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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
unerhörtesten Gräuel verübt wurden. An der Spitze der
Katholiken standen der Herzog Franz von Guise, der
Connetable Annas von Montmorency und der Mar-
schall von St. Andrö; an der Spitze der Hugenotten,
der Prinz von Condä und der Admiral Coligni. Von
den Hugenotten wurden die katholischen Kirchen entweiht,
die Heiligenbilder verstümmelt, die goldnen Monstranzen
eingeschmelzt, die reichen Pfaffen gebrandschatzt. Die Katho-
liken hausten noch arger. Ganze hugenottische Besatzungen,
die sich auf Capitulation ergeben hatten, wurden niederge-
hauen, Weiber und Mädchen gemißhandelt, Kinder zer-
fleischt, Greise langsam zu Tode gemartert. Zu Tours hing
man einen Parlementsprasidenten an einen Baum auf und
ließ ihm die Eingeweide aus dem Leibe reißen; zu Achen
wurden 500 Hugenotten auf einmal aufgeknüpft und zu
Cahors eben so viel verbrannt. In der Stadt Troies
ließ ein Procurator seinen eigenen Sohn aufknüpfen; zu
Signe ein Bruder seine Schwester verbrennen. Zu Castres
wurden von einem Henkersknechte fünf Menschen lebendig
geschunden und ihre Lebern von ihm aufgefressen. Eine
Menge Menschen wurden in der Provence an den Füßen
aufgehangt, an Pferdeschweifen geschleift, gesteinigt, in
Kalköfen geworfen, lebendig begraben. Endlich da der
Hof einsah, daß mit offener Gewalt nichts gegen die Huge-
notten auszurichten war, wurde er des Wüthens müde und
schloß Frieden mit den Hugenotten, aber blos, um sie sicher
zu machen und sie unvermuthet mit einem Schlage Alle zu
vernichten.
Der König und seine Mutter gingen mit beispielloser
Heuchelei zu Werke. Sie ließen streng alle Gewaltthatkg-
keiten gegen die Hugenotten bestrafen, und waren immer
geneigt, die Edicte zu ihrem Vortheil auszulegen. Aus
jeder Miene sprach Heiterkeit und Freude, aus jeder Hand-
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Extrahierte Personennamen: Franz_von_Guise Franz Connetable_Annas_von_Montmorency Condä Admiral_Coligni
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22
Der Admiral und alle Hugenotten sollen unter cuern
Messern ihr Leben verbluten.
Unverzüglich wurden nun die Anstalten zu einem all-
gemeinen Blutbade gemacht, bei welchem nur Heinrich
von Navarra und der Prinz voncondä verschont blei-
den, aber gezwungen werden sollten, die katholische Reli-
gion anzunehmen. Die Bartholomäusnacht (vom 23. bis
24. August 1572) wurde dazu sestgesetzt, und um Mitter-
nacht sollte mit der Glocke im Louvre das Zeichen dazu ge-
geben werden. An einem weißen Schnupftuch um den
Arm wollten sich die Katholiken einander erkennen. Der
Herzog von Guise übernahm die Ermordung des Admirals.
Endlich schlug die verhangnißvolle Stunde. Karl
hörte es und zitterte an allen Gliedern. Seine Entschlossen-
heit verließ ihn; man mußte ihm den Befehl, zum Lauten
der Glocke, abnöthigen. So fangt denn an, brüllte er,
nachdem man lange genug in ihn gestürmt hatte — und
die schauderhaften Glockentöne ließen sich hören. Mit der
Unruhe eines Missethaters ging er nun von dem Zimmer
in das Vorzimmer und von dem Vorzimmer wieder zurück
an das Fenster und lauschte, bis Lärm in den Straßen
entstand und der erste Pistolenschuß siel.
Der Herzog von Guise war sogleich bei dem Klang
der Glocke an der Spitze von 300 Bewaffneten nach dem
Palaste des Admirals gezogen, den die Schmerzen seiner
Wunden nicht schlafen ließen. Der unglückliche Greis hörte
das Mordgeschrei und den tobenden Lärm, mit dem die
Thüren eingestoßen wurden, ließ sich aus dem Bette heben
und warf einen Schlafrock um. Er lag auf den Knieen,
um sich und die Seinigen dem Schutze Gottes zu empfeh-
len, als seine Diener mit dem Geschrei hereinstürzten: Das
Haus ist erbrochen, aller Widerstand ist vergeblich. — Mit
ungestörter Seelenruhe stand der Admiral auf und sprach
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Extrahierte Personennamen: Heinrich
von_Navarra Heinrich August Karl Karl Guise
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zu seinen anwesenden Freunden: Die Stunde meines
Todes ist gekommen; hienieden ist mir keines Menschen
Hülfe mehr nöthig; rettet euch, eilet, flieht! — Wirklich
entkamen noch einige durch den obcrn Theil des Hauses.
Beinahe in demselben Augenblick stürzten die Mörder die
Treppe herauf in das Schlafzimmer. Ein Böhme, Namens
Dianowitsch *), rannte mit vorgehaltenem Schwerte
auf den alten kranken Mann los, und brüllte ihn an:
Bist Du der Admiral? So nennt ihr mich, antwortete
Coligni. Habe Achtung, junger Mann, für meine grauen
Haare! — Der Unmensch stieß ihm aber ohne Barmherzig-
keit den Mordstahl tief in die Brust, zog ihn rauchend
heraus und zerfleischte ihm damit das Gesicht, indcß ein
Anderer ihm eine Pistolenkugel in den Leib schoß. Er siel
aber nicht eher, als bis man ihm noch das Bein zerschmet-
terte. — Hast Du ihn abgethan? rief jetzt der Herzog
von Guise von der Straße herauf. Abgethan! brüllte ihm
der Böhme zur Antwort. „Nun, so wirf ihn mir durch
das Fenster herab." — Der Leichnam des Admirals wurde
alfo auf die Straße hinabgestürzt. Sein Gesicht war ganz
unkenntlich. Guise wischte es ab, und bückte sich darüber,
um es genauer zu betrachten. Ja, er ist es, sprach er zu
seinen Mordgehülfen, wir haben einen glücklichen Fang
gethan; laßt uns das Werk enden. Von dem Pöbel wur-
den nun dem Gefallenen der Kopf und die Hände abge-
hauen, der Rumpf aber durch die Straßen geschleift und
erst in die Seine geworfen, dann bei den Beinen an einen
Galgen aufgehängt. Alle Leute des Admirals wurden
ermordet und sein Haus ausgeplündert.
Nicht menschlicher wütheten Soldaten und Volk in
den andern Theilen der Stadt. Katholische Pfaffen, mit
) Die Franzosen geben ihm den Namen Leine.
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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
25
und in Stücke zerhauen. Selbst ein Herzog von Roche-
foucault, der, als ein angenehmer Gesellschafter, noch in
der ersten Hälfte der Nacht mit dem König gelacht und
gescherzt hatte, mußte sterben.
Indessen wurde es Tag und das Licht des Morgens
erleuchtete die Gräuel der Nacht. Die Thüren der Häuser
waren mit Todten und röchelnden Körpern versperrt, die
Rinnen mit Blut gefärbt. Das Wüthen auf den Straßen
und in den Häusern dauerte fort. Schon lange hatte der
König aufgehört zu zittern; mit sichtbarem Wohlgefallen
sah er die Metzeleien aus dem Fenster seines Palastes mit
an, und rief den Wütherichen zu: Mordet, mordet! er
wollte am Ende selbst Theil an der schrecklichen Hugenotten-
jagd nehmen, ließ sich seine Kugelbüchse bringen, und schoß
mit seinem Bruder auf die Borüberfliehenden wie auf fliehen-
des Wild. Mehrere, die die Arme nach ihm ausstreckten
und eine Freistätte bei ihm suchten, wurden von seinen
eigenen Händen gemordet. Ihn rührte nicht das Winseln
und Klagen der Gefallenen, die noch sterbend ausriefen:
Ist das das Ehrenwort des Königs? Ist dies der Friede,
den er uns verheißen hat? Gerechter Richter, räche diese
Treulosigkeit.
Die Herzoge von Guise und Montmorency raseten wie
Furien durch die Straßen, ermunterten den Pöbel zur
Vertilgung des Natterngeschlechtes, und drangen selbst in
die Häuser ein. Ein Marschall, Namens Tavannes, sprengte
durch die Straßen und rief den Würgern zu: Nur immer
zur Ader gelassen! Ein Aderlaß im August ist so gesund
als im Mai. — Man erzählte sich Wunder der Unmensch-
lichkeit. Ein Fleischer rühmte sich bei dem König, für sich
allein hundert und fünfzig Hugenotten gctödtet zu haben;
und ein Goldschmid schwur, indem er seinen blutigen Arm
zeigte, daß er vier hundert ermordet habe.
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31
Heinrich von Navarra nahm sich nun seiner
Glaubensgenossen an und sammelte ein Heer, das aber
viel zu schwach schien, es mit der Macht der Ligue aufzu-
nehmen, mit welcher der Herzog von Joyeuse gegen ihn
anrückte. So entstand der Krieg der drei Heinriche.
Bei Coutras, einem Flecken in Guienne zwischen Bor-
deaux und'perigueux, kam es zu einer Schlacht, in welcher
Navarra», wider Erwarten gegen den weit überlegenen
Feind, mit einem geringen Verlust, einen vollkommenen
Sieg erkämpfte und das ganze katholische Heer zerstreute.
Der Bürgerkrieg wurde aber damit nicht gestillt. Die
Hugenotten verloren eine starke Stütze an dem Prjnzen von
Conds, der in seinem fünf und zwanzigsten Lebensjahr,
wahrscheinlich vergiftet, dahinstarb. Der Kampf galt jedoch
von nun an mehr dem König, den Guife nöthigen wollte,
sich ihm in die Arme zu werfen, oder seine Zuflucht zu
Heinrich von Navarra zu nehmen und sich so den
Katholiken ganz verhaßt zu machen.
Die Guisen hatten zu Paris einen starken Anhang,
die Ligue der Sechzehner genannt, aus katholischen
Pfarrern, Advocaten, Bürgern bestehend. .Ihre schlimmen
Plane, die auf Entthronung des Königs und die Ermor-
dung des ganzen Parlements gingen, wurden verrathen,
und nun kam zu ihrer Unterstützung Heinrich von Guise
wider des Königs ausdrücklichen Befehl in die Stadt, wo
er von dem Volke mit einem großen Jubelgeschrei als der
Beschützer der Kirche und des Glaubens, als der Retter
von Paris begrüßt ward. Alle Kniee beugten sich vor ihm;
alle Straßen wurden mit Blumen bestreut.
Der König gerieth über dies Alles in nicht geringe
Unruhe, und noch größer wurde seine Angst, als ihm be-
richtet wurde, daß eine bedeutende Menge Fremder zu den
Thoren hereinströmte, denn ihm bangte vor einem Auf-
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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
stände. Wirklich nahm der Tumult so sehr überhand, daß
es nöthig wurde, Truppen gegen die Mißvergnügten an-
rücken zu lassen. Es traten 4000 Schweizer und 2000
französische Musketiere ins Gewehr. Alles gerieth hierüber
in Gahrung. Handwerker, Handelsleute, Bürger, Studen-
ten strömten aus ihren Hausern, versperrten die Straßen
mit vorgezogenen Ketten, verrammelten ihre Hausthüren
mit Fässern, Balken, Bretern, Wagen und schossen mit
scharf geladenen Gewehren aus den Fenstern. Die armen
Schweizer, die Befehl hatten, nicht zu feuern, wurden
verhöhnt und verspottet, bis endlich einer die Geduld ver-
lor und sein Gewehr losdrückte. Dieser Schuß wirkte wie
ein Funke auf eine Pulvermine. Von allen Seiten wur-
den die königlichen Truppen mit Flintenkugeln und Steinen
begrüßt, und am Ende so sehr in die Enge getrieben, daß
sie sich genöthigt sahen, um Gnade zu bitten. Sie mußten
rufen: Es lebe der Herzog von Guise, und mit
umgekehrtem Gewehr wieder abziehcn. Dies war der
Tag der Barrica den (1588).
Der König war indessen im Louvre eingesperrt und
erwartete jede Minute, gefangen genommen zu werden.
Indessen aber seine Mutter, Katharina von Medicis,
mit dem Herzog unterhandelte, fand er Gelegenheit, nach
Ehartres zu entfliehen. Es nützte ihm aber wenig; er
mußte einen schimpflichen Vergleich unterzeichnen, mußte
schwören, alle Hugenotten auszurotten, und keine Stellen
an sie zu vergeben, auch alle Franzosen schwören lassen,
keinen protestantischen Thronfolger zu wählen; mußte den
Herzog von Guise, seinen unversöhnlichen Feind, zum An-
führer aller französischen Truppen ernennen, und eine
Reichsversammlung nach Blois ausschreiben.
Auf dieser Reichsversammlung wurde dies Alles be-
stätigt und dem Volk eine Last von mehr als zwei Millionen
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den gefangen genommen, und sein Bruder, der Kardinal
Ludwig von Guise, im Gefangniß ermordet. Die kühn-
sten und wüthendsten Liguisten verstanden sich jetzt mit
niedergeschlagenen Augen und todtenblaffen Gesichtern zur
tiefsten Unterwürfigkeit.
Nach vollbrachter That ging Heinrich Iii. triumphi-
rend zur Königin Mutter und berichtete ihr, was geschehen
war. Ich bin König von Frankreich geworden, sagte er,
da ich den König von Frankreich habe umbringen lassen.
Gott gebe, erwiederte sie, daß dieser Mord Dich nicht zum
König von Nichts mache. In der That entstand darüber
eine allgemeine Bewegung in der Hauptstadt und in den
Provinzen. Die Pariser waren rasend. Auf den Kanzeln
schrieen die Priester laut wider den König, schalten ihneinen
Heuchler, einen Tyrannen, einen Schwächling, und forder-
ten das Volk mit wüthenden Geberden zur Rache auf.
Von Paris aus verbreitete sich das Feuer des Aufruhrs
über das ganze Königreich, und es sing aufs neue mit Raub,
Mord und Brand der grausamste Bürgerkrieg an. Adel,
Volk, Geistliche umgaben sich mit bewaffneten Trabanten
und begingen die schrecklichsten Unthaten.
Ein zweiter Bruder des ermordeten Guise, der Herzog
von Mayenne, wurde nun das Haupt der Ligue. Ver-
geblich hatte der König versucht, auch ihn ermorden zu
lassen; vergeblich suchte er jetzt, ihn zu gewinnen. Da ihm
dies nicht gelang, warf er sich endlich dem König von
Navarra in die Arme und verband sich mit den Huge-
notten zur Unterdrückung der heiligen Ligue. Mit ihnen
rückte er, an der Seite Heinrichs von Navarra, gegen
die Stadt Paris, der sich die Liguisten bemeistert hatten, an
der Spitze von 30,000 Mann vor und hatte Hoffnung, sie zu
erobern, als er zu St. Cloud von der Hand eines Meuchlers,
sieben Monate nach dem Herzog von G u i se, ermordet wurde.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_von_Guise Ludwig Heinrich_Iii Heinrich Heinrichs Heinrichs
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Paris Navarra Navarra Paris
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Schlosse. Die Wunde des Königs wurde anfangs nicht
für tödtlkch gehalten. Gegen Abend aber sing sie an so
sehr zu schmerzen, daß die Aerzte wohl merkten, es müß-
ten die Eingeweide schwer verletzt seyn. Bald konnten sie
ihm nicht langer bergen, daß er nur noch wenige Stunden
zu leben habe. Er benutzte sie, sich zum Tode vorzuberei-
ten, und ermahnte den Adel, den König von Navarra als
den rechtmäßigen König der Franzosen anzuerkennen. So
starb er am 1. August 1589 in seinem acht und dreißigsten
Lebensjahr, indem er den ersten Bußpsalm betete. Mit ihm
erstarb der Stamm der Valois, nachdem er sich 260
Lahre auf dem französischen Thron erhalten hatte. Der
Leichnam des Mörders wurde von Pferden zerrissen, zu
Asche verbrannt und in die Seine geworfen.
Die Pariser empfanden über diesen Mord eine unbän-
dige Freude, und das ganze katholische Frankreich nahm
Theil daran. Der damalige Papst Sixtus V. rühmte
in einem Consistorium den Muth, die Geistesstarke und
Tugend des Mörders, der eine solche That nicht anders als
unter göttlichem Beistand habe verrichten können, und erhob,
was er gethan hatte, hoch über die Thaten der Judith
und des Eleazar.
x 7* Maria Stuart-
( Enthauptet 1587.)
Maria Stuart, eine Tochter des schottischen Königs
Jakob V., verlor ihren Vater gleich nach der Geburt und
wurde wegen der innern Unruhen im Lande nach Frankreich
gebracht, wo sie die schönen Jahre ihrer blühenden Jugend
verlebte und bald als ein vollendetes Meisterstück weiblicher
Schönheit bewundert wurde. Mit ihren äußern Vorzügen
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Extrahierte Personennamen: August Sixtus_V. Judith Maria_Stuart- Maria Maria_Stuart Maria Jakob_V.
Extrahierte Ortsnamen: Navarra Frankreich Frankreich
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139
Der König, der wußte, wie wenig er sich auf sein
Heer und auf sich selbst verlassen konnte, ging furchtsam,
verwirrt, unentschlossen umher. Er sah sich von einem
Ofsicier nach dem andern, von ganzen Haufen, von gan-
zen Regimentern verlassen und verlor darüber so völlig
den Kopf, daß er auch alle seine übrigen Truppen aus-
einander gehen ließ, um nach London zurückzueilen und
dem Prinzen Vergleichsvorschlage zu machen. Wilhelm
achtete nicht darauf und setzte seinen Marsch nach der Haupt-
stadt unaufhaltsam fort. Bald erhielt er zu seiner nicht
geringen Freude Nachricht, daß Jakob mit der ganzen
königlichen Familie nach Frankreich entflohen sey. Nicht
weniger jubelte darüber der protestantische Pöbel, der im
ersten Freudenrausch seinen Muthwillen an den katholischen
Kirchen, an den Bildern und dem Kirchengerathe ausließ.
Noch war es mit diesen Werken der Zerstörung beschäftigt,
als man den entflohenen König, der auf der Flucht ange-
halten worden war, wieder nach London zurückschleppte. Man
war begierig, was nun geschehen würde. Prinz Wilhelm
wollte aber nichts von ihm hören und schickte ihn unter
einer starken Bedeckung nach Nochester, wo seine Leute
Befehl hatten, ihn laufen zu lassen. So entlief er ihnen
denn wirklich und entkam glücklich nach Frankreich, wo er
von dem König thcilnehmend ausgenommen und bis zu
seinem Tode (1704) mit ansehnlichen Jahrgeldern unter-
stützt wurde.
Prinz Wilhelm berief, wie er es versprochen hatte,
ein neues Parlament zusammen. Beide Kammern dessel-
den erklärten den englischen Thron für erledigt, weil Ja-
kob Ii. die Reichsgrundgesetze gebrochen und durch seine
Flucht ihn verlassen habe. Prinz Wilhelm und seine
Gemahlin Maria wurden hierauf zum König und zur
Königin eingesetzt, und Mariens Schwester, die Prinzessin
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Jakob Wilhelm Wilhelm Wilhelm Maria Maria
Extrahierte Ortsnamen: London Frankreich London Frankreich Mariens
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Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
18
Nacht. Als man sie öffnete, wimmelte aus dem giftigen
Eiter eine unzählige Menge Lause, die man vergeblich zu
vertilgen suchte. So lag er über fünfzig Tage auf dem
Rücken unter unsäglichen Schmerzen, bis endlich der Tod
seinen Leiden ein Ende machte
X 4. Die Bartholomäusnacht oder die pariser
Bluthochzeit, cs. 1572.)
Schon unter Franz I. singen in Frankreich die Ver-
folgungen der Hugenotten, das heißt der Neformirten,
an; noch schlimmer erging es ihnen aber unter den folgen-
den Königen, so lange Katharina von Medicis, Ge-
mahlin Heinrichs Ii., eine sehr bigotte und herrfchsüchtige
Italienerin, am Leben war. Unterstützt von dem Herzog
und dem Kardinal von Guise, führte sie, statt ihres trä-
gen Gemahls, fast ganz allein das Regiment, und wüthete
nach Herzenslust gegen die Ketzer mit den ausgesuchtesten
Martern. Einmal wurden z. B. auf dem Greveplatz
— dem gewöhnlichen Richtplatz zu Paris —- Scheiterhaufen
angezündet, und die verurtheilten Hugenotten von Gerüsten,
welche darüber aufgerichtet waren, an Ketten, die in Rollen
liefen, bald in das Feuer herabgelassen, bald wieder hinauf-
gezogcn, um ihre Qual zu verlängern. Dieser Anblick und
das Geheul der Gemarterten waren erschütternd. Hein-
rich Ii. starb im Jahr 1559; die Verfolgung der Huge-
notten dauerte aber fort. Es wurde unter Franz Ii. ein
Gerichtshof errichtet, die Feuerkammer genannt, der die
überwiesenen Ketzer zu Dutzenden an Pfählen binden und
verbrennen ließ; andere wurden gehenkt oder mit dem
Schwerte hingerichtet. Darüber entstand ein blutiger Reli-
gionskrieg, in welchem, besonders unter Karl Ix., der im
Jahr 1560 zur Regierung kam, von beiden Thcilen die
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Extrahierte Personennamen: Franz_I. Katharina_von_Medicis Heinrichs Heinrichs Franz_Ii Franz Karl_Ix. Karl_Ix.