L?2 Fünfter Abschnitt.
Der Fürst. Keiner da? Keine Antwortt
V Der Edelknabe (wirft sich herum und murr
welt.) Ich bin ja nur jetzt — nur so eben — Ich
habe ja noch so wenig----
Der Fürst. Das spricht doch. Wer wäre denn
das? -- Lindem er den Schirm von der Lampe zur
rück schlägt und hinsieht.) Ach! ists möglich? Das
Kind? — Hat das bei mir, oder hab ich bei ihm
wachen sollen? Was hat man gedacht?
Der Edelknabe (ist aufgetaumelt und reibt
sich die Augen.) Gnädigster Herr? —
Der Fürst. Komm, komm, Kleiner! Ermun-
tere dich! — Zieh deine Uhr heraus? Meine hier
ist mir abgelaufen.
Der Edelknabe (hält sich an die Armlehne
des Sessels und nickt.) Wie? — wie, gnädigster
Herr?
Der Fürst (lachend.) Du bist trunken vor
Schlaf. Du machst die drolligste Figur von der Welt.
Ich möchte dich gleich so gemalt haben. — Die Uhr,
sag ich, die Uhr sollst du herausziehn. Du sollst
sehn, was die Zeit ist.
Der Edelknabe (indem er langsam naher
tritt.) Die Uhr, gnädigster Herr? — Ach verzeihn
Sie! Ich habe keine.
Der Fürst. Du träumst noch. Was wolltest
du keine Uhr haben?
Der Edelknabe. Ich habe noch nie eine
gehabt.
Der Fürst. Noch nie? Das ist viel.— Dein
Vater schickt dich hieher, und giebt dir nicht einmal
das Nothwendigste? das Einzige, was du zu mei-
ner Aufwartung brauchst? —
Der Edelknabe. Ja, wenn ich noch einen
Vater hatte!
Der Fürst. Du hast keinen mehr? —
Der Edelknabe. Er ist gestorben, eh ich zur
Welt gekommen. Ich hab ihn niemals gekannt.
Der Fürst. Du armer Knabe! — Aber so
konnte doch deine Mutter, dein Vormund —
Der Edelknabe. Meine Mutter, gnädigster
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iz6 Vierter Abschnitt.
richt von meinem Verluste natürlicher Weise verur-
sachen mußte. Sollte es nicht weh thun, liebster
Geliert, zu erfahren, daß alle meine Betten, Klei-
der, Wasche, Bücher, Papiere, Schranke und
Stühle zu Asche verbrannt waren? und Sie wissen,
wie reichlich mich der Himmel mit allen diesem ge-
segnet hat. Gott zum Preise muß ich gestehn, daß
ich mich über diesen großen Verlust nicht einen Au-
genblick betrübte. Es war weder Reflexion, noch
Philosophie, die mich so wunderbar - beruhigte;
Gottes Gnade allein war es. Nichts von allem
habe ich gerettet, als einen abgetragnen Zeugrock,
und ein paar alte Oberhemden, die ich auf die Seite
gelegt hatte, um sie meinem Bedienten zu geben.
Sonntags früh fing man an, auch für die Neustadt
besorgt zu seyn, und viel tausend Menschen gingen
zum Thor hinaus, auf das offne Feld, und in die
Weinberge. Ich folgte mit, und mein Bedienter
mußte mein Bündelten unter den Arm nehmen,
mein ganzer Reichthum. Vor dem Schlage fand
ich einen zerbrochnen Weinpfahl, auf den stützte ich
mich, und watete bei einer brennenden Hitze durch
den Sand eine Meile Wegs weit zu meinem Freun-
de, auf seinen Weinberg, wo ich nothdürftiges
Essen, und gutes Wasser fand. Seit dem izten
Abends war ich in kein Bette gekommen, und auch
hier lag ich bis Mittwochs auf der Erde. Ich ritt
endlich ftlbigen Tages nach Hohenstein, vier Mei-
len von Dresden, und weil mein Bedienter ganz
kraftlos war, so ließ ich ihn zwei Meilen reiten,
und den übrigen Weg ging er zu Fuße. In Hohen-
stein fand ich gute Freunde, die auch abgebrannt
waren, und wir lebten ruhig, bequem und sehr ver-
gnügt. Sonnabends nach dem Bußtage gingen wir
zurück, und ich befinde mich seit dem gesund, doch,
wie Sie wohl glauben können, gar nicht in mei-
ner Ordnung. Ich bin noch vor vielen tausend
Menschen glücklich; denn kein einziger von meinen
Freunden und Bekannten ist verbrannt, oder er-
schossen worden, ich bin gesund geblieben, und habe
»och baar Geld gerettet. Etwas von alte« Tische
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Dramatische Darstellung. 181
Der Edelknabe (langsam aufstehend.) Ja,
gnädigster Herr.
Der Fürst. Deine beiden Augen sind noch
voll Schlafs. — Da geh hin in nietn Kabinet! (der
Knabe geht.) Lösch die Lampe aus! Wirf die Thüren
Zu! (Er löscht die Lampe aus, uyd wirft dir Thüren
zu.) — Nun geh nach dem, wo die Uhren hingen!
Hübsch schnell! — Nein, nein! nach jenem dort ge-
gen über! Geschwinde! — Komm wieder hieher!
Komm zurück! — Bist du nun munter?
Der Edelknabe. Ach ja, gnädigster Herr!
Der Fürst. Sage mir doch — denn ich halte
-ich für einen fleißigen und geschickten Knaben —
Kannst du schon Briefe schreiben?
Der Edelknabe. O wenn ich will!— Schon
ganzer zwei hab ich geschrieben.
Der Fürst. Und die zwei? — An deine Mut-
ter vermuthlich. ' .
Der Edelknabe (sehr freundlich.) An meine
Mutter, gnädigster Herr.
Der Fürst. Die Freude funkelt dir aus den
Augen, wenn ich nur von ihr rede. — (vor sich.)
Wie sehr sich das liebt, weil es arm ist! — Und ist
sie denn eine so gute Frau, deine Mutter?
Der Edelknabe (ergreift des Fürsten Hand
mit seinen beiden.) Ach, wenn Sie sie kennen sollten!
Der Fürst. Das werd ich, Kleiner.
Der Edelknabe. Sie ist so liebreich, so gut —
Der Fürst. Dann wollt ich aber nur wün-
schen, daß sie auch gute Söhne hätte. — Der Fähn-
drich, sagt man, soll nicht der Beste seyn; aber du —
Der Edelknabe (den Kopf schüttelnd.) Ach,
der Fähndrich! der Fähndrich!.
Der Fürst. Man sagt wirklich, daß er ihr
vielen Kummer macht — Wäre das wahr?
Der E krelknabe. Je nu, gnädigster Herr —
Man hat mir nur verboten, davon zu reden. Wenn's
der Oberst erführe — (im Vertrauen.) O das ist ein
harter, häßlicher Mann, der Oberst..
Der Fürst (diehand erhebend.) Behüte! Kein
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r3d Fünfter Abschnitt.
Wort muß er erfahren! — Was ist denn aber vor,
gefallen? Was hats denn gegeben?
Der Edelknabe. Allerhand! Ich weiß selbst
nicht recht, was? -- So viel weiß ich, daß sich
meine Mutter sehr übel darum gehabt; daß sie sich
schon einmal ganz bloß gegeben, um es nur bei Zei-
ten zu unterdrücken — (ganz ua.be an ihn hinainrer
rend und leise.) Er hatte, sagte sie, unglücklich wer-
den; er hatte vom Dienst kommen können.
Der Fürst. Vom Dienst? Ei, wie das?
Der Edelknabe. Ja, das kann ich nicht sa-
gen, gnädigster Herr.
Der Fürst. Mir wohl! Warum nicht? —
Der Edelknabe. Man hats mir selbst nicht
gesagt.
Der Fürst (lachend.) Da hat man sehr klug
gethan. Das ist denn freilich ein anders. — Also
wieder auf dich zu kommen: Du hattest vorhin
keine Uhr. Hast du wohl deiner Mutter um eine
geschrieben?
Der Edelknabe. Ein einzigs mal, aber nicht
wieder!
Der Fürst. Ich merk's. — Ganz gewiß hat
sie dir einen Verweis gegeben?
Der Edelknabe. ^ Ach nein, gnädigster Herr?
Sie will sich behelfen, schreibt sie, um mir so viel
zu ersparen, und sie behilft sich so schon so elend. —
Das jammert mich viel zu sehr.
Der Fürst. Das muß dich auch jammern. Ein
guter Sohn sollte seiner Mutter nicht neue Sorgen
machen; er sollte wünschen, daß er ihr helfen könn-
te. — — Und eine Uhr — Wenns nur um eine
Uhr zu thun ist! die wäre ja wohl noch sonst zu be-
kommen. — (indem er eine Börse herauszieht.) Sieh
hier, kleiner Moritz! Da hatte ich zwölf Dukaten
erübrigt, die ich verschenken könnte, — und — ich
will sie verschenken. Herdeine Hand! (der Knabe
halt die Hand hin, und indem der Fürst zählt) —
Der Edelknabe. Sollen sie mein, gnädik-
srer Herr?
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i44 ' Vierter Abschnitt.
Ich schwöre Dir bei allen Winden, die uns von dein
Hafen zu Bourdeaux aus bis an die holländische
Küste trieben, daß wahrend meinem Hinüberschwe-
den mir nicht eine unmuthige Stunde, kein trüber
Augenblick in den Flug kam, außer da ich mit An-"
bruch des letzten Morgens meines Dolontair-Dien-
stes, von dem Hurra des Schiffsvolks geweckt, ein
Land aus dem Nebel hervorleuchten sah, das ich
beim Schlafengehen noch hundert Meilen entfernt
glaubte, und da bald nachher ich, indeß mein Koffer,
Tagebuch und Puderbeutel in ein kleineres Fahrzeug
geladen ward, das wie ein Sarg auf mein Hinein-
steigen wartete, thränend an der Brust meines guten
Capitains, vor Schmerz kaum ein abgebrvchnes Le-
bewohl stammeln konnte. Ich athmete noch schwer,
als ich schon am Ufer stand, wüßte vor Betäubung
nicht, wie viel oder wie wenig ich den beiden Ma-
trosen, die mich herüber gerudert hatten, als Bei-
trag zur allgemeinen Trink-Kasse aus meiner Geld-
börse in den Hut warf, und winkte mit dem meinen
so lange noch dem lieben Schiffs-Patron zu, bis
mich ein andrer Führer sehr verschiedenen Ansehens
in einen räderlosen Wagen nöthigte, und wie einen
armen Sünder zum Richtplatz von Schevelingen
nach Haag, und von da mit einem untergelegten
Pferde nach der Leydener Treckschüte hinschleifte.
6. Zollikofer an Garve.
Leipzig, den 22. Aug. 1779.
Endlich, mein liebster Freund, hat mich das
traurige Schicksal wirklich getroffen , das mir schon
so lange drohte. Ich habe sie verloren die treue
Gefährtin durch einen fo beträchtlichen und den
besten Theil meines Lebens Ehegestern, den i9ten
dieses, Hat sie mir der Tod entrissen. Aber doch ein
sanfter, sanfter Tod, ein bloßer Schlummer ohne
Aufwachen — ein Tod, so wie sie sich ihn gewünscht,
f*
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i84 Fünfter Abschnitt.
fer.^wölfdukaten! (indem er sie ansieht.) Das
ist freilich viel Geld! Gewaltig viel Geld! Wem
sie die hatte, davon könnte sie lange, lange leben —
( Er drückt das Geld mit beiden Handen gegen die
Brust.) Ach, eine Uhr, eine Uhr! — (und indem er
die Hände wieder sinken läßt.) Aber auch eine Mut-
ter! eine so gute Mutter! —- Sie war noch gestern
so niedergeschlagen. Sie sah so blaß aus, so krank!
Ich glaube, wenn ich das Geld ihr wiedergäbe: ihr
wär auf einmal geholfen. «-» Soll ichs denn thun?
Soll ich^ ihr geben? —- (entschlossen.) O ja! O ja!
-----Aber bald muß sie kommen; denn sonst ge-
reut's mich wieder. Dre Uhr liegt mir zu sehr am
Herzen — (den Zeigefinger an den Lippen.) Horch!
Stille! Wer kömmt? -*
Neunter Auftritt.
Der Edelknabe. Frau von Detmund.
Der Hauptmann.
Der Edelknabe (ihr entgegen.) Liebe Ma-
ma —
Frau von Detmund (sich schüchtern umser
hend und ohne auf das Kind zu achten.) Ich weiß
nicht; — ich bin so unruhig, mein Bruder. Wenn
ich nur seine Absichten wüßte! Wenn ich nur gleich
vorher wüßte — —
Der Hauptmann. Seine Absichten?Da
sieh das Kind an! Das Kind giebt Er dir wieder.—
(indem sie erschrocken auf den Knaben sieht, dev ihr
mit großer Freundlichkeit ihre Hand küßt.) Es war
auch wohl beim Himmel! sehr thöricht, daß du es
herbrachtest. Was soll es dem Fürsten? —* Die an-
dern Edelknaben! die werden groß und gehen in
Dienst: aber der — (verächtlich die Hand gegen ihn
hinwerfend) der ist zu allem verdorben! den drückt
der Kummer und der Gram nieder, womit du ihn
aufgesaugt hast! der wird in seinem Leben nicht
wachsen:
Frau von Detmund (schmerzlich.) Mein
Bruder!
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iö8
Fünfter Abschnitt.
Frauvondetmund (in Verlegenheit.) Mein
Kind — (laut.) O verzeihen Ihro Durchlaucht!
Verzeihen Sie der Einfalt eines Kindes, das der
Ehrerbietung vergißt!
Der Fürst. Verzeihen, Madame? — Diese
Einfalt entzückt mich. Ich wollte, ich könnte in die-
ser Einfalt mit allen Menschen leben. Sie ist so sehr
rn der Natur. — Immer sprich, Kleiner! Was
war's? Wollte dir deine Mutter vielleicht nicht
glauben?
Der Edelknabe (halb ärgerlich.) Nein, gnä-
digster Herr! — Erst wollte sie mir nicht glauben-
und nachher auch nid>t nehmen.
Der Fürst. Was hör' ich? Nicht nehmen?
— Also hast du wohl gar mein Geschenk so verach-
tet, es wieder wegzuschenken? — Ich will nicht
hoffen!
Der Edelknabe (betreten.) Gnädigster Herr?
Der Fürst. In der That; das würde mir we-
nig Lust machen, dir mehr zu schenken. — Nur
gleich bekannt! Hast du's gethan!
Der Edelknabe (sich entschuldigend, indem
er auf seine Mutter zeigt.) Sie ist so arm, gnädig-
ster Herr!
Der Fürst. Du guter Knabe! (ihm unters
Kinn greifend.)------Und also hast du deinen ein-
zigen Wunsch, deine liebste Begierde aufgeopfert,
um deiner Mutter zu helfen? — O wahrhaftig?
Dann wäre es Jammer, wenn du deine Uhr solltest
verloren haben.— (indem er seine eigne Uhr hervor-
zieht.) Aber sieh! Und wenn ich nur diese einzige
hätte; — um deine Zärtlichkeit zu belohnen: — (Er
giebt sie ihm.) Du solltest sie dennoch haben!
Der Edelknabe (freudig zugreifend.) Ach
gnädigster Herr! — Ist sie im Gange?
Der Fürst. Sey ruhig! In vollem Gange.
— ( indem der Knabe zu seiner Mutter läuft, sie ihr
zu zeigen, ) Aber wenn man's bedenkt: ist es nicht
schlimm in der Welt? Die meisten Reichthümer wer-
den von Schwelgern besessen , die sie verschwenden,
oder von Geizhälsen, die sie verschließen. Männer,
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152
Fünfter Abschnitt.
vollkommen Recht haben, und daß Sie das Ihrige
in solchen Händen unmöglich lassen können. Ich gehe
und mache das Testament. —
Recht, mein Herr Doktor! Und wenn's fertig
ist, und Sie und ich und die Zeugen unterschrieben
haben; dann mag der Tod kommen, so bald er will.
Das Unglück mit meinen Söhnen, gesteh' ich , hat
mir das Leben ein wenig verbittert. Der Eine in
Nordamerika, der Andere in der übersinnlichen Welt!
Der Eine um all' sein bischen Hab' und Gut, der
Andere um all' sein bischen Menschenverstand.
Engel.
2. - Die Höhle auf Antiparos.
O liebster Freund! sagte der Baron von B. zum
Herrn von Millwitz, als dieser einst bei ihm zum
Besuche war: Sie sind gereist; Sie haben die Welt
gesehn. Was war ich doch für ein Thor, daß ich
nicht mit ging! — Tausendmal habe ich's schon seit
Ihrem letzten Besuchemir selbst' gesagt; denn was
Sie mir da erzählt haben — die ganze Zeit ist's
mir nicht aus dem Sinne gekommen. Ihre ganze
Fahrt habe ich mitgemacht; alle Abende, wenn ich zu
Bette gehe, schiffe ich mich im Hafen von Livorno
ein, und wache des Morgens im Archipelagus wie-
der auf.— Guter, liebster Millwitz! Noch mehr
solche Geschichten! Noch mehr! — Aber ich weiß
keine mehr. Ei was? Sie müssen noch wissen. —
Da! frischen Sie Ihr Gedächtniß auf! — denn
eben war der Burgunder gekommen.------Auf der
See, glaube ich, waren wir fertig; die türkische
Flotte hatten wir zu Pulver verbrannt: nunmehr,
dachte ich, sahen wir uns im Lande um. — Ein
herrliches Land vermuthlich? — Gewesen, Baron!
— als noch Freiheit und Wissenschaft darin wohn-
ten. — Aber auch jetzt! — Doch was soll ich Ih-
nen erzählen, da wir gar nicht hineingekommen: —
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Dramatische Darstellung. 193
Fräu von Detmund. Ich bin beschämt über
Mein Glück. — Ich denke an mein Mißtrauen gegen
die Vorsicht/an den tödtlichen Kummer, den ich
fühlte, als Du zur Welt kamst. Es war in eben der
Stunde; es war Unmittelbar auf den Augenblick, da
ich den Tod deines Vaters erfuhr. Mit welchem
Jammer sah ich dich an! Mit welchem Schmerz,
dich geboren zu haben; (indem sie ihn küßt urid' die
Arme um ihn herum schlägt.) Und warst du der, der
mir helfen; der schon in seiner frühen Kindheit mei-
ne Thränen abtrocknen sollte? — — Gott! Was
fehlt mir mm noch? Nichts l Nichts,rnls Gewiß-
heit von deinem Bruder! dann bin ich glücklich.
.Der Edelknabe. Von meinem Bruders
Wie das, liebe Mama?
Frau von Detmund. Wettn der Fürst sein
Verbrechen wüßte — —
Der Edelknabe. Äch wenn auch! Es hat
ja nichts zu bedeuten. — Sie sehn ja wohl, wie
liebreich, wie freundlich er ist.
Frau von Detmund. Gegen Uns, mein
Kind. — Weil wir unschuldig sind.
Der Edelknabe. Und er hat mir ja ver-
sprochen, es sollte geheim bleiben. Der Oberst sollte
Nichts davon wissen.
Frau von Detmund (auffahrend.) Was?
Dir versprochen?
Der Edelknabe. Ganz gewiß! Ganz gewiß!
Daß Cie sich also deswegen nicht ängsten !
Frau von Detmund. Ich erstane. Du hast
ihm gesagt? —
Der Edelknabe (indem er Unrath Merkt.)
Ach nicht viel! — Was ich wußte. — Er fragte
mich nach meines Bruders Aufführung, und dg
konnt' ich doch nicht die Unwahrheit reden. Das ha-
den Sie ja selbst mir verboten.
Frau von Detmund (ängstlich.) Aber-
Kind! — Liebstes Kind! — Konnte denn deine
Einfalt —
Der Edelknabe. Wie? Sind Sie unruhig
darüber?
tt N
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3°;>
Achter Abschnitt.
Lehr-Dortrag, oder dogmatische
Darstellung.
Erste Abtheilung.
Seiitenzen, Maximen, Sittenlehren und
Betrachtungen.
l. Wer sich gewöhnt hat, bloß zu essen, was sät-
tiget, und bloß zu trinken, was den Durst stillet,
findet überall eine offene Tafel.
2. In der Fremde seyn, heißt in die Hand Got-
tes fallen, in feinem Vaterlande ist man, wenns
hoch kommt, in der Hand der Menschen, gemeinhin
in die Hand der Feinde.
Z. Es ist ein schlechter Wirth, der sein Zimmer
mit Seide ausschlägk, und von oben einregnen läßt»
Vom Kleide auf den Mann, vom Hause auf den
Herrn, vom Leibe auf die Seele schließen, ist kein
unrichtiger Schluß. Wenn man seinen Körper, den
man siehet, vernachlässiget, wie will man an seine
Seele denken, die. man nicht siehet?
4. Worte finden, heißt denken. Worte sind was
körperliches, was sinnliches, sie find die Kleider der
Gedanken; Beiwörter der Besatz; Worte der eigent-
liche Anzug. Viele Sprachen sind viele Kreditbriefe.
Zeige sie vor, du bist überall willkommen.
5. Ein gutes Gewissen ist besser, als zween
Zeugen. Es verzehrt deinen Kummer, wie die Sonne
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