143. Die Völkerschlacht bei Leipzig.
309
eine lebensvolle Zukunft habe. Die Poesie
erhob sich wie die Wissenschaft, um
dem heiligen Kriege seine Waffen zu
schmieden.
So entstand ein Heer, wie es kein
zweites in der Geschichte gibt. Ein Verein
grauer Veteranen und unbärtiger Jüng-
linge mit der besten Manneskraft der
Nation, soldatischer Ungezwungenheit
und Derbheit mit religiösem Schwünge
und gewissenhafter Sitte, brausender
Freiheitsliebe mit strengem Pflichtgefühl
und treuem Unterthanensinn. Es ent-
hielt die Keime zu allen echten Fort-
schritten und zu einer ausharrenden
Angriffskraft, die trotz aller Hindernisse
Europa zur vollständigen Erreichung
des großen Zieles Hindurchriß.
143. Die Völkerschlacht bei Leipzig.
Es war in den ersten Oktobertagen
des Jahres 1813. Kaiser Napoleon
hatte sein Hauptquartier Dresden ver-
lassen und sich mit seinen Truppen in
die große Ebene von Leipzig gezogen.
Hier war es, wo vom 16. bis 19. Ok-
tober Männer vom Tajo und Ebro,
vom Po und der Tiber, von der Seine
und dem Rheine, in blutigem Kampfe
gegenüberstanden den Söhnen der Do-
nau, der Elbe, der Oder, des Don,
der Wolga, des weißen und des
schwarzen Meeres! Hier wütheten 2000
Feuerschlünde drei Tage lang unter
400,000 Soldaten, von denen die einen
voll hoher Begeisterung und voll Muth
für die heilige Sache des Vaterlandes,
die anderen für Ehre und vieljährigen
Waffenruhm stritten.
Im Süden Leipzigs, bei Connewitz
und Liebertwolkwitz, beginnt der Kampf;
Oesterreicher und Russen unter Fürst
Schwarzenbergs Oberbefehle eröffnen ihn.
Bald hört man nicht mehr die einzelnen
Schüsse, ein unaufhörliches Rollen er-
schüttert die Luft und macht die Feste
der mit Rauchwolken bedeckten Erde er-
beben; im weiten Umkreise klirren die
Fenster und die ältesten Soldaten erin-
nern sich solchen furchtbaren Geschütz-
donners nicht. Die Hurrahs der An-
greifenden erschallen in die Schmerzens-
rufe der Verwundeten und Sterbenden,
das Rasseln der Kanonen und Geschütz-
wagen in den Marsch der Vordringen-
den, die Trommelwirbel, die Horn- und
Trompetensignale der Streiter zu Fuß
und Roß in das unaufhörliche Knattern
der Gewehre. Adjutanten fliegen hin
und her! Verwundete kommen blutend
oder werden von Anderen hinter die
Angriffslinien gebracht! Tod und Schre-
cken, Angst, Freude, Muth und Ver-
wirrung auf allen Seiten in allen pul-
vergeschwärzten Gesichtern der Streiter!
Gewaltige Heeresmassen im An- und
Abzüge, furchtbare Artillerie mit ihren
zahllosen Feuerschlünden, Kugel- und
Kartätschenladungen nach allen Seiten
sendend. Da gibt's Blut! Schon wer-
den die Franzosen zurückgedrängt, aber
ungeheure Heeresmassen eilen im Sturm-
schritte den bedrängten Punkten zu, und
die französische Reiterei, von Wachau
hervorstürzend, wirft endlich Alles vor
sich nieder. Es ist Nachmittags 3 Uhr.
Siegesboten, von Napoleon gesendet,
fliegen nach Leipzig, zu künden den Sieg,
und in den Donner der Geschütze tönt
das Siegesläuten der Glocken von Leipzig.
Doch im Buche des Schicksals stand eine
andere Losung! Den kühnen Streitern
fehlte der Nachdruck, und Kosaken ent-
rissen ihnen die mit unglaublicher Kühn-
heit gewonnene Beute an Geschütz! Ver-
geblich waren alle wiederholten An-
strengungen der Franzosen, die Schlacht
war zum Stehen gekommen.
Unterdessen hatte der Kampf auch
auf der West- und Nordseite von Leipzig
bei Lindenau und Möckern getobt. Mehr
als 50 Feuerschlünde sind bei dem letz-
tem Dorfe ausgepflanzt und senden un-
aufhörlich Tod und Verderben in die
Reihen der Preußen.. Wiederholt wird
das lange Dorf vergeblich erstürmt.
Endlich wirft sich die preußische Reiterei
auf die französischen Vierecke und sprengt
sie, alle Bataillone rücken ohne Befehl
vor, französische Pulverwagen fliegen in
die Luft und bringen Verwirrung in
die Reihen, die von der andern Seite
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T170: [Schlacht Leipzig Franzose Preußen Napoleon Heer Herzog Ferdinand Jena Braunschweig]]
144. Die Schlacht von Waterloo.
313
reihe, deren höchster Punkt der Hof
Belle-Alliance war. Gegen Mittag
gab Napoleon Befehl, zum Angriff vor-
zurücken. Er begann die Schlacht mit
dem festen Vertrauen, daß Grouchy noch
zur rechten Zeit zur Schlacht eintreffen
werde, und daß die Preußen nicht mehr
zu fürchten seien. Zwei Stunden lang
raffte auf einer Abtheilung die Schlacht,
bevor sich der Kampf auf die übrigen
Heerestheile ausbreitete. Um 2 Uhr aber
entbrannte derzw ei 1 e Akt der S chlacht
auf der ganzen Linie; überall wurde
von den Franzosen mit Hitze und Un-
gestüm angegriffen; aber die englischen
Vierecke widerstanden mit bewunderns-
würdiger Ausdauer. Vier Stunden lang
wogte so der Kampf hin und her mit
all' seinen Schrecken. Der Tod wüthete
auf dem blutigen Felde in allen Ge-
stalten; in Haufen lagen die Todten
und Verwundeten umher, und über sie
hin tobte der Kampf ohne Unterlaß.
Immer heftiger wird der Andrang der
französischen Schaaren, ihre Tapferkeit
verwandelt sich in förmliche Wuth. Schon
beginnen die englischen Linien zu wan-
ken. Wellington eilr persönlich in's ärgste
Treffen und ermuthigt die Seinen zur
Ausdauer. Die Hoffnung, daß die Preu-
ßen bald kommen werden, um sie aus
der Noth zu retten, hielt die ermatteten
Schaaren noch aufrecht, denn Blücher
hat es ja versprochen, daß er mit sei-
nem „ganzen Heere" kommen wolle.
Aber wegen des beständigen Regenwet-
ters in der Nacht boten die Wege durch
ihre Bodenlosigkeit sowie die angeschwol-
lenen Bäche die größten Schwierigkeiten;
die Geschütze waren kaum fortzubringen.
Die Truppen erlagen fast der Anstren-
gung. „Vorwärts, Kinder, vorwärts!"
rief Blücher ihnen beständig zu; „es
heißt wohl, es geht nicht, aber es muß
gehen; ich hab's meinem Bruder Wel-
lington versprochen!"
Um 2 Uhr Nachmittags schon hatte
Wellington die Preußen erwartet, aber
erst um 4 Uhr war es den vordersten
Abtheilungen gelungen, auf dem Kampf-
plätze zu erscheinen. Und mit ihrem
Erscheinen begann der dritte Akt der
Schlacht, die für lange die Geschicke
Europa's entscheiden sollte. Durch das
stete Vordringen der Preußen wurde
den Franzosen die Rückzugslinie gefähr-
det, und Napoleon sah sich genöthigt,
seine Schlachtlinie in einem Haken auf-
zustellen. Dadurch gab es eine Doppel-
schlacht. Bei den Engländern erweckte
Blüchers Erscheinen Zuversicht und neuen
Muth, bei den Franzosen dagegen Stau-
nen und Bestürzung. Napoleon bot jetzt
Alles auf, die ermatteten englischen
Truppen zu durchbrechen, ehe die preu-
ßische Hülfe komme. Schon lagen 10,000
Mann von Wellingtons Truppen todt
und verwundet, einzelne Schaaren wank-
ten; aber die Franzosen drangen immer
rastloser vorwärts. „Werden sie bald
den Rücken wenden?" rief Napoleon
ungeduldig dem Marschall Soult zu.
„Ich fürchte, sie werden sich eher in
Stücke hauen lassen," antwortete dieser.
Nach 6 Uhr trat der vierte und
entscheidende Akt der Schlacht ein.
Stets furchtbarer rückten die preußischen
Schaaren nach und drängten die fran-
zösischen Truppen zurück. Napoleon wagt
jetzt den letzten verzweifelten Schlag.
Er läßt seine Armee auf der ganzen
Schlachtlinie vorrücken. Aber Welling-
tons Truppen richten ein mörderisches
Gewehrfeuer gegen die dichte Masse,
daß ganze Reihen zusammensinken; alles
Geschütz kehrt sich auf die unerschütter-
lich vorrückende Heldenschaar und wirft
Tod und Verderben unter sie. Sie
achten's nicht und rücken weiter. Von
allen Seiten Ziehen sich die Truppen
nach dieser Stelle zusammen zum blu-
tigsten Kampfe des Tages. Im mör-
derischen Gewühl werden ganze Schaaren
vernichtet. Schon beginnen die Englän-
der auf mehreren Punkten zu weichen;
da dringt Ziethen mit seinen Schaaren
im Sturmschritt unaufhaltsam unter dem
Wirbel aller Trommeln vorwärts, die
Höhe von Belle-Alliance sich zum Ziel-
punkte nehmend.
Diese Bewegung entschied die Schlacht.
Der Feind begann auf beiden Seiten zu
weichen. Aber noch einmal erneuert sich
der Kampf um x¡2 8 Uhr. Die preu-
ßischen Heerhaufen sind nun im heiße-
sten Gefechte; noch immer leistet der
Feind verzweifelte Gegenwehr, aber er
kämpft nicht mehr um den Sieg, son-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Grouchy Napoleon Napoleon Wellingtons Napoleon Marschall_Soult Napoleon
298
Iii. Geschichtsbilder.
nach München aufzuschieben, über die
Brücke bei Schäftlarn zurück zu gehen
und bei Vallei feste Stellung zu neh-
men, um die Ankunft der niederbayeri-
schen Landesvertheidiger abzuwarten.
Dieser Meinung stimmten die meisten
Beamten und Offiziere des Zuges bei,
insbesondere der Pfleger von Vallei,
Maximilian Abram und der Franzose
Gautier. Allein die Aufforderung des
Weinwirths Jäger zum Weitermarsch
fand den Beifall der Menge, der Ober-
commandant ward unter Drohungen
abgesetzt, die übrigen Widerstrebenden
trennten sich zum Theil von ihren Waf-
fengenossen, zum Theil ließen sie sich
zum Mitziehen nöthigen. Von Bayer-
brunn aus gebrach es dem Zuge that-
sächlich an einer bestimmten Oberleitung.
Das Schlimmste war den begeister-
ten Kampfgenossen verborgen: der Ver-
rath, der unter ihnen gelauert und ihren
ganzen Anschlag zur Kenntniß des öster-
reichischen Statthalters Grafen Löwen-
stein zu München gebracht hatte. Der
Pfleger Oetlinger von Starnberg war
an seinen Landsleuten zum Judas ge-
worden. Unter dem Scheine der An-
theilnahme hatte er sich unter sie ge-
mischt und durch das Vorgeben, den
Waffenbrüdern in Burghausen Aufträge
überbringen zu müssen, war es ihm
gelungen, ein Pferd zu erhalten, auf
denl er nach München eilte und Alles
den kaiserlichen Beamten mittheilte, was
er in Schäftlarn ausspionirt.
Darauf hin wurden sogleich die
Bürgerhäuser durchsucht, die Waffen
weggenommen, der Eisenhändler Senser
und ein Wirth im Thal verhaftet, aus
den öffentlichen Plätzen Geschütz, mit
Kartätschen geladen, aufgepflanzt. Der
Bürgermeister ließ den Bürgern von
Haus zu Haus sagen, sie sollten sich
ruhig verhalten. Der Commandant
Wendt forderte den zwischen Haag,
Ebersberg und Hohenlinden stehenden
General Kriechbaum auf, gegen München
vorzurücken.
Ohne Ahnung von all' dem waren
die Oberländer nach Mitternacht vor
München eingetroffen, wo die Zimmer-
leute aus der Au sich ihnen anschlossen.
Schon hatten sie die Jsarbrücke mit
dem rothen Thurm genommen, allein
vergebens harrten sie des verabredeten
Zeichens, welches ihnen die Hülfe der
Bürger ankündigen sollte. Es entspann
sich ein unbedeutendes Gefecht, von den
Oefterreichern nur zum Hinhalten der
Bauern bis zur Ankunft Kriechbaums
geführt. Morgens gegen 8 Uhr stand
dieser auf dem Gasteig im Rücken der
Bauern. Im Sturmschritt rückte das
Fußvolk über die von den Bauern un-
besetzt gelassene Jsarbrücke, die Reiter
durchschwammen den Fluß; zugleich
machte die Besatzung der Stadt einen
Ausfall. So wurden die Oberländer
zwischen zwei Feuer genommen. Sie
kämpften wie Löwen; — vergebens!
Sie mußten weichen. Ungeachtet der
furchtbaren Uebermacht und der bessern
Bewaffnung der Feinde, ungeachtet der
äußerst mißlichen Lage zwischen zwei
Heeren, zogen sich die heldenmüthigen
Bayern in geschlossenem Haufen nach
Sendling zurück, wo sie sich hinter ihren
Verhauen in Schlachtordnung stellten.
Nur etwa 500 hatten sich abgelös't und
in den Wald von Fürstenried geflüchtet.
Umsonst war die Standhaftigkeit des sehr
zusammen geschmolzenen Haufens. Die
Reiterei umzingelte ihn von den Flanken,
die Grenadiere stürmten gegen die Fronte.
Schrecklich war das Gemetzel; die Bauern
mußten erliegen. Der Rest gewann den
Kirchhof von Sendling und vertheidigte
denselben mit beispiellosem Muthe. Alle
fielen bis auf den letzten Mann, auch
die 34 Zimmerleute von der Zunftlade
in der Au. Die Sage des Volkes nennt
einen riesigen Schmied, Balthasar Maier
von Kochel, welcher hier Wunder der
Tapferkeit gethan. In der einen Hand
die Löwenfahne, in der andern die Keule,
schmetterte er eine große Anzahl Oester-
reicher nieder, bis er an der Seite seiner
zwei Söhne, die Brust von Lanzenstichen
durchbohrt, einer der letzten, den Tod fand.
Spät am Abend, nachdem die letzten
Plünderer das Dorf verlassen hatten,
erhoben sich zwei Männer von dem
Leichenfeld. Sie waren von Mittag an
unter den Todten gelegen. Schaudernd
flohen sie aus abgelegenen Pfaden in
ihre Thäler und berichteten den er-
schütterten Ausgang des Unternehmens.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T73: [Stadt Schloß Augsburg Grafe Nürnberg Reichsstadt Bischof Sitz Regensburg Fürst], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann]]
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_Abram Maximilian Gautier Kriechbaum Balthasar_Maier
von_Kochel
310
Iii. Geschichtsbilder.
mit Umgehung bedroht sind. Da ver-
lassen die Franzosen mit dem Abende
das nicht mehr zu vertheidigende und
an mehreren Orten in Flammen auf-
lodernde Dorf. Von 20,000 preußischen
Kämpfern liegen über 5000 todt auf
dem Schlachtfelde. So groß der Ver-
lust auch war, so war doch die Errun-
genschaft nicht zu theuer erkauft, denn
Blüchers Sieg bei Möckern entschied das
Geschick der ganzen Schlacht.
Ueberall gewaltige Kriegermassen,
hier um die Wachtfeuer gelagert, dort
sich schon dem Schlummer überlassend,
da noch im Marsche, um neue Stellun-
gen zu beziehen. Ueberall Verwüstung
und Schrecken! In den Dörfern die
angsterfüllten Bewohner, die noch nicht
in der Ferne und in Wäldern Schutz
fanden, überall die Plünderung ihrer
Habe und rohe Mißhandlung. Und auf
den beiden großen Schlachtfeldern! Tau-
sende liegen entseelt, aus allen Wunden
rinnt das Blut, hier das Wimmern der
hülflos verlassenen Verwundeten, dort
die Aerzte in blutiger Arbeit, die Zer-
schossenen Glieder abzunehmen, weit
klaffende Wunden zu verbinden. Vom
Körper losgerissene Glieder liegen überall
zerstreut, Massen getödteter oder krampf-
haft zuckender verwundeter Pferde, Trüm-
mer von Wagen und Kanonen, umge-
stürztes Fuhrwerk, Heerden geraubten
Viehes brüllend durch die Kriegerhaufen
rennend, Waffen und anderes Heer-
geräthe zerstreut in Stücken und ganz
umherliegend. Ueberall das Grauen-
hafteste, was je die Phantasie sich den-
ken kann, in trauriger Wirklichkeit, und
diese Scenen, die mild die Natur mit
dem Schleier der Nacht dem menschlichen
Auge verbergen will, erleuchteten zahl-
lose Wachtfeuer, unter denen die blut-
rothen Feuersäulen vieler brennenden
Dörfer hoch zur Feuergluth des Him-
mels emporzüngeln. Und wie auf den
Fluren, so in den Straßen von Leipzig.
Ueberall Verwundete, Jammer, Noth
und Elend! Wer möchte sie zählen alle
jene, die in der kalten Herbstnacht hülf-
los und verlassen vor Hunger, Kälte
und Verblutung ein Jammerleben en-
deten !
So brach der 17. Oktober, ein Sonn-
tag, an. Schwere Nebel lagerten auf
der blutigen Erde und die ermatteten
Truppen trafen Vorbereitungen für den
folgenden Tag. Napoleon unterhandelte
mit Oesterreich, welches er durch glän-
zende Versprechungen von den Verbün-
deten zu trennen sucht. Vergebens! Es
war zu spät zu friedlichem Ausgleiche.
Der Kampf mußte fortgesetzt werden.
Düster und trübe war der Morgen
des verhängnißvollen 18. Oktober, als
der rollende Kanonendonner in der ach-
ten Stunde den Beginn der Schlacht
auf allen Seiten verkündigte. 162,000
Franzosen kämpften heute gegen 290,000
Mann verbündeter Truppen. Bei Con-
newitz, wo der Polenfürst Poniatowsky
stand, begann der Kampf. Jeder Fuß
Landes ward mit Strömen Blutes er-
kauft; rastlos drangen die Verbündeten
vorwärts bis an die Hauptstellung der
Franzosen bei Probsthaida. Hier aber,
wo Massen gegen Massen stürmen, die
einen mit Erbitterung und Siegesfreude,
die anderen mit Verzweiflung und kal-
ter Todesverachtung, hier war der Kampf
nicht Schlacht, ein Schlachten war's zu
nennen. Angriff auf Angriff, 300 fran-
zösische Kanonen donnerten gegen die
Verbündeten, Berge von Leichen und
Verwundeten thürmen sich an den Dorf-
eingängen. Da ließen die in der Nähe
weilenden Monarchen, Zuschauer des
furchtbaren Kampfes, diesen endlich ein-
stellen ; desto unglücklicher war die fran-
zösische Armee bei Abtnaundorf, Pauns-
dorf und Stötteritz. Ganze Regimenter
wurden vernichtet. Der Kronprinz von
Schweden hat beim Vorwerke „heiterer
Blick" den vom Marschall Ney kom-
mandirten Mittelpunkt der französischen
Armee durchbrochen und furchtbare Heeres-
massen drängen die Besiegten vor sich
her. — Gräßlich war der Kampf um
den Besitz von Schönfeld, das von den
Russen unter Langeron angegriffen wird.
Siebenmal rückt man mit Sturmschritt
vor, es steht das große breite Dorf in
Flammen, noch wich der Marschall Mar-
mont nicht. Da macht der Abend dem
grausigen Würgen ein Ende, es ziehen
sich die Franzosen nach Volkmarsdorf
und Reudnitz zurück. Um das Unglück
voll zu machen, hatten zwei Regimenter
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Polenfürst_Poniatowsky Schönfeld
314
Iii. Geschichtsbilder.
bern nur noch für die Rettung. Endlich
gegen 9 Uhr war das Verderben des
französischen Heeres entschieden. Der
Rückzug ward zur wilden Flucht.
Als Napoleon seine Schaaren über-
wältigt sah, wollte er sich in das Hand-
gemenge mischen. Soult faßte die Zügel
des kaiserlichen Rosses und führte ihn
aus dem Feuer. Er ließ sich wie be-
wußtlos fortziehen. „Alles ist vorbei,"
sagte er, „fort mit uns!" Seine Gesichts-
züge waren zerstört, sein Geist schien
sich zu verwirren.
Während die ganze französische Armee
in wilder Flucht ausgelöst unter dem
Schutze der Nacht weiter floh, trafen
Blücher und Wellington aus der Höhe
von Belle-Alliance zusammen und be-
grüßten sich als Sieger. Blücher nannte
zu Ehren der siegreichen Waffenverbin-
dung die Schlacht nach diesem Namen.
Wellington nach seinem Hauptquartier
Waterloo, Napoleon nach Mont Saint-
Jean, wo der härteste Kampf gewesen.
Der Name Waterloo ist bei den
Deutschen vor den andern französischen
Namen zur Geltung gekommen.
Die Arbeit des Tages war übrigens
noch nicht vollendet. Es galt, das fran-
zösische Heer weiter zu verfolgen und
wo möglich ganz zu vernichten. Die
englischen Truppen waren von der zwölf-
stündigen Blutarbeit zu erschöpft, als
daß sie noch weiter etwas hätten thun
können; die Preußen waren nicht so
lange im Kampfe gewesen, und die
Strapazen des Marsches wurden nicht
gerechnet; sie übernahmen also die wei-
tere Verfolgung. Obgleich sie selbst in
drei Tagen zwei große Schlachten ge-
schlagen und die angestrengtesten Märsche
gemacht hatten, so drängten sie doch
unter Gneisenau's Leitung den Feind
mit bewunderungswürdiger Raschheit,
so daß sie ihn nirgends sich festsetzen
und aufathmen ließen.
Napoleon selbst war in einem Wagen
geflohen, nur von Wenigen begleitet.
Der Wagen wurde ereilt und Napoleon
sprang erschreckt aus demselben, warf
sich ohne Hut und Degen auf ein Pferd
und floh weiter.
Die Schlacht bei Waterloo entschied
das Schicksal Napoleons und Europa's.
Am 21. Juni kam Napoleon zugleich
mit der Nachricht von seiner Niederlage
nach Paris. Dort umgaben ihn Intri-
gue und Verrath, und im Volke fand
er keine Stütze mehr. Am 7. Juli zogen
die verbündeten Heere zum zweitenmale
in Paris ein, und am 8. Ludwig Xviii.,
den die fremden Bajonette wieder auf
den Thron von Frankreich führten. Die
Herrschaft der „hundert Tage" war zu
Ende. Napoleon floh nach Rochefort,
um nach Amerika zu entkommen; durch
englische Schiffe von der Flucht abge-
schnitten, wurde er Englands Gefangener
und starb nach sechsjähriger Gefangen-
schaft auf der Insel St. Helena am
5. Mai 1821.
145. Die letzten Tage des Königs Maximilian Ii.
Wollt ihr die Eiche messen, wie hoch sie ragt und reicht? —
Wenn sie der Sturm entwurzelt, meßt ihr die Höhe leicht!
Wollt ihr die Sonne schauen, wenn sie am schönsten blinkt! —
Wann sie in's rothe Bahrtuch des Abendhimmels sinkt!
Wollt ihr den Fürsten kennen, wo sich's enthüllen mag,
Ob er des Volkes Vater? — Es ist sein Sterbetag.
Da spricht der Mitwelt Stimme mit flammender Gewalt;
Die unbewegte Zukunft, die Nachwelt richtet kalt.
Die Schmeichelei verstummet — wer schmeichelt wohl dem Staub?
Das Ohr, das sie vernommen, ist selbst für Donner taub!
Die habbegierige Lüge erröthet und vergeht,
Starr sind die Gnadenhände der todten Majestät!
Und selbst der Neid verstummet, wenn Lorbeer ihn umgab;
Den Todten neidet keiner — auch nicht im Königsgrab!
Da, wann er bleich und schweigend im schmalen Sarge ruht,
Die Hände fromm gefaltet, und rings der Kerzen Gluth.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Soult Blücher Napoleon Jean Napoleon Napoleon Napoleons Napoleon Ludwig_Xviii Ludwig Napoleon Maximilian_Ii Maximilian Gluth
Extrahierte Ortsnamen: Wellington Wellington Napoleons Europa's Paris Paris Frankreich Amerika Englands
325
befreiten treuen Stadt auf den Händen getragen wurden und dann bei Becher-
klang und vaterländischen Gesängen nach altem Burschenbrauche die Nacht
verbrachten. Dem Rausche der jugendlichen Lust folgte die ernste Arbeit,
die blutigste des ganzen Krieges; denn wieder fiel dem Jorckschen Korps
die schwerste Aufgabe zu. Als Jorck am Morgen des 16. in Schkeuditz
unter seinen Fenstern zum Aufsitzen blasen hörte, da hob er sein Glas und
sprach den Kernspruch seines lieben Paul Gerhardt: „Den Anfang, Mitt'
und Ende, Herr Gott, zum besten wende!* Wohl mochte er sich einer
höheren Hand empfehlen; denn unangreifbar, wie bei Wartenburg, schien
wieder die Stellung des Feindes. Marmont lehnte sich mit seiner linken
Flanke bei Möckern an den steilen Talrand der Elster, hatte die Mauern
des Dorfes zur Verteidigung eingerichtet, weiter rechts auf den flachen
Höhen eine Batterie von 80 Geschützen aufgefahren. Gegen diese kleine
Festung stürmten die Preußen heran auf der sanft ansteigenden, baumlosen
Ebene; sechsmal drangen sie in das Dorf und verloren es wieder. Endlich
führte Jorck selber seine Reiterei zum Angriff gegen die Höhen unter dem
Rufe: „Marsch, marsch, es lebe der König!" Nach einem wütenden Häuser-
kampfe schlägt das Fußvolk den Feind aus dem Dorfe heraus; am Abend
muß Marmont gegen die Stadt zurückweichen, 53 Kanonen in den Händen
der Preußen laffen, und an den Wachtfeuern der Sieger ertönt das Lied:
„Herr Gott, dich loben wir", wie in der Winternacht von Leuthen. Aber
welch ein Anblick am nächsten Morgen, als die Truppen zum Sonntags-
gottesdienst zusammentraten! Achtundzwanzig Kommandeure und Stabs-
offiziere lagen tot oder verwundet; von feinen 12 000 Mann Infanterie
hatte Dorck kaum 9000 mehr, seine Landwehr war im August mit
13 000 Mann ins Feld gezogen und zählte jetzt noch 2000. So waren
an dieser einen Stelle die Verbündeten bis auf eine kleine Stunde an die
Tore von Leipzig herangelangt.
Im Südosten, auf dem Hauptschauplatze des Kampfes, bei Wachau,
fochten die Verbündeten nicht glücklich. Hier hatte zwei Tage vorher ein
großartiges Vorspiel der Völkerschlacht sich abgespielt, ein gewaltiges
Reitergefecht, wobei König Murat nur mit Not dem Säbel eines Leutnants
von den Neumärkischen Dragonern entgangen war. Heute hielt Napoleon
selber mit der Garde und dem Kerne seines Heeres die dritthalb Stunden
lange Linie von Dölitz bis Seifertshain besetzt, durch Zahl und Stellung
den Verbündeten überlegen, 121000 gegen 113 000 Mann. Auf ihrem
linken Flügel vermochten die Verbündeten, eingeklemmt in dem buschigen
Gelände, ihre Macht nicht zu gebrauchen. General Merveldt geriet mit
einem Teile seines Korps in Gefangenschaft; mtt Mühe wurden die
Reserven dieser Österreicher aus den Auen über die Pleiße rechtsab auf
die offene Ebene hinaufgezogen. Es war die höchste Zeit; denn hier im
Zentrum konnten Kleists Preußen und die Ruffen des Prinzen Eugen
sich auf die Dauer nicht behaupten in dem verzweifelten Ringen gegen
die erdrückende Übermacht, die unter dem Schutze von 300 Geschützen
ihre Schläge führte. Die volle Hälfte dieser Helden von Kulm lag auf
dem Schlachtfelde. Schon glaubt Napoleon die Schlacht gewonnen, befiehlt
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Extrahierte Personennamen: Paul_Gerhardt Gott Marmont August Napoleon Merveldt Eugen Napoleon
326
in der Stadt Sieg zu läuten, sendet Siegesboten an seinen Vasallen
König Friedrich August, der in Leipzig der Entscheidung harrt. „Noch
dreht sich die Welt um uns!" ruft er frohlockend aus. Ein letzter zer-
schmetternder Angriff der gesamten Reiterei soll das Zentrum durchbrechen.
Noch einmal dröhnt die Erde von dem Feuer der 300 Geschütze, dann
rasen 9000 Reiter in geschloffener Masse über das Blachfeld dahin, ein
undurchdringliches Dickicht von Rossen, Helmen, Lanzen und Schwertern.
Da kommen die österreichischen Reserven aus der Aue heran, und während
die Reitermaffen, atemlos von dem tollen Ritt, allmählich zurückgedrängt
werden, setzen sich die Verbündeten nochmals in den verlorenen Dörfern
fest, und am Abend behaupten sie fast wieder dieselbe Stellung wie am
Morgen. Schwarzenbergs Angriff war gescheitert, doch der Sieger hatte
nicht einmal den Besitz des Schlachtfeldes gewonnen.
Trat Napoleon jetzt den Rückzug an, so konnte er sein Heer in guter
Ordnung zum Rheine führen; denn die schlesische Armee, die einzige
Siegerin des ersten Schlachttages, stand von der Frankfurter Straße noch
weit entfernt und war überdies schwer erschöpft von dem verlustreichen
Kampfe. Aber der Liebling des Glücks vermochte das Unglück nicht zu
ertragen. Sein Hochmut wollte sich den ganzen Ernst der Lage nicht
eingestehen, wollte nicht lassen von unmöglichen Hoffnungen. Der Kaiser
tat das Verderblichste, was er wählen konnte, versuchte durch den
gefangenen Merveldt Unterhandlungen mit seinem Schwiegervater anzu-
knüpfen und gewährte also den Verbündeten die Frist, ihre gesammelten
Streitmassen heranzuziehen. Am 17. Oktober ruhten die Waffen; nur
Blücher konnte sich die Lust des Kampfes nicht versagen und drängte die
Franzosen bis dicht an die Nordseitc der Stadt zurück.
Ii.
Am 18. früh hatte Napoleon seine Armee näher an Leipzig heran-
genommen, ihr Halbkreis war nur noch etwa eine Stunde von den Toren
der Stadt entfernt. Gegen diese 160 000 Mann rückten 255 000 Ver-
bündete heran. Mehr als einen geordneten Rückzug konnte der Kaiser
nicht mehr erkämpfen; er aber hoffte noch auf Sieg, wies den Gedanken
an eine Niederlage gewaltsam von sich, versäumte alles, was den schwierigen
Rückmarsch über die Elster erleichtern konnte.
Die Natur der Dinge führte endlich den Ausgang herbei, den
Gneisenaus Scharfblick von vornherein als den einzig möglichen ange-
sehen hatte: die Entscheidung fiel auf dem rechten Flügel der Verbündeten.
Napoleon übersah von der Höhe des Tonbergs, wie die Österreicher auf
dem linken Flügel der Verbündeten abermals mit geringerem Glück den
Kampf um die Dörfer an der Pleiße eröffneten, wie dann das Zentrum
der Verbündeten über das Schlachtfeld von Wachau herankam. Es
waren die kampferprobten Scharen Kleists und des Prinzen Eugen; über
die unbcstatteten Leichen der zwei Tage zuvor gefallenen Kameraden
ging der Heerzug hinweg. Vor der Front der Angreifer lagen langhin-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_August Friedrich August Napoleon Ernst Napoleon Napoleon Eugen
306
134. Nur ein Schafhirt.
Es war am 12. Oktober 1806. Vor zwei Tagen hatte das Gefecht
bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der Prinz Louis Ferdinand gefallen
war. Nun standen die Hauptarmeen der beiden Gegner, Preußen und
Franzosen, sich nahe gegenüber. Nur noch zwei Tage, und die unglück-
liche Schlacht bei Jena und Auerstädt sollte geschlagen werden.
Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa
40000 Mann stark, hatte rechts von der Straße, die von Jena nach
Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale Aufstellung
genommen. Seine Vorposten befanden sich auf dem Landgrafenberge,
einem steilen Berge, der zwischen diesen Truppen und der Stadt
Jena lag. Von dem Gipfel dieses Berges konnte man das preußische
Heer ganz und gar übersehen, und über ihn führte der einzige Weg, um
es von vorn anzugreifen. Die preußische Hauptarmee stand unter
dem Kommando des Herzogs von Braunschweig. Sie war über 65000 Mann
stark und hatte sich eine Stunde weiter nach Weimar zu aufgestellt. Die
Preußen waren mit gutem Mut, ja mit Übermut in den Kampf gezogen.
Schon wurden die Vorbereitungen zu der großen Schlacht getroffen, die
in zwei Tagen geschlagen werden sollte. Es lag wie eine schwere, drückende
Gewitterschwüle auf der ganzen Gegend. Alle Dörfer ringsum waren
bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren Einwohnern
hatten sich mit einem Teil ihrer Habe und ihres Viehes auf die bewaldeten
Höhen jenseits der Saale geflüchtet.
An einem Bergabhange des linken Saaleufers stand am Nachmittage
des 12. Oktobers ein Mann, der, auf einen Stab gestützt, in das Tal
hinabschaute, durch welches die Straße von Jena nach Naumburg sich
hindurchzieht. Unten war ein buntes, wirres Leben. Soldaten, Pferde,
Wagen drängten einander. Der Mann im blauen, langen Rocke, mit
breitkrempigem, schwarzem Hute und langer Weste war der Schafhirt.
Starr und gedankenvoll ruhte sein Auge auf diesem Treiben. Nur zu-
weilen warf er einen Blick auf die vier oder fünf Schafe neben sich,
und dann zuckte um seinen Mund ein trauriges Lächeln. Noch vor
kurzer Zeit hatte er hier für seinen Herrn eine zahlreiche Herde geweidet.
Diese wenigen Tiere waren alles, was ihm davon übrig geblieben war.
Sie gehörten ihm, und er hatte sich mit ihnen hierher geflüchtet. Der
Abhang des Berges war steil, und er durfte hoffen, daß die Feinde
nicht auf den Berg kommen würden. In dem Dorfe dort unten im
Tale besaß der Schäfer ein Haus. Die Franzosen hatten sich in
diesem einquartiert und ihn daraus vertrieben. Alle Vorräte, die er für
seine Familie und seine Tiere zum Winter gesammelt hatte, waren ihm
genommen worden. Was sollte er nun noch da unten im Dorfe? Er
mochte das Treiben der übermütigen Feinde nicht in der Nähe ansehen.
Seine beiden Söhne standen drüben in dem preußischen Heere, und zu
ihnen eilten seine Gedanken. Wenn er jünger gewesen wäre, er hätte
gern die Waffen zur Hand genommen, um die Frechheit der übermütigen
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer]]
TM Hauptwörter (200): [T170: [Schlacht Leipzig Franzose Preußen Napoleon Heer Herzog Ferdinand Jena Braunschweig], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
Extrahierte Personennamen: Louis_Ferdinand Ferdinand
335
Palisaden starren die Stürmenden an,
sie stutzen; wer ist der rechte Mann?
Da springt von achten einer vor:
„Ich heiße Klinke, ich öffne das Tor!" —
Und er reißt von der Schulter den Pulversack,
Schwamm drauf, als wär's eine Pfeife Tabak.
Ein Blitz, ein Krach, — der Weg ist frei;
Gott seiner Seele gnädig sei!
Gottlob, solchen Klinken für und für
öffnet Gott selber die Himmelstür.
Sieg donnert's. Weinend die Sieger stehn.
Da steigt es herauf aus dem Schlamm der Trancheen;
dreihundert find es, dreihundert Mann,
wer anders als Piefke führte sie an!
Sie spielen und blasen, das ist eine Lust;
mitblasen die Herzen aus voller Brust;
Klarinett' und Trompete, Hoboe und Fagott,
sie spielen: „Nun danket alle Gott!"
Und das ganze Heer, es stimmt mit ein,
und drüber Lerchen und Sonnenschein.
Von Schanze eins bis Schanze sechs
fft alles dein, Wilhelmus Rex;
von Schanze eins bis Schanze zehn,
König Wilhelm, deine Banner wehn.
Gruß euch, ihr Schanzen am Alseuer Sund!
Ihr machet das Herz uns wieder gesund, —
und durch die Lande draußen und daheim
fliegt wieder hin ein süßer Reim:
„Die Preußen sind die alten noch!
Der Tag von Düppel lebe hoch!"
Theodor Fontane.
145. Königgrätz und Sedan.
L
Über die Schlacht bei Königgrätz schrieb König Wilhelm an seine
Gemahlin:
„Horbitz, den 4. Juli 1866.
. . . Die Infanterie ging bis zum Talrande der Elbe vor, wo
jenseits dieses Flusses noch heftiges Granatfeuer erfolgte, in das ich auch
geriet, aus dem mich Bismarck ernstlich entfernte. Ich ritt aber nun
noch immer umher, um noch ungesehene Truppen zu begrüßen. Alle diese
Wiedersehen waren unbeschreiblich, Steinmetz und Herwarth fand ich nicht.
Wie sah das Schlachtfeld aus! Wir zählten 35 Kanonen; es scheinen
über 56 genommen zu sein, auch mehrere Fahnen. Alles lag voller Ge-
wehrs, Tornister, Patronentaschen; wir rechnen bis heute 12000 Gefangene;
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: König_Wilhelm Wilhelm Theodor_Fontane Wilhelm Herwarth
337
alle; kein Plündern, sie bezahlen, was sie können, und effen verschimmeltes
Brot. Es muß doch ein tiefer Grund von Gottesfurcht im gemeinen
Mann bei uns sitzen, sonst könnte alles nicht sein. Nachrichten über
Bekannte sind schwer zu haben; man liegt meilenweit auseinander, keiner
weiß, wo der andere, und niemand zu schicken, Menschen wohl, aber
keine Pferde.
Der König exponierte sich am 3. allerdings sehr, und es war sehr
gut, daß ich mit war; denn alle Mahnungen anderer fruchteten nicht, und
niemand hätte gewagt, so zu reden, wie ich es mir beim letztenmal
(welches half) erlaubte, nachdem ein Knäuel von 10 Kürassieren und
15 Pferden vom 6. Kürassier-Regiment neben uns sich blutend wälzte
und die Granaten den Herrn so in unangenehmster Nähe umschwirrten.
Die schlimmste sprang zum Glücke nicht. Es ist mir aber doch lieber so,
als wenn er die Vorsicht übertriebe. Er war begeistert über seine Truppen,
und mit Recht, sodaß er das Sausen und Einschlagen neben sich gar
nicht zu merken schien, und er fand immer wieder Bataillone, denen er
danken und guten Abend sagen mußte, bis wir denn richtig wieder ins
Feuer hineingeraten waren. Er hat aber so viel darüber hören müsien,
Laß er es künftig lassen wird, und Du kannst beruhigt sein; ich glaube
kaum noch an eine wirkliche Schlacht."
H.
Nach der Schlacht bei Sedan richtete König Wilhelm folgenden Brief
an seine Gemahlin, die Königin Augusta:
„Vendresse, südl. Sedan, 3. September 1870.
Du kennst nun durch meine drei Telegramme den ganzen Umfang
des großen geschichtlichen Ereignisies, das sich zugettagen hat! Es ist
wie ein Traum, selbst wenn mau es Stunde für Stunde hat abrollen
sehen!
Wenn ich mir denke, daß nach einem großen, glücklichen Kriege ich
während meiner Regierung nichts Ruhmreicheres mehr erwarten konnte,
und ich nun diesen weltgeschichtlichen Akt erfolgt sehe, so beuge ich mich
vor Gott, der allein mich, mein Heer und meine Mitverbündeten aus--
ersehen hat, das Geschehene zu vollbringen und uns zu Werkzeugen seines
Willens bestellt hat. Nur in diesem Sinne vermag ich das Werk auf-
zufassen und in Demut Gottes Führung und seine Gnade zu preisen.
Nun folge ein Bild der Schlacht und deren Folgen in gedrängter
Kürze!
Der Kampf begann trotz dichten Nebels bei Bazeilles schon früh am
Morgen, und es entspann sich nach und nach ein sehr heftiges Gefecht,
wobei Haus für Haus genommen werden mußte, was fast den ganzen
Tag dauerte und in welches die Erfurter Division eingreifen mußte. Als
ich um 8 Uhr auf der Front vor Sedan einttaf, begann die große
Batterie gerade ihr Feuer gegen die Festungswerke. Auf allen Punkten
entspann sich nun ein gewaltiger Geschützkampf, der stundenlang währte,
Lesebuch f. Fortbildungsschulen rc. Añg. Teil. 22
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer]]