4
Mittlere Geschichte.
der Franken, Bischof Gregor von Tours: „So fällte Gott täglich seine Feinde
unter feiner Hand, darum, daß er mit rechtem Herzen vor ihm wandelte und that,
was seinen Augen wohlgefiel."
Chlodwig genoß die Früchte seiner Frevelthaten nicht lange. Er
starb schon 511 in seiner Hauptstadt Paris, erst 45 Jahre alt. Sein
Reich wurde unter seine vier Söhne verteilt.
6. Das Lehnswesen. Das fränkische Reich war von Anfang an
stark und fest durch das L eh ns wesen. In den vielen Kriegen wurde
das eroberte Land größtenteils Königseigentum. Der König teilte es
mit seinem Gefolge, und jeder erhielt sein Losteil als freies Eigentum,
als Allod. Dennoch behielt der König für sich so viel, daß er den Ge-
treusten und Höchsten seines Gefolges noch Land geben konnte, das ihm
zwar eigen blieb, jenen aber zur Nutznießung gelehnt war. Ein solches
Land hieß Lehen (feudum, beneficium, d. i. Wohlthat). Der Geber
war der Lehnsherr, der Empfänger hieß Lehnsmann oder Basall.
Der Vasall besaß das Lehen, wenn er es nicht durch Treulosigkeit
(Felonie) verwirkte, gewöhnlich auf Lebenszeit. Abgaben bezahlte der
Lehnsmann davon nicht; nur war er in jedem Streite zur Heeresfolge
verpflichtet; auch mußte er von Zeit zu Zeit Hofdienst leisten, d. h. an
dem Hofe erscheinen. Auch die Häupter der Kirche, die Bischöfe und
Erzbischöfe, meist Welsche, wurden nicht mit Geld besoldet, sondern er-
hielten Lehen. Dadurch wurde die Kirche bald reich und konnte selbst
kleine Lehen austeilen, ebenso wie die großen Vasallen dies thaten. Solche
kleinere Lehen waren: einzelne Städte, Burgen und Schlösser, Fischereien,
Wälder, Weinberge, Salzpfannen, Mühlen, Brauereien, Häuser, Höfe,
selbst einzelne Hufen. Vor allem aber wurden Klöster mit ihren reichen
Einkünften oft an weltliche Große gegeben. Später galten auch Ämter,
wie die der Schultheißen, Vögte und Grafen, als Lehen. Für diese
niederen Lehen wurden entweder geringe Dienste verlangt, z. B. den
Wagen eines Klosters zu geleiten und gegen räuberische Anfälle zu
schützen, den Abt zu Pferde zu begleiten oder ihm das Pferd zu leihen;
oder es wurde für den Nießbrauch des Lehens ein jährlicher Zins gezahlt.
Aus den kleinen Lehnsleuten entstand der niedere, aus den höchsten
der hohe Adel.
Ii. Zustinian; 527-565.
3. Fall des Vandalenreichs. Als das weströmische Reich
bereits untergegangen war, gelangte das oströmische unter dem Kaiser
Justinian noch einmal zur Blüte. Er kehrte seine Waffen zunächst
gegen das Vandalenreich in Afrika. Sein Feldherr Belisar zog
siegreich in die Hauptstadt Karthago ein, und das Vandalenreich wurde
534 eine oströmische Provinz.
Der einst so kräftige Stamm der Vandalen hatte unter der heißen Sonne
Afrikas und bei der veränderten Lebensweise seine alte Kraft verloren. Sein König
verteidigte sich in einem Bergschlosse des Atlas drei Monate lang. Dem Verhungern
nahe, ließ er den feindlichen Hauptmann, der ein Deutscher war, um drei Dinge
bitten: um ein Stück Brot, seinen Hunger zu stillen, um einen Schwamm, seine
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Extrahierte Personennamen: Gregor_von_Tours Gregor Chlodwig
Chlodwig.
3
In Paris gelobte er den zwölf Aposteln, da, wohin er gerade seine Streit-
axt schleuderte, nach glücklicher Rückkehr eine Kirche zu bauen. Er be-
siegte die Westgoten bei Vougle (spr. Wuglee), nahe bei Portiers 507
(Poatje). Der Westgotenkönig Älarich wurde von Chlodwig beim Auf-
einanderrennen in der Schlacht durchbohrt; Chlodwig unterwarf sich
das Land bis zur Garonne. Den südlichsten Teil Galliens erhielt der
Sohn des gefallenen Königs, beschützt von seinem Großvater, dem Ost-
gotenkönige'theodorich. Spanien wurde seitdem der Hauptsitz der
Westgoten; ihre Hauptstadt wurde Toledo.
Auf der Heimkehr erhielt Chlodwig in Tours (spr. Tuhr) von dem
oströmischen Kaiser für die Besiegung der ketzerischen Arianer Titel und
Gewand eines römischen Patricius. (Beschützer Roms.) In der
Kirche, vor dem Grabe des heiligen Martin', bekleidete er sich mit der
purpurnen Toga und setzte sich die Krone aufs Haupt. So geschmückt,
trat er unter das Volk. Jetzt erst betrachteten ihn die besiegten Gallier
als ihren rechtmäßigen König, und auch den Franken erschien er im
Lichte höherer Würde.
e. Chlodwigs Grausamkeit und Tod. Als Chlodwig so Gallien
im Osten bis an die Rhone, im Süden bis an die Garonne erobert
hatte, suchte er durch grausame Ermordung aller fränkischen Stammes-
häupter die Herrschaft über das ganze Frankenreich sich und seinen Nach-
kommen zu sichern.
Dem Sohne des Siegbert von Köln schrieb er: „Dein Vater ist lahm
und zu alt, um noch König zu sein." Der Sohn ließ infolgedessen den Vater er-
morden, als dieser auf einer Jagd im Walde Mittagsruhe bielt. Als der Mörder
aber den Gesandten Chlodwigs die gewonnenen Schatze zeigen wollte und sich beim
Offnen des Kastens bückte, erschlug ihn einer der Franken hinterrücks mit der Streit-
axt. Dann sprach Chlodwig zum Volke: „Meines Detters Sohn hat seinen Vater
durch Meuchelmörder umbringen lassen und jetzt selbst — durch wen, weiß ich nicht —
den verdienten Lohn gefunden. Es ist sündhaft, das Blut seiner Verwandten zu ver-
gießen. Wendet euch zu mir und begebt euch in meinen Schutz." Da erwählte ihn
das Volk zum Könige.
Ein Frankenfürst hatte Chlodwig nicht gegen die Römer geholfen. Jetzt ließ
dieser ihm und seinem Sohne die Haare scheren und machte beide zu Geistlichen.
Der Sohn sprach zum Vater: „Das Laub ist abgestreift, aber das Holz noch grün
und kann zum Verderben jenes wieder Blatter treiben." Da ließ Chlodwig beide
hinrichten und nahm ihr Land in Besitz. Ein anderer Frankenfürst war wegen seiner
Schwelgerei bei seinen Unterthanen verhaßt. Chlodwig bestach einige aus dessen
Gefolge durch eherne Waffenringe und Wehrgchenke, die er für goldene ausgab. Da
führten sie ihren Herrn gebunden vor Chlodwig; dieser rief aus: „Wie hast du unser
Geschlecht so tief erniedrigen können, dich binden zu lassen? besser der Tod!" und
mit der Streitaxt spaltete er ihm den Kopf. Dann schlug er auch des Königs Bruder
mit den Worten nieder: „Hättest du deinem Bruder geholfen, so wäre er nicht
gebunden worden!" Zu den Rittern aber sprach-Lr: „Für eure falschen Thaten
gebührt euch falsches Geld. Freut euch, daß ich euch für euren Verrat nicht hin-
richten lasse!" Als er seine ganze Familie ausgerottet hatte, hörte man ihn oft
klagen, daß er freundlos und allein stünde. Er that es aber nur, um den, der sich
etwa zeigen würde, gleichfalls zu ermorden. Dennoch sagt der alte Geschichtsschreiber 1
1 Der heilige Martin, ein germanischer Kriegsmann, war im 4. Jahrhundert
als christlicher Missionar in Gallien aufgetreten und hatte das große Münster in
Tours gestiftet.
1*
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Justinian. (527—565.)
5
Thränen zu trocknen, und um eine Harfe, seinen Jammer zu besingen. Er erhielt
das Verlangte, mußte sich aber doch bald ergeben. Belisar führte ihn in silbernen
Ketten nach Konstantinopel und feierte einen glänzenden Triumphzug.
b. Fall des Ostgotenreichs. Die Ostgoten hatten nach Attilas Tode
Pannonien besetzt und nur durch einen jährlichen Tribut sich von der Eroberung
Ostroms abhalten lassen. Theodorich, der Sohn eines Ostgotenkönigs, hatte seine
Jugend als Geisel in Konstantinopel verlebt und dort römische Bildung kennen gelernt.
Nach seiner Rückkehr wählten ihn die Ostgoten zu ihrem Könige. Um die unruhigen
Ostgoten als Nachbarn los zu werden, forderte der oströmische Kaiser den Theodorich
zur Wiedereroberung Italiens auf und verlieh ihm den Titel eines römischen Statt-
halters und Anführers. Italien eroberte er ganz, nachdem Odoaker von ihm besiegt
und treulos ermordet war. Theodorich, 1 der Große genannt (493—526), war
ein wahrer Wohlthäter für das, durch die vielen Kriegszüge zerrüttete Italien; in
seinem Reiche suchte er römische und gotische Weise zu verschmelzen, und sogar die
römische Bevölkerung pries die Zeit seiner Negierung als eine goldene. Das be-
freundete, scheinbar sogar abhängige Verhältnis zu Ostrom behielt er bei; aber dennoch
galt er allen germanischen Völkern als der gewaltigste ihrer Heerkönige, der vielleicht
schon daran dachte, alle Germanen zu einem Staatenbunde zu vereinigen. Theodorichs
gewaltiger Arm reichte weit: er schützte die Alemannen, Westgoten und Burgunder
vor völliger Unterwerfung durch Chlodwig; sein Reich umfaßte außer Italien noch
Sicilien, Rätien, Noricum, Istrien, Dalmatien und Pannonien. Aber nach kurzer
Blüte unter ihm verfiel das mächtige Reich unter seinen Nachfolgern.
Durch die Erfolge in Afrika ermutigt, sandte Justinian den Belisar
auch nach Sicilien, das bald besetzt wurde. Dann unterwarf Belisar
rasch die Städte Unteritaliens und rückte vor Rom, dessen Einwohner
aus Haß gegen die Goten, die Arianer waren, den Oströmern die Thore
öffneten. Auch Ravenna geriet in seine Gewalt. Da wurde Belisar,
durch Verleumder verdächtigt, abgerufen, und nun unterwarfen sich die
Ostgoten in zwei Jahren fast ganz Italien wieder. Noch einmal sandte
der Kaiser den verdienten Feldherrn nach Italien; aber voll Mißtrauen
geaen ihn gab er demselben ein so kleines Heer, daß er nichts aus-
richten konnte. Nach fünf Jahren rühmlosen Krieges bat er selbst den
Kaiser, ihm die Rückkehr zu gestatten. Die Bitte ward ihm gewährt;
aber er verlor die Gunst seines Herrn abermals und starb voll Schmerz
über den Undank der Menschen. *
An seiner Stelle ward Narses mit einem wohlgerüsteten Heere
nach Italien geschickt. Er schlug die Ostgoten in offener Feldschlacht
und besetzte Rom. Da erhoben die Goten Tejas auf den Schild. Auf
den Höhen am Golf von Neapel kam es zur letzten Schlacht, in der die
Goten fast gänzlich aufgerieben wurden. Damit verschwand der
Stamm der Ostboten. Italien ward unter dem Namen Exarchat
eine Provinz des griechischen Kaiserreichs und Narses ihr erster Statthalter.
Von der Übermacht gedrängt, zogen die Goten weiter die Höhen hinauf; als
es an Nahrung für Menschen und Tiere fehlte, zäumten sie ihre Pferde ab und ließen
sie gehen. Der Kampf begann, allen voran leuchtete Tejas. Die Feinde erkannten
ihn und richteten ihre Speere hauptsächlich aus ihn; aber er fing sie alle mit dem
Schilde auf und erlegte viele. Wenn der Schild von den aufgefangenen Speeren zu
1 Weil Theodorich bei der Stadt Verona, die von den Deutschen Bern
genannt wurde, den Odoaker besiegte, heißt er in der deutschen Heldensage Dietrich
von Bern. 2 Die Sa ge erzählt, Belisar sei geblendet und seines Vermögens
beraubt worden, so daß er sein Brot vor den Thüren habe betteln müssen.
553
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6
Mittlere Geschichte.
schwer war, ließ er sich einen neuen reichen. So stand er unbeweglich. Gegen
Abend wollte er wieder seinen Schild wechseln, in dem 12 Speere hingen, da flog
ihm ein Speer in die unbedeckte Brust, daß er tot niederfiel. Aber sein Fall ent-
flammte die Goten nur noch mehr. Bis tief in die Nacht kämpften sie und erneuerten
am folgenden Morgen den Angriff; am Abend dieses Tages waren sie von der
blutigen Arbeit ermüdet. Sie ließen Narses sagen: „Wir sehen ein, Gott hat uns
Italien nicht beschieden, wir wollen vom Kampfe ablassen, wenn du uns freien
Abzug gestatten willst." Mit tiefer Achtung vor so tapferen Männern gestattete
Narses dies: noch 1000 Goten gingen aus dem Lager hervor und suchten sich jenseit
der Alpen neue Wohnsitze.
o. Werke des Friedens. Mehr noch als durch Eroberungen hat
Iustinian durch Werke des Friedens sich ein dauerndes Andenken ge-
sichert. Er ließ die Gesetze der früheren römischen Kaiser, sowie Aus-
sprüche, Erklärungen und Entscheidungen berühmter Rechtslehrer sammeln.
Dieses Buch, Corpus juris genannt, bildet noch heute bei allen gebildeten
Völkern die Grundlage der Gesetzgebung. — Iustinian ist auch der Erbauer
der Sophienkirche zu Konstantinopel. Sechs Jahre wurde daran
gebaut, zeitweise von 10 000 Menschen. Als der Kaiser bei der Ein-
weihung das vollendete Werk in vollem Glanze erblickte, rief er, die
Hände emporhebend, aus: „Gelobt sei Gott, der mich gewürdigt hat,
solch ein Werk zu vollführen! Ich habe dich übertroffen, Salomo!" —
Unter Iustinian kam auch der Seidenbau nach Europa.
Bis dahin mußten alle Seidenzeuge aus China und Indien bezogen werden
und waren so teuer, daß man sie mit Gold auswog. Infolge der Kriege, welche
Iustinian mit Persien führte, blieben die Seidenkarawanen ganz aus, und der Kaiser
wollte schon ein Schiff das Rote Meer hinunter nach Indien schicken, als zwei persische
Mönche vor ihm erschienen, welche aus China kamen und meinten, der Seidenbau
lasse sich auch in Griechenland einführen, wenn man nur Seidenraupen habe. Diese
aber waren schwer zu erhalten, da die Chinesen und Inder die Ausfuhr dieser nütz-
lichen Tiere mit dem Tode bedrohten. Auf des Kaisers Zureden unternahmen indes
die beiden Mönche eine zweite Reise nach China und brachten 555 in ihren aus-
gehöhlten Wanderstäben Eier der Seidenraupe mit, die auch glücklich auskrochen.
Bald ward der Seidenbau eifrig betrieben; der Kaiser ließ mehrere Seidenfabriken
anlegen. Bis ins 12. Jahrhundert blieb in Europa Griechenland allein im Besitz
dieser reichen Erwerbsquelle; erst durch die Kreuzzüge kam der Seidenbau nach Unter-
italien und von dort nach Oberitalien, Spanien, Frankreich und den übrigen Ländern.
568 d. Gründung des Longobardenreichs. Im Jahre 568 fielen die
Longobarden unter ihrem Könige Alboin in Italien ein und be-
setzten fast ganz Italien; die Pogegenden erhielten von ihnen den Namen
Lombardei. Pavia wurde die Hauptstadt des neuen Reiches, dem
erst später Karl der Große (774) ein Ende machte.
Dieserzug der Longobarden nachitalien ist der letzte
in der Völkerwanderung, die von 375 — 568 gewährt hat.
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Die Kimbern und Teutonen. 87
der Burg Wobans, getrogen, wo sie in ewiger Jngenb als Wo bans Tisch- und Kampfgenossen lebten. Die Feiglinge und alle Unehrlichen kamen in das finstere Reich der Hel, in die Hölle.
Unsere Vorfahren verehrten ihre Götter nicht in Tempeln, soitbern in heiligen Hainen; benn sie hielten ihre Götter für zu erhoben, als daß sie in Gebäuben von Menschenhanb wohnen sollten ober in menschlicher Gestalt abgebilbet werben könnten. Doch fcmben sich später, befonbers in den walblosen Gegenben Deutschlands, auch Tempel und Götzenbilber. Die gewöhnlichen Opfergaben waren Früchte des Felbes und Tiere, aber auch Kriegsgefangene und Verbrecher. Die Priester stammten aus eblem Geschlechte. Nur sie bürsten das Heiligtum der Götter betreten; auch mußten sie, z. B. vor Beginn einer Schlacht, den Willen der Götter zu erfahren suchen, inbent sie das Los warfen, den Flug der Vögel beobachteten ober auf das Wiehern der Rosse horchten. Das hohe Ansehen bei dem Volke und die Kunst der Weissagung teilten sie mit den weisen Frauen. Vier große Jahresfeste würden gefeiert. Beim Wieberertveichen der Natur feierte man Ostern, nach der Göttin Ostara so genannt. Der lieblichen Göttin Freia zu Ehren ergötzte sich die Jugenb am Maifeste durch fröhlichen Reigentanz auf blumiger Aue, und im Herbste würde Woban zu Ehren das Erntefest gefeiert. Zur Zeit der Winterfoniieiiwenbe aber, wenn die Sonne der Erbe sich wieber nähert, feierte man das große Jul- ober R ab fest.
2) Die Kimbern und Teutonen.
a. Vernichtung der Teutouen. Die genauesten Nachrichten über unsere Vorfahren verbanden wir den Römern, die mit ihnen manchen blutigen Kampf ausgesuchten haben. Schon etwa hunbert Jahre vor Christi Geburt erschienen an der Norbgrenze des römischen Reiches die Cimbern und Teutonen, beutsche Völkerschaften, die ihre Heimat mit Weib und Kind und aller beweglicher Habe verlassen hatten, um sich im Süben bessere Wohnsitze zu suchen. Die Römer schickten mehrere Heere gegen sie; aber eins nach dem andern würde vernichtet. Ganz Rom zitterte vor biesen nie gesehenen Feiuben, die an Gestalt den Riesen glichen, und bereu Schlachtgeschrei dem Gebrüll des Löwen ähnlich war. Nur einen Mann hatte Rom, der es noch vom Untergänge retten sonnte; das war Marius. Sobald er beit Oberbefehl erhalten hatte, führte er sein Heer gegen die Teutonen, die bamals in Sübgallien stauben und von bort in Italien einbrechen wollten. Um seine Krieger zuerst an den fürchterlichen Anblick und das wilbe Kriegsgeheul der Deutschen zu gewöhnen, schlug Marius zunächst ein verschanztes Lager auf und ließ sich durch keine Herausforberung, keinen Hohn der Feinde zum Kampfe verleiten. Zuletzt verloren die Deutschen die Gebulb und zogen in langen Zügen an dem römischen Lager vorüber in der Richtung nach Italien; höhnisch riefen sie den
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02 Das Altertum.
Klassen.- Damit gaben die Römer den »™T w 'Ä a erobern, auf; sie suchten nur ihre Grenzen
S ,!L sm' M-Jl*rn' inbem sie dieselben durch Gräben,
!¥e Mauern schützten und durch ihr- besten Heere bewachen ließen. Tiberms hatte die Deutschen setber richtig beurteilt- benn de M ff O" der Furcht vor äußerer Gefahr befreit waren, kehrten sie F f pmt f ~ Hermann fiel, erst 37 Jahre alt burd) Erthp Tl ^ersfemf Ruhmes erschlugen ihn unter beut Vor-Sp «ftp r S r 1 Kmngsherrschast strebe. Bei dem deutschen ,mh 87^-Ä "als der Befreier Deutschlanbs im Liebe fort, ist thm bet Detmolb ein schönes Denkmal errichtet worben.
4) Zie Wölkerwanderrmg; 375—568.
mhmpa;n die Hunnen. Die Deutschen waren den
s s ^ ^ deswegen meistens unterlegen, weil sie nie einig waren sonbern immer nur wenige Stämme den Kamps aufnahmen -C B/völkerung wuchs, befto mehr näherten und ver-Srujnm b. einzelnen Stämme; auch hatten sie wohl durch traurige tolfnhpn9' Angesehen daß Einigkeit stark macht. Wenigstens ver-w ? % m be” erften ^ahrhnnberten nach Christi Geburt die meisten bei früheren ^Stamme, und an ihre Stelle treten große Völker-bunbnisse. >;m Osten wohnten die Goten, die aus Skanbinaoieu Ää1 °n ^r Weichselmünbnng niebergelassen und bis Ä rre ausgebreitet hatten; der Dnjester trennte sie in Eh ^erwembte Stämme, wie Vanbalen, Heruler
und Jtugter, hatten sich ihnen angeschlossen. Am Saume der Norb-lee und aus den bavor liegenben Inseln saßen noch wie früher die
s lelöf ^ ^nen öis zum Harz, östlich bis zur Elbe und westlich bis zum Nieberrhein wohnten die Sachsen, von ihrem urzen Schwerte (sachs) so genannt. Ganz Mittelbeutschlanb hatten
gur,5npn^r9 e 1 s1 onei ai? p6err^ein und im Schwarzwalb, zwischen Wasgenwalb und Lech ließen sich die von Osten gekommenen Alemannen meber; die Gegenb am Mittelrhein, um Worms, nahmen
fsw» s qrrer und die Franken wohnten am Nieberrhein. Goten und Alemannen hatten schon wieberholt siegreiche Einfälle in
I °Ee wußten, wie schwach es geworben
fiänh ro?C Kraft desselben nur noch in seinen deutschen Legionen And' Wie verlockend mußte es für sie sein, sich in den schönen ^ h. k - ausdehnten Reiches neue Wohnsitze zu suchen, um so mehr, ba bet der zunehmenben Bevölkerung und der mangelhaften
imh h? !sr9 H die 6i§t)eri9e Heimat ihnen zu eng würde
Osten nachbrängten! Den ersten Anstoß zu einer allgemeinen Volkerwanberung gaben die Hunnen, die schon jahr-
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Die Völkerwanderung. 93
hundertelang in den Steppen Asiens umhergezogen waren und 375 i in Europa einfielen.
Die Hunnen hatten schwarzes, struppiges Haar, gelbe Hautfarbe, schiefe, stechende Augen und hervorstehende Backenknochen. Den Knaben wurden Kinn und Wangen zerschnitten, um durch dichte Narben den Bartwuchs zu verhindern. Die Hunnen waren klein von Körper, hatten aber breite Schulten: und einen dicken Kops; die Römer verglichen sie deshalb mit plump zugehauenen Brückenpfeilern an einem Geländer. Feste Wohnsitze hatten die Hunnen nicht; Häuser mieden sie wie die Gräber, selbst Hütten von Rohr fand man bei ihnen nicht; von Kindesbeinen an schweiften sie im Freien umher und lernten Frost und Hitze, Regen und Schnee ertragen. Sie lebten ohne Ackerbau und nährten sich von den Wurzeln und Kräutern des Feldes, sowie von Fleisch, das sie ohne Feuer zubereiteten, indem sie es wie einen Sattel aufs Pferd legten und mürbe ritten. Sie trugen Kittel von Leinen oder aus Fellen von Waldmäusen und umwickelten ihre Beine mit Bocksfellen. Mit ihren Pferden schienen sie fast zusammengewachsen zu sein: zu Pferde hielten sie ihre Versammlungen ab; auf ihnen aßen und tranken, kauften und verkauften, ja schliefen sie sogar. Auf Karren folgten ihnen ihre schmutzigen i Weiber mit den kleinen Kindern nach. „Anderswo geboren, weiterhin erzogen," fo hieß es von ihnen; niemand konnte seine Heimat angeben. Krieg nrtb Plünderung war ihre liebste Beschäftigung. Mit furchtbarem Geheul stürzten sie sich auf ihren schnellen Rossen ohne Ordnung auf den Feind: schon von fern fchossen sie ihre Pfeile, in der Nähe zogen sie ihre Säbel; wich der Feind, so warfen sie ihm ihre Schlinge über den Kopf und schleppten ihn mit sich fort. Wohin sie kamen, erfüllten sie das Land mit Raub, Brand und Mord.
Tb. Die Westgoten; Alarich. Die Hunnen trafen zuerst auf das Volk der Goten, das sich in Ostgoten und Westgoten teilte. Die Ostgoten wurden überwältigt und weiter nach Westen gegen die Westgoten gedrängt. Diese mußten weichen und baten den römischen Kaiser, sie in sein Reich aufzunehmen. Der Kaiser scheute sich, das große und tapfere Volk bei sich aufzunehmen; doch konnte er ihnen ihre Bitte nicht abschlagen, weil sie schon Christen, also seine Glaubensgenossen waren. (S. 104.) Er gewährte ihnen daher ihre Bitte, und die Westgoten zogen nun über die Donau nach Süden. Aber die habgierigen römischen Statthalter suchten die neuen Ankömmlinge auf alle Art zu unterdrücken, die elendesten Lebensmittel, selbst Hundefleisch mußten diese zu hohen Preisen kaufen; als sie bereits all ihr Geld dahingegeben hatten, mußten viele sogar ihre Kinder den Römern als Sklaven überlassen, um nicht Hungers zu sterben. In dieser Not erhoben sich die Westgoten wie ein Mann. Zwei römische Heere wurden von ihnen vernichtet, da zog der Kaiser selber mit einem großen Heere gegen sie aus; aber auch er wurde vollständig geschlagen. Verwundet ließ er sich in eine Bauernhütte tragen und dort bewachen; doch die wütenden Goten umringten die Hütte und verbrannten sie samt dem Kaiser und seinem Gefolge. Ungehindert verheerten sie dann das kaiserliche Reich und machten manche Gegend zur Einöde.
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96 Das Altertum.
4ol die Oftgoten. Aus den katalannischen Ebenen, westlich von Me« wo heute Chalons (fpr. Schalong) an der Marne liegt, trafen die
S!rrlai'snantberäv,tol,rber die gr°ße Hnunenschlacht geschlagen. Bor derselben sprach Attila zu seinen Kriegern: „Die Römer verachtet, fallet über die Deutschen her, in denen ist die Kraft de« Feindes e”a‘* sterben, so werdet ihr sterben, auch wenn ihr fliehet!" Ein entsetzliches Würgen begann; so viel Wut wurde vergossen, daß ein Lach der über das Schlachtfeld rann, vom Blute angeschwollen war mid dennoch suchten die erhitzten Streiter aus demselben ihren Durst zu loschen. So erbittert waren die Kämpsenben gegeneinander basi die Sage erzählt, die Geister der Erschlagenen hätten den Kampf noch drei Tage in den Lüsten fortgesetzt. Attila wurde geschlagen iinö führte die ihm noch verbliebenen scharen nach Ungarn zurück sc Von hier aus fiel er schon im folgenben Jahre in Italien ein.' &r zerstörte Aqutleja, bessen Bewohner vor ihm aufs Meer flüchteten und auf Inseln die Stadt Venebig grünbeten. Ganz Norb-ttalien erfüllte er mit Raub, Morb und Branb; die Einwohner der reichen Städte retteten nur das nackte Leben. Als Attila eben nach Rom aufbrechen wollte, erschien der römische Bischof vor ihm und ba? lhn :m Namen Gottes, die Stadt und das Sanb zu verschonen. jsirutch ließ sich Attila bewegen, nach Ungarn zurückzuziehen; die erzählt, der Apostel Petrus sei am Himmel erschienen und habe dem Bischof mit brohenbem Schwerte zur Seite gestanben. Bald ba-raiif starb Attila plötzlich. Mit abgeschnittenen Haaren und mit zersetzten Gesichtern ritten die Hunnen um das Zelt, in welchem die Arche ausgestellt war, und priesen das Anbenfen ihres entschlafenen Königs, der ein Vater seines Volkes und eine Geißel seiner Feinde gewesen sei. Dann würde der Leichnam in einen golbenen Sarg ge-.e^t, dieser in einen silbernen gestellt, den wieber ein eiserner um-ichloß, und so nebst allerlei kostbaren Waffen und Geräten der Erbe übergeben. Die Gefangenen aber, welche das Grab gemacht hatten, würden getötet, bamit memanb die letzte Ruhestätte des großen Helben verrate. Das von ihm gegrünbete Reich zerfiel balb nach seinem Tode wieber; die unterjochten Volker machten sich frei, und die Hunnen kehrten allmählich nach Asien zurück. Attila aber lebt als König Etzel noch heute in der deutschen Sage fort.
d. Ende des weströmischen Reiches; Ostgoten, Longobarden. Uber die Völkerwanberung, die durch die Hunnen veranlaßt war, hörte nun nicht sofort auf, fonbern währte noch über 100 Jahre. Das weströmische Reich hatte säst alle Besitzungen außerhalb Italiens verloren und war ganz ohne Macht. Die Vanbalen in Afrika, die mit ihrer Flotte, wie einst die Karthager, das Meer nebst Sicilien, Sarbinen und Korsika beherrschten, eroberten Rom und pliinberten es 14 Tage lang so furchtbar, daß feitbem ihr Name für Roheit und Verheerung sprichwörtlich geworben ist. Die weströmischen Kaiser waren nur noch
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila Attila Attila Apostel Petrus Attila Volker Attila
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Italien Rom Gottes Ungarn Asien Italiens Afrika Sicilien Korsika Rom
Die Völkerwanderung. 97
ein Spielball in der Hand ihrer germanischen Söldnerführer; denn ihr ganzes Heer bestand aus Germanen. Als diese in Italien den dritten Teil des Bodens verlangten, ihr Begehren aber abgewiesen wurde, machte der Feldherr Odoaker dem weströmischen Reiche ein Ende, indem erden letzten Kaiser, Romulus Augustulus, der noch 476 ein Knabe war, absetzte und sich fortan König von Italien nannte.
Der Kaiser von Ostrom sah sich jetzt als Kaiser des ganzen Römerreiches an; deshalb forderte er die Ostgoten, die nach Attilas Tode wieder frei geworden waren und im heutigen Ungarn wohnten, auf, Italien zu erobern. Sie standen damals unter dem tüchtigen Könige Theodorich. der sich bereit finden ließ, den Krieg mit Odoaker aufzunehmen. Er besiegte ihn bei Verona (von den Deutschen auch Bern genannt, weshalb Theodorich in der deutschen Sage Dietrich von Bern heißt); aber erst nach fernerem, dreijährigem Kampfe ergab sich Odoaker, nachdem Theodorich ihm das Leben und die Mitherrschaft zugesichert hatte. Bald darauf jedoch stieß Theodorich ihn mit eigener Hand nieder (493). Der oströmische Kaiser erkannte Theodorich als König von Italien an; dieser aber regierte ganz unabhängig, mit Kraft und Weisheit, so daß Italien sich unter seiner Herrschaft wieder erholte.
Ein Jahr nach Theodorichs Tode erhielt Ostrom in Justinian einen tüchtigen Kaiser, der seinen Feldherrn Velisar mit einer Flotte nach Afrika zur Eroberung des Vandalenreichs sandte. Der Vandalenkönig wurde geschlagen und suchte in einer Felsenburg Zuflucht, die nun belagert wurde. Als ihn der römische Feldherr endlich zur Ergebung auffordern ließ, wies der König dies Ansinnen zurück, bat aber, wie die Sage erzählt, um ein Stück Brot, einen Schwamm und eine Harfe, und als der erstaunte Römer fragen ließ, warum der König gerade um dieses bitte, antwortete derselbe: „Ich bitte um Brot, weil ich keins gesehen habe, so lange ich in dieser Festung bin; um einen Schwamm, um meine vom Weinen geröteten Augen zu trocknen; um eine Harfe aber, um bei ihrem Klange mein Unglück zu besingen." Er erhielt das Gewünschte; doch bald zwang ihn die Not, sich zu ergeben, und er wurde in silbernen Ketten nach Konstantinopel gebracht. Jetzt (534) wurde Afrika eine oströmische Provinz; das Volk der Vandalen verschwand damit.
Hierauf besetzte Belisar Sicilien und griff dann die Ostgoten in Italien an. Nach langen erbitterten Kämpfen unterwarf er die ganze Halbinsel; nach seinem Abzüge aber eroberten die Goten fast ganz Italien wieder. Da sandte Justinian den Feldherrn Narses, der von Norden her in Italien eindrang und das Gotenheer zuletzt am Vesuv einschloß. Drei Tage fochten hier die Goten den Kampf der Verzweiflung; da bot ihnen Narses aus Achtung vor ihrer Tapferkeit freien Abzug an, den sie annahmen. Nur 1000 Mann wollten von einem Vertrage nichts wissen, sondern schlugen sich durch, über-
Hoffmeyer und Hering, Hilfsbuch. 7. Aufl. 7
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