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Zweites Kap. Religion.
Krieg dcr Hussiten, dann die einheimische Entzweiung derselben, die Unter-
handlung mit den basier Vätern und die endliche Wiederaufnahme der ge-
mäßigten Partei oder der Calixtiner in den Schooß der Kirche (durch
die pragcr Kompaktaten [1433]), so wie die gewaltsame Unterdrückung
der fanatischen Taboriten und Orphauiten, haben wir oben in der
teutschen Historie erzählt. Reicher an allen Gräueln der Wuth, der un-
menschlichsten Barbarei und der fanatischen Verrücktheit, als diese hussitischen
Zeiten, sind keine andere in der Geschichte. Aber nach mühsam gelöschter
Flamme glimmten unter der Asche die geheimen Funken fort, der Wieder-
erweckung zu noch größerem Brande gewärtig.
§. 8. Die Zeiten des Kirchen-Schisma.
Dir kehren zum Concil von Kostniz zurück, als dem wichtigsten unter
den kirchlichen Begebenheiten dieses Zeitraumes, hochmerkwürdig durch seine
Anlässe wie durch seine Folgen und nicht minder durch was cs that, al»
durch was es versäumte.
Der Hauptanlaß seiner Versammlung war die große Kirchenspaltung,
welche selbst eine Folge der Rückkehr des Papstes nach Rom gewesen. Wir
haben der merkwürdigsten Päpste, welche in Avignon saßen, meist in der
teu tsch en G cschicht e gedacht, zumal Io hann's Xxii. und Clemens Vi.,
der bitteren Feinde Ludwig's Iv. des Baiern. Dieselben Päpste fielen
noch mehr als ihre Vorgänger durch Erpressungen aller Art den christlichen
Völkern schwer. Das Vermögen der Privaten wurde durch erhöhte Taxen
der römischen Kanzlei und durch vermehrte Anwendung der Zndulgentien,
besonders aber durch den vielarmigen Ablaßhandel in die päpstlichen Kassen
gebracht, während über die Kirchengüter insbesondere oder deren Nuznicßer
eine oft wiederholte Besteuerung unter dem Namen der Annalen, Spolien,
Reservationen, Provisionen, Exspektativen re. erging, ja Beneficien
und Präbenden mit steigender Anmaßung zulezt förmlich verkauft wurden*).
Jnnocentius Vi. (1382) und Urban V. (1362), welche auf Clemens Vi.
folgten, waren in Grundsäzen und Sitten besser; doch änderten sie in den
•) Johann Xxii. hinterließ einen Schaz von 18 Millionen Goldgulden, dazu andere
Kostbarkeiten, 7 Millionen werth. Sein Haß gegen die Kranzl«kauer, die Prediger der
Armuth, wird erklärbar dadurch.
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Extrahierte Personennamen: Clemens_Vi Urban_V. Clemens_Vi Johann_Xxii Johann
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Zweites Kap. Religion.
Hauptverhältnisscn wenig. Nach Urban bestieg Gregor Xi. (1370) den
Stuhl, ein frommer und, wie es scheint, einfältiger Mann, der, was höhere
Grünte längst vergebens forderten. Len Bitten zweier begeisterter Weiber ge-
währte, die Rückkehr nach Nom. Katharina von Siena und Bri-
gitta von Schweden, zwei berühmte Volksheilige jener Zeit (die eine
Gönncrin der Dominikaner, die andere der Franziskaner), waren
es, die durch himmlische Beweggründe solchen Entschluß bewirkten. Greg o rxi.
kam nach Rom (1376).
Nach seinem Tode wurden die im Conclave versammelten, meist fran-
zösischen, Kardinäle durch eiuen Volks - Tumult gezwungen, ihm einen
Italiener zum Nachfolger zu geben, auf daß der Siz des Papstthums nicht
abermals nach Avignon käme. Zitternd thaten die Kardinäle den Willen
des Volkes und wählten (9. April 1378) Barth olomäus von Prig na no,
Erzbischof von Bari, zum Papste, unter dem Namen Urban's Vi. Der-
selbe, anstatt durch kluge Mäßigung sein zweifelhaftes Recht zu befestigen,
erhöhte den Haß der französischen Partei durch übermüthige Behandlung der
Kardinäle, welche unwillig ihn erkoren hatten, und beleidigte die Königin von
Neapel, Johanna I. (aus dem französischen Hause Anjou), durch feind-
seligen Troz. Da entfernten sich viele Kardinäle von Nom, versammelten sich
zu Fon di im Reiche Neapel, und wählten aus ihrer Mitte Robert Grafen
von Genf, Bischof von Cambray, zum Papste (20. September 1378),
die gezwungene Wahl Urban's Vi. vernichtend. Der Neugewählte nannte
sich Clemens Vii. und ging nach Avignon. Bannflüche von beiden
Seiten ertönten, die Christenheit ging in neun und dreißigjährige Spaltung.
8. 9. Fortsezung.
Denn auch mit dem Tode der beiden Päpste*) endete sie nicht. Die
Ansprüche der Verstorbenen wurden fortgcsezt durch beiderseits gewählte Nach-
folger Also wurde an Urban's Vi. Stelle der stolze und habsüchtige
Bonifacius Ix., für Clemens Vii. aber Peter von Luna, der sich
Benedikt Xiii. nannte, gewählt, der Leztc zwar gegen die eidliche Zusage,
das Papstthum niederzulegen, falls die Mehrheit der Kardinäle solches für
nöthig erachten würde zur Wiederherstellung der kirchlichen Einigkeit. Aber
') Urban Vi. j- 1389, Oktober. Clemens Vii. f 1394, September.
>
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216
Zweites Kap. Religion.
nach seiner Erhöhung gedachte er der Zusage nur, um sic listig zu vereiteln
oder ihr trozig entgegen zu handeln. Auch die römische Partei, welche
nach Bonifacius Ix. Tode (1404) zuerst Jnnocentius Vii. und
hieraus Gregor Xii. (1406) wählte, machte demselben zur Pflicht, der
Papstwürde zu entsagen, falls der Kirchenfriede es fordere. Allein die Ge-
neigtheit zur Erfüllung war gering, auch blieb schwer zu bestimmen, ob der
Fall wirklich eingetreten und wie die gegenseitige Abdankung einzuleiten.
Indessen wurden die Nationen mehr und mehr durch die Fortdauer der
Spaltung betrübt, auch sehr fühlbar bedrückt, weil die gedoppelte päpstliche
Hofhaltung, oder jede einzelne bei verringertem Gebiete, um die alte Pracht
zu behaupten, eine doppelte Besteuerung heischte. Dabei riß große Verwir-
rung im Kirchenregiment und beim Volke hier leidenschaftliche Parteiung,
dort Gcringschäzung gegen Kirche und Religion ein. Denn wiewohl überhaupt
nur Frankreich, Neapel, Savoyen und Spanien mit dem Papste
zu Avignon, die übrigen europäischen Länder alle mit jenem zu Nom
hielten; so fehlte es doch an Umtrieben und cinzcluen Entzweiungen in den
meisten Nationalkirchen nicht. Auch die wechselnde Politik der Höfe machte die
Verhältnisse schwankend, und durch die gegenseitigen Schmähungen der beiden
Päpste und ihrer Anhänger wurden zum Aergerniß der frommen Gemeinden
manche sonst verborgene Gebrechen oder tadelnswerthe Seiten des Papstthums
kund.
Daher vereinten sich frühe die Wohlgesinnten in dem Wunsche und in
thätigen Bestrebungen zur Heilung so großen Uebels. Die französische Kirche
zumal — deren Kardinäle freilich die Spaltung angefangen — bemühten sich
schon unter Clemens Vii. um Wiederherstellung der Einigkeit. Drei Mittel
wurden in Vorschlag gebracht: Freiwillige Abdankung beider Päpste, schieds-
richterlicher Ausspruch, und Entscheidung eines Conciliums. Aber Clemens so
wenig als sein Nachfolger war zu Nachgiebigkeit geneigt, und die römische
Partei, auf das Uebergewicht des äußeren Rechtes pochend, verschmähte
die Zumuthung eines Vergleiches. Zwar erklärten sich Benedikt Xih. (dessen
Obedienz die französische Nation schon 1398 ans Betreiben der Universität
Paris sich entzogen, doch bald daraufwieder unterworfen hatte) und Gregor
Xu., den Schein der Persönlichkeit behauptend, zu einer Zusammenkunft
bereit, um durch persönliche Verhandlung den Streit zu schlichten; aber gegen-
seitiges Mißtrauen, wohl auch Falschheit der beiden Päpste vereitelte den
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Extrahierte Personennamen: Gregor_Xii Gregor Clemens_Vii Clemens Benedikt_Xih Gregor
Xu Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Bonifacius Frankreich Neapel Spanien Avignon Paris
217
Zweites Kap. Religion.
Plan*). Da ermannte sich Frankreich —entrüstet über so viele Selbstsucht und
Anmaßung und zumal durch Dcncdikt's unerhörte Erpressungen aufgebracht —
zur Verwerfung beider Päbste. Ein allgemeines Concil sollte der
Kirche ein rechtmäßiges Haupt geben.
Also versammelte sich ein solches Concil zu Pisa (1409), welchem sofort
die beiden Päpste jeder eine eigene Synode zu Perpignan und zu Udine
entgegcnsczten. Aber die Väter von Pisa (wiewohl in Deutschland König
Rupert sich wider dieselben erklärte, während der verlassene Wenzel von
dem Concil als rechtmäßiger römischer König erkannt ward) sprachen die Ab-
sczung Bcnedikt's und Gregor's aus, und erkoren an deren Stelle A l e x a n d e r V.
(26. Juni). Rupert's Voraussagung, daß das Concil die Spaltung noch größer
machen werde, ging nun — freilich meist durch seine eigene Schuld — in
Erfüllung. Die Abgesehen behaupteten ihre Würde und cs waren jezt drei
Päpste. Alexander, der gleich das folgende Jahr starb, erhielt zuni Nachfolger
Johann Xxiii. (Balthasar Cossa), einen kühnen, geschickten, aber unsitt-
lichen Mann (17. Mai 1410).
§■ 10. Das Concil von Kostniz.
Der Mangel an persönlicher Würde verschlimmerte die schwierige Lage dcs
neuen Papstes. Er gab den Gegcnpäpsten eine willkommene Waffe und stärkte
den Muth der weltlichen Feinde. Unter diesen war der gefährlichste der König
Ladislaus von Neapel, welcher auf die Verwirrung Italiens und der
Christenheit die Hoffnung eigener Größe baute. Er eroberte Nom mit dem
größten Theile des Kirchenstaates und blickte verlangend nach der Herrschaft
des ganzen Italiens, nach dem Kaiserthum, auch nach Ungarn, dem
früheren Bcsizthum seines Hauses. Johann Xx1il, in so großer Bedrängnis',
wurde von Kaiser Sigiömund vermocht, eine allgemeine Kirchenvcrsamm-
lung nach Kostniz auszuschreiben (1413), wiewohl er lange damit gezaudert
und zumal eine italische Stadt zum Size des Concils gewünscht hatte. Der
erste November des folgenden 1414ten Jahrs ward für dessen Anfang bestimmt.
Nach Kostniz richteten sich jezt die Blicke der gcsammten Christenheit
*) Beiie - ikt fslm Iiberr Meer nach Savo na, Gregor zog zu Lcind nach Lncca;
aber tann, wie Leonh. Nretinns, der im Gefolgegregor'- war. sich aiisdruckt: ,,Noster
Unquam terrestre animal ad litus accedere , ille tanquam aquaticum a mari discedere
recusabat.“
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Perpignan Udine Deutschland Neapel Italiens Italiens Ungarn
218
Zweites Kap. Religion.
mit sehnsuchtsvoller Erwartung. Durch die lange Verhandlung des großen
Streites hatte die öffentliche Meinung sehr wichtige Ausschlüsse über das
Wissen, hiernach auch Bestimmtheit des Wollens gewonnen. Einsichtsvolle,
muthigc Männer, zumal Johann Gerson, Kanzler der Universität zu
Paris, und Nikolaus Clemangis, Lehrer der Beredsamkeit daselbst,
hatten durch gründliche und geistreiche Schriften Ideen in Umlauf gebracht, welche
kräftig in's Leben traten: über das Wesen der Kirchcngewalt, über das Ver-
hältniß des Papstthums zur gesammten Kirche, über daö tiefgehende Vcrdcrbniß
beider und über die dringende Nothwendigkeit einer „Reform der Kirche
in Haupt und Gliedern." Diese leztcn, dcutungsvollcn Worte waren
die Losung aller Guten geworden, der Geist der Zeit forderte eine voll«
ständige Abhilfe
Das Concil begann. Eine zahlreiche, glänzende Versammlung der Kir-
chcnhäupter und berühmtesten Lehrer aus allen Ländern Curopa's, nicht min-
der ausgezeichnet durch die Gegenwart vieler Fürsten und Herren, auch des
Kaisers und durch einen unermeßlichen Zusamemfluß des Volkes. Johann
Xxiii. Selbst erschien in Kvstniz (28. Okt. 1414), nicht ohne Ahnung
böser Dinge. Als er die ungünstige Stimmung des Conciliums wider seine
Person erkannte und dagegen seine äußeren Verhältnisse durch den Tod des
gefürchteten K. Ladislaus wesentlich gebessert sah; so bereute er den ge-
thanen Schritt und bereitete sich, ihn möglichst unschädlich zu machen oder
zurückzunehmen. Als man ihm die Bestätigung der Pi sän er - Schlüsse
verweigerte, mehr noch, als man fcstsezte, daß die Stimmen auf dem Concil
nicht einzeln, sondern nach den Nationen sollten gezählt werden*), und
zugleich unverhohlen erklärte, eö würde zur gründlichen Herstellung des Kir-
chcnfriedens und zur Bewirkung einer eingreifenden Reform zuvörderst die Ab-
sezung aller drei Päpste heilsam seyn**); so beschloß er die Flucht und richtete
sic in's Werk durch Uutcrstüzung des Herzogs Friedrich von Oestreich
(20. März 1418). Die Entsagungsurkunde, die er kurz zuvor — mit »fr«
*) Die Nationen waren außer der italischen, deren Mehrzahl an Personen sonach
uiinnz ward, die teutsche, die französische und die englische. Die spanische kam
erst später dazu. Die kleineren Kirchen, wie die skandinavischen, die po l»ischcn rc.
wurden den Hauptkirchen beigesellt.
**) Der Cardinal Peter von Ailly zumal war es, welcher (nächst dem Kanzler
Gerson, seinem Schüler und Freund) solche Meinung mit Nachdruck aussprach.
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Extrahierte Personennamen: Johann_Gerson Johann Nikolaus_Clemangis Nikolaus Johann
Xxiii Johann Ladislaus Friedrich_von_Oestreich Friedrich Peter_von_Ailly Gerson
Zweites Kap. Religion.
210
Pcllter Bereitwilligkeit — unterzeichnet hatte, widerrief er jezo, hoffend, durch
Unterstüzung seiner italischen Freunde, auch Burgunds und vielleicht
Englands (als welches im Kriege wider Frankreich stand) seine Wurde zu
retten. Aber das Concil, zumal crmuthigt durch Kaiser Sigismund,
Verfolgte standhaft seinen Zweck; es kannte den Herzog Friedrich (welchen
auch der Kaiser ächtete)*), und entsezte den Papst Johann seiner vielen Sün-
den und Verbrechen willen des Papstthums. Derselbe war indessen von
Schaffhausen, seiner ersten Zufluchtsstätte, nach Freiburg im Brcisgau
geflohen, dann aber gefangen nach Radolfzell gebracht worden. Das Con-
cilinm gab ihn in die gefängliche Haft des Kurfürsten von der Pfalz, aus
welcher er 1418 entlassen und von Martin V. zum Kardinal-Bischof von
Frascati ernannt ward, in welcher Eigenschaft er bald nachher starb.
Von den beiten andern Päpsten hatte Gregor Xii. freifwillig seine
Gewalt niedergelegt: Benedikt Xiii. aber, wiewohl Sigismund selbst die
Reise nach Spanien unternahm, um ihn zu gleichem Entschlüsse zu bewegen,
verharrte in seinem Widerstande und ward abgesezt durch den Spruch des
Concilinms **).
§. 11. Fortsezung.
Nach also gehobener Spaltung schien kein Haupthinderniß mehr der ge-
wünschten Reformation der Kirche in Haupt und Gliedern entgegen zu stehen.
Die Kirche Selbst, in der Person ihrer versammelten Repräsentanten, mochte
das Gcftz der Reform geben, ohne Einsprache eines etwa übelgesinnten oder
wenigstens betheiligten Hauptes. Die teutsche Nation, und an ihrer Spize
Kaiser Sigismund, auch die englische verlangten solches: aber die itali-
sche, welcher bald die französische und spanische, ja endlich selbst die
englische bcitratcn, protestirte gegen diesen vernunftgemäßen Plan und for-
derte vor Allem die Erwählung eines neuen Papstes. Sonach wurde, unter
einigen wenig bedeutenden Vorbehalten, allsogleich zur Wahl geschritten und
der Kardinal Otto von Colonna als Martin V. auf den päpstlichen
Stuhl erhöhet (11 Nov. 1417). Derselbe verkündete sofort seine Kanzlei-
') S. hievon die tentsche Geschichte.
*) 26. Juli 1417. Er ¡vielte jedoch in seiner kleinen Obedienz Aragonien die päpstliche
Rolle fort.
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Friedrich_( Friedrich Johann Johann Martin_V. Gregor_Xii Gregor Sigismund Sigismund Otto_von_Colonna Otto Martin_V.
220
Zweites Kap. Religion.
regeln, welche in Geist und Inhalt wenig von jenen seiner Vorgänger ver-
schieden waren, und hob nach einigen sehr unbefriedigenden Vcrwilligungcn
und einzelnen Konkordaten, die nur auf fünf Jahre geschlossen wurden, die
Kirchcnvcrsammlung auf (22. April 1418) nach deren 43stcr Sizung.
Also waren die Hoffnungen der Guten vereitelt. Außer den früher ver-
kündeten Grundsäzen, daß ein allgemeines Concilium über dem Papst, daher
dieser den Erkenntnissen jenes unterworfen sey, und außer der am Schluffe
des Concils gemachten Verordnung, daß nach fünf, dann nach sieben, dann
je nach zehn Jahren wieder allgemeine Kirchenvcrsammlungen sollten gehalten
werden, war nichts Wesentliches für die Reformation geschehen. Das allge-
meine Interesse war gescheitert an dem bösen Willen mächtiger Einzelner.
Ja es ward selbst die Berufung von dem Papst an eine allgemeine Kirchen-
versammlung durch Martin V. und bestimmter durch Pius Ii. wieder
verboten.
§. 12. Das Concil zu Basel.
Noch eine Aussicht öffnete sich den Wohldenkenden durch das, in Be-
folgung der kostnizer Verordnung, nach Basel ausgeschriebene Concil, als
welches, nachdem zwei frühere, die Martin V. nach Pavia (1423) und nach
Siena ausgeschrieben, erfolglos sich getrennt hatten, unter günstigeren
Auspicien zusammen trat (1431). Die fortdauernden Schrecken der Hussiteu
forderten dringend eine durchgreifende Abhilfe, die nur ein Concil bewirken
zu können schien; und das Verlangen einer kirchlichen Reformation in Haupt
und Gliedern war so laut und so allgemein ertönt, daß selbst der päpstliche
Legat, der Kardinal Julian Cesarini, derselben Nothwendigkeit erkannte.
Daher, als Papst Eugen Iv., welcher nach Martin's V. Tode (f 20.
Febr. 1431), den Stuhl bestiegen, die kaum eröffnete Kirchenversammlung
wieder aufzuheben begehrte, eine andere in Bononien zu haltende dafür
verheißend, das Concil einmüthig beschloß, versammelt zu bleiben, und seine
Arbeiten fortzusezcn. Gestüzt auf die kostnizer Verordnungen von der
Gewalt der Concilien über den Papst, behaupteten die basler Väter nach-
drücklich und kühn ihr selbstständiges Recht, und daß Niemand befugt sey,
ihre Versammlung aufzuheben, zu verlegen oder zu verschieben, ohne ihre
eigene Einwilligung; ja sic forderten den Papst zur persönlichen Erscheinung
auf, erklärten ihn, bei fortwährender Weigerung als einen „Hartnäckigen",
und bedrohten ihn mit Suspensation, ja Absczung
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Zweites Kap. Religion.
221
Nach langen Verhandlungen und erschöpften Hilfsmitteln italischer List,
erkannte endlich der selbst in Nom durch einheimische Feinde bedrängte Papst
die Rechtmässigkeit der Kirchenverflrmmlung nach der von derselben vorge-
schriebenen Formel an (1434); worauf seine Legaten ohne Widerspruch den
Vorsiz in der Dcrsamnilung nahmen. Schon früher hatten die basier Väter
den größten Theil der Hussiten durch die Prager Kompaktatcn (1433,
s. o. S. 214) beschwichtigt, wodurch endlich Teutsch land zum Frieden
und Sigismund zum böhmischen Throne gelangte.
Aber die Einigkeit des Concils mit dem Papste war von kurzer Dauer.
Was Königen, die nach Uneingeschränkthcit streben, eine Versammlung freier
Reichöstände, dasselbe ist natürlich dem Papste ein allgemeines Concil: ein
Gegenstand des Mißtrauens und der Besorgniß, und ob ein Nothmittel in
Zeiten der Bcdrängniß und mitunter anerkannt — freilich nur von den vor-
trefflichsten der Fürsten — als ihnen natürlich befreundet, als vielfach hilfreich
und zuverlässig, doch der Regel nach denselben verdächtig und verhaßt. Und
gleichwie eine Versammlung allgemeiner Reichsstände natürlich freigesinntcr
ist, als eine der Notablen: also nahm das Concil von Basel, worauf
neben den Bischöfen eine große Zahl von gemeinen Priestern und Doktoren
mit entscheidender Stimme saß, einen freieren und höheren Schwung, als
alle früheren, worauf Kirchenhäupter allein oder doch mit vorherrschendem
Gewichte gesessen. Die basier Väter, ihren großen Zweck, Reform der
Kirche in Haupt und Gliedern, mit stätem Blicke verfolgend, traten (mit
der 21. Session (1436) und den folgenden) durch die Aufhebung der An-
nalen, Palliengelder und Reservationen von Neuem wider Eugen
in die Schranken, und bald wurde der Bruch so entschieden, daß der Papst
rin anderes Concil nach Ferrara ausschrieb, jenes zu Basel aber in der
28. Session den Papst suspendirte (1. Oktober 1437).
§. 13. Fortsezung. Folgen.
Lange und wechsclvoll war die Fortführung Dieses großen Streitet
Für das Concilium stritten das Recht der Sache und der durch die Ztce
desselben erhöhte, begeisterte Muth der Väter, die gründliche Wissenschaft^
die glänzende Beredsamkeit ihrer Leiter und Wortführer *), die offenbare
*) Unter welchen zumal der unverzagte Panormitanus (Nikolaus Tudcschi, Erzbischof
von Palermo) berühmt ist.
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Eugen Nikolaus_Tudcschi Nikolaus
222
Zweites Kap. Religion.
Wohlthätigkeit ihrer Beschlüsse, die laute Stimme der Nationen. Für den
Papst waren die Künste einer schlauen Politik, die Trennung der Gemüther
durch vielfach widerstreitende Privatintereffen, die Allianz, hier mit der schnö-
den Selbstsucht, dort mit der Beschränktheit einzelner geistlicher oder welt-
licher Häupter, der dreifachen Krone blendender Glanz und zu allem Dem
noch eine besondere Gunst der Umstände, zumal der treffliche Vorwand,
welchen die damals von den Griechen angebotene Wiedervereinigung zur
Verlegung des Concils nach einer italischen Stadt gab, und dann der
Ruhm, welchen das zu Ferrara und zu Florenz (1438, 1439) scheinbar
vollbrachte Vercinigungswcrk (s. oben S. 147) dem Papste brachte.
Also geschah, daß, nachdem mehrere Nationen *), insbesondere die
teutsche, auf dem Konvent zu Frankfurt und Mainz (1439) die basier
Dekrete, in sofern sie ihren Interessen zusagten, feierlich angenommen (nur
mit einigem Vorbehalte wegen der dem römischen Stuhle zu gewährenden
Provision oder nöthigen Beisteuer), die basler Väter aber den Papst
seines unbeugsamen Widerstandes willen endlich förmlich entsezt**) und
an dessen Stelle Amadäus, ehemals Herzog von Savoyen, unter dem
Namen Felix V. gewählt hatten (5. November 1439), gleichwohl der
größte Theil der Mächte Eugen fortwährend anerkannte, wenigstens neu-
tral zwischen ihm und dem Concil sich erklärte; woraus der Papst in be-
sonderen Unterhandlungen mit einzelnen Nationen sein Heil suchte, und
zumal die teutsche — troz des von den Kurfürsten wider ihn geschlossenen
Vereins — durch Aeneas Sylvius ***) unredliche Kunst und Kaiser
Friedrich's Iii. engherzige Geneigtheit zur demüthigen Unterwerfung brachte.
Eugen Selbst zwar empfing erst auf dem Todbette die Huldigung der
*) Die französis cheration nahm die basler Dekrete auf der Versammlung zu B o u r ge»
1438 an, und erhob sie zur pragmatischen Sanktion. K. Franz I. in seinem Kon-
kordat mit Papst Leo X. 1516 hob sie wieder auf.
*") Sie erklärten ihn als „schismatisch, kczerisch, der Simonie und des Meineides schuldig,
aller Würden und Ehren unwerth." Er dagegen schalt die Bäter: „Rasende Thoren, wilde
Bestien", und nannte den Gegcnpapst einen „Hvllcnhund, ein güldenes Kalb, einen Mohammed
und Antichrist." Was mußten die Wohlgesinnten dabei denken? — Aber in noch viel späterer»
Zeiten treffen wir eine ähnliche Sprache an. Der Rost der Barbarei wich nur langsam der
Verfeinerung.
Piccolomini, K. Friedrichs Iii. Gcheimschrciber ehevor dem Concil ergeben,
nachmals abtrünnig, als er glänzendere Aussichten ans der Gegenseite erkannte.
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Felix_V. Felix_V. Eugen Eugen Franz_I. Franz_I. Leo_X Leo Mohammed Friedrichs
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Zweites Kap. Religion.
Ncichögesandten (7. Februar 1447) und mußte zuvor die auf dem Kur-
fürstcntag zu Frankfurt entworfenen Konkordate (die man die römischen
nennt) unterzeichnen. Aber Nikolaus V., sein Nachfolger, brachte durch
denselben Aeneas Sylvins die Entlastung jener (zwar unbefriedigenden
und zweideutigen, doch immer erträglichen) römischen oder Fürsten-
Konkordate mittelst der von K. Friedrich eigenmächtig geschlossenen,
oder vielmehr hinterlistig eingeschwärzten, aschaffenburger oder wiener
Konkordate zu Wege. Anstatt einer mäßigen Provision, welche in
jenen bedungen worden, erhielt nunmehr der päpstliche Stuhl eine völlige
Wiedererstattung der durch die basier Dekrete verlorenen Rechte, theils
nach alter Uebung, theils im Aequivalent oder mit unwesentlicher Verände-
rung, also daß die Annalen und andere Besteuerungen von Neuem be-
stätigt, bei den Reservationen der Wechsel nach Monaten statt nach
einzelnen Bcncficien eingeführt und überall statt der Aufhebung der alten
Beschwerden blos einige Milderung erlangt ward.
In solcher Lage der Dinge, und da nunmehr K. Friedrich dem basler
Concilium Schnz und Geleit aufsagte; blieb demselben keine Hoffnung dcs
Triumphes mehr. Es verlegte sich nach Lausanne, und nachdem auch
Felix V., vermöge Vertrags mit Nico laus V., die Papstwürde (unter
guten Bedingungen) niedergelegt hatte; so erklärten die Väter den Stuhl für
erledigt, wählten Nikolaus V. zum Papste, und hoben ihre langgedauerte
— nach Geist und Eifer edle und preiswürdige, ob auch mit Erfolg nicht
gekrönte — Versammlung würdevoll aus (23. April 1449). Keine Hoffnung
blieb jezt mehr zur friedlichen, gcsezmäßigcn Reform. Dem Geiste der Zeit
war entschieden Troz geboten. Man erkannte ihn also gar nicht vom
geistlichen Throne herab, oder vermaß sich in stolzer Verblendung, den ver-
haßten zu ersticken. ... Er machte sich später gewaltsam Luft.
§. 14. Von den späteren Päpsten.
Von der Kirchenversammlung zu Basel bis zur Reformation Luther's
1'lieb die päpstliche Gewalt in der Hauptsache unangefochten. Die Bedrückun-
gen der Nationalkirchen, die vielnamigcn Besteuerungen der Völker dauerten
fort, und vermehrten sich. Zugleich ward die weltliche Herrschaft des Papste-
durch glückliche Unternehmungen erweitert. Schon Martin V. hatte die
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: Nikolaus_V. Nikolaus_V. Sylvins Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Felix_V. Felix_V. Nico Nikolaus_V. Nikolaus_V. Martin_V.