bleiben, bis der andere vorüber ist.
Der gemeine Mann muß vor dem Kaiser und den höchsten Beamten
niederknieen und mit der Stirn neunmal den Boden berühren.
In Bezug auf Bildung aber möchte man das Volk erst
bewundern, dann aber beweinen. Im grauen Altertnme hatte
man dort schon große Bauwerke, Papier, Farben, den Kompaß,
seine Gewebe, Straßenbau, Porzellan, Schulen, Rechenkunst und
Rechenkasten, herrliche Gedichte, Sternkunde, Zeitrechnung,
Wasserbaukunst; ja sogar die Erfindung des Schießpulvers
und der Buchdruckerkunst will China uns streitig machen. Aber
das Volk hat zu dem Alten nichts Neues gelernt, nichts Fremdes
angenommen, jeder Umgang mit Fremden ist gehindert.
„Wenn man, schreibt einer der gründlichsten Kenner der Chinesen
in der Gegenwart, Freiherr v. Richthofen, Monat für Monat durch
die Provinzen Chinas reist und überall eine Bevölkerung findet so
dicht, wie sie nur wenige Länder in Europa auszuweisen haben, und
im Durchschnitte mehr gebildet als das Gros unserer Bevölkerung vor-
der Zeit der Eisenbahn war; wenn man ferner bedenkt, daß die Zahl
der Bewohner des Landes weit größer ist als die von ganz Europa;
wenn man dann die wohlgeordneten, wenn auch großem Verderben
anheimgefallenen Einrichtungen sieht, welche diese ungeheure Menschen-
masse zusammenhalten, und überall einer entschieden rückgängig ge-
wordenen Kultur begegnet, und wenn man sich endlich vorstellt, welches
gewaltigen Fortschritts die Kultur und Industrie der Bevölkerung und
die industrielle Entwicklung des großen produktiven Ländergebietes
sähig sind: so steht man staunend vor der Größe der Aufgabe, welche
hier dem europäischen Einflüsse gestellt ist. An sich thnt China nicht
einen einzigen Schritt; jeder Anstoß muß von außen kommen. Der
Fortschritt ist verhaßt, aber unaufhaltsam und unabwendbar. Wären
die Chinesen nach dem Maße ihres Verstandes geistig entwickelt und
wären sie männlich und energisch, sie müßten die Welt erdrücken."
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: China Chinas Europa Europa China
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
182 Die ozeanische Inselwelt.
Wunden und pflegte sie; die Toten begrub man. und den gefallenen An-
führer der Gegenpartei bestattete man feierlich in seinem Morai. Dann
verzieh man allen denen, welche die Waffen gegen den König ergriffen
hatten, und alles eilte nun herbei, gelobte ihm Gehorsam und ließ sich
taufen. Die Buchdruckerkunst vollendete das große Bekehrungswerk, und
man kann mit Rührung lefeu, wie diese europäische wunderbare Kunst von
den Eingeborenen aufgenommen wurde. Die Missionäre hatten mit vieler
Mühe und Ausdauer die Bekehrten schon früher Schreiben und Lesen
von Büchern in der eignen Muttersprache gelehrt, diese auch auf Palmen-
blätter und Felle sich vielerlei abgeschrieben; jetzt erhielt man von Europa
die erste Druckerei. König Pomare setzte selbst die ersten Seiten eines
Abc-Buches und konnte nicht erwarten, bis der Satz des ersten Bogens
druckfertig war. Nachdem man ihm den Gebrauch der Handballen und
der Preffe gezeigt, druckte er drei Bogen, lief darauf zu seinen vor der
Druckerei harrenden Unterthanen hinaus und zeigte ihnen seine Arbeit,
hüpfte, sprang und jubelte wie ein Kind. Die Druckerei blieb wochenlang
belagert, alles wollte Bücher haben, und man kam von fernen Inseln
herbei, brachte Kokosnüsse und andre Erzeugnisse, um sie gegen Bücher
einzutauschen, die mit wahrer Begierde gelesen und wieder gelesen wurden.
Pomare selbst übersetzte das Neue Testament in die tahitische Sprache, und
jetzt hat die Insel ihre geschriebenen Gesetze, eine Gerichtsordnung sowie
einen regelmäßigen Gottesdienst, der von vielen Hunderten, ja Tausenden
allsonntäglich besucht wird. Die Menschenopfer, die blutigen Kriege, die
Vielweiberei, der Kindermord, kurz alles heidnische Leben hat aufgehört.
Statt aller Schilderung wollen wir hier nur ein Beispiel geben. Als ein
Reisender einst einen Missionär über die Umänderungen befragte, hob dieser
besonders den Kindermord hervor. Es waren drei tahitische Frauen bei
der Gattin des Missionärs zugegen und beschäftigten sich mit Fertigung
europäischer Kleidungsstücke. Ihr Ansehen war ein äußerst sittsames, und
seitdem sie Christen waren, konnte ihnen kein Vorwurf über ihren Lebens-
wandel gemacht werden. Da nahm der Hauswirt das Wort und fprach:
„Es sollte mich wundern, wenn diese Frauen nicht mehrere Kinder ermordet
hätten", und er redete die älteste an: „Meine Freundin, wieviel Kinder
hast du als Heidin gemordet?" Die arme Frau ward verlegen, und ihr
bittender Blick schien zu sagen, der Missionär möge ihr die Anwort er-
lassen; doch dieser beruhigte sie, und so gestand sie mit bebender Stimme:
„Ich habe neun getötet." — „Und du?" sich zu der andern wendend.
„Sieben." — „Du aber?" die dritte und jüngste anredend. „Fünf." Dies
sind Ereignisse aus dem Leben dieser armen Menschen, von denen die
Reisenden nicht genug rühmen können, wie mild und freundlich ihr Wesen
war; allein ihre Religion gebot den Kindermord. Kotzebne, welcher die
Inseln 1824 besuchte, erzählt folgendes: „Kaum hatten die Bewohner
unsre Fregatte gesehen, so wimmelte es am Ufer von Neugierigen, die
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann]]
134
(etwa 500 Jahre v. Chr.) war keineswegs eine für hohe Ideen be-
geisternde Religion, sondern eine praktische Sammlung moralischer Re-
geln, zu Nutz und Frommen des Lebens in beschränktem Kreise. Kein
Streben nach bürgerlicher Freiheit; wie die Sprüche des Confuzius me-
chanisch nachgebetet wurden, so ward auch die bürgerliche Ordnung ein
mechanisches Uhrwerk, und von der Regierung den Unterthanen ihr
Wissen und Denken zugemessen. Das materielle Leben entwickelt wohl
den Verstand, aber es macht ihn spitzfindig abgefeimt, wenn die ideale
Seite des Lebens abstirbt. Man trifft unter den chinesischen Gelehrten
scharfsinnige Freidenker, aber nirgends wirkliche Philosophie, im großen
Ganzen aber den krassesten Aberglauben und Unglauben.
Eine Hauptursache der Versumpfung chinesischer Cultur lag bisher
in der Abgeschlossenheit dieses großen Reichs. China ist ein sehr frucht-
bares, an Erzeugnissen aller Art ungemein reiches Land, aber dennoch
kann sich nie ein Land zum eigenen Vortheil von der übrigen Welt ab-
schließen. Nicht Einem Volke, und zählte es auch 400millionen, ist es ge-
geben, Alles zu erfinden, Alles zu vervollkommnen. Im Menschenleben
ist die Geselligkeit nicht allein eine Quelle der Freude und des Glücks,
sondern auch gebieterische Nothwendigkeit, eine heilige Pflicht. Kein Volk
hat mehr Erfindungen gemacht, als die Chinesen, aber es ist ein Gesetz,
daß eine Erfindung durch die Welt gehen muß, um sich zu vervollkomm-
nen. Abgeschlossen auf der Landseite durch seine berühmte Mauer und
durch Wüsteneien, abgeschlossen auf der Meerseite durch tyrannische Ver-
ordnungen oder stupide Vorurtheile, hat China einen großen Thal seiner
Erfindungen in ihrem ursprünglichen Zustande behalten, ja manche
wieder eingebüßt. Der Compaß, den uns die Araber im Mittelalter aus
China zuführten, war hier schon 1700 Jahre vor Christus bekannt.
Schießpulver und andere brennbare Zusammensetzungen zu glänzendem
Feuerwerk waren ihnen längst bekannt, als das Schießpulver in Europa
auf das Culturleben umgestaltend einwirkte; aber die chinesischen Feuer-
gewehre sind Kinderspielzeuge geblieben, die vor europäischer Artillerie
aus einander stieben, und sie müssen ihre Gewehre den europäischen nach-
bilden. Sie haben sich von jeher auf das Schneiden und Poliren von
Steinen und Metallen verstanden, aber zu großen Maschinen, wie sie das
europäische Fabrikwesen kennt,- haben sie es nicht gebracht. Ihre mecha-
nischen Mittel beschränken sich auf den Hebel, die Rolle, den Wellbaum
und auf das einfache gezahnte Rad. Erst kürzlich haben sie den Euro-
päern die Schraube entlehnt. In der Optik haben sie niemals dieeonstruc-
tion eines Fernglases oder Teleskopes begreifen können. Ihre Mathematik
beschränkt sich auf das Rechnen und die ersten Elemente der Meßkunst.
Die Bereitung des Porzellans erreichte bei den Chinesen einen so
hohen Grad von Vollkommenheit, daß man in Europa die größte Mühe
hatte, sie nur einigermaßen nachzuahmen. Sie hatten da längst die Theilung
der Arbeit, wie wir sie jetzt in unfern Fabriken anwenden. In ihren Por-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
Extrahierte Personennamen: Christus
Extrahierte Ortsnamen: Confuzius China China China Europa Europa
185
etablirte deutsche und auch mancher ausländische Buchhändler einen in
Leipzig selber ansässigen Buchhändler als Beauftragten, durch den er
ausschließlich alle an dieses und jenes Haus zu machenden Bestellungen,
Zahlungs - und andere Aufträge sendet und durch welchen er alle für
ihn eingehenden Sendungen und Zahlungen empfängt. Hat er über-
dies noch eigenen Verlag, so legt er bei diesem seinem Commissionär
ein Lager an, so daß dieser nun die Bücher in seinem Auftrage aus-
liefert. Man erstaunt, wenn man die gewaltigen Bücherbauen erblickt,
die bei einem einzigen Commissionär aufgestapelt liegen! Es waren im
Jahre 1872 bereits 3716 auswärtige Handlungen, vertheilt über 1021
Städte des In- und Auslandes, in Leipzig durch Commissionäre ver-
treten, und das Gewicht aller der Bücher, Musikalien und Kupferstiche,
die durch Post oder Fracht oder Eisenbahn von Leipzig aus versandt
wurden, belief sich auf 166,505 Centner. An neuen Büchern, Fortsetzungen
und neuen Auflagen gelangten über Leipzig 11,127 zur Versendung, durch
Neugründung als auch durch Uebersiedelung altberühmter Firmen (wir
erinnern hierbei nur an das Bibliographische Institut in Hildburghausen,
sowie an den Bädecker'schen Reiseverlag) erhält der Verlagsbuchhandel
jährlich einen schätzenswerthen Zuwachs.
Neben der großartigen Thätigkeit im Verlagsbuchhandel ist aber
auch das Sortimentsgeschäft der Leipziger Buchhändler gleich rührig ge-
blieben und hat sich gleichmäßig auf den Verkauf deutscher, ausländischer
und antiquarischer Werke erstreckt. Die Werke der englischen, französischen,
spanischen, italienischen, slavischen:c. Literatur werden für den Absatz
in Deutschland zunächst auf die Leipziger Lager gesandt, jede neu-
erstehende deutsche Firma in London oder Paris, Madrid oder Mailand,
Kiew oder Stockholm tritt vor Allem mit Leipzig in Verbindung, und
bildet somit einen neuen Kanal und Verbindungsweg. Im Antiquariat,
d. h. im Handel mit der älteren Literatur aller Zeiten und Völker, steht
Leipzig wiederum einzig da. Der Geschichts- und Alterthumsforscher,
der sich alte Drucke, selten gewordene ältere Werke und Handschriften
verschaffen will, wendet sich an einen Leipziger Antiquar^), und da die
Bibliotheken mit werthvoller älterer Literatur in der Regel nach Leipzig
zur Versteigerung kommen, so fließt hier das Meiste und Beste der
Literaturschätze zusammen. Fünf Auetionsinstitute, wovon drei für
Bücher und Handschriften, zwei für Kunstgegenstände bestimmt sind,
arbeiten dem Antiquariat wirksam in die Hand. Eine der größeren
Antiquariatshandlungen (T. O. Weigel) hat auf ihrem Lager nicht weniger
als 100,000 Bände kostbarer, vielfach aus dem Handel geschwundener
Werke und Handschriften, nebst 300,000 Dissertationen (gelehrten Ab-
Handlungen). Von den in den letzten Jahren in Leipzig abgehaltenen
Auctionen lieferte die eine ein Ergebniß von mehr als 30,000 Thalern,
*) „Antiquare" nennen sich auch die Verkäufer gebundener und gebrauchter Bücher
ucuer Literatur; dies Geschäft ist aber blos eiu Bücher-Trvdel.
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Extrahierte Personennamen: Weigel
Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Leipzig Leipzig Leipzig Hildburghausen Deutschland London Paris Madrid Mailand Kiew Stockholm Leipzig Leipzig
183
geworden zu fein, und die Durchgänge der Häuser, wie Auerbachs
Hof, starren von Buden, Käufern und Verkäufern, daß es schwer wird,
durch eine solche Meerenge hindurch zu steuern und breiteres Fahr-
Wasser zu gewinnen. In der buntesten Mannigfaltigkeit sieht man
Leder- und Tuchballen, Leinwand und Baumwollenzeuge, Shawls und
Spitzen, Hüte und Mützen, Lebkuchen und Bonbons aufgestapelt, und gleich
bunt ist das Menschengewühl. Nord- und Süddeutschland, Rheinland
und Pommern, Westphalen und Mecklenburg, Bayern und Hannover —
ganz Deutschland kommt hier zur Einheit. Leipzig ist auf 14 Tage
die Hauptstadt und der Mittelpunkt von ganz Deutschland, ja von Eu-
ropa; denn auch Russen und Engländer, Franzosen uno Italiener,
Griechen und Armenier, selbst phlegmatische Türken haben sich einge-
funden, Seiner Majestät dem Genius des Handels ihre Huldigung
darzubringen. Vor dieser Majestät schwinden alle nationalen Verschieden-
heiten, vor diesem Herrn gilt kein Ansehen der Person, nicht Stand
oder Rang, Adel oder Bürgerthum — Alles ist eine große Familie und
auch jeder Fremde willkommen, wosern er nur Geld mitbringt oder
Geldeswerth. Und damit es den lieben Gästen auch nicht an Unter-
Haltung sehle, hat besagter Herr und Gebieter dafür gesorgt, daß die
Augen und Ohren allerlei Schönes und Merkwürdiges, Ernstes und
Luftiges, Fades und Picantes zu sehen und zu hören bekommen. Da
sind Thierbuden und Kunstreiter, Affen- und Menschentheater, Wachs-
stguren und Marionetten, Mississippi-Panoramas und Chinesen — und
hat man sich hungrig gesehen, kann man sich satt hören von all' den
böhmischen und sächsischen Musikconcerten, von der großen Oper. und
den noch größeren Virtuosen. Wird schon außer der Messe kaum anderswo
so viel gegeigt und gesungen und coneertirt, als in dem musiklustigen
Leipzig, so ist während der Messe in allen Wirthshäusern Concert, und
jeder Gast kann sein Bratwürstlein mit Musik verzehren.
Von besonderer Wichtigkeit ist die Ostermesse für die Buchhändler.
In dem schönen, mit einem großartigen Saale gezierten Gebäude der
Buchhändlerbörse (1836 vom Börsenverein der deutschen Buchhändler
eingeweiht) halten dann die Herren Buchhändler, denen das Wohl
und Wehe von tausend und aber tausend schreiblustigen Federn anver-
traut wird, ihren Reichstag, aus welchem wohl 300 auswärtige Buch-
Händler tagen und über 4000 Buchhandlungen durch ihre Commissionäre
sich vertreten lassen. Da werden dann die jährlichen Rechnungen aus-
geglichen und die Zahlungen geleistet; jeder Verleger erfährt da, was
die in alle Welt gesandten Bücher ihm Verlust gebracht Haben, wenn
sie als rückwärts marschirende Krebse wieder zum heimischen Herde
zurückkehren, oder was sie ihm Gewinn gebracht haben, wenn das Publi-
kum die Seelenspeise nahrhaft oder doch wohlschmeckend und gaumen-
kitzelnd gefunden hat. Der Umsatz während dieser Zeit auf der Börse
belief sich im Jahre 1872 mit Einschluß der wöchentlichen Börsenzahlungen
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
Extrahierte Ortsnamen: Auerbachs
Hof Rheinland Pommern Bayern Hannover Deutschland Deutschland Mississippi-Panoramas Leipzig Concert
184
auf 4,928,350 Thaler, die Summe der im Laufe des Jahres baar
bezahlten Packete 4,071,055 Thlr., so daß der gesammte Umsatz des
Buchhandels über Leipzig 8,999,405 Thaler betrug, — mancher Commis-
sionär zahlt dann 100,000 Thaler und noch mehr aus (bei einigen
Firmen, wie z. B. Köhler, Steinacker, Volckmar, erreicht diese Summe
die Höhe von über 300,000 Thalern); es gehen da in wenigen Stunden
große Summen aus einer Hand in die andere; im Zeitraum eines Tages
ist in diesem großen Rath ein freier Ueberblick gewonnen über Haben und
Sollen, und das große, künstlich zusammengesetzte Geschäft des deutschen
Buchhandels ist, Dank dem persönlichen Verkehr, in wenigen Tagen regulirt!
Ist Leipzig schon als Meßstadt überhaupt für den Handel und die
Gewerbthätigkeit Deutschlands ein Centralpunkt, so ist es als Haupt-
stapel- und Commissionsplatz des gesammten deutschen Buchhandels,
Kunst- und Musikalienhandels sür das geistige, ästhetische, ja für das
gesammte Culturleben Deutschlands von größter Bedeutung. Es bildet
das lebendigpulsirende Herz jenes großartigen, wunderbaren Organis-
mus des deutschen Buchhandels, dem kein anderes Land etwas Aehn-
liches an die Seite stellen darf. Dieser Organismus theilt sich in
drei Hauptorgane, die aber wieder auf das Engste verbunden sind
und in einander greifen, — nämlich in das Verlags-, Sorti-
ments- und Kommissionsgeschäft Die Verlagsbuchhandlung
nimmt die Manuscripte der Autoren entgegen, erwirbt gegen Zahlung
des Honorars das Recht, unter den mit dem Verfasser des Buches
vereinbarten Bedingungen das Werk drucken zulassen und zu verkaufen;
sie sorgt für die Versendung und Alles, was zum schnellen Absatz der
Waare beitragen kann. Vom Standpunkte des Handels sind also die
Verlagsbuchhändler die Producenten der Waare und Großhändler. Sie
schicken nämlich ihre Ballen zunächst an die Sortimentshandlungen,
d. i. an die Kleinverkäufer, denen von jedem Buche, das sie absetzen,
gewisse Procente bewilligt werden. Diese Buchhändler sind also die
eigentlichen Verkäufer, welche das Buch ihren Kunden zur Ansicht über-
senden oder auf Bestellung liefern, oder sonst an den Mann zu bringen
suchen. Sie brauchen aber (wie das noch vor 50 Jahren üblich war)
die von den Verlagshandlungen zugesandten Bücher nicht fest zu über-
nehmen, sondern nur bedingungsweise (ä condition), d. h. sie
dürfen die Waare, die sie nicht absetzen, wieder an den ursprünglichen
Eigenthümer zurücksenden. Das sind dann die unwillkommenen, gefürch-
teten „Krebse". Nun aber wäre es noch immer sehr beschwerlich, wenn
jede einzelne Buchhandlung sich immer mit direkter Post an die Verlags-
Handlung wenden müßte, bei welcher dieses oder jenes Buch erschienen
ist; für ein kleines Buch wäre dann nicht blos viel Schreiberei, sondern
auch viel Postporto zu zahlen, was den Verkehr und Preis der Bücher
gleich sehr belästigen würde. Da tritt dann das Commissionsge-
schäst hülfreich ein. Es erwählt sich nämlich jeder außerhalb Leipzigs
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T122: [Stadt Hamburg Handel Berlin Bremen Lübeck London Deutschland Frankfurt Verkehr], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
186
die andere sogar von nahe an 84,000 Thalern. Gewiß von ebenso großer
Wichtigkeit als der Buch - und Kunsthandel ist der Musikalienhandel,
der ebenfalls den größten Theil des gesammten deutschen umfaßt.
Leipzig zählte 1872 insgesammt 257 Buch -, Kunst- und Musikalien-
Handlungen, und die Zahl aller in denselben Beschäftigten mag wohl weit
über tausend sein.
Selbstverständlich muß ein solcher schwunghafter Buchhandel auch eine
große Thätigkeit in die Presse bringen. Es finden sich nicht weniger als
39 Buchdruckereien in Leipzig mit 120 Handpressen und 132 Maschinen,
wovon ea. 40 durch Dampf getrieben werden, welche zusammen etwa 1000
Setzer und Drucker beschäftigen. Eine einzige Schnellpresse druckt in
Einem Tage wohl 8000 Bogen; die eisernen Finger fassen den Bogen
aus der einen Seite, und indem eine Walze den Satz mit Druckerschwärze
bestreicht, wird alsbald der Papierbogen hereingezogen und kommt auf
der anderen Seite bedruckt wieder heraus, so daß dem Menschen nur das
Wegnehmen bleibt. In der großartigen Druckerei von F. A. Brockhaus
sind allein 12 Pressen und 16 Maschinen, worunter 1 Doppelmaschine;
zwischen 400—500 Leute werden durch dies Haus Jahr ein Jahr aus in
Thätigkeit versetzt! Von nickt geringererbedeumng ist die B. G.teubner'sche
Offizin, welche mit 14 Maschinen, darunter 1 vierfache und 2 Doppel-
Maschinen, und 5 Handpressen arbeitet. Nun erwäge man, wie viel
Menschen nur durch die Buchdruckereien Leipzigs, worunter allerdings
die von Breitkopf u. Härtel, Brockhaus, Giesecke u. Devrient, Tauchnitz,
Teubner, Wiede zu den bedeutendsten in Deutschland gehören, — be-
schäftigt werden. Was gehört erst dazu, bis das weiße Druckpapier her-
gestellt ist! Dann die Schriftgießer, Maschinenmeister, Holzschneidekünstler —
die Correctoren, Schriftsteller. Journalisten, die nach Leipzig gezogen
werden — die Commis und Schreiber in den Buchhändlercomtoirs, die
Markthelser und Boten, welche in Leipzig selber die Waare von einem
Hause zum andern bringen, und man erstaunt billig, wenn man trotz-
dem ein dickes Buch mit Holzschnitten geziert für 1 Gulden kaufen kann!
Dreizehn Etablissements beschäftigen sich in Leipzig ausschließlich mit
Schristschneiden, Schrift- und Stereotypengießerei; der Notenstich wird
durch 13, der Notendruck durch 7 Anstalten besorgt. Wo so viel Bücher
gedruckt, müssen auch viele Bücher broschirt und gebunden werden, und
so hat Leipzig nahezu 200 Buchbinderwerkstätten. Dieser Erwerbszweig
hat sich während der letzteren Jahre ebenfalls zu einer ungewöhnlichen
Höhe emporgeschwungen . — während früher ein großer Theil der in
Leipzig gedruckten Bücher nach Berlin wanderte, um sich dort elegant
kleiden zu lassen, findet jetzt der umgekehrte Fall statt, und so kommt es,
daß manche Buchbindermeister Leipzigs 80, ja über 100 Gesellen be-
schäftigen, Für die Illustrationen und Verzierung der Bücher wirken
18 Kupfer- und Stahlstechereien und 61 Steindruckereien (lithographische
Anstalten). Für die Holzschneidekunst find 58 xylographische Institute thätig,
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art]]
267
Nähe des Rheins sich gebildet heil, wie Freiburg, Rastadt, Karlsruhe,
Heidelberg, Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Elberfeld, Barmen, Crefeld.
Und das sind Städte von gar gutem Klange. Von Freiburg und Mainz
gingen zwei wichtige und folgenreiche Ersindungen aus, die Erfindung des
Schießpulvers und die Erfindung der Buchdruckerkunst, dieses Kleinodes
in dem herrlichen Strahlenkranze deutscher Erfindungen. In Kolmar er-
blickte Lebrecht Ruft, Zeitgenosse Gutenbergs und Erfinder der Kupfer-
stecherei, das Licht der Welt. Frankfurt, vielgenannt und weit gekannt
schon im elften Jahrhundert, ist die Vaterstadt Goethe's. In Frankfurt
wurde lange Zeit das deutsche Reichsoberhaupt gewählt und die Krönung
des deutschen Kaisers vollzogen; in Frankfurt tagte, nachdem Napoleon
niedergeworfen war, der deutsche Bundestag, der es zu keiner Einheit
Deutschlands kommen ließ und mit kurzen Unterbrechungen sein Schatten-
dasein bis zum Jahre 1866 fortsetzte, wo ihm das Waffenglück Preußens
im Kampf wider Oesterreich ein Ende machte, und wo zugleich Frankfurt
aus der Reihe der souveränen Staaten Deutschlands gestrichen ward. In
Frankfurt trat im Jahre 1848 das erste deutsche Parlament zusammen,
das in der Paulskirche tagte, die dadurch eben so bekannt geworden ist, als
das Rathhaus, worin die Kaiser gekrönt wurden, und das „der Römer"
heißt. Nach Frankfurt zogen im Jahre 1869 Tausende Schützen von
Nord und Süd, von Ost und West, um dort ein Volksfest zu feiern, das
größte, welches Deutschland seit dreihundert Jahren gehabt hat.
Die Wichtigkeit und Anziehungskraft dieser Stadt bekunden außerdem
viele deutsche Reichstage und Eoncilien, die dort abgehalten wurden, nicht
minder die Messen, die einst zu den bedeutendsten im mittleren Europa
gehörten. Auch Aachen hat als Wahl- und Krönungsstadt deutscher Kaiser
geschichtlichen Ruf, während man in dem ehrwürdigen Dome des hoch-
berühmten Speyers acht Kaisergräber findet, unter denen das Grab Ru-
dolphs von Habsburg das wichtigste und das Denkmal des Nassauers
Adolph das bedeutendste ist. Nicht minder berühmt als diese Todtenstadt
deutscher Kaiser ist das alte Worms, in welchem Luther das weltberühmte
Wort sprach: „Ich stehe hier, ich kann nicht anders, Gott helfe mir!" Nicht
minder berühmt ist Köln, das in seinem Handel mit Rotterdam wetteifert
und einst mächtig genug war, eine Flotte in's Mittelmeer zu senden, in
Kunst, Wissenschaft und Handwerk keiner deutschen Stadt nachstand, und
so ließe sich noch manche Stadt am Rhein anführen, die als leuchtender
Punkt in der Geschichte unseres Vaterlandes steht und eine wahre Zierde
desselben ist. ich brauche nur an Coblenz und Heidelberg, an Bonn und
Düsseldorf, an Elberfeld, Barmen, Solingen und Crefeld zu erinnern.
Welcher Fluß hätte ferner solche Baudenkmale, wie der Rhein in seinen
Domen zu Freiburg, Strabburg, Speyer und Köln? Welcher Fluß zählt
so viel große Männer und ist so geschmückt mit ihren Statuen ? In Mainz
steht die von Thorwaldsen entworfene, in Erz gegossene Statue Gutenbergs,
in Bonn das stattliche Denkmal Beethovens, des Meisters der Töne, in
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Extrahierte Personennamen: Crefeld Kolmar Lebrecht Goethe's Napoleon Adolph
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Norden ziehenden Handelsstraße, bevorzugt durch Privilegien der Kaiser
und Fürsten, die um ihre Gunst buhlten, geachtet und gefürchtet durch
seine politische Stellung, war es der Hauptspeditionsplatz für die Waaren
geworden, die aus Italien, besonders aus Venedig, und aus der Le-
vante nach den Hansastädten, nach England und Frankreich gingen.
Es sandte seine eigenen Erzeugnisse, insbesondere Tücher, Eisenwaaren,
Waffen, Pulver und Manufakturgegenstände aller Art, nach Süden und
Norden und bezog dafür aus Venedig Leder, Baumwolle, Südfrüchte,
Oel und Weine, aus Genua Spezereien und Tücher — Handelsartikel,
welche seine Kaufleute auf die Messen nach Frankfurt, Leipzig, Bres-
lau :c. brachten. Aus Holland und überhaupt von den nordischen Küsten-
Plätzen bezogen sie Häringe und andere Seefische, die sie im Binnen-
Handel vertrieben. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien, die
den Welthandel in ganz neue Bahnen lenkte, verminderte freilich die
Bedeutung Nürnbergs für den Zwischenhandel; desto mächtiger aber
hob sich sein Manufakturwaarenhandel durch die fort und fort sich stei-
gernde Gewerbthätigleit. Eine Reihe von Erfindungen bezeichnet
die Blüthe der Gewerbe; Rudolph erfand 136< > das Drahtziehen,
Peter Henlein (Hele) 1507 die Taschenuhren, Recknagel 1517 das Feuer-
schloß, Ebner 1553 das Messing, Lobsinger 1560 die Windbüchse und
den Metalldruck, Lamprecht die Probirwagen.
Durch die zunehmende Wohlhabenheit, die Handel und Gewerbs-
fleiß mit sich brachten, durch das edle Selbstbewußtsein, das eine geach-
tete äußere Stellung erzeugte, und durch die freie Bewegung, die eine
republikanische Verfassung den Bürgern gestattete, entwickelte sich in der
alten Noris ein Volksleben, dessen Kraft und Frische sich in ritter-
lichen Spielen, wie dem „Gesellenstechen", dessen heiterer Humor sich in
bunten Fastnachtsaufzügen, wie dem „Schembartlaufen", dem „Urban-
reiten", und anderen Belustigungen, manifestirte. Während innere und
äußere Kämpfe die Kraft des Volkes stählten, drückten Kunst und Wissen-
schaft ihr den Stempel höheren Adels auf, und daß die Glanzperiode
Nürnbergs zugleich eine Blüthezeit der Kunst wurde, das ist nicht allein
den Koryphäen, die es zu seinen Bürgern zählte, das ist der gesamm-
ten Bevölkerung zu verdanken. Denn gleichwie eine große politische
oder kirchliche Bewegung nicht einzig, ja nicht einmal vorzugsweise ihren
hervorragenden Leitern zugeschrieben werden darf, diese vielmehr nur die
Träger des allgemeinen Zeitgedankens sind, so bilden auch die Heroen
einer Kunstepoche gleichsam nur die Krystallisationspunkte, um die sich
das Volksleben concentrirt. Es zeigt sich durch das ganze 15. und 16.
Jahrhundert ein Streben und Ringen nach künstlerischer Gestaltung, von
dem der einfache Handwerker, wie der geborene Künstler erfaßt war, dem
der schlichte Bürger, wie der reiche Patricier huldigte. Man betrachte
nur die Hauseinrichtungen jener Zeit: die prächtigen Oefen, das kunst-
voll geschnitzte Täfelwerk, die reich verzierten Bettstellen, Truhen und
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theils wegen des allgemeinen Verkehrs, den man mit wissenschaftlich ge-
bildeten Männern, wo sie nur immer leben mögen, leichter unterhalten
kann, da jener Ort gleichsam als Mittelpunkt von Europa wegen des
Handels der Kaufleute angesehen wird." Ein Schüler Regiomontans
war Martin Behaim, „der geistige Entdecker Amerikas", der 1491
den ersten Globus fertigte. Die hochwichtigen Erfindungen des Mittel-
alters fanden in Nürnberg rasch Eingang und erfuhren fortwährend
Verbesserungen. Bereits 1356 wurde das erste Geschütz gegossen und
1517 erfand, wie schon erwähnt, Recknagel das Feuerschloß; schon 1390
bestand eine Papiermühle, und 1470 wurde die erste Buchdruckerei ein-
genchtet, der bald zahlreiche andere folgten.
Bei dem geweckten geistigen Leben, das in Nürnberg pulsirte, mußte
die gewaltige Bewegung des 16. Jahrh. hier mächtigen Eindruck machen.
Meister Sachs war nur das Organ seiner Mitbürger, als er den Gesang
von der Wittenbergischen Nachtigall erschallen ließ; denn was Luther
wollte, erstrebte man in Nürnberg längst. Schon Huß wurde bei seiner
Durchreise nach Eonstanz freundlich aufgenommen und erfuhr, als er
seine Lehren vor dem Rathe und der Geistlichkeit dargelegt hatte, freu-
dige Zustimmung. Die deutsche Stadt hatte trotz Bann und Interdikt
stets den Herrschergelüsten der römischen Hierarchie widerstrebt, und
dem religiösen Sinn ihrer Bürger waren die kirchlichen Mißbräuche ein
Gräuel. So fand denn die Reformation hier guten Boden, und Nürn-
berg war die erste Stadt, die sich mit einem großen Theile der Geist-
lichkeit für dieselbe erklärte. Wie fördernd dieser Schritt auf das
geistige Leben der Stadt zurückwirkte, beweist die Hebung des Schulwesens,
namentlich die Gründung eines Gymnasiums durch Melanchthon.
Die Entwickelung Nürnbergs war eine so nachhaltige gewesen, und
die Grundlagen seiner Größe waren so gesunde, daß nur ein National-
unglück, wie der dreißigjährige Krieg, die stolze Reichsstadt zum
Falle bringen konnte. Wohl hatte sie in früheren Zeiten eben so
schwere Kämpfe zu bestehen, eben so ungeheure Summen zu bezahlen,
eben so gräuelhafte Verwüstungen ihres Gebietes auszustehen gehabt;
aber es waren dabei Handel und Gewerbe gediehen und das Reich
hatte seinen festen Bestand behalten. Allein jener unheilvolle Bürger-
krieg vernichtete den Handel, lähmte die Industrie und gab dem
deutschen Reiche den Todesstoß. Geistig zwar blieb Nürnberg immer
noch kräftig, wie durch die Gründung der Altdorfer Universität
(1622), die Eröffnung einer Malerakad emie durch Sandrart (1662),
die Errichtung eines anatomischen Theaters (167/) und eines
Observatoriums (1678), die Stiftung vieler Schulen ic. be-
wiesen wird; aber seine materiellen Hilfsquellen waren versiegt, und
die Grundbedingung seines politischen Bestandes, ein starkes deutsches
Reich, war dahin. Mehrere Reichskriege, an denen die Stadt theil-
nehmen wußte, besonders der siebenjährige und später der französische
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