56
Neueste Geschichte. 1. Periode. Frankreich.
Morgen zu verschieben; aber sie bestanden darauf, noch denselben
Abend mit ihren Familien abzugehen. Als sie aber um 9 Uhr
Abends erst einige Hundert Schritte über die Vorstadt hinaus
waren, sprengten szekler Husaren herbei, welche die Postillons
befragten, ob sie die französischen Gesandten führten? Auf er-
haltene Bejahung öffneten sie die Schläge der Wagen, rissen die
drei Gesandten heraus und hieben sie vor den Augen ihrer
Frauen und Kinder nieder. Dann bemächtigten sie sich ihrer
Briefschaften und jagten davon. Roberjot, Bonnier, und Jean
Debry hießen die Unglücklichen. Letzterer war nur schwer ver-
wundet worden; er verbarg sich die Nacht über und kehrte am
andern Morgen nach Rastadt zurück. Ehrenwerth benahmen sich
dabei die deutschen Gesandten, besonders der preußische. Obgleich
die Franzosen ihnen das Leben so sauer gemacht hatten, nahmen
sie den Verwundeten unter ihren Schutz, setzten eine Beschwerde
über die Verletzung des Völkerrechts auf und baten den Kaiser,
die Sache genau zu untersuchen. Das wurde auch versprochen,
ist aber nie geschehen. Daß der rechtliche Kaiser oder sein Bru-
der Karl den Mord befohlen hätten, läßt sich nicht denken. Da
aber der Husarenoberst nicht bestraft worden ist, so ist zu ver-
muthen, daß er Befehl gehabt habe, sich der Briefschaften zu
bemächtigen, und daß die wilden Husaren den Befehl bis auf
die Ermordung der Gesandten ausgedehnt haben.
117. Krieg der zweiten Koalition. — Bonaparte in
Aegypten und Syrien.
Diesmal zeigte der russische Kaiser, Paul I. (1796—1801),
Katharina's Sohn und Nachfolger, mehr Ernst gegen die Fran-
zosen und schickte den furchtbaren Bestürmer von Praga (siehe 3. Theil,
S. 356), den General Suwarow, sich mit den Oestreichern zu
verbinden. Nichts hier von den vielen Märschen, Gefechten und
Schlachten! so viel sei genug zu sagen, daß sich Russen, Oest-
reicher und Franzosen in Deutschland, der Schweiz und Italien
bekämpften. So sehr auch Massen« und Moreau sich Mühe
gaben, den Sieg an ihre Fahnen zu fesseln, so waren ihnen doch
fast überall die Verbündeten überlegen, die Sieg auf Sieg erfoch-
ten. Erst im September 1799 änderte sich das Kriegsglück in
der Schweiz. Die Russen erlitten bei Zürich gegen Massen« eine
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Jean
Debry Karl Ernst Suwarow
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Bonnier Syrien Deutschland Italien Schweiz
Schlacht bei Waterloo.
115
Marschall Grouchy den Preußen mit der übermüthigen Weisung
nach, dieselben „in den Rhein zu stürzen"; die Engländer da-
gegen wollte Napoleon selbst am folgenden Tage angreifen. Wel-
lington, welcher gegen die feindlichen 120,000 Mann nur 80,000
hatte, ließ Blücher um zwei Haufen Unterstützung bitten, und
erhielt zur Antwort, daß Blücher nicht mit zwei Haufen, son-
dern mit dem ganzen Heere kommen würde, und am andern
Morgen ging durch das ganze preußische Lager der Jubelruf:
„Es geht wieder vorwärts!"
Aber schon am frühen Morgen, ehe die Preußen eintreffen
konnten, hatte Napoleon den Kampf gegen Wellington eröffnet.
Dieser stand auf den Höhen von Mont St. Jean, gegen welche
Napoleon seine ganze Heeresmacht mit unbeschreiblichem Ungestüm
heranführte. Mit der fürchterlichsten Erbitterung wurde von bei-
den Seiten gestritten, und es möchte schwer zu entscheiden sein,
welches Heer sich tapferer erwiesen. Napoleon aber meinte, zu-
letzt müsse doch die Uebermacht siegen, und nachdem seine An-
griffe schon drei-, viermal zurückgeschlagen waren, trieb er immer
neue Heeresmassen die Höhen hinan gegen den unerschütterlichen
Feind. Schon bedeckten 10,000 Engländer das Schlachtfeld und
die Kämpfenden waren aufs äußerste erschöpft; mit schwerer Be-
sorgniß rief der englische Feldmarschall aus: „Ich wollte, es wäre
Nacht oder die Preußen kämen!" Da auf einmal donnerten die
preußischen Kanonen im Rücken des Feindes, und mit Dankes-
thränen rief der tapfere Feldherr: „Nun, da ist der alte Blücher!"
Das preußische Heer hatte wegen der sumpfigen Wege nicht frü-
her herbeikommen können, so sehr auch Blücher, als er von fern
den Schlachtendonner hörte, den Marsch beeilt hatte. Jetzt war
zwar auch erst ein kleiner Theil seiner Truppen zur Hand, aber
mit ihnen rückte er sofort in geschlossenen Reihen die Höhen jen-
seit des Feindes herab, erst im Schritt, dann in schnellem Lauf
und mit schmetternder Schlachtmusik. Während nun Napoleon
einen Theil seines Heeres gegen die Preußen umwenden ließ,
wollte er den letzten Augenblick benutzen, um die ermatteten Eng-
länder durch einen nochmaligen verzweifelten Anlauf niederzu-
werfen, und ließ den größten Theil seiner berühmten Garden
mit fürchterlicher Gewalt gegen sie anrücken. Aber auch Welling-
ton nahm seine letzten Kräfte zusammen, und es entspann sich
ein wahrhaft furchtbarer mörderischer Kampf. Die Garde wurde
hart bedrängt und von den englischen Reitern aufgefordert, sich
8*
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Extrahierte Personennamen: Marschall_Grouchy Napoleon Napoleon Jean Napoleon Napoleon Napoleon
244
Neueste Geschichte. 5. Periode. Deutschland.
Noch zwei anderer Staatsverträge haben wir hier zu ge-
denken, deren Wichtigkeit und in die Zukunft reichende Bedeutung
nicht zu verkennen ist. Durch den Vertrag vom 20. Juli 1853
trat nämlich Oldenburg den Jahdebusen zur Anlegung
eines preußischen Kriegshasens an der Weser ab. Oldenburg
überließ danach an Preußen mit allen Hoheitsrechten ein Terri-
torium von 5000 Morgen, theils Meer und theils Land, räumte
ihm das Recht ein, eine Chaussee nach Varel und eine Eisenbahn
zur Verbindung mit der Köln-Mindener Bahn zu bauen und
eröffnete ihm Etappenstraßen durch sein Gebiet, wogegen Preußen
ihm die Summe von 500,000 Thaler zahlte, sich zur Anlegung
und Unterhaltung einer Flottenstation in dem überlassenen Ge-
biet verbindlich machte, sich verpflichtete, in den nächsten drei
Jahren alljährlich 400,000 Thaler auf die Hafenbauten zu ver-
wenden und den Schutz der Oldenburgischen Flagge und Ufer
zu übernehmen.
Eine andere Abdication fand von Seiten der regierenden
Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen
statt, deren Länder, die Stammländer der preußischen Herrscher-
familie, am 12. März und 8. April 1850 vertragsmäßig von
Preußen in Besitz genommen wurden.
Die Erwerbung des Jahdebusens war für Preußen von
großer Wichtigkeit, da es eines sichern Kriegshafens an der
Nordsee dringend bedurfte, wenn es seine Pläne zur allmäligen
Vergrößerung seiner maritimen Macht weiter verfolgen wollte,
welche, nach Preisgeben der deutschen Flotte, den Beruf hatte,
die Seegrenzen von Norddeutschland zu sichern.
Uebrigens hat die junge Flotte unter ihrem tapfern Admiral,
dem Prinzen Adalbert, bereits eine ernstliche Gefahr zu be-
stehen gehabt. Letzterer machte im August 1856 eine Uebungs-
fahrt auf der Corvette „Danzig" und besichtigte bei dieser Ge-
legenheit die durch die sogenannten Riffpiraten berüchtigten Kü-
sten Nordasrikas. Bei einer beabsichtigten Landung ward der
Prinz von den Piraten, welche zu derselben durch verrätherische Zei-
chen einzuladen sich den Anschein gegeben hatten, mit Flintenschüssen
empfangen. Darauf machte der Prinz einen stürmischen Angriff,
bei welchem er selbst verwundet wurde, jagte die Piraten in die
Flucht und zog sich endlich, als neue Feinde in großen Schaaren
herbeiströmten, in guter Ordnung auf sein Schiff zurück.
In den innern deutschen Angelegenheiten sind in den letzten
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Oldenburg Oldenburg Varel Sigmaringen Nordsee Norddeutschland
312
Neueste Geschichte. 5. Periode.
Erfindung des „localisirten Krieges", welche dem Kaiser Napoleon
das Mittel an die Hand gab, die europäischen Mächte eine nach
der andern zu demüthigen, fand Anerkennung und selbst Deutsch-
land beschränkte sich auf den Entschluß — für die Sicherheit sei-
ner Grenzen zu Wachen.
Indessen durfte Oestreich im Hinblick auf die herrliche Armee,
welche ihm in Italien zu Gebote stand, wohl auf Sieg hoffen;
leider aber hatte man dieselbe einem ganz unfähigen Führer, dem
Grafen Franz Giulay, anvertraut, welcher den Krieg aus
eigener Erfahrung noch nicht kannte und durch Phlegma und
Sorglosigkeit gleich anfänglich die günstigen Chancen versäumte,
welche einen siegreichen Ausgang des Kampfes ermöglicht hätten.
Statt den Versuch zu machen, die Sardinier vor ihrer Ver-
einigung mit den Franzosen zu schlagen, setzte er sich in der
sumpfigen Lowellina fest und ließ diesen Zeit, das Gros ihrer
Armee in Genua zu landen. Am 12. Mai folgte der Kaiser
selbst, begleitet vom Marschall Vaillant und dem Prinzen Napo-
leon, dem Heere und reichte unter den Mauern Alessandrias sei-
nem Alliirten die Hand.
Giulay in vollständiger Unkenntniß der feindlichen Unter-
nehmungen, ließ anl 20. durch den Grafen von Stadion eine
große Recognoscirung unternehmen, welche zu dem blutigen Ge-
fecht von Montebello führte, dessen ungünstiger Ausgang erst
dadurch recht zu einem Unglück für die Oestreicher ward, daß es
den Grafen Giulay in der unsinnigen Voraussetzung bestärkte:
der Angriff des Feindes werde von Süden her erfolgen.
Dieser Wahn hatte eine Reihe verkehrter Maßregeln zur
Folge, welche von dem Feinde nur allzugeschickt zur Umgehung
der Oestreicher benützt ward, wobei ihm das Corps der Alpen-
jäger unter Garibaldi, welcher als General in die sardinische
Armee eingetreten war, treffliche Dienste leistete. Derselbe be-
währte auch jetzt wieder seinen alten Ruf eines Meisters im
kleinen Kriege auf das Glänzendste, indem er in einer Reihe
siegreicher Gefechte bis Mailand vordrang, so daß Feldmarschall-
Lieutenant Urban gegen ihn aufgeboten werden mußte.
Indessen erfolgten die Hanptschläge an der Sesia. — Ein
heißer Kampf bei Magenta (4. Juni) fiel zum Nachtheil der
Oestreicher aus, obwohl der Soldat mit einer beispiellosen Bra-
vour focht, welche ihm die Achtung des Feindes, wenn auch nicht
den Sieg eroberte, der durch die Rathlosigkeit des Feldherrn ver-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Franz_Giulay Franz Marschall_Vaillant Montebello Garibaldi Urban
Kampf bei Magenta. Solferino. Cavriano.
313
loren ging. Die Franzosen büßten an Todten und Verwundeten
3000, die Oestreicher 4000 Mann ein, und so günstig stand
trotz ihrer Verluste die Sache für die Oestreicher, daß Giulay am
5. die Schlacht erneuern und den Sieg erringen konnte, hätte er
nur seine Corps zu vereinen verstanden.
Statt dessen ward die Räumung Pavia's und Piacenza's
angeordnet, wurden die Besatzungen aus Ancona, Bologna und
Ferrara zurückgezogen und unter Preisgebung Mailands der
Rückzug bis an die Minciolinie befohlen.
Wo sich die Oestreicher zurückzogen, brach die Revolution
aus. In Toscana hatten die Ränke des sardinischen Gesandten
Buoncompagni schon früher den Großherzog zur Abreise ge-
nöthigt; jetzt mußte die Herzogin Louise von Parma, später
auch der Herzog Franz V. von Modena fliehen und auch in
Bologna rief man die Dictatur Victor Emanuels aus.
Indessen hatten sich die Oestreicher, vom Feinde wenig ver-
folgt, hinter den Mincio zurückgezogen und Kaiser Franz Jo-
seph erschien inmitten seines Heeres, um den Oberbefehl zu über-
nehmen, welcher den unfähigen Händen Giulays nicht länger
überlassen bleiben durfte. Mit ihm kam der berühmte General
Heß. Aber anstatt den Angriff des Feindes in der durch Natur
und Kunst so sehr befestigten Stellung zwischen den berühmten
vier Festungen abzuwarten, beschloß der Kaiser, in der Hoffnung
den Gegner zu überraschen, die Offensive zu ergreifen. Indeß
hatte Napoleon mittels eines Luftballons die Stellung der Oest-
reicher recognosciren lassen und empfing wohl vorbereitet ihren
Angriff (24. Juni). Der Hauptkampf entspann sich um die Hö-
hen von Solferino, da Napoleon das Centrum zu sprengen
gedachte. Der Plan gelang, da man östreichischer Seits die Armee
in zwei Hälften getheilt hatte, welche gesonderte Schlachten schlugen,
ohne in rechter Verbindung mit einander zu stehen. — Nachdem
die Stellung von Solferino gewonnen war, erfolgte der Angriff
auf Cavriano, welchem Niel durch ein furchtbares Artillerie-
feuer aus weittreffenden Geschützen Erfolg sicherte. Noch wäh-
rend des Kampfes aber brach ein furchtbares Unwetter herein,
dessen Donner selbst den Donner der Geschütze übertönte und
den Kampf unmöglich machte, weil die hereinbrechende Finsterniß
Feind und Freund nicht unterscheiden ließ. Als der Orkan sich
ausgerast hatte und die Gegend wieder erkennbar ward, hatten
sich die Oestreicher im Centrum und auf dem linken Flügel in
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
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Extrahierte Personennamen: Solferino Cavriano Louise_von_Parma Franz_V. Franz_V. Victor_Emanuels Franz_Jo- Franz Napoleon Napoleon
66
Neueste Geschichte. 2. Periode. Frankreich.
und absteigen mußten, um ihm kniend ihre Ehrfurcht zu bezei-
gen. Sogar vor seinem Schlosse mußte Jeder tief den Hut ab-
ziehen. Wer ihm nur irgend verdächtig schien, wurde nach Si-
birien geschickt. Er gab eine Menge neuer Verordnungen, die
zum Theil lächerlich waren; z. B. verbot er runde Hüte, kurze
Westen und lange Beinkleider, weil diese Trachten in Frankreich
aufgekommen waren und er die Franzosen haßte. Die Unzufrie-
denheit mit ihm wurde immer größer, besonders da er die Gar-
den und den Adel beleidigte, und so bildete sich eine Verschwö-
rung gegen ihn. Graf Pahlen und General Benningsen leiteten
das Complot; Ersterer war der Liebling Pauls. Dieser hatte
ihn mit Ehren und Landgütern überhäuft und ihm sein ganzes
Vertrauen geschenkt. Den Tag vor der Ermordung schrieb die
Schauspielerin Chevalier, auf welche Paul viel hielt, an den Kai-
ser und entdeckte ihm die ganze Verschwörung. Er ließ sogleich
Pahlen kommen. „Da lies!" sprach er. Der Graf las und er-
schrak, faßte sich aber schnell. „Es ist Alles wahr, Sire!" sagte
er; „aber seien Sie ohne Sorgen. Ich gehöre zur Verschwörung
und leite Alles. Nur um Sie nicht zu beunruhigen, habe ich
geschwiegen. Lassen Sie nur die Sache zur Reife kommen, da-
mit ich die Verräther zu den Füßen Ihres Thrones legen kann."
Paul ließ ihn gehen. Pahlen eilte zu den Verschworenen und
diese (unter ihnen die Gebrüder Subow und der General Uwarow)
begaben sich gleich am folgenden Tage, am 23. März 1801, beim
Anbruche der Nacht, in zwei Hausen in den Michaelispalast.
Der eine, von Pahlen angeführt, bleibt als Reserve zurück; Ben-
ningsen dringt bis zu den Gemächern des Kaisers vor. Der
Leibhusar, welcher die Thüre des Schlafzimmers vertheidigen will,
wird niedergehalten und ein herbeieilender Kammerdiener gezwun-
gen, dieselbe zu öffnen. Der Kaiser, welcher sich in das Zimmer
der Kaiserin hätte retten können, wenn er nicht allabendlich aus
Argwohn die Thüre dahin verrammelt hätte, suchte sich hinter
den Bettvorhängen zu verbergen. Benningsen entdeckt ihn und
fordert ihn auf, die Entsagungsacte zu unterzeichnen. Paul wei-
gert sich. In diesem Augenblick macht ein Geräusch die meisten
Verschworenen entfliehen. Benningsen allein hält den Kaiser mit
der Degenspitze zurück. Die Andern kehrten bald wieder und
umgaben den Kaiser von neuem. In dem Tumult wird chie
Lampe umgeworfen; Benningsen läuft nach Licht, und als er
zurückkommt, findet er Paul unter den Streichen der Mörder.
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Extrahierte Personennamen: Subow
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Michaelispalast
Einzug in Moskau.
85
seine Heere der Macht des Feindes nicht gewachsen; er hatte nicht
halb so viel als dieser. Die Russen zogen daher langsam und
fechtend in das Innere ihres Landes zurück. Napoleon schickte
einen Theil des Heeres unter Oudinot auf die Straße nach
Petersburg. Aber hier vertrat ihm Wittgenstein den Weg
und vertheidigte sich so gut, daß trotz mehrerer Schlachten die
Franzosen hier nicht weiter als bis zur Düna kamen. Besser ge-
lang es Napoleon selbst, der mit seiner Hauptmacht gerade auf
Moskau losging. Zwei Tage lang wurde zwischen den Franzo-
sen und den Russen unter Barclay de Tolly und Vagration
am 17. und 18. August 1812 bei Smolensk blutig gefochten;
40.000 lagen todt oder verwundet auf dem Wahlplatze. Die
Stadt ging meist in Feuer auf, und die Russen mußten sich zu-
rückziehen. Jetzt übernahm der alte Kutusow den Oberbefehl
über die Russen. Auch er ging immer weiter zurück, nahm aber
alle Viehherden mit und machte das ganze Land, so weit er zog,
zur Wüste, damit die Franzosen nichts fänden, die wirklich auch,
seitdem sie die russische Grenze überschritten, mit Mangel zu
kämpfen hatten und dadurch viele Menschen und noch mehr
Pferde verloren. Am 6. und 7. September lieferte er den Fran-
zosen die große Völkerschlacht an der Moskwa oder bei Mo-
saisk. Eine blutigere Schlacht hat selten die Geschichte gesehen;
80.000 Leichen sollen das Schlachtfeld bedeckt haben! Napoleon
selbst rief, als er durch die Leichenhaufen ritt: „Ein solches Schlacht-
feld habe ich noch nie gesehen!" Die Schlacht blieb unentschie-
den. Aber Kutusow zog es vor, noch weiter zurückzugehen und
lieber Moskau preiszugeben, als eine neue Schlacht zu liefern.
Jetzt verließ Alles, was nur laufen oder fahren konnte, Moskau.
Von 350,000 Menschen blieben kaum 30,000 zurück. Graf
Rostopschin, Befehlshaber der Stadt und ein wüthender Fran-
zosenfeind, machte, ehe er die Stadt verließ, alle Anstalten, Alles
zu vernichten, was den Franzosen von Nutzen sein konnte.
Sieben Tage nach der Schlacht, am 14. September 1812,
erreichte Napoleon die Thore der Stadt. Sie standen offen, die
Straßen waren leer, ganz wie einst in Rom beim Anzuge der
Gallier. Kein Magistrat kam ihm entgegen; eine fürchterliche
Stille lag über der ganzen ungeheuern Stadt. Mit Beklemmung
hielt Napoleon endlich seinen Einzug und stieg im Kreml ab.
Hier erst fing er an, sich zu beruhigen und rief freudig aus:
„Also bin ich nun endlich in Moskau, im Kreml!" Indeß dauerte
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Barclay August Napoleon Kutusow Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Petersburg Wittgenstein Moskau Franzo- Smolensk Moskwa Moskau Moskau Rom Moskau
102
Neueste Geschichte. 2. Periode. Freiheitskampf.
welchen sie durch ihre Tapferkeit und ihre Ausdauer auch bei
Leipzig bewiesen haben. Am Nachmittag des 16. October schien
es, als sei der Kamps zu ihren Gunsten entschieden und schon
hatte Napoleon eine Siegesbotschaft an den König von Sachsen
geschickt; aber es zeigte sich bald, daß er zu zeitig triumphirt
hatte, und als sich die Sonne neigte, standen die Heere bei Wa-
chau fast eben so wie bei dem Beginn des furchtbaren Kampfes,
wogegen Blücher bei Möckern die größten Vortheile erfochten
hatte. Dort hatten die Preußen, besonders die Dorische Abthei-
lung, den blutigsten Kampf des ganzen Krieges zu bestehen: drei-
mal mußten sie das Dorf int Sturm nehmen und dreimal wurde
es ihnen wieder entrissen, aber zuletzt behielten sie dennoch den
Sieg, welcher freilich durch den Tod einer ungemein großen An-
zahl muthiger Jünglinge und Männer erkauft war. — Am 17.
October versuchte Napoleon ttoch einmal, die Oestreicher durch
lockende Versprechungen zum Abfall von den Verbündeten zu be-
stimmen; aber der Kaiser Franz wollte davon Nichts hören. Der
17. ging ohne größere Waffenthat vorüber, beide Heere bereite-
ten für den folgenden Tag den erneuerten, entscheidenden Kampf
vor. Die Verbündeten erhielten durch die Ankunft des Kron-
prinzen von Schweden erwünschte Verstärkung von Norden her,
und es blieb nun das Netz, welches man um Napoleon gezogen
hatte, nur westlich ttach Lindenau hüt geöffnet. Derselbe hatte
seine Stellung an diesem Tage in Probstheida genommen, und
um dieses Dorf entbrannte der schrecklichste Kampf, welcher zahl-
lose Opfer verlangte. Zuletzt vermochten die Kämpfenden nicht
mehr über die Haufen von Leichen hinwegzukommen. Die drei
verbündeten Fürsten wohnten auf eitler benachbarten Anhöhe dem
fürchterlichen Kampfe bei, und thaten dem Blutbad endlich Ein-
halt, weil sich die Schlacht auf allen andern Seiten bereits hin-
länglich zu ihren Gunftett entschieden hatte. Besonders hatte der
Kronprinz von Schweden und Blücher dem Marschall Ney eine
große Niederlage beigebracht, und um die Zuversicht Napoleons
vollends zu beugen, waren endlich die sächsischen Truppen mit
fliegenden Fahnen und klingendem Spiel zu den Verbündeten
übergegangen. Die vereinigten Herrscher erhielten nun eine frohe
Siegesbotschaft nach der andern, wogegen Napoleon nur noch
daran denken konnte, seinen Rückzug zu decken. Auf einem Hüge>
neben einer halb zerfallenen Windmühle bei Probstheida saß er
auf einem hölzernen Schemel und dictirte die Anordnung des
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Franz Franz Napoleon Ney Napoleons Napoleon
291
treffliche Kriegszucht die Meisten gerettet. Es wäre kein Wunder
gewesen, wenn Jeder davon gelaufen wäre, und sich gerettet
hätte, so gut er konnte. Aber keineswegs! — Sobald das
Geschrei: „Der Feind ist da!" wie ein Lauffeuer durchs Lager
flog, stürzte Alles aus den Zelten, und in wenigen Augenblicken
standen mehrere Regimenter in Reihe und Glied da. Diese
warfen sich dem Feinde entgegen, und wo sie auf ihn stießen,
warfen sie ihn mit dem gewohnten Muthe zurück. Anfangs
konnte man sich in der Dunkelheit nicht erkennen; die -Preußen
tappten nach den Bärmützen der Destreicher, und diese nach den
Blechmützen der preußischen Grenadiere. Als aber der Tag an-
brach, lag ein dicker Nebel auf beiden Heeren, der durch den
Pulverdampf noch vermehrt wurde. Seidlitz flog mit der Rei-
terei wie ein kühner Adler umher, und hieb fürchterlich ein,
wo er nur auf den Feind traf.
Bald stand das Dorf Hochkirch in hellen Flammen, und
die düstre Lohe erleuchtete das blutige Schlachtfeld. Auf die Be-
hauptung des Dorfes kam Alles an; daher wurde hier am hef-
tigsten gestritten. Die wenigen Preußen, die es vertheidigten,
wurden bald überwältigt, und so oft auch neue Regimenter
anrückten, es wieder einzunehmen, so blieben doch zuletzt die
Kaiserlichen im Besitz. In allen Gaffen des Dorfs lagen Hau-
fen von Todten und Sterbenden. Feldmarschall Keith bekam
einen Schuß in die Brust, stürzte nieder, und starb ohne einen
Laut. Fünf Stunden dauerte das Gefecht; da gab Friedrich den
Befehl zum Rückzuge, der auch von dem ermatteten Feinde nicht
gestört wurde. Aber in welch trauriger Verfassung befand sich
das preußische Heer! Fast alles Gepäck, fast alle Kanonen wa-
ren verloren, die meisten Generale verwundet; selbst der König,
der im stärksten Feuer gewesen, und dem ein Pferd unter dem
Leibe erschossen war, hatte eine, obwohl leichte Verwundung,
und es hatte wenig gefehlt, daß er gefangen worden wäre.
Schon wak er vom Feinde umringt gewesen, und nur durch die
Tapferkeit seiner ihn begleitenden Husaren wurde er gerettet.
Die niedergeschlagenen Soldaten blickten nun auf ihn, und da
sie sahen', daß er ein heiteres Gesicht machte, schöpften sie neuen
Muth, und meinten, Fritz — so pflegten sie ihn zu nennen —
werde schon den Schaden wieder gut machen. Dies Vertrauen
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TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Keith Friedrich Friedrich Fritz_—
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die Anhöhen auf der andern Seite zu ersteigen, und sich- darauf zu
behaupten. Daun hielt es für mißlich, am folgenden Tage einen
neuen Angriff abzuwarten, und zog während der Nacht in größ-
ter Stille über die Elbe. Eine schreckliche Nacht! Preußen und
Oestreicher irrten durch einander im Walde umher, ohne sich zu
ihren Abtheilungen zurecht finden gu können. Einigen Haufen
glückte es, Wachtfeuer anzuzünden, und bei diesen fanden sich
sowohl Preußen als Kaiserliche ein, die — sonderbar c;enug! —
mit einander ausmachten, sich in der Nacht friedlich zu vertra-
gen, und sich am Morgen dem zu ergeben, der Sieger geblie-
den wäre. Die armen Menschen waren durch Kälte, Hunger
und schwere Blutarbeit bis auf den Tod ermüdet; Manche hat-
ten kein Brot, Andere kein Wasser, und noch Andere liefen vor
Kälte wie unsinnig herum. Am bedaurungswürdigsten waren
aber die Verwundeten, die vor Kälte erstarrt die rauhe Novem-
bernacht auf der feuchten Erde liegend zubringen mußten, ohne
Verband, Labsal und Nahrung, und sehnlichst den Tod herbei-
wünschten. Unmenschen von Knechten, Weibern und Soldaten
vermehrten noch diese Martern, indem sie auf dem Schlachtfelde
herumstreiften, und den armen Verwundeten ihre wenigen Hab-
seligkeiten nahmen, ja ihnen selbst die Kleider und das Hemde
abrissen, und gegen die jammernden Klagen der Unglücklichen
taub blieben.
Der König brachte die schaurige Nacht unter sehr trüben
Gedanken in der Kirche eines nahen Dorfes zu. Hier ließ er
sich seine Wunde verbinden; dann setzte er sich auf die unterste
Stufe des Altars, und fertigte beim Scheine einer düstern
Lampe die nöthigen Befehle zum morgen zu erneuernden An-
griffe auf. Die Nacht wurde ihm und Allen unsäglich lang;
er sehnte sich, die endliche Entscheidung des blutigen Kampfes
herbeizuführen. Dann und wann mußten seine Leute draußen
zusehen, ob es denn immer noch nicht dämmere. Endlich ließ
er sich das Pferd vorführen, und ritt in der ersten Dämmerung
zum Dorfe hinaus, nach der Richtung, wo Ziethen stand. Hier
kam ihm ein Trupp Reiter in weißen Mänteln entgegen. Einer
sprengte vöran — es war Ziethen selbst —, und rief, sobald
' er den König erkannte: „Ew. Majestät, der Feind ist geschla-
gen; er zieht sich zurück." Nie hatte der König eine herrlichere
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]