376
Die französische Revolution.
stützung zur Empörung steigerte. Im Vertrauen auf diese Hülfe griffen die durch
die harte Verwaltung und das strenge Gerichtsverfahren der Engländer in Ver-
1798 zweiflung gesetzten Irländer zu den Waffen, konnten aber, trotz der Hülfelcistung
des tapfern Generals Humbert, der überlegenen Kriegsmacht Englands und
der Kriegskunst des Feldherrn Cornwallis nicht widerstehen. Nach einem
blutigen Bürgerkrieg wurde der Aufstand unterdrückt, Humbert, der nur eine ge-
August. ringe Mannschaft bei sich hatte, zur Capitulation genöthigt und dann das ganze
Land unter strenges Kriegsrecht gestellt. Wolf Toun, ein geistvoller politischer
Schriftsteller und Haupturheber des französischen Bündnisses, starb durch kriegs-
richterlichen Spruch. Nappertandy, sein Gesinnungsgenosse, entkam nach
Hamburg, wurde aber spater von dem dortigen Senat ausgeliefert. Die Ver-
Í800. einigung Irlands mit England in Verwaltung und Gesetzgebung war
Rußland, dje letzte Maßregel zur Unterwerfung des unruhigen Landes. — In Rußland
herrschte seit 1796 Katharina's einziger Sohn, der menschenfeindliche, argwöh-
nische Paul, ein Fürst von etwas zerrüttetem Geiste, der gegen die das göttliche
Recht der Selbstherrschaft gefährdenden Grundsätze der Revolution den größten
Haß hegte und in seinem Eifer für das Alte so weit ging, daß er, gleich der Kö-
nigin Karoline von Neapel, die neumodischen Trachten, als Erzeugnisse der Re-
volution, strenge verbot. Als großer Verehrer des Malteserordens, zu
dessen Großmeister er sich ernennen ließ, obwohl er einer andern Kirche angehörte,
sah er in der Wegnahme Malta's durch Napoleon einen hinreichenden Grund
Türkei, zum Krieg. Selbst der Sultan schloß sich der Coalition an, als die kühnen
Republikaner das türkische Reich von Aegypten und Syrien aus bedrohten. Nur
Preußen, wo am 16. Nov. 1797 der mit allen häuslichen Tugenden und mit
ächter Frömmigkeit geschmückte Friedrich Wilhelm Hi. den Thron bestiegen,
und mit seiner schönen und tugendhaften Gemahlin Luise ein gemüthliches
Leben in Liebe und Eintracht zu führen wünschte, hielt sich neutral. Die be-
schränkte Erziehung seiner Jugend hatte dem von Natur gesunden Geiste des
Königs nicht die volle Stärke verliehen und eine aus unbedeutenden, am Klein-
lichen und Herkömmlichen haftenden Männern bestehende Umgebung, wie Ge-
neral v. Köckeritz und Kabinetsrath Bey me, hielt ihn von jedem kräftigen
Handeln zurück. Die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten blieb nach wie vor
Männern ohne Vaterlandsliebe, Ehrgefühl und Eharakterstärke überlassen, dem
sittenlosen Haugwitz und dem leichtfertigen, genußsüchtigen Lombard. Ge-
neral von Zastrow leitete das Kriegswesen nach altem Schlendrian.
24 3 Die Wegnahme von Ehrenbreitstein, dessen Besatzung mitten im
i7w. Frieden von den Franzosen durch Hunger zur Uebergabe gezwungen ward,
eröffnete den neuen blutigen Krieg, der indessen bald eine für Frankreich
ungünstige Wendung nahm. In Deutschland wurde Jourdan von Erz-
25.März.herzog Karl bei Stockach geschlagen und zum Rückzug über den Rhein
genöthigt. Dies bewog die französischen Gesandten (Roberjot, Bonnier und
Jean Debry), die bisher in Rastatt das Friedensgefchäft geleitet und durch
Trotz und Uebermuth sich allgemein verhaßt gemacht hatten, sich Pässe zur
Rückreise geben zu lassen. Aber kaum hatten sie bei Anbruch der Nacht
28.April, die Dtadt verlassen, als sie wider alles Völkerrechtvon Szeklerhusaren ange-
fallen, ihrer Papiere beraubt, und so mißhandelt wurden, daß zwei sogleich
starben und der schwer verwundete Jean Debry sich nur dadurch rettete,
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Extrahierte Personennamen: August Karoline_von_Neapel Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Luise Lombard Zastrow Jourdan Karl Jean_Debry Jean_Debry
Extrahierte Ortsnamen: Englands Hamburg Irlands England Rußland Syrien Ehrenbreitstein Frankreich Deutschland Stockach Rhein Rastatt
424
7. Sept.
1812.
15. Sept.
I«. flg-
Napoleon Bonaparte^s Machtherrschaft.
Der Sieger fand am andern Morgen eine mit Blut getränkte und mit Lei-
chen bedeckte Brandstätte. In Smolensk wurde Kriegsrath gehalten; aber
so viele Stimmen sich auch gegen die Fortsetzung des unheilverkündenden
Zuges erklärten, Napoleon bestand auf der Eroberung von Moskau, wo er
zu überwintern und Alexander zu einem Frieden zu zwingen gedachte, und
überschritt den Dnepr. Die Russen murrten über Barclays Kriegsführung,
wie einst die Römer über das Zaudern des Fabius, weshalb Alexander den
Waffengenossen Suwaroffs Kutusoff zum Oberanführer ernannte, der als
Eingeborner dem Volke näher stand und durch seine Anhänglichkeit an die
religiösen Gebräuche und die altrussischen Sitten und Gewohnheiten bei dem
gemeinen Russen sehr beliebt war. Nun gestaltete sich der Kampf zu einem
Nationalkrieg. Ueberall flohen die Einwohner vor dem anrückenden Feinde,
nachdem sie zuvor ihre Wohnungen und Dörfer in Brand gesteckt und rings-
um Alles verwüstet hatten. Schrecklich verminderten sich die Schaaren der
großen Armee durch Hunger, Krankheit und feindliche Angriffe. — Die hei-
lige Stadt Moskau durfte Kutusoff nicht in die Hände der Franzosen fallen
lassen, wenn er nicht alle Volksliebe verlieren wollte. Darum machte er
Halt und führte dadurch die mörderische Schlacht von Borodino an der
Moskwa herbei, in der zwar die Franzosen die Wahlstatt behaupteten, aber
die Russen in Ordnung abziehen lassen mußten. Ueber 70,000 Leichen deck-
ten das Schlachtfeld; Ney („Fürst von der Moskwa") war der Held des
Tages. Am 14. Sept. zogen die Franzosen in die mit zahllosen Thürmen
und vergoldeten Kuppeln versehene alte Hauptstadt Moskau ein, die aber
vorher von dem Adel und der wohlhabenden Bürgerschaft verlassen worden,
so daß die meisten Häuser leer standen und der Pöbel im Besitz der Stadt
war. Schon beim Einzug überfiel ein unheimliches Grauen die Soldaten,
als sie in den Straßen blos einiges Gesindel herumschleichen sahen, aber wer
schildert ihr Entsetzen, als der viertägige Brand von Moskau, der bei
dem Abgang aller Löschanstalten bald zu einem Flammenmeer sich gestaltete,
neun Zehntel der aus Holz gebauten Stadt, nebst der alten Zarenburg
(Kreml), die sich Napoleon als Wohnstätte ausersehen, in Asche legte, und
mit einem Schlag alle ihre Hoffnungen zu nichte machte? Der Statthalter
von Moskau, Rostopschin, hatte ohne des Kaisers Befehl diese entsetz-
liche That angeordnet, um der großen Armee die Winterquartiere zu rauben
und sie zu einem verderblichen Rückzug zu zwingen. — Aller Zucht und Ord-
nung vergessend stürzten sich die Soldaten in die brennenden Häuser, um
ihre Raublust und Leidenschaft zu befriedigen.
§ 766. Rückzug der großen Armee. Aus Allem ging hervor,
daß die Russen einen Vernichtungskrieg führten, und dennoch ließ sich Na-
poleon, in unbegreiflicher Verblendung, durch die arglistig unterhaltenehoff-
nung eines Friedens zu einem Aufenthalte von 34 Tagen in Moskau verlei-
ten, ohne begreifen zu wollen, daß Kutusoff ihn bis zum Eintritt des Win-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Alexander Alexander Alexander Alexander Suwaroffs_Kutusoff Borodino Napoleon Rostopschin
Extrahierte Ortsnamen: Smolensk Moskau Moskau Moskwa Moskau Moskau Moskau Moskau
425
Das französische Kaiserreich.
ters hinzuhalten suche, damit die Kalte die schlecht gekleideten und am Noth-
dürftigften Mangel leidenden Soldaten auf dem Heimweg vernichte. Er
erreichte seinen Zweck. Ende October wurde der verhängnißvolle Rückzug
angetreten, der in der Geschichte der Kriegsleiden seines Gleichen nicht hat.
Der anfängliche Plan, gen Kaluga zu ziehen, wurde nach der entsetzlichen
Schlacht von Malo-Jaroslavetz aufgegeben, und der Weg über das 24-
mit Leichen und Blut bedeckte Schlachtfeld von Borodino nach Smolensk
eingeschlagen. Im November stieg die Kälte bereits auf 18 Grad und er-
reichte später 27. Wer vermochte alle Leiden, Kämpfe und Mühseligkeiten
zu schildern, durch welche die großearmee in dem strengen Winter allmählich
aufgerieben wurde? Hunger, Frost und Ermattung richteten größere Ver-
heerungen an als die Kugeln der Russen und die Lanzen der Kosaken. Es
war ein Anblick zum Entsetzen, Tausende von verhungerten oder erfrornen
Kriegern an der Heerstraße und auf den öden, grausigen, mit Schnee und
Glatteis überdeckten Steppen, abwechselnd mit gefallenen Pferden, wegge-
worfenen Waffen und Trümmern aller Art und den reichsten, nun zur Last
gewordenen Beutestücken liegen zu sehen! — Kutusoff, der in einer Procla-
mation den Brand von Moskau den Franzosen zuschrieb, um das Volk noch
mehr zum Haß gegen dieselben zu entstammen, wich mit seinen durch Pelz-
mantel wider Sturm und Kälte geschützten Truppen den Feinden nicht von
der Seite und zwang sie jeden Schritt zu erkämpfen. Als um die Mitte No-
vembers Smolensk erreicht wurde, zählte das Heer noch etwa 40,000 streit-
bare Soldaten; über 30,000 wehrlose Nachzügler folgten ohne Zucht, Ord-
nung und Führung den Spuren der Vorangegangenen, ein Bild des Jam-
mers und Entfetzens. Und doch begann das größte Elend erst hier, weil
durch fehlerhafte Anordnung die erwartete Zufuhr von Waffen, Kleidern und
Lebensmitteln sich in Smolensk nicht vorfand und die durch neue Truppen
verstärkten Russen den Ziehenden überall den Weg verlegten. Die größten
Heldenthaten, die unter Napoleons Augen von Eugen, Davouft, Mürat,
Oudinot, Victor u. A. vollführt wurden, hatten keinen weitern Erfolg, als
daß sie den Untergang des ganzen Heeres um wenige Tage hinausschoben.
Der Held des Rückzugs war Ney, der Führer der Nachhut, „der Tapferste
der Tapfern." Sein Uebergang über den gefrornen, aber an beiden Ufern
aufgethauten und von den Russen bewachten Dnepr zur Nachtzeit war eine
der kühnsten Waffenthaten, deren die Weltgeschichte gedenkt. Freilich konnte
er von 6000 Mann nur 2000 zu dem Heere führen, das unterdessen bei
Krasnoi den Feind zurückgeschlagen und sich den Weg zur B er esin a frei
gemacht hatte. An diesen ewig denkwürdigen Fluß gelangte das Heer am
25. November. Im Angesicht der feindlichen Armee wurden zwei Brücken
geschlagen, und der kleine Rest, der sich noch in Reih' und Glied bewegte,
unter unzähligen Gefahren hinübergeführt, aber gegen 18,000 Nachzügler,
die nicht zeitig genug ankamen, sielen in die Hände der Feinde und mit ihnen
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Extrahierte Personennamen: Borodino Napoleons Eugen Eugen Victor_u._A. Ney
636 Die jüngsten Revolutionsstürme.
Schrittweise mußten die Truppen die Stadt erobern; von den Dächern und aus
den Fenstern der Hauser unterhielten die Scharfschützen der Aufständischen ein
ununterbrochenes Gewehrfeuer und die Barrikaden boten durch ihre wunderbare
Festigkeit einen sichern Schutz und Hinterhalt. Endlich siegte die Tapferkeit und
überlegene Kriegskunst des preußischen Militärs über die ungeordneten, schlecht
geleiteten Freischaaren; als die Truppen, vom Dunkel der Nacht begünstigt, am
9. Mai den Postplatz und die große Barrikade am Eingang des Altmarktes erstürmt
hatten, minderte sich allmählich der Widerstand. Gegen 4 Uhr Morgens begann
die Flucht der Freischaaren; dreimal drei Schläge von der Krcuzkirche gaben das
Signal zum Abzug. In Kurzem waren die Straßen geöffnet und die Stadt in
der Gewalt des Militärs. Ein über Dresden und die Umgegend verhängter Be-
lagerungszustand mit Kriegsgerichten und Ausnahmsgesetzen erleichterte der Ne-
gierung die Wiederherstellung der Ruhe und die Unterdrückung des Demokratis-
mus. Die Kerker füllten sich mit Verhafteten; einige der Schuldigsten, darunter
Tzschirner, entkamen durch die Flucht, andere, wie Heubner und der Russe
B akunin, einer der thätigsten Förderer des Aufstandes, sielen der strengen
Strafgerechtigkeit anheim.
tz. 880. Das letzte Ringen der Frankfurter R e ich s v ersa mm-
lung. Die errsten dunkeln Gerüchte von den Vorgängen in Sachsen trafen die
Frankfurter Nationalversammlung bei der aufgeregten Berathung über den An-
7. Mai. trag der Linken, daß das Militär der zur Reichsverfassung haltenden Staaten
auf diese Verfassung vereidigt werde. Das Reichsministerium bekämpfte diesen
Vorschlag, der Zwiespalt in dem Reichsheer erzeugen und in der Brust des Sol-
daten Zweifel und Verwirrung Hervorrufen würde, mit Entschiedenheit. Die
Nachrichten von dem Einrücken der Preußen in Sachsen steigerten die Aufregung
in der Versammlung und brachten die Reichsminister und die Fürsprecher fried-
licher und gesetzlicher Mittel in eine schlimme Lage gegenüber der Linken, die zum
entschiedenen Handeln drängte. „Ihr habt das Volk zur Empörung aufgefordert,"
riefen sie, „und wollt ihm die Waffen verweigern!" und „die provisorische Regie-
rung in Dresden hat sich unter den Schutz der Nationalversammlung gestellt,
nun schützt sie auch!" Die Ereignisse hatten jetzt die Versammlung an einen
Punkt gedrängt, wo die Wege auseinander gingen. Sollte die Versammlung ihr
moralisches Gewicht zu Gunsten der Revolution oder der „renitenten Regierungen"
gebrauchen? Sollte sie die Fackel des Bürgerkriegs unter Bruderstämme schleu-
dern? Vor diesem Gedanken schauderte Gagern zurück; errief: „und wenn
die Waffen gezogen würden, ich würde mich im letzten Augenblick noch dazwischen
werfen". Als auf der Linken gelacht wurde, hörte man den zürnenden Ausruf:
„Buben lachen darüber!" eine Aeußerung, die einen furchtbaren Sturm hcrvor-
brachte und dem Redner den Ordnungsruf von Seiten des leitenden Präsidenten
Simson zuzog. Dieser Auftritt war der Anfang einer Reihe stürmischer von
dem Lärm der Galerien durchtobter Sitzungen voll leidenschaftlicher Heftigkeit.
Auch in der bayerischen Pfalz war eine Bewegung „zur Durchführung der
Reichsverfassung" ausgebrochcn. Ein Landesausschuß hatte sich gebildet; der
bayerischen Regierung war der Gehorsam gekündigt worden; man organisirte
eine Volkswehr und traf einleitende Schritte zu einer Lossagung von Bayern.
Die Linke verlangte, die Versammlung solle die Erhebung von Sachsen und der
Pfalz, die eine Durchführung der Reichsverfassung und folglich die Herstellung
des Reichsfriedens gegen die „renitenten Regierungen" bezweckten, aufs kräftigste
schützen und stützen; die „Weidenbusch-Partei", zerrissen und uneinig, machte den
Versuch, mit der Centralgewalt gemeinschaftlich einen Mittlern Weg zu gehen,
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654
Die jüngsten Revolutionsstürme.
die östreichische Regierung an Rußland um Hülfe. An demselben Tage, wo Görgey
Ofen erstürmte (21. Mai) war zwischen dem Kaiser von Rußland und dem jun-
gen Beherrscher von Oestreich in einer persönlichen Besprechung zu Warschau
Ungarns Schicksal beschlossen worden. Der Aufstand hatte eine solche Aus-
dehnung gewonnen, daß das geschwächte und verwirrte Kaiserreich denselben
allein nicht mehr zu unterdrücken vermochte; ein siegreicher Ausgang der unga-
rischen Erhebung hatte Oestreich zu einer Macht zweiten Ranges herabgedrückt,
hatte die Partei des Umsturzes in ganz Europa ermuthigt, hatte alle monarchischen
Staaten in ihren Grundfesten erschüttert. Die begeisterte Theilnahme der Polen
an dem ungarischen Kriege und die laute Freude der polnischen Grenzlander
über die siegreichen Waffen der Insurgenten gaben Zeugniß von der hohen Bedeu-
tung dieses Kampfes für jene unterdrückten und nach Befreiung seufzenden Völker.
Auch die Ruhe des russischen Riesenreichs war bedroht. Wie sollte nicht der Czaar
eine Unterstützung gewahren, wodurch die Geschicke der östlichen Lander in seine
Hände gelegt wurden? Nicht blos für Oestreich und für die Sicherheit des eigenen
Landes, wie ein Manifest des russischen Kaisers verkündete, sondern auch für die
künftige Größe und Machtstellung griff daher der Czaar allecreußen zu den Waffen.
Gegen Ende Mai waren die Rüstungen so weit beendigt, daß die russischen Heere
unter dem Oberkommando des ruhmgekrönten P aski e w itsch über Krakau
und Dukla in verschiedenen Abtheilungen die ungarische Grenze überschreiten
konnten, wahrend die östrcich. Truppen, durch neue Zuzüge verstärkt, unter dem
aus Hessen stammenden Feldmarschall Hayn au ostwärts vorrückten und der
Ban Jellachich von Süden her aufs Neue in Ungarn eindrang. So aus allen
Seiten von furchtbaren Streitkraften und feindlichen Heerschaaren bedroht, hatten
die Magyaren nur die Wahl zwischen Unterwerfung und Verzweiflungskampf. Kos-
suth war zu dem letztern entschlossen; er entwickelte daher eine wunderbare Tha-
tigkeit, um einen allgemeinen Volkskrieg zu erregen, um die Nation zu den großen
Opfern und Leiden anzufcuern, durch die sie allein zu Sieg, Freiheit und Unabhän-
gigkeit gelangen könnte. Seine flammenden Worte, womit er die ungarischen Völ-
ker zum schonungslosen Guerillakrieg, wie ihn einst die Spanier gegen Napoleons
Heere geführt, aufrief, entzündeten in den leidenschaftlichen und kriegerischen Ma-
gyaren eine Gluth der Begeisterung und Kampflust. Und wie groß auch die feind-
liche Heeresmacht war, kam ein Volkskrieg zu Stande in dem Umfang wie ihn
Kossuth beabsichtigte, und wurde er mit allen Waffen ausgeführt, die einem tapfern
und zur Verzweiflung getriebenen Volke zu Gebote stehen, so war ein siegreicher
Ausgang noch immer möglich. Land und Klima kämpften für die Ungarn; Man-
gel an Heerstraßen erschwerte die Verbindung der einzelnen Truppenabtheilungen;
traten Regengüsse ein, so wurden die Wege fürmarsche und Fuhrwerk unbrauch-
bar ; die Hitze des Tags und die Reiffröste der Nacht erzeugten Krankheiten, und
in den Fiebersümpfen der Theißgegenden waren die Beiwachten für die des Kli-
mas ungewohnten Russen und Oestreicher tödtlich. Und woher sollten die Hee-
resmassen die nöthigen Lebensmittel nehmen, wenn, wie Kossuth gebot, allenthal-
den wo sich der Feind zeigte, Feldfrüchte und Vorrathe von den Eingebornen
vernichtet wurden? — Die ungarischen Insurgentenheere bestanden nicht wie die
deutschen Freicorps aus ungeübten schlecht bewehrten und aller militärischen Zucht
ermangelnden Sckaaren, sondern zum Theil aus gedienten Truppen, zum Theil
aus militärisch gebildeten Zuzüglern kriegerischer und abgehärteter Völkerschaften
unter waffenkundigen Anführern und mit Geschütz und Kriegsgerath aufs Beste
versehen. — Der Anfang des erneuten Kampfes war für die durch zahlreiche
russische Armeecorps verstärkten östreichischen Truppen, bei denen sich der jugend-
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Frankreich unter der Directorial-Regierung. 687
Vicrwaldstädtersee auf Anstiften ihrer Priester gegen diese Bestimmung
auf und griffen zu den Waffen; sie wurden besiegt und gezwungen,
dem Beschlusse der Uebrigen beizutreten.
§. 704. Der neue Coalitionskrieg (1798—1799). Dieses
Glück der französischen Waffen, verbunden mit dem Uebermuth der Re-
publikaner, die in allen Landern das Alte umzustürzen und neue Ver-
fassungen zu gründm drohten, führte die meisten europäischen Machte
zu einem neuen großen Bunde.
Oestreich war wegen Italien in Sorge und stand schon lange mit
dem Direetorium in Spannung, weil in Wien bei einem Volksfeste die
Wohnung des franz. Gesandten Bernadotte gestürmt und die dreifar-
bige Fahne abgerissen und verbrannt worden war, ohne daß die östreichische
Regierung die verlangte Genugthuung gegeben. England fürchtete von
der ägypt. Unternehmung Gefahr für seine ausländischen Besitzungen, und
streute daher Geld mit volleir Händen aus, um Frankreich neue Feinde
zu bereiten. In Rußland herrschte seit Nov. 1796 Katharinas ältester
Sohn, Paul, ein Fürst von etwas zerrüttetem Geiste, der gegen die das
göttliche Recht der Selbstherrschaft gefährdenden Grundsätze der Revolution
den größten Haß hegte und in seinem Eifer für das Alte so weit ging,
daß er, gleich der Königin Karoline von Neapel, die neumodischen Trachten,
als Erzeugnisse der Rcvoültion, strenge verbot. Als großer Verehrer des
Malteserordens, zu dessen Großmeister er sich ernennen ließ, sah er
in der Wegnahme Maltas durch Napoleon einen hinreichenden Grund zum
Krieg. Selbst der Sultan schloß sich der Coalition an, als die kühnen
Republikaner das türkische Reich von Aegypten und Syrien aus bedrohten.
Nur Preußen, wo 1797 der mit allen häuslichen Tugenden und mit ächter
Frömmigkeit geschmückte Friedrich Wilhelm Hi. den Thron bestiegen,
und mit seiner schönen und tugendhaften Gemahlin ein gemüthliches Le-
den in Liebe und Eintracht zu führen wünschte, hielt sich neutral.
Die Wegnahme von Ehrend reitst ein, dessen Besatzung mit-
ten im Frieden von den Franzosen durch Hunger zur Uebergabe ge-
zwungen ward, eröffnete den neuen blutigen Krieg, der indessen bald
eine für Frankreich ungünstige Wendung nahm. In Deutschland wurde
Iourdan von Erzherzog Karl bei Stockach geschlagen und zum
Rückzug über den Rhein genöthigt. Dies bewog die französischen Ge- März.
sandten (Roberjot, Bonnier und Jean Debry), die bisher in Rastadt
das Friedensgeschaft geleitet und durch Trotz und Uebermuth sich all-
gemein verhaßt gemacht hatten, sich Passe zur Rückreise geben zu lassen.
Aber kaum hatten sie bei Anbruch der Nacht Rastadt verlassen, als sie
wider alles Völkerrecht von Szekler Husaren angefallen, ihrer Papiere28.Apnl.
beraubt, und so mißhandelt wurden, daß zwei sogleich starben und
der jchwer verwundete Jean Debry sich nur dadurch rettete, daß er
in einen Graben kroch. Diese ehrlose That erzeugte überall Abscheu
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Karoline_von_Neapel Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Karl Karl Jean_Debry Jean_Debry
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Italien Wien England Frankreich Katharinas Syrien Frankreich Deutschland Stockach Rhein
734
Napoleon Bonarpate's Machtherrschaft.
wenn er nicht alle Volksliebe verlieren wollte. Darum machte er Halt
7. Sept. und führte dadurch die mörderische Schlacht von Borodino an der
1812' Moskwa herbei, in der zwar die Franzosen die Wahlstatt behaupteten,
aber die Russen in Ordnung abziehen lassen mußten. Ueber 70,000 Leichen
deckten das Schlachtfeld; Ney Fürst von der Moskwa") war der
Held des Tages. Am 14. Sept. zogen die Franzosen in die mit zahl»
losen Thürmen und vergoldeten Kuppeln versehne alte Hauptstadt
Moskau ein, die aber vorher von dem Adel und der wohlhabenden
Bürgerschaft verlassen worden, so daß die meisten Hauser leer standen
und der Pöbel im Besitz der Stadt war. Schon beim Einzug über-
fiel ein unheimliches Grauen die Soldaten, als sie in den Straßen
blos einiges Gesindel herumschleichen sahen, aber wer schildert ihr
Entsetzen, als der viertägige Brand von Moskau, der bei dem Abgang
aller Löschanstalten bald zu einem Flammenmeer sich gestaltete, neun
Zehntel der aus Holz gebauten Stadt, nebst der alten Zarenburg
(Kreml), die sich Napoleon als Wohnstätte ausersehn, in Asche legte,
und mit einem Schlag alle ihre Hoffnungen zu nichte machte? Der
Statthalter von Moskau, Rostopschin, hatte ohne des Kaisers Be-
fehl diese entsetzliche That angeordnet, um der großen Armee die Win-
terquartiere zu rauben und sie zu einem verderblichen Rückzug zu zwin-
gen. — Aller Zucht und Ordnung vergessend stürzten sich die Soldaten
in die brennenden Häuser, um ihre Raublust und Leidenschaften zu be-
friedigen.
§. 734. Rückzug der großen Armee. Aus Allem ging her-
vor, daß die Russen einen Vernichtungskrieg führten, und dennoch
ließ sich Napoleon, in unbegreiflicher Verblendung, durch die arglistig
unterhaltene Hoffnung eines Friedens zu einem Aufenthalt von 34 Tagen
in Moskau verleiten, ohne begreifen zu wollen, daß Kutusoff ihn bis
zum Eintritt des Winters hinzuhalten suche, damit die Kälte die schlecht
gekleideten und am Nothdürftigsten Mangel leidenden Soldaten auf
dem Rückzug vernichte. Er erreichte seinen Zweck. Ende Oktober
wurde der verhängnißvolle Rückzug angetreten, der in der Geschichte
der Kriegsleiden seines Gleichen nicht hat. Der anfängliche Plan,
gen Kaluga zu ziehen, wurde nach der entsetzlichen Schlacht von
Malo-Iaroslavetz aufgegeben, und der Weg über das mit Leichen
und Blut bedeckte Schlachtfeld von Borodino nach Smolensk einge-
schlagen. Im November stieg die Kälte bereits auf 18 Grad und er-
reichte später 27. Wer vermöchte alle Leiden, Kämpfe und Mühselig-
keiten zu schildern, durch welche die große Armee in dem strengen
Winter allmählig aufgerieben wurde? Hunger, Frost und Ermattung
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Borodino Hauser Napoleon Rostopschin Napoleon Borodino
Extrahierte Ortsnamen: Moskwa Moskau Moskau Moskau Moskau Kaluga Smolensk
Das französische Kaiserreich. 733
von den ungestümen Slaven begrüßt, und es wäre ihm leicht gewesen
den kriegerischen Geist des Volks zu einem Nationalkampf wider Ruß-
land zu entflammen. Aber Volksbewegungen waren nicht nach Napo-
leons Sinn; er untersagte die Erhebung in Masse und schlug den
Enthusiasmus der Polen bedeutend nieder, als er ihren Abgeordneten
erklärte, aus Rücksicht für Oestreich könne er nicht in die Wiederher-
stellung der alten Republik in ihrer ganzen Ausdehnung willigen. Den-
noch stritten polnische Heere unter Poniatowsky u. a. Führern mit
gewohnter Tapferkeit unter Napoleons Adlern gegen den Erbfeind ihrer
Nation und das polnische Volk unterstützte aus allen Kräften die frem-
den Krieger, die jetzt bei furchtbaren Regengüssen von Wilna nach
Witepsk zogen. Moskau ,,das Herz von Rußland" war Napoleons
Ziel; bald aber merkte er, welchen gewaltigen Bundesgenossen die
Russen an der Natur ihres Landes hätten. Die Wege waren ungang-
bar, die Zufuhr blieb aus; das arme, schlecht angebaute Land bot
wenig Lebensmittel; Krankheiten lichteten die Reihen der Krieger und
füllten die Hospitäler. — Die russischen Feldherren Barclay de Tolly
und Bagration mieden eine Hauptschlacht, und lockten den Kaiser,
der mit Ungeduld ein entscheidendes Treffen wünschte, immer tiefer
ins Innere des Landes. Bei Smolensk kam es zuerst zum blutigen August.
Kampfe; aber nachdem man einen ganzen Tag ohne Entscheidung ge-
fochten, verließen die Russen in der Nacht die in Brand gerathene
Stadt und setzten ihren Marsch gen Moskau fort. Der Sieger fand
am andern Morgen eine mit Blut getränkte und mit Leichen bedeckte
Brandstätte. In Smolensk wurde Kriegsrath gehalten; aber so viele
Stimmen sich auch gegen die Fortsetzung des unheilverkündenden Zuges
erklärten, Napoleon bestand auf der Eroberung von Moskau, wo er
zu überwintern und Alexander zu einem Frieden zu zwingen gedachte,
und überschritt den Dnepr. Die Russen murrten über Barclays Kriegs-
führung, wie einst die Römer über das Zaudern des Fabius, weshalb
Alexander den Waffengenossen Suwaroffs Kutusoff zum Oberanführer
ernannte, der als Eingeborner dem Volke näher stand und durch seine
Anhänglichkeit an die religiösen Gebräuche und die altrussischen Sitten
und Gewohnheiten bei dem gemeinen Russen sehr beliebt war. Nun
gestaltete sich der Kampf zu einem Nationalkrieg. Ueberall flohen die
Einwohner vor dem anrückenden Feinde, nachdem sie zuvor ihre Woh-
nungen und Dörfer in Brand gesteckt und ringsum Alles verwüstet
hatten. Schrecklich verminderten sich die Schaaren der großen Armee
durch Hunger, Krankheit und feindliche Angriffe. — Die heilige Stadt
Moskau durfte Kutusoff nicht in die Hände der Franzosen fallen lassen.
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Poniatowsky Napoleons Napoleons August Napoleon Alexander Alexander Alexander Alexander Suwaroffs_Kutusoff
735
Das französische Kaiserreich.
richteten größere Verheerungen an als die Kugeln der Russen und die
Lanzen der Kosaken. Es war ein Anblick zuin Entsetzen, tausende
von verhungerten oder erfrornen Kriegern an der Heerstraße und auf
den öden, grausigen, mit Schnee und Glatteis überdeckten Steppen,
abwechselnd mit gefallnen Pferden, weggeworfenen Waffen und Trüm-
mern aller Art und den reichsten, nun zur Last gewordenen Beutestücken
liegen zu sehn. — Kutusoff, der in einer Proclamation den Brand von
Moskau den Franzosen zuschrieb, um das Volk noch mehr zum Haß
gegen dieselben zu entstammen, wich mit seinen durch Pelzmantel wider
Sturm und Kalte geschützten Truppen den Feinden nicht von der Seite
und zwang sie jeden Schritt zu erkämpfen. Als um die Mitte Nov.
Smolensk erreicht wurde, zählte das Heer noch etwa 40,000 streitbare
Soldaten; über 30,000 wehrlose Nachzügler folgten ohne Zucht, Ord-
nung und Führung den Spuren der vorangegangenen, ein Bild des
Jammers und Entsetzens. Und doch begann das größte Elend erst
hier, weil durch fehlerhafte Anordnung die erwartete Zufuhr von Waffen,
Kleidern und Lebensmitteln sich in Smolensk nicht vorfand, und die
durch neue Truppen verstärkten Russen den Ziehenden überall den
Weg verlegten. Die größten Heldenthaten, die unter Napoleons Augen
von Eugen, Davoust, Mürat, Oudinot, Victor u. a. vollführt wur-
den, hatten keinen weitern Erfolg, als daß sie den Untergang des
ganzen Heers um wenige Tage hinausschoben. Der Held des Rück-
zugs war Ney, der Führer des Nachtrabs ,,der Tapferste der Tapfern".
Sein Uebergang über den gefrornen, aber an beiden Ufern aufgethauten
und von den Russen bewachten Dnepr zur Nachtzeit war eine der
kühnsten Waffenthaten, deren die Weltgeschichte gedenkt. Freilich konnte
er von 6000 Mann nur 2000 zu dem Heere führen, das unterdessen
bei Krasnoi den Feind zurückgeschlagen und sich den Weg zur Bere-
sina frei gemacht hatte. An diesen ewig denkwürdigen Fluß gelangte
das Heer am 25. Nov. Im Angesicht der feindlichen Armee wurden
zwei Brücken geschlagen, und der kleine Rest, der sich noch in Reih
und Glied bewegte, unter unzähligen Gefahren hinübergeführt, aber
gegen 18,000 Nachzügler, die nicht zeitig genug ankamen, sielen in die
Hände der Feinde und mit ihnen eine unermeßliche Beute. Wie viele
in den kalten Fluthen des Flusses ertranken, oder bei dem entsetzlichen
Gedränge zertreten und zerdrückt wurden, konnte niemand berechnen.
Nach dem Uebergang über die Beresina hatte Napoleon noch 8000
kampffähige Soldaten, und selbst diese schwanden in wenigen Wochen
auf einige hundert zusammen. Ney war der letzte Mann des Nach-
trabs. Nach amtlichen Berichten wurden in Rußland 243,600 feinliche
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Eugen Eugen Davoust Victor_u. Ney Napoleon
355
Napoleon Bonaparte's Machtherrschaft (Rußland).
bei dem Abgang aller Löschanstalten sich bald zu einem Flammenmeer gestaltete,
neun Zehntel der aus Holz gebauten Stadt nebst der alten Zarenburg
(Kreml), die sich Napoleon als Wohnstätte ausersehen, in Asche legte? Der
Befehlshaber von Moskau, Ro stop sch in, hatte ohne des Kaisers Befehl
diese entsetzliche That angeordnet, um der großen Armee die Winterquartiere
zu rauben und sie zu einem verderblichen Rückzug zu zwingen. Aller Zucht und
Ordnung vergessend stürzten sich die Soldaten in die brennenden Häuser, um
ihre Raublust und Leidenschaften zu befriedigen.
§. 527. Aus Allem ging hervor, daß die Russen einen Vernichtungskrieg
führten und dennoch ließ sich Napoleon in unbegreiflicher Verblendung durch
die arglistig unterhaltene Hoffnung eines Friedens zu einem Aufenthalte von
34 Tagen in Moskau verleiten, ohne einsehen zu wollen, daß Kutusoff ihn bis
zum Eintritt des Winters hinzuhalten suche, damit die Kälte die schlecht geklei-
deten und am Nothdürstigsten Mangel leidenden Soldaten auf dem Rückzug
vernichte. Spät im October wurde endlich der verhängnißvolle Rückzug der
großen Armee angetreten, der in der Geschichte der Kriegsleiden seines Glei-
chen nicht hat. Der anfängliche Plan gegen Kaluga zu ziehen wurde nach der
entsetzlichen Schlacht von Malo-Jaroslaweh aufgegeben und der Weg über
das leichenbedeckte Schlachtfeld von Borodino nach Smolensk angetreten. Im
November stieg die Kälte auf 18 Grad und erreichte später 27. Wer vermöchte
alle Leiden, Kämpfe und Mühseligkeiten zu schildern, durch welche die große
Armee in dem strengen Winter allmählich aufgerieben wurde? Hunger, Frost
und Ermattung richteten größere Verheerungen an als die Kugeln der Russen
und die Lanzen der Kosaken. Es war ein Anblick zum Entsetzen, Tausende von
verhungerten oder erfrornen Kriegern an der Heerstraße und auf den öden mit
Schnee und Glatteis überdeckten Steppen abwechselnd mit gefallenen Pferden,
weggeworsenen Waffen und kostbaren Beutestücken liegen zu sehen. Kutusoff,
der in einer Proclamation den Brand von Moskau den Franzosen zuschrieb,
um das Volk noch mehr zum Haß gegen dieselben zu entflammen, wich den
Feinden nicht von der Seite und zwang sie, jeden Schritt zu erkämpfen. Als
um die Mitte des November Smolensk erreicht wurde, zählte das Heer noch
etwa 40,000 streitbare Soldaten; über 30,000 wehrlose Nachzügler folgten
ohne Zucht, Ordnung und Führung den Spuren der Vorangegangenen, ein
Bild des Jammers und Entsetzens. Und Doch begann das größte Elend erst
hier, weil durch fehlerhafte Anordnung die erwartete Zufuhr von Waffen, Klei-
dern und Lebensmitteln sich in Smolensk nicht vorfand, und die Feinde in ver-
stärkter Zahl den Ziehenden den Weg verlegten. Der Held des Rückzugs war
Ney, der Führer der Nachhut, „der Tapferste der Tapfern." Sein Uebergang
über den gefrornen aber theilweise aufgethauten Dnepr zur Nachtzeit war eine
der kühnsten Kriegsthaten, deren die Weltgeschichte gedenkt. Am 25. Nov. ge-
langte das Heer an den ewig denkwürdigen Fluß Beresina. Im Angesicht
der feindlichen Armee wurden zwei Brücken geschlagen und der kleine Rest, der
sich noch in Reih und Glied bewegte, unter unzähligen Gefahren hinüberge-
sührt, aber gegen 18,000 Nachzügler, die nicht zeitig genug ankamen, fielen in
die Hände der Feinde. Wie viele in den kalten Fluchen des Flusses zwischen
den Eisschollen ertranken, oder bei dem entsetzlichen Gedränge zertreten und
zerdrückt wurden, konnte Niemand berechnen. Nach dem Uebergang über die
Beresina hatte Napoleon noch 8000 kampffähige Soldaten. Ney war der
letzte Mann der Nachhut. Halb Europa hatte zu trauern. Am 3. December
erließ Napoleon das berühmte 29. Bülletin, das den harrenden Völkern,
die seit Monaten ohne Nachricht geblieben waren, die Kunde brachte, daß der
23*
24. Oct.
26—29
Nov.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Borodino Ney Napoleon Napoleon