160 Siebente Periode. Von 1789 Ms zur Gegenwart. — Zweiter Abschnitt. Von 1815—1871.
y) Böhmischer Kriegsschauplatz. Die preußische Elbarmee (50000 M.) stand unter Herwarth v. Bittenfeld bei Torgau, die I. Armee (95 000 M.) unter dem Prinzen Friedrich Karl (Stabschef v. Yoigts-Rhetz) bei Görlitz, die il. Armee (115 000 M.) unter dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm (Stabschef v. Blumenthal) bei Neiße. Das gemeinsame Marschziel („Getrennt marschieren, vereint schlagen“ Moltke) sollte Gitschin sein. Somit mußte die österreichische Armee unter dem Feldzeugmeister y. Benedek ihre Stellung bei Olmütz verlassen.
Am 22. Juni begannen .die Preußen in Böhmen unter siegreichen Gefechten einzurücken: Teile der Elbarmee siegten bei Hünerwasser, der I. bei Podol, bei Münchengrätz und Gitschin (am 29.); von der Ii. Armee war das 1. Korps bei Trautenau (am 27.) von Gablenz zurückgeworfen worden; aber Steinmetz siegte bei Nachod, Skalitz und Schweinschädel, die Garde bei Soor, Trautenau wurde genommen, die Vereinigung der drei Armeen war hergestellt.
Nun langte König Wilhelm, begleitet von Bismarck, Roon und Moltke, auf dem Kriegsschauplatz an. Benedek nahm Stellung zwischen der Elbe und Bistritz auf dem Plateau w. von Königgrätz. Am Morgen des 3. Juli eröffnete der König zunächst mit der Elb- und I. Armee, obwohl nur 124000 Mann stark, den Angriff gegen die 222000 Mann zählende Armee Benedeks. Die Bistritzlinie wurde von Benatek im N. bis Necha-nitz im S. genommen, vom Zentrum bei Sadowa (spr. Ssädowa), das da liegt, wo die große Straße von Gitschin nach Königgrätz die Bistritz schneidet. Nun aber kam die Schlacht zum Stehen. Die Preußen, besonders die Division Fransecky (spr. Fransetzki) im Walde von Maslowed, erlitten durch die überlegene österreichische Artillerie1 furchtbare Verluste. Mittags erschien der sehnsüchtig erwartete Kronprinz und brachte die Entscheidung. Die Dörfer Chlum, Probluz und Lipa wurden genommen, und die Österreicher zogen sich in völliger Auflösung auf Olmütz zurück.
1) Dagegen war das preußische (von Dreyse erfundene) Ziindnadelgewehi dem österreichischen Yorderladegewehr überlegen.
H ( 1/4 mjl w Ckv' ^
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Extrahierte Personennamen: Herwarth_v Friedrich_Karl_( Friedrich Karl Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Blumenthal Moltke Benedek Münchengrätz König_Wilhelm Wilhelm Bismarck Moltke Benedek Ssädowa Fransetzki
110 Siebente Periode. Von 1789 bis zur Gegenwart. — Erster Abschnitt. Von 1789 —1815.
§ 92. 8. Napoleons Niederlage in Rußland 1812.
a) Die Weltherrschaft war Napoleons Ziel. Da er England ohne überlegene Flotte vorläufig nicht beikommen konnte, wandte er sich gegen Rußland. Nach dessen Niederwerfung wtar es vielleicht möglich, von Asien her Englands Macht zu zertrümmern.
Das Bündnis von Tilsit und Erfurt zwischen Napoleon und Alexander I. hatte sich gelöst; an seine Stelle war eine wachsende Verstimmung zwischen beiden Kaisern getreten. 1. Seit Peter d. Gr. war die Politik Rußlands gegen die Türkei gerichtet gewesen le (§ 22). Katharina Ii. hatte den größten Teil der Länder an der Nordküste des Schwarzen Meeres erobert. Als Alexander auf
t t I
diesem Wege fortschreiten wollte, hintertrieb Napoleon insgeheim die russischen Pläne. 2. Napoleon begünstigte das Herzogtum Warschau und nährte in den Polen die Hoffnung, er werde zur Wiederaufrichtung des polnischen Reiches die Hand bieten. 3. Die Absetzung des Herzogs von Oldenburg, eines nahen Verwandten des Zaren, kränkte diesen tief. 4. In der Erkenntnis, daß die Festland sperre den russischen Handel schwer schädigte, weigerte sich Alexander, sie weiter aufrecht zu erhalten.
Zum Kriege gegen Rußland brachte Napoleon ein aus allen Nationen zusammengewürfeltes Heer von 650000 Mann, die „Große Armee“, zusammen. Um der Vernichtung zu entgehen, mußte Preußen ein Hilfskorps von 20000 Mann stellen. Dieses bildete unter Yorck, der unter dem Oberbefehl des Marschalls Macdonald stand, den linken Flügel der Großen Armee; den rechten bildeten 30000 Österreicher unter Schwarzenberg.
b) Ohne Kriegserklärung überschritt Napoleon Ende Juni 1812 die russische Grenze bei Kowno und zog über Wilna gegen Smolensk, während die Preußen in den Ostseeprovinzen und die Österreicher in Wolynien vorrückten. Der russische Oberfeldherr Barclay de Tolly vermied eine Schlacht und hielt erst bei Smolensk stand; er wurde geschlagen und die Stadt in Brand geschossen. An seine Stelle trat auf Wunsch der nationalrussischen Partei Fürst Kutusow (spr. Kutüsoff); doch auch er mußte nach der blutigen Schlacht bei Borodino (spr. Baradinö) an der Moskwa
] ffiriickweichen; Napoleons Sieg war ein Verdienst des Marschalls
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— 42 —
1814, den 30. Mai. Erster Pariser Friede. Frankreich muß alle seit 1792 gemachten Eroberungen herausgeben. Die Bourbons kehren zurück. (Ludwig Xviii., ein Bruder Ludwigs Xvi.)
1815. 1815, den 1. März. Napoleon, aus Elba entflohen,
landet in Frankreich, das ihn jubelnd empfängt. Neues Bündnis gegen ihn zwischen Preußen, Österreich, Rußland und England u. s. w. 1815, den 16. Juni. Blücher mutz nach heftigem Kampfe bei Ligny (und St. Amand) vor Napoleon
Weichen?) Gleichzeitig wird Ney vom Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig2) bei Quatrebras angegriffen und schließlich von Wellington, der Verstärkungen herbeiführt, in feine alte Stellung zurückgedrängt. — Blüchers Rückzug geht auf Wavre, um die Verbindung mit Wellington zu halten.3)
1815. 1815, den 18. Juni. Entscheidungsschlacht bei
Belle-Alliance. (Waterloo). — Wellington behauptet sich zäh gegen Napoleons Andrang. Napoleon fertigt schon Siegesboten nach Paris ab, und Wellington wünscht, „es würde Nacht, oder es kämen die Preußen!"— Und s i e kamen: bei Planchenoit in der rechten Flanke Napoleons erscheint Bülow, den Engländern schließt sich Siethen an, den Zwischenraum füllt Pirch aus. — Vergeblich führt Napoleon seine Garden vor; Engländer und Preußen vereinigt dringen vor, beide in der Richtung des roten Daches von Belle-Alliance. Dort treffen sich die Sieger. Napoleon flieht. Blücher und die Preußen übernehmen die Verfolgung des sich auflösenden französischen Heeres.
1815, den 7. Juli. Zweiter Einzug der Verbündeten in Paris. Napoleon nach St. Helena.
1815, den 26. Septbr. Die drei Monarchen von Preußen, Österreich und Rußland schließen den heiligen Bund (die heilige Alliance)^).
x) Der 73 jährige Blücher unter dem Pferde. (Nostiz.) — „Wir find geschlagen nur, nicht bezwungen," meldet er seinem Könige, während Napoleon dachte, Blücher sei abgefunden.
2) Fällt hier.
3) Blücher ist unverwüstlich. „Nicht mit einem Teil, sondern mit seinem ganzen Heer" verspricht er Wellington zu Hilfe zu kommen. — Als alles auf dem Marsche im Schlamm versinkt, ruft er: „Es geht nicht, heißt es wohl, und muß doch gehen! muß gehen! Ich, euer Vater Blücher, hab's versprochen meinem Bruder Wellington! Wollt ihr, daß ich wortbrüchig werde? — Und — es ging." (Scheerenberg.)
4) Hohe dem Bunde zu Grunde liegende Idee. Anders freilich die Wirklichkeit. Am treuesten hält noch daran Preußens König und Volk. — (Nachdem der Bund lange nur noch der Form nach bestanden, wurde er schließlich 1854 aufgelöst durch den Krimkrieg.)
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Elba Frankreich England Wellington Wellington Wellington Napoleons Paris Wellington Napoleons Paris Wellington Wellington Scheerenberg
>
— 50 —
' r rr. ®en 29■ Juli. Eine französische Panzerflotte (passiert Hellrngör und) geht bei Kopenhagen vor Anker. Dänemark bleibt neutral.
Den 31. Juli. Proklamation des Königs von Preußen „An Mein Volk." Abgang desselben zur Armee, in seinem Gefolge Graf Bismarck, Roon, Moltke.
Die I. Armee unter General von Steinmetz bildet den rechten Flügel südlich von Trier, dtell. Armee unter Prinz Friedrich Karl das Centrum, die Iii. Armee (darunter die Süddeutschen) unter dem Kronprinzen von Preußen den linken Flügel rü der bayerschen Pfalz. Das Ganze leitet der König Wilhelm mit dem Schlachtenmeister, „dem gr oßen Schweiger," General von Moltke?) Die Küstenverteidigung an der Ost- und Nordsee wird dem General Vogel von Falkenstein übergeben?)
Die französische Armee ist bei Metz und Straßburg ansmars chiert.
Ein französisches Vorspiel.
Den 2. August. 3 französische Divisionen mit 23 Geschützen beweisen im Beisein Napoleons und seines Sohnes ihre Bravour an den preußischen Vorposten bei Saarbrücken?)
I. Der Kampf gegen das kaiserliche Frankreich.
1. Vormarsch der Deutschen bis zur Moselund die Schlachten um Metz.
Den 4. August. Erster Sieg. Der Kronprinz
*) „Die Armeeen marschieren gesondert, behalten aber Fühlung zu einander, um sich am Tage der Schlacht zu konzentrieren." — Bedeutung der Kavallerie sowohl zum Rekognoszieren als um die Märsche der eigenen Armeeen zu verdecken (Ulanen). — Vorzügliche Verpflegung der Truppen. — Sorgsame Krankenpflege (Johanniter, Frauenvereine in allen Teilen Deutschlands, Königin Augusta).
2) Strandbatterieen, Torpedos u. s. w.
3) Die preußischen Vorposten, 3 Koinpagnieen vom Hohenzollernschen Füsilier-Regiment Nr. 40 und 3 Eskadronen vom 7. Ulanen-Regiment unter Oberstlieutenant von Pestel, die den Feind (durch kecke Streiche) über die Stärke der dort versammelten Truppen getäuscht, ziehen sich dem „im Voraus" erteilten Befehle gemäß, aus der Stadt zurück und nehmen nördlich, nahe derselben, eine neue Stellung ein.
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— 52 —
187°. bei Vionville (westlich von Metz) an und »erlegt ihm die Ruckzugsstraße nach Verdun. J)
b(!n. 1®- August. Schlacht bei Gravelotte und Sr t r <*? ■" un^ H- Armee erneuen unter dem
Oberbefehl des Königs Wilhelm den Angriff auf die in einer starken Stellung befindliche Armee Bazaines und werfen ste nach Metz hinein.2) Die stärkste und beste Armee des Kaiserreichs (180 000 Mann) ist somit nach einem 14tägigen, siegreichen Vormarsch aus dem freien Felde geschlagen und wird vom Prinzen Friedrich K arl mit 7 Armeecorps der I. und Ii. Armee in Metz eingeschlossen.
2. Vormarsch der Deutschen gegen Chllons und der Rechtsabmarsch nach Sedan.
Aus den nicht vor Metz nötigen Teilen der Ii. Armee wird eine neue deutsche Armee gebildet, die Iv. (Maas-) Armee unter Führung des Kronprinzen von Sachsen.
Den 23. August. Die Iii. und rechts von ihr die Iv. Armee überschreiten die Maas in der Richtung auf Chllons, wo Mac Mahon die 2. Armee des Kaiserreichs gesammelt und wohin sich auch Napoleon begeben hatte. Auf das Drängen der Regentschaft aus Paris entschließt sich Mac Mahon die deutschen Armeeen (die Iii. und Iv.) nördlich an der belgischen Grenze entlang zu umgehen, um Bazaine bei Metz die Hand zu reichen. Letzterer soll einen Ausfall machen.
) »Der Elsenriegel von Mars la Tour" von Hesekiel. General von Alvensleben eröffnet den Kampf. In schwerer Blutarbeit halten die Brandenburger stand, bis Unterstützung kommt. Prinz Friedrich Karl eilt selbst herbei. Glänzende Attacke von preußischer Kavallerie.
2) Heftiger Kampf auf dem linken Flügel. Sturm der preußischen Garden und sächsischen Divisionen auf St. Privat. Bei Gravelotte hält der König und kommt selbst in das Granatenfeuer. („Bei demselben", schreibt der König an die Königin, „fehlten die historischen Granaten von Königgrätz für mich nicht, aus denen mich dieses Mal Münster von Roon entfernte.") Am späten Abend schien es, als müßte der dreiundsiebenzigjährige königliche Heldengreis auf dem Schlachtfelde bivouakieren, „als sich nach einigen Stunden eine Stube fand, wo er auf dem mitgeführten königlichen Krankenwagen, völlig angezogen seit 30 Stunden, ruhen konnte."
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Extrahierte Ortsnamen: Verdun Sedan Sachsen Mahon Paris Mahon
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Lüneburg
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 15 —
teilte das Lüneburger Landvolk die allgemeine Begeisterung
nicht. Es herrschte eine kalte und gemessene Stimmung,
wohl hervorgerufen durch die Besorgnis, daß das Davoustsche
Korps, das in der Nähe stand, Rache nehmen könne. Nur
in der Stadt Lüneburg raffte sich die Bevölkerung zum
entschiedenen Handeln aus. Am 31. März 1813 rückte ein
2600 Mann starkes französisches Korps unter Anführung
des Generals Morand von Reppenstedt her in Lüneburg ein.
Zwei Männer, Bürger Spangenberg und Arbeitsmann
Gellers, die zu den Waffen gegriffen hatten, wurden vor
das Altenbrücker Thor geschleppt und erschossen. (An der
Stelle befindet sich ein Gedenkstein.) Aber am 2. April
nahte über Bilm der General von Dörnberg und marschierte
unter Hörnerklang auf den Marktplatz. Unter beständigem
Schießen wurden nun die Franzosen aus dem Neuen Thor
getrieben. Da, als schon der Sieg fast errungen war, ging
ven Befreiern die Munition aus.
Aber seht, es ist ein Engel In die aufgefaßte Schürze
Unterwegs mit schnellem Fuß, Raffte sie behendlich ein.
Zu ersetzen eure Mängel Trug die köstlich teure Würze
Von des Feindes Überfluß. Ihnen in das Glied hinein.
Ein französ'fcher Pulverwagen Schnell geleeret war die Schürze,
Lag gestürzt am fernen Ort, Und Johanna schnell zu Fuß
Und zerstreut am Boden lagen Wieder fort und in der Kürze
Halfen von Patronen dort. Wieder da mit Überfluß . . .
Dieses ward ein Mädchen mne, Wie auch dichter Kugelregen
Die Johanna Stegen hieß, Von dem Feinde rings geschah,
Die es mit entschlofsnem Sinne Immer ist Johanna Stegen
Nicht zu nutzen unterließ. Mit der vollen Schürze da.
Und so ist zuletzt geschehen,
Was da zu vermuten war,
Daß der Feind nicht länger stehen
Konnte vor der Bürgerschar . . .
(Friedr. Rückert.)
Morand selbst ward verwundet und nach Boizenburg
gebracht, wo er starb. 100 Franzosen waren gefangen ge-
nommen, wurden aber auf Befehl Dörnbergs wieder frei-
gegeben.
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Extrahierte Personennamen: Bürger_Spangenberg Arbeitsmann
Gellers Johanna Johanna Johanna_Stegen Morand Befehl_Dörnbergs
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Regionen (OPAC): Lüneburg
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 37 -
Haus ist 1786 neu gebaut. — Harburg hieß früher Horeburg,
was eine Burg in sumpfiger Gegend bedeutet. Der Volks-
mund erklärt den Namen als „Harrenburg," weil hier Reisende
auf das sie übersetzende Schiff harren mußten. Über die erste
Anlage der Stadt fehlen die Nachrichten; schon 1297 erhielt
Harburg Stadtrechte. Die Stadt war befestigt; doch wurden
die Festungswerke vor hundert Jahren abgebrochen. Furcht-
bar litt die Stadt unter der Franzosenwirtschaft 1813. Ein
Teil des Schlosses ging in Flainmen auf, und sieben Dörfer
der Umgegend wurden durch die Horden des Generals Da-
voust eingeäschert. Damals ließ Napoleon die Chaussee von
Hamburg über Harburg nach Bremen bauen. Sie ist ein
Segen für den Kreis; aber die Enkel ahnen kaum, wie viel
Seufzer der Bau den Großvätern ausgepreßt hat. Thäler
mußten ausgefüllt, Hügel abgetragen. Brücken gebaut und
Steine herbeigeschafft werden. Die Leute wurden mit ihren
Gespannen gewaltsam zu Arbeit getrieben. Lohn ward wenig
oder gar nicht bezahlt; ja mancher Bauer, mancher Bürger
fühlte die Degenklinge der übermütigen Franzosen ans seinem
Rücken. Napoleon hatte einfach dem General Davoust (Prinz
Eckmühl) befohlen, binnen 24 Stunden 10 000 Arbeiter zu
stellen! Bei einem solchen Befehl wurden die härtesten Maß-
regeln gegen die bedauernswerten Bewohner ergriffen. Sie
mußten die tiefen „Bracks" (Kolke, durch Deichbrüche ent-
standene Löcher) mit Bäumen, Erde und Steinen ausfüllen,
Holz und Pflastersteine liefern und dabei die Hohnreden ihrer
Treiber über sich ergehen lassen. Die Chaussee über das
sumpfige Wilhelmsburg war 3000 m lang und 12 m breit.
Gewaltige Brücken mußten erbaut werden, die zusammen eine
Länge von 4100 m hatten. Die Brücke lag 2—3 m über
dem Boden. Sie ruhte auf 855 Jochen; jedes bestand aus
5 Pfählen, und diese waren wieder miteinander verbunden.
Quer über den Jochen befanden sich dicke Eichenbohlen und
Bretter. Auf der Brücke waren Verschanzungen, zur Zeit
der Belagerung Hamburgs sogar Kanonen. Dieses Riesen-
bauwerk zerfiel in vier Abteilungen. Die erste Brücke reichte
vom Brookthor in Hamburg bis zum rechten Ufer der Norder-
Elbe. Über die Norder-Elbe führte keine Brücke; dafür waren
dort zwei Fähren, groß genug, um 100 Pferde und 500
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Davoust
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Lüneburg
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 16 -
Das Gefecht in Lüneburg war der Beginn der Be-
freiungskriege. Der hannoversche General Wallmoden setzte
bei Dömitz über die Elbe und stand im September der
französischen Division unter General Pecheux bei der Göhrde
gegenüber. Die Franzosen hatten sich auf den Höhen bei
Oldendorf und Eichdorf verschanzt und acht Kanonen aufge-
fahren. Die Lützowschen Jäger griffen zunächst die Front
des Feindes beim Göhrder Schloß an, so daß in einigen
Stunden der Wald vom Feinde gesäubert war. Da brachen
am Abend des 16. Sept. der Oberst Pfuel mit der russisch-
deutschen Legion und Wallmoden mit seinen Hannoveranern
im Sturmschritt mit ausgepflanztem Bajonett auf die fran-
zösischen Vierecke ein, die aus dem Steinkerhügel standen.
Unter lautem Hurra ging's die Anhöhe hinauf; Pardon ward
nicht gegeben. Die Brandraketen (auf deutschem Boden hier
zuerst gebraucht) zerstreuten unter furchtbaren Verheerungen
die französische Kavallerie. Die hereinbrechende regnerische
Nacht brachte einer kleinen Anzahl der französischen Division,
etwa 600 Mann, Rettuug. 1 Fahne, 6 Kanonen, alle Pulver-
wagen und alles Gepäck wurden erbeutet, 1 General, 100
Offiziere und 2000 Mann gefangen genommen. 1800 Franzosen
bedeckten das Schlachtfeld. Aber auch auf deutscher Seite
waren manche Verluste zu verzeichnen. Unter den Ver-
wundeten befand sich ein als Lützower Jäger verkleidetes
Mädchen, namens Eleonore Prochaska. Das tapfere
Mädchen, die Tochter eines Potsdamer Unteroffiziers, wurde
1785 geboren. Die Erzählungen des Vaters vom großen
Friedrich und der verwegenen Kühnheit der freiheitliebenden
Tiroler, eines Schill, Dörnberg u. a. ließen in ihrem Herzen
eine solch glühende Vaterlandsliebe erwachsen, daß sie beim
Rufe des preußischen Königs unter die schwarzen Lützower
trat. Unerkannt führte sie den Namen August Renz und
machte alle Hauptzüge des Freikorps mit, bis sie in der
Göhrde das tödliche Geschoß traf. „Herr Leutnant, ich bin
ein Mädchen!" rief sie dem neben ihr fortstürmenden Käme-
raden zu. Sie ward nach Dannenberg gebracht, wo man
sie sorgfältig pflegte, aber schon am 5. Oktober starb das
heldenmütige Mädchen still und gottergeben. Am 7. Oktober
ward sie mit militärischen Ehren auf dem St. Annenkirchhofe
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Extrahierte Personennamen: Eleonore_Prochaska Friedrich Friedrich August
69
partieen treffen wir auf unserem Wege noch mehrfach an und kommen
bald, nachdem wir die Parkmauer auf einer befestigten, eisernen Leiter
überstiegen haben, bei dem freundlichen Jagdfchlosse in der Nähe von
Springe au. Die Tage, an welchen unser Kaiser hier weilt, sind uns
in srendiger Erinnerung; denn mit einem Hoch und mit Hurra! habeu
wir bei seiner Reise durch Hannover in jedem Jahre seinen will-
kommenen Befehl begrüßt: „Die Schule wird heute ausgesetzt."
Der „Große Deister" ist ein sechs Stunden langer Gebirgszug,
welcher sich von Springe und Bennigsen bis Nenndorf hin erstreckt.
Auf eiue Stunde Weges rechnen wir 5 km, wie die Soldaten es auf
ihreu Märschen innehalten müssen. Das ganze Gebirge ist bis aus
deu Rücken dicht bewaldet, daher hat man, um Fernsichten zu gewinnen,
an den schönsten Punkten 4 Aussichtstürme gebaut, nämlich die Deister-
warte bei Springe, den Annaturm bei Kölnischfeld, den Nordmanns-
türm bei Barsinghausen und den Aussichtsturm im Tannenwäldchen
bei Nenndorf.
Wir besteigen diese Aussichtstürme und überschauen die Umgebung
nach allen Seiten, mit besonders weitein Blicke nach Norden.
Es wird kein Gebirge von Hannover aus so viel besucht, wie
der Deister, und deshalb fahren von Pfingsten ab von Hannover
Sonderzüge und andere mit ermäßigten Rundreisekarten nach den ver-
schiedenen Bahnhöfen in der Nähe des Deisters z. B. Barsinghausen—
Nenndorf, Egestorfs—springe, Barsinghausen—egestorfs und andere.
In den Kohlenbergwerken von Barsinghausen und Bantorf, in
den vielen Sandsteinbrüchen und in den ausgedehnten Wäldern ver-
dienen die Anwohner des Deisters dauernd ihr täglich Brot.
Ebenfalls werden in der bedeutenden Glashütte auf dem Stein-
krnge bei Bennigsen eine Menge Arbeiter beschäftigt. Von dem Süd^
rande der Berge in der' Nähe des Steinkruges hat man eine schöne
Aussicht auf den eben von uns durchwanderten Saupark mit dem
Jagdfchlosse.
Zwischen dem Deister und Hannover liegen der Gehrdener-' und
Benther Berg. Beide Berge sind mit hohen Eichen und Buchen be-
wachsen und werden im Sommer tagtäglich von den Bewohnern
Hannovers ausgesucht, entweder zu Fuß oder über den Bahnhof
Ronnenberg. Der Weg bis an die Berge ist freilich sonnig; aber
alle Mühe und Anstrengung unseres Marsches wird belohnt durch die
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I
Ii. Napoleons Militärdespotismus 1799—1812. 105
Von 20000 Mann unter York stellen, das, unter Macdonalds Ober-
befehl, den linken Flügel der aus allen Nationen zusammen-
gewürfelten „Grofsen Armee“ (etwa 600 000 Mann) bilden
sollte; Österreich stellte 30 000 Mann unter Schwarzenberg,
den rechten Flügel.
Ohne Kriegserklärung überschritt Napoleon Ende Juni 1812
die russische Grenze bei Kowno und zog über Wilna gegen
Smolensk, während die Preußen in den Ostseeprovinzen und die
Österreicher in Wolynien vorriickten. Per russische Oberfeldherr
Barclay de Tolly vermied eine Schlacht und hielt erst bei
Smolensk stand; er wurde geschlagen und die Stadt verbrannt
(Aug.). An seine Stelle trat auf Wunsch der Nationalrussen Fürst
Kutusow1, der nach der blutigen Schlacht bei Borodino1 an der
Moskwa — Ney gebührte das Verdienst des Sieges — (Sept.)
zurückweichen mufste. Die Franzosen, sehr geschwächt, zogen in
Moskau ein, Napoleon nahm Wohnung im Kreml. Der Brand von
Moskau (Sept.), ein Werk des Gouverneurs Grafen Rostoptschin\
untergrub die Mannszucht und entflammte Alexander zum Wider-
stande, worin ihn Stein und Arndt bestärkten.
In fruchtlosen Unterhandlungen verlor Napoleon kostbare Zeit
und trat erst am 19. Okt. den Rückzug an. Verzweifelte Kämpfe
gegen Kutusow und Kosakenschwärme, die mit dem Beginne des
Nov. eintretende Kälte, Hunger und Entbehrungen aller Art voll-
endeten den Untergang der Grofsen Armee. In erbarmenswertem
Zustande erreichten die Reste die Beresina, über die Ney und
Oudinot den Übergang erkämpften. Napoleon eilte nach Paris;
die Große Armee war nicht mehr.
Was geschehen, erschien wie ein Gottesgericht. Nun erfüllte
Stein Alexander mit dem Gedanken Europas Befreier von Napo-
leon zu werden. Friedrich Wilhelm wagte den Abfall noch nicht;
aber der „eiserne“ York schlofs auf eigene Faust und dem Könige
seinen Kopf zu Füfsen legend mit dem General Diebitsch in
der Poscheruner Mühle bei Tauroggen am 30. Dez. 1812 die
Konvention, nach der sein Corps neutral bleiben sollte.
1) spr.: Kutüsoff, Baradino, Rastoptschin.
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Schwarzenberg Napoleon Barclay_de_Tolly Napoleon Alexander Alexander Arndt Napoleon Napoleon Alexander Alexander Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
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