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147. Dur ein Schafhirt von «uibeim zietbe.
Palmzweige. 5. Band. Berlin 1870. S. 49.
1.
s war am 12. Oktober 1806. Preußen hatte den Krieg
an Frankreich erklärt, und vor zwei Tagen hatte das
Gefecht bei Saalfeld stattgefunden, in welchem der
Prinz Louis Ferdinand gefallen war. Nun waren
die beiden Hauptheere einander näher gekommen, nur
noch zwei Tage, und die unglückliche Schlacht bei Jena
und Auerstädt sollte geschlagen werden.
Ein preußisches Armeekorps unter dem Fürsten Hohenlohe, etwa
40000 Mann stark, stand rechts von der Straße, die von Jena nach
Weimar führt, zwischen den beiden Flüssen Ilm und Saale; seine Vor-
posten standen auf dem Landgrafenberge, einer steilen Höhe, welche zwischen
diesen Truppen und der Stadt Jena lag. Von dem Gipfel dieses Berges
konnte man das Heer der Preußen ganz und gar übersehen, und über ihn
führte der einzige Weg, um dieses von vorn anzugreifen. Die preußische
Hauptarmee, über 65 000 Mann stark, befand sich unter dem Kommando
des Herzogs von Braunschweig und hatte sich eine Stunde weiter nach
Weimar zu aufgestellt. Die Preußen waren mit gutem Mut, ja mit
Übermut in den Kampf gezogen. Ihnen gegenüber standen die Feinde,
die Franzosen. Schon wurden die Vorbereitungen zu der großen Schlacht
getroffen, die in zwei Tagen geschlagen werden sollte. Es lag wie eine
schwere, drückende Gewitterschwüle auf der ganzen Gegend. Alle Dörfer
ringsum waren bereits von den Feinden geplündert, und viele von ihren
Einwohnern hatten sich mit einem Teil ihrer Habe und ihres Viehes
auf die bewaldeten Höhen jenseits der Saale geflüchtet.
An einem Bergabhange des linken Saaleufers stand am Nachmittag
des 12. Oktober ein Mann, der den Kopf auf einen langen Stab gestützt
hatte und so in das Tal hinabschaute, durch welches die Straße von Jena
nach Naumburg sich hindurchzieht. Unten war ein buntes, wirres Leben;
Soldaten, Pferde, Wagen drängten einander. Starr und gedankenvoll
ruhte sein Auge aus diesem Treiben. Die Kleidung des Mannes, ein
blauer, langer Rock, ein großer, breitkrempiger, schwarzer Hut und eine
lange Weste, sowie seine ganze Erscheinung zeigten auf den ersten Blick,
daß er ein Schafhirt war. Nur zuweilen warf er einen Blick auf die
vier oder fünf Schafe, welche neben ihm weideten, und dann zuckte um
seinen Mund ein trauriges Lächeln. Noch vor kurzer Zeit hatte er hier
für seinen Herrn eine zahlreiche Herde gehütet, diese wenigen Tiere waren
alles, was ihm davon übriggeblieben war; sie waren sein Eigentum, und
er hatte sich mit ihnen hierher geflüchtet. Der Abhang des Berges war
steil, so daß er hoffen durfte, die Feinde würden nicht auf die Höhe
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Louis_Ferdinand Ferdinand Hohenlohe
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Frankreich Saalfeld Jena Jena Weimar Jena Braunschweig Weimar Jena Naumburg
170
und Pferden, Wagen und Kanonen nicht durchkommen und muß deshalb
Nebenwege suchen und einschlagen. Lebt wohl!"
Mit diesen Worten eilte der Mann hastig von dannen. Der Schaf-
hirt sah ihm lange nach, und seine Augen nahmen einen düsteren Ausdruck
an. Dann trieb er seine Tiere langsam in ein kleines Gehölz, welches
nicht weit am Abhange des Berges sich hinzog, um dort mit ihnen über
Nacht zu bleiben. Wohl waren die Nächte schon kalt und feucht geworden;
aber Born war von Jugend auf an Wind und Wetter gewöhnt und hatte
schon in kälterer Zeit manche Nacht im Freien zugebracht. Der Abend
brach herein, und stiller wurde es auf den Bergen, doch um so lauter
schallte das kriegerische Geräusch aus dem Tale herauf. Der Schäfer
hörte lange zu, dann setzte er sich zur Erde und lehnte sich an einen
Baum; neben ihm lagerten sich sein treuer Hund und die kleine Herde.
So schlief er endlich ein.
2.
Der 13. Oktober brach an. Der Herzog von Braunschweig hatte
seine Armee geteilt; der Hauptteil zog mit dem Könige von Preußen bei
Tagesanbruch nach Sulza und kam am Abend jenes Tages auf den Höhen
von Auerstädt an. Der Fürst Hohenlohe war mit den Truppen, die er
befehligte, auf den Bergen zwischen Jena und Weimar zurückgeblieben.
Leider dehnte er seine Armee über eine Länge von sechs Stunden aus
und vergaß es, den wichtigsten und höchsten Punkt der ganzen Stellung,
den Landgrafenberg, zu besetzen. Napoleon hatte mit scharfem Feldherrn-
blick diesen Fehler sogleich bemerkt und von einem Teile seiner Truppen
den Berg besetzen lassen. Er selbst bestieg ihn, und von hier aus konnte
er die ganze Stellung des preußischen Heeres beobachten und seinen
Schlachtplan für den folgenden Tag entwerfen. Noch aber fehlten ihm
die Reiterei und die Artillerie, ohne welche er die Schlacht nicht wagen
konnte. Man hatte vergebens alles mögliche aufgeboten, um sie an den
hohen und steilen Abhängen des Landgrafenberges hinauszuschaffen. Selbst
die Infanterie hatte die größte Mühe gehabt, aus den schmalen und steil-
ansteigenden Pfaden den Berg zu erklimmen.
Am Morgen stand der Schafhirt wieder an dem Abhange des Berges,
um seine Tiere zu weiden. Es leuchtete wie Freude auf seinem ernsten
Angesichte, als er die zahlreichen Geschütze und die Reiterei der Franzosen
unten im Tale sah. Es war also noch nicht gelungen, sie den Berg
hinauszuschaffen, und er jubelte darüber in seinem Herzen. „Wenn er
den Weg wüßte," sprach er vor sich hin, „der dort auf die Höhe führt!
Aber er weiß ihn nicht und wird ihn nicht finden; denn es weiß ihn ja
kaum jemand außer mir. Fast scheint es unmöglich, den Berg hinaufzu-
kommen; und doch bin ich früher mehr als einmal aus dem Wege nach
seinem Gipfel geritten."
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
die Soldaten traten auf das Kommando an. Noch einmal wiederholte
der französische Offizier seine vorige Frage; ja, er legte sie ihm zögernd
sogar zum dritten Male vor. Schweigend, aber fest verneinend, schüttelte
Born das Haupt. Da ertönte das furchtbare Kommandowort: „Feuer?"
Drei Blitze fuhren aus den Gewehren, drei Schüsse hallten zugleich an
den gegenüberliegenden Bergen wider. Ohne einen Laut sank der wackere
Hirte zusammen; er war gut getroffen worden, es zuckte keine Muskel
in seinem Gesichte. Die Soldaten ließen den Leichnam liegen und
kehrten in das Lager zurück; es war ja Krieg, was hatte da ein einzelnes
Menschenleben zu bedeuten!
Napoleon war sehr unwillig, daß man den Weg nicht entdecken
konnte. Endlich meldete ihm ein Offizier, daß man einen andern Mann
gefunden hatte, welcher ihn ebensogut kannte als der Schäfer. Der Mann
wurde zu ihm gebracht, dieser hatte nicht den Mut und die Kraft, der
Forderung zu widerstehen und sich zu weigern, und zeigte den Weg, der
durch das von einem Gießbache durchströmte, von Felsen eingeengte und
mit Wald bewachsene Rautal führt. Das Bett des Baches bildete den
Weg. Napoleon erkannte mit scharfem Auge sogleich die Möglichkeit,
die Geschütze aus diesem Wege den Berg hinauszuschaffen. Zwar mußten
hier und dort einzelne Bäume gefällt, einzelne Felsen gesprengt werden,
allein diese Schwierigkeiten ließen sich überwinden, und der Kaiser be-
fahl, sogleich an das Werk zu gehen und den Weg fahrbar zu machen.
Um acht Uhr abends war man damit fertig geworden, und noch während
der Nacht wurden die meisten Geschütze, halb gezogen und halb getragen,
auf den Gipfel des Berges gebracht. Als der 14. Oktober anbrach,
war die Schlacht bei Jena beinahe schon entschieden, ehe noch der Kampf
begonnen hatte.
Wir wissen, wie sie leider ausgefallen ist; das preußische Heer
wurde gänzlich geschlagen und in die wildeste Flucht auseinandergesprengt.
Auf den Feldern von Jena begannen die sieben Jahre preußischer Not
und. Schmach, bis sie endlich durch Gottes Gnade in den glorreichen
Tagen der Befreiungskriege ihr Ende erreichten. Das Opfer des alten
wackeren Schafhirten war vergeblich gewesen. Zwei Tage nach der
Schlacht war er mit Hunderten von gefallenen Preußen und Franzosen
in ein gemeinsames Grab gebettet worden; erst lange darauf erhielten
die Seinen die Nachricht von seinem Tode.
Kein Geschichtsbuch erzählt den Heldentod des braven Mannes, nur
einzelne Landleute in der Gegend von Jena wissen noch heute davon zu
berichten. Niemand kennt sein Grab, von seiner Tat redet kein glän-
zendes Denkmal. Er war nur ein armer Schafhirt, aber er ist getreu
gewesen bis zum Tode; darum soll seines Namens nie und nimmer
vergessen werden.
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250
den 26. gegen den Feind, um ihn anzugreifen. Der Feind hatte
denselben Entschluß. Er hatte bereits die Katzbach passiert. Bei
Brechelshof trafen wir aufeinander. Ich griff an. Von 2 Uhr nach-
mittag bis zum Abende dauerte das Gefecht. Der Feind wurde
gänzlich geschlagen. Über 40 Kanonen und der größte Teil seiner
Munition fielen in meine Hände. Gefangene sind nicht so viele
gemacht worden; die Truppen waren zu erbittert und machten alles
nieder. Wir sind im Verfolgen des Feindes, und ich darf mir noch
große Vorteile versprechen. Es regnete den ganzen Tag, und gegen
Abend ging kein Gewehr mehr los. Meine Infanterie focht mit
dem Bajonett. Preußen und Russen wetteiferten miteinander, und
keiner wollte dem anderen den Vorzug einräumen. Unsere Truppen
haben mit großer Bravour gefochten. Meinen Verlust kann ich
noch nicht bestimmen; indessen ist er in Hinsicht der Vorteile, die
wir errungen, nicht groß.
Dein und mein Sohn sind bei der Großen Armee in Böhmen.
Lebe wohl und bleibe Freund Deines treuen Freundes
Blücher.
179. Wie Kaiser Wilhelm I. als Prinz das Eiserne
Kreuz erwarb. Von Wilhelm Pfeiler.
Kaiser Wilhelm I. Halle a. S. 1897. S. 27.
In der Neujahrsnacht von 1814 ging Prinz Wilhelm im Gefolge
seines Vaters, König Friedrich Wilhelms Iii., bei Mannheim über
den Rhein und ritt mit nach Frankreich hinein. Dort kam auch
für ihn der Tag, wo er sein unverzagtes Herz bewährt hat. Bei
Bar sur Aube entbrannte am 27. Februar eine Schlacht. Russische
Regimenter drangen in die Weinberge über dem Städtchen gegen
den Feind. Dieser aber bemerkte von der Höhe herab ihre geringe
Zahl, warf sich mit Ungestüm auf sie und trieb sie zurück. Kaum
fand der König Zeit, ihnen Unterstützung zu senden. Zwei frische
Regimenter eilten auf seinen Befehl den hart Bedrängten zur Hilfe,
und es gelang ihnen, den Feind zu werfen; doch erlitten sie große
Verluste. Während dieser Kampf noch tobte, wandte sich der König
plötzlich zu seinem Sohne Wilhelm mit dem Befehle: „Reit einmal
hin und erkundige dich, was das für ein Regiment ist, von dem die
vielen Verwundeten sind, die sich in jedem Augenblicke mehren!“
Der Prinz gab dem Pferde die Sporen, jagte nach den Weinbergen,
erkundigte sich und brachte dem Vater seine Meldung. Der König
sagte im Augenblicke nichts, aber alte Offiziere ergriffen die Hand
des Prinzen, der so ruhig in den Kugelregen geritten war, und
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TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch]]
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_I. Wilhelm_I. Wilhelm Wilhelm_I. Wilhelm Friedrich_Wilhelms_Iii Friedrich Wilhelms Wilhelm
208
6. Doch als er nun am Morgen
Feldein vom Dorfe ritt,
Noch immer in tiefen Sorgen,
Ihm Zieten entgegentritt:
„Mein Handstreich ist gelungen,
Getroffen hat der Blitz,
Wir haben zu Nacht bezwungen
Die Höhen von Süptitz."
7. Der Kriegsherr steht Oetroffeu
Ob solcher Siegesmär,
Da reißt der Nebel, und offen
Zeigt sich ein fliehendes Heer.
Der alte Zieten glühet,
Von Friedrich weicht der Schmerz:
Er dankt ihm stumm und ziehet
Ihn stürmisch an fein Herz.
Detlev Freiherr von Äliencron.
1844—1909.
Ausgewählte Gedichte. Volksausgabe. 21. bis 24. Tausend. Berlin u. Leipzig 1907.
1. Meiner Mutter.
1. Wie oft sah ich die blaffen Hände nähen
Ein Stück für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Ich sah zum Himmel deine Augen flehen,
Ein Wunsch für mich — wie liebevoll du sorgtest!
2. Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen,
Ein Schutz für mich — wie sorgenvoll du horchtest!
Längst schon dein Grab die Winde überwehen,
Ein Gruß für mich — wie liebevoll du sorgtest!
2. Helclsbilcl.
1. Die Mittagfonne brütet auf der Heide,
Im Süden droht ein schwarzer Ring.
Verdurstet hängt das magere Getreide,
Behaglich treibt ein Schmetterling.
2. Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe,
Die Ente träumt im Binsenkraut,
Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe
Unregbar ihre Tigerhaut.
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Detlev_Freiherr_von_Äliencron Helclsbilcl
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Leipzig Heide Im_Süden
Plötzlich wurde Halt befohlen. Die Kompagnien marschierten auf.
Wachen und Posten wurden ausgestellt. Feldwachen und Patrouillen
gingen ins Vorland. Das Bataillon biwakierte.
Früh am andern Morgen waren wir schon wieder unterwegs. Es
wurde unerträglich heiß. Der Durst, dieser furchtbarste Feind des Sol-
daten, quälte uns. Wir sahen wie Schornsteinfeger aus. Durch die dicke
Staubkruste auf unsern Gesichtern bahnte sich der Schweiß Furchen und
Rinnen, dann tröpfelte er auf Schultern, Brust und Nacken. Der Kragen
war schon durchnäßt. Gewehr und Tornister driickten schwer. Gesang
und Gespräch waren längst verstummt. Jeder blickte nur mit starren
Angen ans die Fersen seines Vordermannes.
Da blitzt uns ein Dorf entgegen! Einige Leute werden vorgeschickt,
die Bauern mit Wasser an die Türen zu stellen. Dann kamen wir nach.
Im langsamen Vorwürtsziehen trinkt rechts und links die Kompagnie.
Greise, Kinder, Männer, Weiber: alles steht mit Töpfen, Schüsseln, Eimern
vor den Häusern. Jeder stürzt sich auf das nächste Wasser, reißt die
Tasse, das Glas, den Kübel an sich. An den Lippen läuft das Wasser
herab auf Hals und Brust.
Und wieder ging es weiter. Adjutanten und Ordonnanzen flogen
bisweilen an uns vorbei nach vorn oder kamen uns entgegen. Eine
trabende Batterie überholte uns. Die Geschützrohre gaben jenen eigen-
tümlichen, schütternden Klang. Ein kurzer Wechselgruß der Offiziere, und
schon ist sie vor uns.
Endlich bogen wir in einen langen Hohlweg ein. Rechts und links
drohten steile Felswände. Nachdem wir über eine halbe Stunde, immer
int Paß, weitergezogen, sahen wir am Ausgang den kommandierenden
General halten mit seinem Stabe. Er läßt Bataillon auf Bataillon,
Batterie auf Batterie, Schwadron auf Schwadron an sich vorbeiziehen.
Seine eisernen Augen bohren sich uns in die Eingeweide. Streng und
hart ist sein Gesicht. Ihm und seinen! Stabe mochten die Herzen doch
froher pochen: Fast das ganze Armeekorps hatte den Paß durchzogen.
Wir rvaren dem Feinde zuvorgekommen.
Gegen Abend machten wir halt auf einer Bergkuppe. Die Aussicht
ist herrlich. Und deutlich vor uns liegt Böhmen. Und nun ein emsig
Biwakleben. Ich wurde mit einer Abteilung abgesandt, Baumstämmchen
und Äste aus dem nächsten Gehölz zu holen. Bald sind wir wieder
zurück. Die Feuer knistern, brennen. Die Mannschaften brezeln und
kochen. Der Vollmond geht auf, die Sterne funkeln. — O du lustig
Biwak mit deinem Brenzelgeruch, mit deinem Gesumme! Dorther
klingt ferner Postenruf, hier wiehert ein Pferd, bald rauscht irgendwo
ein leise gehaltener Zornausbruch eines Hauptmanns, der seine Unter-
offiziere um sich versammelt hat. Dazwischen Rufen einzelner Namen,
ein Gesang in der Ferne, plötzlich ein lautes Gelächter, hinter dem
Po rg er-Wol ff, Lesebuch für Knaben-Mittelschulcn. V. Hessen-Nassau. 38
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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preußischen Schwadronen, die eben heran sind, gehen sofort auf den Feind
los, sogar die Slabswache des Königs wirft sich mit gezogenen Säbeln dem
tollkühnen Gegner entgegen. Undurchdringliche Staubwolken wirbeln empor,
aus denen hin und wieder die Blitze der Pistolen- und Karabinerschüsse
aufleuchten. Leiber gefallener Rosse und Reiter sperren den Weg. Bei dem
harten Zusammenstoß wird bald der eine nach kurzem Handgemenge in
wilder Jagd über offenes Feld in die Gehölze hineingejagt; bald sammelt
sich der andere wieder, erwartet verstärkt aufs neue den Anprall und
nimmt seinerseits in gestrecktem Galopp die Verfolgung auf.
Der verderbenbringende Reiterzug rast hin und her, Blut und Trümmer
zeigen feinen Weg. Immer enger, erbitterter entspinnt sich der Kampf.
Lange Ulanenlanzen mit schwarzweißen Fähnlein, kurze Speere polnischer
Lanciers mit dem Metallknopf, Kalpaks von Husarenmützen, Messing-
kämme böhmischer Kürassierhelme, blaugelbe Radetzkyhusaren, Windisch-
grätzdragoner — alles bunt durcheinander! Endlich lassen die öster-
reichischen Weißmäntel ihre Gefallenen liegen und gehen in schneller
Flucht zurück. —
Die österreichischen Bataillone befanden sich bereits in voller Auf-
lösung und bezeichneten ihre Rückzugslinie mit weggeworfenen Waffen.
Überall gingen die preußischen Kolonnen im Laufschritt vor, während
in der Ferne die weißen Massen in voller Flucht den glitzernden Wäldern
zueilten. Die langen Linien der preußischen Reiterei entwickelten sich mit
lustig flatternden Standarten, ihre reitende Artillerie bewegte sich vorwärts
und bestrich mit ihren Feuerschlünden die feindliche Riickzugsstraße.
Während die Sonne am westlichen Horizonte versank, loderten überall
in der Ebene die glimmenden Flammen auf. Sie bestrahlten, vom
Abendwinde angefacht, die Myriaden dunkler Gestalten, die sich unter
ihnen bewegten, und den dunkeln Hintergrund, während die schwarzen
Mündungen der Geschütze rote Fenergarben und Granatfunken aus-
sprühten. Da befahl der königliche Sieger das Feuer gegen das flüchtende
Heer einzustellen. Der Greis gedachte in seinem unentwegt milden und
gerechten Sinn, daß es zwecklos und unchriftlich sei, die völlig Über-
wundenen wehrlos hinzuschlachten. Und mehr! Vor seiner Seele stand
es klar und fest: Wie wir jetzt auseinanderkommen, so müssen wir
suchen, dereinst wieder zusammenzukommen, Preußen und Österreich, die
deutschen Brndermächte, als gemeinsamer Wall wider Westen und Osten. —
Des Kronprinzen volkstümliche Reckengestalt erscheint. Vater und
Sohn sinken sich in die Arme. Ein schöneres, wärmeres, heiligeres Zu-
sammentreffen wie das des alten Bliicher und des kalten Wellington
bei Belle-Aüiance.
Stumm ist der Schlachtendonner Habsburgs, der von Sadowa her-
gebrüllt. 180 genommene Geschütze! Die jubelnden Soldaten klimmen
ans Rohre und Lafetten, wo die heldenmütigen Braunröcke, noch im Tod
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
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ihre Geschütze umklammernd, ehrenvoll erschlagen liegen. Die blauen
Jungen schwenken ihre Mützen, die Offiziere küssen dem greisen Sieger
die Hand, und „Heil Dir im Siegerkranz" schmettert es durch die Lüfte.
27. Der Kronprinz Von Preußen nacb oler Schlacht bei
ie Schlacht bei Wörth war geschlagen. Das kleine Dörfchen Frösch-
weiler, das fast der Mittelpunkt der französischen Schlachtlinie
gewesen, war erstürmt worden. Während nun das siegreiche Heer teils
in geschlossenen Kolonnen vorüberflutete, teils in aufgelösten Haufen das
eroberte Dorf nach Nahrungsmitteln durchsuchte, erscholl plötzlich von
Wörth herauf ein unbeschreibliches Getöse. Es mußte wieder etwas
Neues, Außerordentliches im Anzuge sein. Die Soldaten stürzten zu allen
Häusern und Höfen heraus, stellten sich in Reih und Glied und bildeten
auf beiden Seiten der Straße eine undurchdringliche Mauer. Ich stand
auf der Haustreppe. „Was ist denn?" „Der Kronprinz kommt! Der
Kronprinz kommt!" Ich kann nicht sagen, wie diese Nachricht meine Seele
durchzuckte. Ich rief meinen Leuten zu: „Schnell heraus, der Kronprinz
von Preußen kommt!" Und das Getöse dringt immer näher, das Triumph-
geschrei wird immer größer. Jetzt sind sie im Unterdorf! — Horch, wie
sie jubeln! — Gebt acht! Jetzt biegen sie um die brennende Kirche! . . .
Die Trommeln wirbeln, die Siegeslieder brausen — eine ungeheure Be-
geisterung flammt durch die Reihen. — Alle Häupter find entblößt; die
Mützen fliegen hoch empor, und aus aller Mund tönt ein tausendfaches
donnerndes Hurra! Hoch! Hurra! Wir stehen da wie verzaubert . . .
Wahrhaftig, da zieht er, umgeben und gefolgt von seinen Generalen
(Kirchbach trägt einen Kranz von Eichenlaub!), an unsern Blicken vorüber.
Wie sein Angesicht vor Freude strahlt, und wie er so wohlwollend
die jubelnden Scharen begrüßt! — Kein Wunder . . . Sie haben ihr
Blut vergossen, und ihr Hurrarufen läutet dem geschlagenen Cäsar zum
Grabe. Welch großartiges, majestätisches Schauspiel! Was doch in diesem
Augenblick sein fürstliches Herz empfunden haben mag? Durch Flammen
und Trümmer über die blutige Walstatt ... Ob durch die Siegesfreude
auch eine Ahnung zieht von dem tausendfachen Weh, das der Krieg über
die Völker wälzt? Und ob es ihm nicht lieber wäre, einst wie ein
rechter Salomo Deutschland im Frieden zu regieren, als mit Siegespalmen
geschmückt auf schäumendem Schlachtroß über blutgetränkte Gefilde zu
ziehen? Wir glauben's gern; sein Blick ist milde, seine ganze Erscheinung
erweckt Vertrauen. Wir vernehmen es auch aus den wenigen Worten,
die er zu den Einwohnern spricht: „Die Leute sollen sich nicht fürchten."
Ailch sieht man's den immer nmnter Hurra rufenden Kriegern an, sie
«lörth
Von Karl Klein.
Fröschweiler Chronik. 24. Ausl. München 1906. 8. 131.
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Extrahierte Personennamen: Kirchbach Eichenlaub Cäsar Karl_Klein Karl Fröschweiler
Kurz vor 10 Uhr vormittags trat der Kronprinz in den Garten der
Billa des Ombrages hinaus, die Aufstellung der Ehrenwache und der
Fahnenträger zu besichtigen; darauf setzte sich der Zug, geleitet von einer
Kompagnie des Königs-Grenadierregiments, an seiner Spitze das Musik-
korps des 59. Regiments, in Marsch, nahm aber den Weg nicht durch
die Avenue des Sceaux stracks aufs Schloß, sondern bei der Präfektur
vorüber, wo der König beim Vorbeimarsch ans Fenster trat. Als der
Zug die Place d’Armes durchschritten hatte, eben als er durch das ver-
goldete Gittertor des Ehrenhofes zwischen die zu beiden Seiten des Hofes
die Balustraden krönenden Riesenstandbilder der französischen Marschälle
eingetreten war, stimmte die Musik an: „Was ist des Deutschen Vater-
land?" Von den weiten Fronten und Hallen des Schlosses kam der Ton
so mächtig widerklingend zurück, daß man hätte glauben dürfen, die alten
steinernen Helden Frankreichs bei diesen Fanfaren ihrer Feinde Zucken zu
sehen. Dicht bei der prächtigen Reiterstatue Ludwigs Xiv. vorbei, die
auf der Höhe dieses Ehrenhofes den Marschallstab gebieterisck) weit aus-
streckt, auf den Mittelbau des Schlosses zu, dessen Inschrift es „A toutes
Jes gloires de la France“ widmet, wurden die siegreichen deutschen
Fahnen getragen und in die Spiegelgalerie gebracht.
Kurz vor Mittag verließ der Kronprinz, den Chef des Generalstabes
seiner Armee, den Generalleutnant v. Blumenthal, an seiner Seite, zu
Wagen die Villa des Ombrages und fuhr aufs Schloß, wo er in die
Säulenhalle, von der aus die Marmortreppe aufsteigt, eintrat, um hier
seinen königlichen Vater zu empfangen. Da es ihm aber oblag, die Fest-
anordnungen zu leiten, so eilte er vorsorglich zunächst die Treppe hinauf,
vom Vorsaal aus die lebhaft bewegte, festliche Versammlung in der
Spiegelgalerie zu iiberschauen. Hochaufgerichtet, das Auge freudig auf
das bunte Bild vor ihm geheftet, in jugendlicher Kraft und Schönheit
und in fürstlicher Hoheit stand er eine kurze Zeit da, bis ihm das Nahen
seines Vaters gemeldet wurde.
Um 12 Uhr verkündeten die weithin rollenden Hurrarufe, die von
dem Schloßhofe herdrangen, der Festversammlung die Ankunft des Königs.
In seinem mit vier Rappen bespannten, einfachen, offenen Wagen ä Ja
Daumont, den er zu den täglichen Ausfahrten benutzte, hatte der König
auch diesen Weg zurückgelegt. Eine feierliche Auffahrt wie sonst zu
Krönungsfesten konnte an diesem glorreichsten all dieser Jahresfeste des
Hohenzollernhauses freilich nicht stattfinden. Zwischen Kriegsfuhrwerk,
Proviantladungen und Viehzutrieb, durch den lebhaften städtischen Verkehr
hindurch, der am Markttage herrschte, nahm der königliche Wagen seinen
Weg zur Feststätte, dem französischen Königsschloß. Von fernher sandten
die Geschütze des Mont Valerien und der lebhaft auf St. Eloud feuernden
Batterien ihren grollenden Donner. Deutscherseits wurde die Beschießung
an diesem Festtage nur mäßig fortgesetzt.
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die Gefühle des Herzens auszudrücken, was die Versammelten an die
Stufen leitete: fo traten, in Gruppen vereinigt, die Offizierkorps, fo die
Militärgeistlichen, ebenso aber einzelne vor, je nach der auf den Hoch-
tritt zuflutenden Bewegung, verbeugten sich und schritten dann zur
Seite. Aber diese Huldigung, unerwartet, unwillkürlich, wie sie geschah,
konnte nicht von allen Anwesenden gewürtigt werden; ebendieselbe tiefe
Bewegung, die aus der Versammlung ihm entgegenflutete, lenkte vielmehr
die Schritte des Kaisers sehr bald in die Mitte der Seinigen; er stieg
die Stufen hinab und nahm im Saale selbst Glückwünsche von allen
Seiten entgegen; er wandte sich vornehmlich zu den mit dem Eisernen
Kreuz geschmückten Mannschaften längs der Fensterwand, an die er be-
sonders gnädige Worte richtete; er nahm auch Meldungen von denjenigen
Offizieren entgegen, die am heutigen Festtage befördert waren. Gleich
seinen! Vater verweilte der Kronprinz im Saale, mit heiterem, herzlichem
Wort jeden, den er ansprach, beglückend; schon die Anrede, die ein jeder
zum ersten Male anzuwenden sich beeiferte: „Kaiserliche Hoheit," gab
dern hohen Herrn zu mancher freudigen und leutseligen Äußerung Anlaß.
Uni dieser unvorhergesehenen Verlängerung der Feier einen festlicheren
Ausdruck zu geben, befahl der Kronprinz dem Mnsikkorps des Königs-
Grenadierregiments, im Vorsaal Aufstellung zu nehmen und den Hohen-
sriedberger Marsch anzustimmen. Aber so sehr waren der Kaiser und
die Fürsten noch in der Unterredung mit den sie umringenden Fest-
genossen begriffen, daß der zu lauten Musik sofort wieder Einhalt geboten
werden uiußte. So allmählich durchschritt der greise Herr in dein ihn
beglückenden Vollgefühl, daß alle Herzen ihm entgegenschlugen, von den
Fürsten gefolgt, die Reihen, die sich ehrfurchtsvoll vor ihm öffneten. Als
er die Galerie verließ, erklang von neuem der von seinem Ahnherrn, von
König Friedrich dein Großen, gesetzte Hohenfriedberger Marsch und dnrch-
tönte die französischen Prachtsäle, bis gegen 1 Uhr die letzten Festgäste
sie verlassen hatten. — Mit einem ersten Kaiserhurra empfing den neuen
Kaiser die Leibwache im Vorsaal unter präsentiertem Gewehr — so
kräftig, daß Prinz Karl versicherte, in seinem Leben kein solches Hurra
gehört zu haben. Es pflanzte sich von Saal zu Saal fort.
Kaiser Wilhelm war in das Portal getreten, den von links vor-
fahrenden Wagen zu erwarten. Das Wetter hatte sich aufgeklärt, mit
lichtem Sonnenschein begrüßte ihn der Himmel. Hier im Schloßhofe
standen gegenüber dem Portal nicht nur die Ehrenwache, nicht nur zahl-
reiche Offiziere, Beamte des Heeres und Hofes, sondern wer von Deutschen
im Liebesdienst für die Armee in Versailles sich aufhielt und von der
Feier Nachricht erhalten hatte, war hierher geeilt, dem Deutschen Kaiser
den ersten Gruß zu bieten. Sie hatten draußen dennoch an der Feier
teilgenommen: in dem Augenblicke, da der Großherzog von Baden seine
Worte an die Versammlung richtete, war die Königsflagge von der Zinne
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_dein_Großen Friedrich Karl Karl Wilhelm