Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Teil 2 - S. 22

1916 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
22 Vierzehnter Abschnitt. die Russenleichen stellenweise nicht in Reihen bloß, sondern in Laufen übereinander. And der erbarmungslose Nikolai ließ nicht nach, sondern verlangte immer neue Sturmangriffe. Da waren also die Russen am Südflügel und am Nordflügel gleich eifrig beschäftigt. And da kam das Unheil in der Mitte. Die beiden Generalstabschefs, Falkenhayn, der deutsche, und Conrad von Äötzendorf, der österreichisch-ungarische, halten sich mit großer Sorgfalt eine Stelle zum Durchbruch ausgesucht, und zwar die Gegend der galizischen Stadt Krakau. Das hatte zwei große Vorteile: Erstens gingen hier durch Schlesien zwei große Eisenbahnlinien und hart an der Grenze eine Unmenge Zweig- und Nebenbahnen. Wißt ihr aus der Erdkunde, warum? Sch.: Weil es das Oberschlesische Industriegebiet ist. Da müssen viel Bahnen sein, um die Kohlen fortzuschaffen. Warum meint ihr, daß das hier gut war? Sch.: Da konnte man schnell viele Soldaten heranschaffen. Ja, das ist so schnell gegangen, daß tatsächlich die Russen nichts davon gemerkt haben. Tag und Nacht fuhren die Züge durch Schlesien, und die Leute haben sich schon gewundert und allerlei gemunkelt. Aber ehe die Russen Wind davon kriegten, waren alle Soldaten zur Stelle. Und dieser Ort hatte einen zweiten Vorteil. An dieser Stelle bog die Schlachtlinie (Skizze) aus der südlichen in die östliche Richtung um. Wenn man dort die feindliche Front durchbrach, kam man gleichzeitig den im Süden stehenden Russen in die Flanke (Karte). Der Führer des neuen österreichisch-ungarisch-deutschen Riesenheeres in Westgalizien war aber Mackensen. Bis dahin war er ja ein Unterfeldherr von Äindenburg gewesen, jetzt aber hatte Deutschland und österreich-Ungarn so viele neue Soldaten an diese Stelle geschickt, daß Äindenburg nicht mehr alles allein befehligen konnte. Und da wurde Mackensen selbständiger Oberfeldherr über das deutsche Dnrchbruchsheer. Dieses jbeer bestand aus zwei Teilen; mehr nördlich eine österreichisch-ungarische, mehr südlich eine deutsche Armee, beide unter Mackensens Oberbefehl. Lei, das war so eine Aufgabe für den alten Totenkopfhusaren 1 Drauf I Am 2. Mai 1915, morgens 6 Uhr, war befohlen, daß die

2. Teil 2 - S. 11

1916 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Der Flankenangriff gegen Rußland. 11 aufgestellt, während in der Mitte die älteren Leute, Landwehr und Landsturm standen. Am 7. Februar griff unvermutet das südliche deutsche Flügelheer in der Richtung nach Nordosten gegen die Stadt Lyck die Russen an. Die hatten nichts dergleichen vermutet. An einigen Orten hatten sie sich Tanzmusik bestellt und feierten Siegesfeste, als sie von den deutschen Kanonen aus dem Tanzsaal getrieben wurden. Mit furchtbarem Ungestüm griffen hier die ganz jungen Regimenter von Kriegsfreiwilligen die russischen Stellungen hinter dem Flüßchen Pissek an. Es war eiskalt, der Fluß war zum Teil gefroren, Schneetreiben in einem heftigen Sturmwind hinderte den Vormarsch. Aber trotzdem gab es für unsere tapferen jungen Krieger keinen Äalt. Auf den verschneiten glitschrigen Wegen, in der bitteren Kälte, im schneidenden Wind, schließlich noch von den Russen überraschend in der Seite angegriffen, sind sie im Sturm-marsch vorgedrungen. Vierzig Kilometer haben sie bei diesem Wetter an einem Tage zurückgelegt. Immer vorwärts, immer vorwärts, solange einer noch die Füße setzen konnte, vorwärts. Wer nicht mehr mit konnte, mußte im Schnee liegen bleiben. Ganz gleich, nur vorwärts hinter den Russen her. Denn es kam ja alles darauf an, schneller zu sein als die; man mußte ja außen um sie herum. Einen Tag später, am 8. Februar, ist der Nordflügel ebenso vorgebrochen. Gegen Kälte und Schnee und Sturm und feindliche Kugeln. Auch denen gelang es, durch ihre Schnelligkeit, die Russen völlig zu Überrumpeln. Obwohl die wußten, daß die Deutschen hinter ihnen her waren, haben sie nicht einmal Posten nachts ausgestellt. „Bei dem Wetter", sagte ihr General, „kommt heut keiner mehr nach". Aber die Deutschen kamen doch nach und waren nun mit einem Mal da, unangemeldet. And fielen über die Russen her. Und die streckten voller Angst die Waffen. Bei Eydtkuhnen und Wirballen wurden mit einem Schlage 10000 Russen gefangen, ein paar wunderschöne russische Lazarettzüge erbeutet, auch ein paar Züge, auf denen die Russen alle Möbel und Wertsachen verstaut hatten, die sie aus Ostpreußen zusammengeplündert hatten. Und was den Soldaten vielleicht das Wichtigste war, 110 russische Feldküchen mit fertig gekochtem Essen wurden genommen. Zwei Tage lang hatten die deutschen Soldaten bei dem rasenden Marsch nur von der eisernen Portion gelebt, den Zwiebäcken, die sie im Tornister

3. Teil 2 - S. 12

1916 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
12 Dreizehnter Abschnitt. trugen. Und nun gab es enblich wieber warmes Essen. Ach, war das ein Jubel! So stauben am bristen Schlachttage bte beutjehen Leere schon so etwas nach innen gebogen. Und nun ging es flott weiter. Der^Kaiser war inzwischen auf jbetn Schlachtfelb einge-ttoffen. Gerabe als Lyck von den jungen Soldaten genommen würde, war er bort, stanb muten auf dem Marktplatz und alle feine jungen Krieger um ihn herum. Das große Hauptquartier hat uns biefen wunbervollen Augenblick geschilbert. Ich lese es euch vor: „Die Stadt Lyck war mit burchziehenben und sich fctmtnelnben Truppen aller Waffen angefüllt, beutfche Soldaten noch”im Begriff, die Läufer nach versprengten Russen abzusuchen und' schwarz-weiß-rote Fahnen zum Zeichen des Sieges auszuhängen, als auf dem Marktplatze Seine [Majestät eintraf, um bessen Person sich die Truppen formierten. Als der Kaiser den Kraftwagen verließ, würde er mit brei bonnernben Lurras begrüßt. Die Soldaten umringten und umjubelten ihn und stimmten dann die Lieber „Leil Dir im Siegerkranz" und „Deutschland, Deutschland über alles" an. Es war eine tiefergreifenbe, welthistorische Szene. Die Größe des Augenblicks kam allen zum Bewußtsein, die Truppe schien alle ausgehaltenen Strapazen gänzlich vergessen zu haben. Linter den Reihen der [um ihren Kaiser gescharten Soldaten stauben Lunberte von russischen Gefangenen mit ihren phantastischen vielgestalteten Kopf« bebcckungen und ebenso oerschiebenen Gesichtszügen, die Völkerstämme ganz Asiens repräsentierenb. Der Kaiser kommanbierte nun „Still-gestanben" und hielt eine kurze, markige Ansprache an feine lautlos ihn umffehenben Soldaten. Hinter dem Kaiser ragte als |Rutne die ziegelrote ^irn Orbensstil erbaute Kirche auf, bcren mächtiger Kirchturm völlig ausgebrannt und beren Dachstuhl zerstört war. Die Läuferreihen rechts und links Seiner Majestät waren bis auf die Grunbmauern.nieberge&rannf, vcrkvhlcnbe Balken ragten gen Limmel. Inmitten bieses Bilbes der Zerstörung war nur eines erhalten geblieben: das Kriegerbenkmal für bicgefallencn des Felbzuges 1870/71 geschmückt mit dem Friebcnsengel und bcm eisernen Kreuz." Und nun ging es schnell weiter vor. Die Russen in der Mitte hatten nun auch gemerkt, daß man sic umzingeln wottfe'unb machten schnell, daß sie bavon kamen. Aber bte alten Lanbstürmcr gießen sie nicht so leicht bavon, [zogen hinter ihnen her, griffen an und

4. Teil 1 - S. 15

1915 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Deutschland und seine Feinde. und Süben zugleich gegen sie vorrücken. Darum wollen sie den Russen gar nicht erst erlauben, den Türken Konstantinopel zu nehmen. Und so saßen nun die russischen Großfürsten ba und konnten kein neues Land mehr kriegen, und konnten vor allem Konstantinopel und Hamburg nicht bekommen, weil Deutschland und Österreich bagegen waren. Da kam es ihnen recht gelegen, als die Franzosen ihnen anboten: „Wir wollen gegen Deutschland gemeinsame Sache machen." Und am meisten freuten sich die Englänber; benn nun hatten sie gleich zwei große Staaten, die sie gegen die Deutschen Hetzen konnten, bamif der beutfche Äanbel ihnen vorn Äalse geschafft würde. Da seht ihr nun, wie alle unsere brei Äauptfeinbe aus Neib gegen uns Krieg angefangen haben: Die Englänber aus Neib auf unseren blühenben Äanbel, die Franzosen aus Neib auf unsre Berühmtheit im Kriege und die Russen aus Neib auf unser fleißiges und reiches Land. Und alle haben sie gesagt: Wir müssen Deutschland ganz und gar zerschlagen, daß es gar kein Deutsches Reich mehr geben barf. Dann finb die Englänber wieber die einzigen Kaufleute, von benen alle kaufen müssen, und die Franzosen sinb wieber die berühmtesten Soldaten, vor benen sich alle fürchten, und die Russen kriegen wieber neues Land, aus dem sie viel Gelb er- pressen können, daß die Großfürsten und Abligen ihre Schulben bezahlen können und nicht etwa anfangen müssen zu arbeiten. Nun könnt ihr euch wohl benken, daß unser Kaiser und der Reichskanzler auch gemerkt haben, was die drei ba unfereinanber verabrebeten. Und ba wunbert ihr euch, daß sie dazu still geblieben sinb. Was meint ihr, hätten sie wohl tun können? Sch.: Sie hätten gleich Krieg anfangen sollen. Wozu benn? Sch: Damit die Feinde Angst kriegten. Damit sie nicht mit ihrer Verabrebung fertig würden. Ja gewiß, so hätte der Kaiser ja benken können. Aber das wollte er nicht; und das wollte das ganze beutfche Volk auch nicht. Man muß nie mit Streit anfangen. Wenn man ruhig bleibt, dann überlegt sich der anbere die Sache vielleicht boch noch. Und ein Krieg, das seht ihr ja, ist eine furchtbar grausige Sache. Da müssen viele Sunberttausenb junge gefunbe Männer sterben, und ba bleiben die armen Witwen und Waisen zurück und haben keinen Vater

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 4

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
4 I. v. Treitschke, Belle Alliance. Um li212 Uhr begann Napoleon die Schlacht, ließ seinen linken Flügel gegen das Schloß Gonmont vorgehen, während er zugleich auf seiner Rechten die Anstalten für den entscheidenden Stoß traf. Vier Divisionen Fußvolk scharten sich dort zu einer riesigen Heersäule zusammen; eine bei Belle Alliance ausgestellte große Batterie bereitete durch anhaltendes Geschützfeuer den Angriff vor. Gegen 1/2 2 Uhr führte General Erlon die gewaltige Jnfanteriemasse wider den linken Flügel der Briten heran. Aber noch bevor diese Bewegung begann, wurde der Imperator bereits durch eine unheimliche Nachricht iu der kalten Sicherheit seiner Berechnungen gestört. Er erfuhr um 1 Uhr durch einen aufgefangenen Brief, daß General Bülow auf dem Marsche sei gegen die rechte Flanke der Franzosen; und während er auf der Höhe bei Rossomme, im Rücken des Centrums, an seinem Kartentische stand, glaubte er auch schon fern im Osten bei dem hochgelegenen Dorfe Chapelle St. Lambert dunkle Truppenmassen zu bemerken, die alsbald zwischen den Wellen des Bodens wieder verschwanden. Ein sofort ausgesendeter Adjutant bestätigte die Vermutung. Gewaltsam suchte sich der Kaiser zu beruhigen und schickte vorläufig zwei Kavalleriedivisionen ostwärts über den rechten Flügel der Schlachtstellung hinaus. Es war ja doch sicher nur das eine Corps Bülows, vielleicht nur ein ~ietl davon, und ehe die Preußen in die Schlacht eingreifen konnten, mußte Wellington geschlagen sein. Seinen Offizieren aber sagte Napoleon mit zuversichtlicher Miene, Marschall Grouchy ziehe zur Unterstützung der rechten Flanke herbei: die Armee durste von der Gefahr nichts ahnen. Währeuddem war Erlon mit feinen vier Schlachthaufen vorgerückt; schon während des Anmarsches erlitt er schwere Verluste, ganze Reihen in den tiefen Kolonnen wurden von den englischen Kanonenkugeln niedergerissen. Es gelang zuerst eine niederländische Brigade in die Flucht zu schlagen; nur ein Teil der Truppen des jungen Königreichs bewährte sich; der alte Blücher hatte ganz recht gesehen, als er meinte, diese Belgier schienen „keine reißenden Tiere" zu sein. Dann aber brach das englische und hannoversche Fußvolk hinter den schützenden Hecken hervor, umfaßte mit seinen langen Linien die unbehilflichen Klumpen der Franzosen. Nach einem mörderischen Gefechte, bei dem der tapfere Picton den Tod fand, mußten die Angreifer zurückgehen. Ponsonbys schottische Reiter setzten nach, sprengten die Weichenden auseinander, drangen in nn-

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 5

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
I. v. Treitschke, Belle Alliance. 5 aufhaltsamem Laufe bis in die große Batterie der Franzosen; hier erst wurden sie durch französische Kavallerie zur Umkehr genötigt. Der große Schlag war mißlungen. Und jetzt ließ sich schon nicht mehr verkennen, daß jedenfalls ein beträchtlicher Teil der preußischen Armee im Anmarsch war, und zwar in der Richtung auf das Dorf Plancenoit, das im Rücken des rechten Flügels der Franzosen lag. Noch stand es dem Imperator frei die Schlacht abzubrechen, aber wie hätte der Stolze einen so kleinmütigen Entschluß fassen können? Er sendete das Corps Lobaus über Plauceuoit hinaus, so daß seine Schlachtstellung statt einer einfachen Linie nunmehr einen auf der Rechten rückwärts gebogenen Haken bildete. Die Preußen verdarben ihm die ganze Anlage der Schlacht noch bevor von ihrer Seite ein Schuß gefallen war. Den gegen die Engländer fechtenden Heerteilen wurde die auf der Rechten drohende Bedrängnis sorgsam verborgen gehalten. Darum ließ Napoleon die Truppen Lobauv nicht weiter nach Osten vorgehen, wo sie das Corps Bülows am Rande des breiten Lasnethals leicht aufhalten konnten, sondern hielt sie nahe bei Plancenoit zurück: der Zusammenstoß mit den Preußen sollte so lange als möglich hinausgeschoben werden, damit die Armee nicht durch den Kanonendonner auf der Rechten in ihrer Siegeszuversicht beirrt würde. Aus Furcht vor dem Angriff der Preußen wagte der Imperator auch nicht mehr, die 24 Bataillone seiner Garde, die noch unberührt in Reserve standen, gegen die Engländer vorzuschicken, sondern beschloß mit seiner gesamten Kavallerie das Centrum Wellingtons zu durchbrechen: ein aussichtsloses Beginnen, da die Hauptmasse des Fußvolks der Verbündeten noch unerschüttert war. Blücher war am Morgen von Wavre aufgebrochen. Die alten Glieder wollten sich noch gar nicht erholen von dem bösen Sturze vorgestern, doch wer bürste dem Helden heute von Ruhe und Schonung sprechen? „Lieber", rief er aus, „will ich mich auf dem Pferde festbinden lasiert, als diese Schlacht versäumen!" Wohlgemut ritt er inmitten der Regimenter, die sich mit unsäglicher Anstrengung durch den tiefen Schlamm hindurcharbeiteten; ein Brand in Wavre hatte den Marsch erheblich verzögert. Die Soldaten frohlockten wo der Feldherr sich zeigte, traten mit lautem Zuruf an ihn heran, streichelten ihm die Knie; er hatte für jeden ein ermunterndes Wort: „Kinder, ich habe meinem Bruder Wellington versprochen, daß wir kommen. Ihr wollt mich doch nicht wortbrüchig werden lassen?" Thielmann blieb mit dem dritten Armeecorps bei Wavre zurück, um den Rücken

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 6

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
6 I. v. Treitschke, Belle Alliance. des Heeres gegen einen Angriff Grouchys zu decken, der in der That am Nachmittage ans Wavre heranzog. Die übrigen drei Corps nahmen den Marsch auf Chapelle St. Lambert; um 10 Uhr waren die Spitzen, um 1 Uhr die Hauptmasse der Armee dort auf den Höhen angelangt. Nun teilte sich das Heer. Zielen mit dem ersten Corps marschierte geradeaus, in der Richtung auf Ohain und weiter gegen den rechten Flügel der Franzosen. Bülow mit dem vierten Corps und dahinter das zweite Corps unter Pirch wendeten sich nach links, südwestwärts, gegen den Rücken der französischen Aufstellung. Das schwierige Desile des Lasnelhals war zum Glück vom Feinde nicht besetzt, der Bach ward überschritten, und gegen 4 Uhr ließ Bülow seine Truppen wohl verdeckt in und hinter dem Walde von Frichemont antreten: erst wenn eine genügende Macht zur Stelle war, sollte der überraschende Vorstoß erfolgen. In tiefem Schweigen rückten die Regimenter in ihre Stellungen ein; die Generale hielten am Rande des Waldes und verfolgten mit gespannten Blicken den Gang der Schlacht. Als einer der Offiziere meinte, der Feind werde nun wohl von den Engländern ablassen und, um sich den Rückzug zu sichern, seine Hauptmacht gegen die Preußen werfen, da erwiderte Gneisenau: „Sie kennen Napoleon schlecht. Er wird gerade jetzt um jeden Preis die englische Schlachtlinie zu zersprengen suchen und gegen uns nur das Notwendige verwenden." Und so geschah es. Noch ehe die Preußen bei dem Walde von Frichemont anlangten, zwischen 3 und 4 Uhr, hatte der zweite große Angriff der Franzosen begonnen. Ney sprengte mit vierzehn Regimentern schwerer Reiterei auf der Westseite der Landstraße gegen die Vierecke der englischen Garde und der Division Alten im Centrum heran. Lange wogte der Kampf unentschieden hin und her, aber das Fußvolk hielt unerschütterlich aus. Endlich zurückgeworfen zog Ney auch die Kavallerie Kellermanns an sich, so daß er jetzt 26 Reiterregimenter zu erneutem Angriff heranführte, die größte Reitermaffe, welche dies kriegerische Zeitalter jemals an einer Stelle thätig gesehen hatte. Der Boden dröhnte von dem Hufschlag von 10,000 Pferden, ein Wald von Säbeln und Lanzen bedeckte die Thalmulde, stundenlang schwankte das Gefecht, zehn- zwölfmal ward die Attacke gegen einzelne Bataillone erneuert. Nochmals behielt die Standhaftigkeit des englischen und deutschen Fußvolks die Oberhand. Auch dieser Angriff scheiterte, die Schwadronen begannen zu weichen, ein kühnes Vorgehen der englischen und hannoverschen Reservereiterei brachte sie

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 10

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
10 I. v. Treitschke, Belle Alliance. Schlachtfelde umher und sucht vergeblich die Kugel, die ihn von seiner Gewissensangst und seinen finsteren Ahnungen erlösen soll. Indem hatte Blücher schon den Schlag geführt, der die Vernichtung des uapoleonischen Heeres entschied. Die Truppen Bülows gingen in drei Kolonnen im Sturmschritt auf Plauceuoit vor. In und neben dem Dorfe hielten jene zwölf frischen Bataillone der Kaiser-garde; und sie fochten mit dem höchsten Mute, denn alle fühlten, daß hier die Entscheidung des ganzen Krieges lag. Die anstürmenden Preußen sahen sich im freien Felde den Kugeln der Verteidiger, die in den Häusern und hinter den hohen Mauern des Kirchhofs verdeckt standen, schutzlos preisgegeben. Dieser letzte Kampf ward fast der blutigste dieses wilden Zeitalters; das Corps Bülows verlor in viertehalb Stunden 6353 Mann, mehr als ein Fünftel seines Bestandes, nach Verhältnis ebenso viel wie die englische Armee während des ganzen Schlachttages. Der erste und der zweite Sturm ward abgeschlagen; da führte Gneifenau selbst die schlesischen und pommerschen Regimenter zum dritten Male vorwärts, und jetzt gegen 8 Uhr drangen sie ein. Noch ein letzter wütender Widerstand in der Dorfgaffe, dann entwich die Garde in wilder Flucht; ihr nach Major Keller mit den Füsilieren des 15. Regiments, dann die anderen Bataillone. Auf der ganzen Linie erklang in langgezogenen Tönen das schöne Signal der preußischen Flügelhörner: Avancieren! Zu gleicher Zeit ward weiter nördlich das Corps Lobaus von Bülows Truppen in der Front, von Zietens Reiterei in der Flanke gepackt und völlig zersprengt. Die beiben Heerteile der Preußen vereinigten sich hier; der furchtbare Ring, der den rechten Flügel der Franzosen auf drei Seiten umklammern sollte, war geschloffen. Von Norden drängten die Engländer, von Osten und Süden die Preußen heran. Den Truppen Zietens wies Grolmann die Richtung nach der Höhe hinter dem Centrum der Franzosen, nach dem Pachthof La Belle Alliance, der mit seinen weißen Mauern weithin erkennbar wie ein Leuchtturm über dem tiefem Gelände emporragte. Dorthin nahmen auch die Sieger von Plancenoit ihren Weg. Über 40,000 Preußen hatten noch am Gefechte teilgenommen, und jetzt da die Arbeit fast gethan war, kam auch das Armeecorps Pirchs von den Höhen hinter Plancenoit herab. Napoleon war während dieser letzten Stunde nach La Haye Sainte vorgeeilt um die Division Qniot noch einmal zum Angriff anf Mont St. Jean vorzutreiben. Sobald er zu seiner Linken die Niederlage Neys und gleichzeitig den

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 11

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
I. D. Treitschke, Belle Alliance. 11 Zusammenbruch des gesamten rechten Flügels bemerkte, sagte er wie vernichtet: „es ist zu Ende, retten wir uns!" Er eilte an der Landstraße zurück, nicht ohne schwere Gefahr, denn schon ward die Straße zugleich von den Engländern und von Zietens Batterien mit einem heftigen Kreuzfeuer bestrichen. Schweigsam, unbeweglich, mit wunderbarer Selbstbeherrschung sah Wellington auf die ungeheure Verwirrung. Sein Heer war nicht nur völlig ermattet, sondern auch in seiner taktischen Gliederung ganz gebrochen; der lange Kampf hatte alle Truppenteile wirr dnrch-einander geschüttelt, ans den Trümmern der beiden prächtigen Reiterbrigaden Ponsonby und Somerset stellte man soeben zwei Schwadronen zusammen. Keine Möglichkeit, mit solchen Truppen noch ein entscheidendes Gefecht zu bestehen. Der Herzog wußte wohl, daß allein das Erscheinen der Preußen ihn vor einer unzweifelhaften Niederlage bewahrt hatte; seine wiederholten dringenden Bitten an Blücher lassen darüber keinen Zweifel. Doch er war dem militärischen Ehrgefühle seiner Tapferen eine letzte Genugthuung schuldig; auch sah er mit staatsmännischer Feinheit voraus, wie viel gewichtiger Englands Wort bei den Friedensverhandluugen in die Wag-schale fallen mußte, wertn man sich so anstellte, als hätten die britischen Waffen die Schlacht im wesentlichen allein entschieden. Darum ließ er, sobald er den rechten Flügel der Franzosen dem preußischen Angriffe erliegen sah, alle irgend verwendbaren Trümmer seines Heeres noch eine Strecke weit vorrücken. Auf diesem letzten Vormarsch trieb der hannoversche Oberst Halkett die beiden einzigen Vierecke der Kaisergarde, die noch zusammenhielten, vor sich her und nahm ihren General Cambronne mit eigenen Händen gefangen. Aber die Kraft der Ermüdeten versagte bald, sie gelangten nur wenig über Belle Alliance hinaus. Wellington überließ, nachdem er den Schein gerettet, die weitere Verfolgung ausschließlich den Preußen, die ohnehin dem Feinde am nächsten waren. Die Geschlagenen ergriff ein wahnsinniger Schrecken. Kein Befehl fand mehr Gehör, jeder dachte nur noch an fein armes Leben. Fußvolk und Reiter wirr durcheinander, flohen die aufgelösten Massen auf und neben der Landstraße südwärts; die Troßknechte zerhieben die Stränge und sprengten hinweg, so daß die 240 Kanonen allesamt bis auf etwa 27 iu die Hände der Sieger fielen. Selbst der Ruf L'empereur! der sonst augenblicklich jeden Weg dem kaiserlichen Wagen geöffnet hatte, verlor heute feinen Zauber; der kranke Napoleon

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 12

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
12 I. v. Treitschke, Belle Alliance. mußte zu Pferde davonjagen, obgleich er sich kaum im Sattel halten konnte. Nur um die Fahnen scharten sich immer noch einige Getreue; ihrer vier waren in der Schlacht verloren gegangen, die übrigen wurden allesamt gerettet. Niemals in aller Geschichte war ein tapferes Heer so plötzlich aus allen Fugen gewichen. Nach der übermenschlichen Anstrengung des Tages brach alle Kraft des Leibes und des Willens mit einem Schlage zusammen; das Dunkel der Nacht, die Übermacht der Sieger, der umfassende Angriff und die rastlose Verfolgung steigerten die Verwirrung. Entscheidend blieb doch, daß diesem Heere bei all seinem stürmischen Mute die sittliche Größe fehlte. Was hielt diese Meuterer zusammen? Allein der Glaube an ihren Helden. Nun dessen Glücksstern verbleichte, waren sie nichts mehr als eine zuchtlose Baude. Die Sonne war schon hinter dicken Wolken versunken, als die beiden Feldherren eine Strecke südlich von dem Hofe von Belle Alliance mit einander zusammentrafen; sie umarmten sich herzlich, der bedachtsame Vierziger und der feurige Greis. Nahebei hielt Gneifenau. Endlich doch ein ganzer und voller Sieg, wie er ihn so oft vergeblich von Schwarzenberg gefordert; endlich doch eine reine Vergeltung für allen Haß und alle Schmach jener entsetzlichen sieben Jahre! Es sang und klang in seiner Seele; er dachte an das herrlichste der friderieiani-schen Schlachtfelder, das er einst von seiner schlesischen Garnison aus so oft durchritten hatte. „Ist es nicht gerade wie bei Leuthen?" — sagte er zu Bardeleben und sah ihn mit strahlenden Augen an. Und wirklich, wie einst bei Seuchen bliesen jetzt die Trompeter das Nun danket Alle Gott! und die Soldaten stimmten mit ein. Aber Gneisenau dachte auch an die Schreckensnacht nach der Schlacht von Jena, an jene Stunden beim Webichtholze, da er die Todesangst eines geschlagenen Heeres, die dämonische Wirkung einer nächtlichen Verfolgung mit angesehen. Noch gründlicher als einst an der Katzbach, sollte heute der Sieg ausgebeutet werden. „Wir haben", rief er aus, „gezeigt wie man siegt, jetzt wollen wir zeigen wie man verfolgt." Er befahl Bardeleben mit einer Batterie den Fliehenden auf den Hacken zu bleiben, immer aufs Geratewohl in das Dunkel der Nacht hineinzuschießen, damit der Feind nirgends Ruhe fände. Er selber nahm was von Truppen zur Hand war mit sich, brandenbnrgische Ulanen und Dragoner, Infanterie vom 15. und 25. und vom 1. pommerfchen Regimente; Prinz Wilhelm der Ältere, der die Reservereiterei des Bülowschcn Corps geführt, schloß sich ihm an.
   bis 10 von 183 weiter»  »»
183 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 183 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 1
2 0
3 1
4 1
5 25
6 2
7 25
8 0
9 1
10 5
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 6
17 0
18 2
19 0
20 0
21 1
22 0
23 0
24 2
25 1
26 0
27 0
28 177
29 1
30 0
31 0
32 0
33 1
34 2
35 1
36 5
37 24
38 6
39 1
40 0
41 0
42 0
43 0
44 0
45 9
46 0
47 0
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 13
2 0
3 1
4 1
5 1
6 0
7 0
8 0
9 4
10 0
11 0
12 1
13 1
14 0
15 2
16 37
17 24
18 0
19 149
20 0
21 15
22 0
23 41
24 0
25 0
26 1
27 0
28 3
29 21
30 0
31 0
32 0
33 2
34 0
35 0
36 3
37 0
38 4
39 5
40 1
41 0
42 9
43 0
44 1
45 20
46 1
47 0
48 0
49 21
50 0
51 133
52 0
53 0
54 3
55 0
56 0
57 2
58 0
59 2
60 2
61 0
62 0
63 0
64 0
65 0
66 3
67 0
68 0
69 0
70 9
71 0
72 0
73 0
74 0
75 2
76 10
77 21
78 1
79 0
80 0
81 5
82 5
83 0
84 1
85 0
86 0
87 2
88 0
89 0
90 0
91 1
92 54
93 0
94 24
95 0
96 0
97 0
98 19
99 2

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 12
1 42
2 34
3 54
4 6
5 36
6 56
7 177
8 21
9 32
10 44
11 32
12 163
13 81
14 16
15 1
16 3
17 183
18 42
19 75
20 2
21 80
22 1
23 0
24 73
25 41
26 29
27 1
28 93
29 59
30 20
31 17
32 37
33 403
34 57
35 129
36 18
37 0
38 27
39 141
40 23
41 17
42 94
43 116
44 65
45 12
46 65
47 46
48 7
49 5
50 286
51 298
52 97
53 6
54 131
55 16
56 27
57 14
58 56
59 435
60 74
61 66
62 41
63 11
64 13
65 262
66 3
67 340
68 3
69 1
70 6
71 205
72 10
73 36
74 15
75 62
76 6
77 15
78 56
79 7
80 30
81 499
82 17
83 25
84 83
85 0
86 13
87 17
88 23
89 37
90 4
91 78
92 14
93 6
94 19
95 19
96 4
97 25
98 28
99 52
100 547
101 31
102 120
103 45
104 10
105 15
106 26
107 25
108 0
109 17
110 39
111 162
112 43
113 12
114 114
115 1
116 67
117 28
118 5
119 34
120 7
121 258
122 33
123 94
124 89
125 115
126 10
127 27
128 4
129 77
130 15
131 141
132 20
133 94
134 11
135 49
136 278
137 18
138 7
139 30
140 179
141 57
142 76
143 97
144 7
145 94
146 2
147 20
148 11
149 0
150 10
151 239
152 191
153 45
154 64
155 199
156 154
157 100
158 15
159 40
160 10
161 35
162 0
163 0
164 16
165 14
166 64
167 17
168 42
169 34
170 20
171 46
172 1
173 98
174 39
175 345
176 70
177 218
178 7
179 212
180 15
181 2
182 221
183 504
184 16
185 19
186 3
187 16
188 30
189 19
190 0
191 2
192 21
193 22
194 9
195 39
196 288
197 4
198 37
199 40