Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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74 I Die Zeit der Konstitutionen
August zum Mitregeuteu anzunehmen, welcher sodann eine neue Verfassung in's Leben rief (Sept. 31).
Hannover hatte gleichfalls viele Mißstände großgezogen und das Volk von der Berathung über dieselben ausgeschlossen, denn in den Landtagen saßen nur Junker und Beamte, von deren Verhandlungen nichts in die Öffentlichkeit drang. Der Steuerdruck und die stete Verarmung führten zu Unruhen, die leicht unterdrückt wurden. Allein in Göttingen rissen einige Privatdocenten und Advokaten die unzufriedene Bürgerschaft zur allgemeinen Bewaffnung und Aussetzung ihrer Beschwerden hin 8. Jan. 31. Die Erhebung sank mit dem Einrücken der Truppen in's gesetzliche Bett zurück, so nämlich, daß der Wunsch nach Reformen allgemein und unwiderstehlich wurde. Der Herzog von Cambridge, ein Bruder des Königs, wurde zum Viceköuig ernannt (Febr.) und eine neue Verfassung verheißen, die auch trotz des Widerstrebens der Adelspartei 1833 in’s Leben trat und die reichen Domänen für Staatsgut erklärte.
Indessen hatten Phantasten ans ganz Süddeutschland, besonders aber Rheinpfälzer aus dem Bergschloß Hambach 24. Mai 1832 eine große Volksversammlung mit schwarzrothgoldenen Fahnen abgehalten, wo aufreizende Reden in Menge fielen und durch den Ruf: „Nieder mit den Fürsten! Waffen, Waffen!" beantwortet wurden. Kaum hatte der bairische Feldmarschall Wrede mit wenigen Trnppen die Ruhe hergestellt, und der Bundestag etliche scharfe Beschlüsse (5. Juli 32) erlassen, welche namentlich Baden zwangen, seine freie Presse zu zügeln, als eine Verschwörung am Sitz des Bundestages, in Frankfurt selbst angezettelt wurde. Am 3. Apr. 33 griffen Nachts etwa 70 junge Männer, meist Studenten die Hanptwache an, wurden aber, als Verstärkung anrückte, zersprengt oder gefangen. Das war dem alternden Metternich eben willkommen; er besprach sich mit Preußen und Rußland, und erwirkte neue Beschlüsse (Jan. 34), welche den deutschen Ständen die Flügel bedeutend be-
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§ 29. Kunst im 19. Jahrhundert. 303
Papier brachte. Es tonte aber so stark in ihm und bei* innere Künstler rang so mächtig nach immer Vollenbeterem, daß der Körper barunter litt; er starb an Entkräftung. Beethovens Musik ist einfach und unergrünblich tief, klar und geheimnißvoll, frei und streng, zart und exfchütternb. Er hat auserlesene Sonaten, dann Quartette, Symphonien ic., auch eine vollenbet schöne Oper „Fibelio" geschrieben. — Felix Menbelssohn-Bartholby, 1809 — 47, ein Enkel des Philosophen (Iii, 414). Wenn auch nicht so genial wie Beethoven, hat er boch soviel geleistet als dieser. Er wenbete sich nach Bachs Vorgang einer höheren Musik zu, und führte mit seinen köstlichen Tonstücken Viele von der Lust an der leichten französisch-italienischen Musik, welche in Deutschland neue Gunst gewonnen hatte, zum Geschmack an der ächten Tonkunst zurück. Bei ihm bient die Kunst toieber dem Göttlichen. Eigenthümlich das Gemüth ergreifenb finb seine „Lieber ohne Worte," geistreich und melobiös feine Oratorien Paulus und Elias. — Mit Beethoven geistig verwanbt ist der Wiener Franz Schubert, 1797—1828, bezan-bernb durch seine Lieber und Sonaten. Eine Zukunftsmusik aber schuf der geniale Rich. Wagner, der Texte und Klänge zugleich bichtete, bafür ein eigenes Theater in Bayreuth erbaute und 1876 hohen Beifall erntete.
Die „bilbenben Künste" erhoben sich zu einer lange nicht gekannten Höhe. So finb in der Bildhauerei drei große Künstler anzuführen, ein Italiener, ein Däne und ein Deutscher. Jener, Antonio Canova (f 1822), erhob sich toieber aus der Zeitmanier zu freierer Gestaltung. Treffliche Werfe von ihm: „Diegruppe des Ikarus und Däbalus" zu Venebig, „Theseus der Centaurenbezwinger" in Wien, „die brei Grazien" zu München. -Bertel Thorwalbsvn, geb. 1770zu Kopenhagen, f 1844. Der größte Bilbhauer der neuern Zeit, welcher sich den altgriechischen Meistern nahestellt. Er schuf den viel-tietounberten „Abonis," der sich in der Glyptothek zu München als eine ihrer größten Zierben befinbet, einen
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304 Ii. Dik Zeit neuer Staatenbildungen.
großartigen „Jason," der nach England gekommen ist, einen wirklich antiken „Merkur" und den „Hirtenknaben," einen Christus und seine Apostel. — L. Schwanthaler, 1802—48, zierte die Glyptothek und den Königsbau zu München, sowie die Walhalla mit herrlichen Darstellungen aus der griechischen Götter- und Heldenwelt und der deutschen Geschichte in Marmor und Erz. Er fertigte die prächtige Marmorstatue Rudolfs von Habsburg und das kolossale Erzbild der Bavaria. — Ausgezeichnet sind auch die Werke des Wiirtembergers Dannecker (1758 — 1841), der Norddeutschen Schadow (f 1850) und Rauch (f 1857), denen Berlin seinen schönsten Schmuck verdankt, sowie des feinfühlenden Rietschel (1804—61).
Die Malerei hat zwei Meister aufzuweisen, welche sich den Heroen des 16. Jahrhunderts fast ebenbürtig anreihen. Peter Cornelius, geb. 1787 zu Düffeldorf, f 1867 in Berlin; der Koryphäe der neuern Malerkunst. Er stellte in der Glyptothek die griechischen Götter- und Heldensagen in einer Reihe von Wandgemälden dar. Da fährt die Göttin der Morgenröthe mit ihrem Zwiegespann prachtvoll auf. Die Münchener Ludwigskirche schmückte er mit heiligen Bildern. Das Weltgericht ist dem Umfange nach das größte aller vorhandenen Bilder und es ergreift gewaltig. In Darstellung des Heiligen arbeitete Cornelius mit ganzer Seele, als frommer Christ. Er schreibt einmal: „Möge Gott meinen Geist erleuchten und mein Herz durchdringen mit feiner Liebe, mein Auge erschließe« für die Herrlichkeit seiner Werfe, für heilige Anmuth und Wahrheit, und jeden Strich meiner Hand leiten." Ueberaus reich an tiefsinnigen Entwürfen überließ er doch die Ausführung der meisten feinen Schülern, und verstund sich wenig auf die Farben, daher feinen Gebilden etwas Rauhes, Unfertiges anhaftet. Vereint mit ihm suchten der schwärmerische Fr. Overbeck (1789—69) und der frische Jul. Schnorr (1794 -1872) der deutschen Kunst die Tugend der schlichten Wahrhaftigkeit, der keuschen Formenstrenge und männlichen Hoheit wieder zu
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312 Ii Die Zeit neuer Staateubildungen.
heit dem Baiern Franz v. Baader, 1765—1841, von dem auch Schelling gelernt hat. Katholik, aber kein Römling, ist er wohl der christlichste unter allen Philosophen; er suchte Gott auch aus dem Wege der Heiligung, und strafte sich ernstlich wegen seiner Sünde, was die Philosophen in der Regel unterlassen. Er verglich sich selbst einem Samenhändler und warf viele fruchtbare Keime aus, darunter auch einen „zündenden Blitz wider Rom."
Größeren Ruhm erlangte der Stuttgarter Georg Will). Fr. Hegel, 1770—1831, zuletzt Professor in Berlin. Ein Mann von außerordentlichem Umfang und tiefer Gründlichkeit des Wissens, vou scharfer, trockener, durch keine Phantasie oder Sentimentalität beeinflußter Urtheilskraft, auch ehreuwertheu Charakters. Dieser pflichtete dem Grundgedanken der Schellingschen Jdentitätsphilosophie bei, schritt aber von ihm auf anderem Wege zu anderen Ergebnissen fort. Er will gerade durch den denkenden Verstand die Wahrheit ermitteln. Wie bei Aristoteles spielt bei ihm die Logik, die auch Dialektik heißt, die Hauptrolle. Er entwickelt die philosophischen Begriffe nach einer gewissen Form, in fester Methode; und es ist wirklich bewundernswert, wie das Ding da nacheinander fortgeht. Was aber ist der Inhalt seiner Lehre? Höre die Summa und staune: „Gott ist im Anfang und allezeit alles. Aber er weiß im Anfang noch nichts von sich. Blind entäußert er sich in die Natur. Doch kehrt er zu sich zurück im menschlichen Geiste und da kommt er erst zum Bewußtsein seiner selbst. So nach und nach im Verlaufe der Geschlechter wird es ihm immer Heller über sich selbst, und in der vollkommenen Philosophie gelangt er endlich zum vollen Selbstbewußtsein." Du lachst? Es ist zum Weinen. Hegels Lehre ist der altindische Pantheismus, nur in einer ganz absonderlichen Gestalt. Nach ihr ist alles Vorhandene Gott, jedes einzelne eine Erscheinung Gottes. Und das Einzelne kehrt immer wieder ins All der Gottheit zurück. Selbst der Mensch, so zu sagen
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318 Ii. Die Zeit neuer Staatenbildungen.
den Sünderheiland, und in der gemeinschaftlichen Liebe zu dem unaussprechlich Liebenden. Da waren manchmal Lutherische, Reformirte und Katholische beieinander und alle fühlten sich eins in ihrem Einigen Herrn und Seligmacher. Der konfessionelle Unterschied war weg, es blühte da ein schöner Frühling des Christenthums.
Schon früher regte sich in der katholischen Kirche Süddeutschlands hin und her auffallend ein evangelisches Wesen. Die Geistlichen Mich. Sailer (f 1832 als Bischof von Regensburg), Feneberg, Boos (7 1825), Goßner, Henhöfer u. «.predigten nahezu oder völlig das Evangelium und mit erstaunlichem Erfolge. Ei was für eine Bewegung in den guadedurstigen Seelen, denen das holde Wort von der Gnade so lange vorenthalten war! Sie wurden, Prediger und gläubige Hörer, von ihrer Kirche verfolgt; denn diese duldet einmal „Christum, unsere einige Gerechtigkeit," nicht und treibt das in ihr aufkommende evangelische Licht und Lebeu immer wieder aus, wie wir beim Jansenismus (Iii, 260 f.) gesehen. Die zwei letzten der Genannten traten förmlich zum Protestautismus über, und wirkten noch mächtig für Wiederbelebung des Schriftglaubens, Goßner (f 1858) in Berlin, Henhöfer (f 1862) in Baden.
Zu solchem Uebertritt zwang sie und manchen andern guten Mann (z. B. 1840 den Fürstbischof Sedlnitzky von Breslau f 1871) der neue Aufschwung des Romanismus in deutschen Landen, der mit der Herstellung des Papstthums 1814 eintrat und seither stetigen Fortschritt gewann. Damals wurde» nämlich die Katholiken überall in neue Baude geschlagen. Der edle Jgn. von Wessen-berg hatte als Verweser des Bisthums Konstanz 1800— 19 das N. T. in den Schulen und deutsche Sprache in den Gottesdienst eingeführt; er wollte nun beim großen Friedenswerke eine „germanische Kirche" zu Stande bringen, da alle deutsche Bisthümer ein Ganzes unter einem Primas bilden sollten, was ihnen einen gewissen Grad von Selbständigkeit und freierer Bewegung gesichert
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§ 30. Hinblick auf die Kirche Christi. 319
hätte. Die Wiener Apostaten aber, ein Fr. Schlegel u. a. schrieen, das ziele auf Trennung von Rom ab; Baiern fühlte sich groß genug, eine eigene Kirche zu haben: so wurde sein Vorschlag abgewiesen, obgleich ihm die ersten Staatsmänner Süddeutschlands beistimmten. Wesseuberg selbst wurde dann wohl zum Erzbischof erwählt; der Papst aber verwarf ihn 1819, wie er 30 Jahre später den evangelischgesinnten Leop. Schmid nicht Bischof von Mainz werden ließ, weil dessen gemäßigte Denkweise ihm ein Greuel war. Und der Staat zeigte sich mehr und mehr dem Papste gefällig und gefügig, seit die Kölner Irrung (S. 119) gezeigt hatte, welche Mittel der Aufregung den Kirchenfürsten zu Gebot stehen. Ueberall würden streng römische Bischöfe eingesetzt, welche die Macht der Kirche möglichst zu erweitern sich bemühten und alles Gewonnene dem Papste zu Füßen legten. Am streitbarsten trat Kettel er Bisch, von Mainz 1850—77 auf, dem es gelang dem Staat eine Concession um die anbere abzuringen. War einer allzu friedliebend, wie der würtem-bergifche Bischof Li pp, so würde er von den Jesuiten verklagt und sein Amt ihm auf jede Weise erschwert. Dennoch hat der Winb, der vom Vatikan ausgeht, bte Leuchte wahrer Wissenschaft und regen Geisteslebens im katholischen Deutschland nicht zu erlöschen vermocht. Eine wirkliche Theologie wie die, welche die Hirscher, Möhler, Hefele, Döllinger rc. auf beutfchen Universitäten in Aufnahme brachten, sucht man in andern katholischen Säubern vergebens. Vorerst aber herrscht die ultramontane Strömung vor, der sich fein Bischof zu entziehen vermag.
Wie innige Verbindung auch zwischen einzelnen Christen verschobener Konfessionen fortbestehen mag, so sönnen boch die Kirchen selbst nur eins werben, wenn sie sich über die in ihren Bekenntnissen ausgeprägte Lehre frei verständigen. Will man sie vorher verschmelzen, so kommt leicht ein Mißwerk heraus. So bei der Union der lutherischen und resormirten Kirche, welche durch den alles gleich machenden Rationalismus befördert, s. 1817 in
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4 I. Die Zeit der Konstitutionen.
lichkeit hieng alles Vorrücken der Jugend auf Gymnasien und Universitäten ab. Wien war eigentlich nur die Hochschule des Börseuspiels und des Lebensgenusses, also besonders der Tänze und der Musik. Unter diesem Geisteszwange war die Lage der Protestanten eine sehr gedrückte; aber auch in der katholischen Kirche konnte es zu keinem Aufschwung kommen, im Grunde sollten sie nur das ihre thun, um den Staat vor unbequemen Neuerungen zu bewahren.
Da war es denn doch anders in Preußen, dessen schlichtgewissenhafter König schon am 22. Mai 1815 eine Kabinetsordre erließ, worin er seinem opferfreudigen Volke zur Belohnung für seine patriotische Erhebung eine allgemeine Landesvertretung zusagte und einen Ausschuß vou Rätheu zur Entwerfuug einer Verfassung zusammen zu berufen verhieß. Das war wie eine Ergänzung zum Ge» setz der allgemeinen Wehrpflicht (3. Sept. 1814). Allein nun beunruhigte mau ihn mit Klagen über den Neueruugs-geist der Patrioten, und der unschlüssige, immer zum „Calmiren" geneigte Fr i edrich Wi lhelm Iii. hielt es am Ende für's Beste, erst ruhigere Zeiten abzuwarten, ehe er eine Verfassung gewährte. Er besthieb sich, 1823 Provinzial stände einzuführen, in welchen blos An» geleaenheiten bet betreffenden Provinz berathen werden durften, und auch vou diesen nur solche, über welche der Minister eine Vorlage machte. Das viele Gute, das in der Organisation einer redlichen, fleißigen und sparsamen Verwaltung, sowie in der Vertiefung und Verbreitung des Volksunterrichts geschah, wurde bei dieser Enttäuschung kaum beachtet.
Auch sonst wurde Norddeutschland für seinen nationalen Aufschwung schlecht belohnt. Der greife Kurfürst von Hessen trieb es am ärgsten mit der Herstellung des alten Unwesens, indem er nichts von allem gelten ließ, was in Kassel 1806—13 während seiner Verbannung geschehen war; seine Soldaten mußten wieder in Puder und V 2" langen Zöpfen vor ihm paradiren, und die
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120 Ii Die Zeit neuer Staatenbildungen.
gehen, rief den freisinnigen General von Boyen in den Staatsrath, den wackern Arndt in seine Professur zurück, und sammelte die besten Männer Deutschlands, die Brüder Grimm, einen Schelling, Tieck, Cornelius, Kaulbach, Mendelssohn n. A. in sein Berlin. Mehr als je sollte Preußen sich mit den Blüthen Deutschlands schmücken, die deutsche Einheit sollte fester begründet, dem deutschen Bunde ein neues Leben eingehaucht werden. Und wahre Frömmigkeit nach Vermögen zu fördern und zu verbreiten, war ein Hauptanliegen des Mannes, der öffentlich ankündigte: Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.
Es herrschte ein hoher Jubel bei den Krönungsfesten in Königsberg und Berlin. Aber beibemal würde der König an die Verheißung seines Vaters, eine allgemeine Landesvertretung einzuführen, erinnert, und er antwortete beuttich genug, daß er nicht gesonnen fei, Reichs-stänbe zu berufen, was eine sichtliche Mißstimmung erregte. Jubessen würden die Proviuzialstänbe in thätigere Wirksamkeit gesetzt, und ihre Ausschüsse bürsten 1842 in Berlin zusammentreten, um über gemeinsame Staatsangelegenheiten zu berathen, was eine Art Abschlagszahlung für den gewünschten Reichstag sein mochte, obschon es die Gemüther nicht befriebigte. — Schon 1843 klagten auch die Proviuzialstänbe, daß der Minister Eichhorn (b. h. der König) die kirchliche Richtung zu sehr begünstige. Die Mehrzahl der politischen Stimmführer aber war den kirchlichen Lehren entfrembet; wanbten sie sich auch nicht dem „jungen Deutschland" zu, das eine französische Ungebnnbenheit prebigte, so boch den Philosophen, die wie Dav. Strauß das Evangelium für Mythen erklärten, wie Bauer nur Lügeu brin fanben, wie Feuerbach jebe Art von Gott leugneten, und den „Licht-freun den," welche ba und dort in den Städten freie Gemeinden gründeten und ihr Vernunftchriftenthum anpriesen. Daß der König mit England ein protestantisches Bisthum in Jerusalem gründete 1841, daß er für den
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§ 30. Hinblick auf die Kirche Christi. 317
Entschiedenheit zu Jesu Christo, dem ewigen Gottessohne und alleinigen Heilande der verlorenen Menschheit, bekannten und unter allem Widerspruch ihrer Kollegen die akademische Jugend muthig zu ihm hinführten. Ein solch gesegnetes Rüstzeug war der sel. Krafft, Professor der reformirten Theologie in Erlangen (f 1845), dem viele lutherische Geistliche und Staatsmänner wie der geistvolle Stahl (f 1861) in die Ewigkeit hinüber dankbar sind. Es erschienen auch theologische Zeitschriften für die Sache Christi. Den Reigen eröffnete 1825 das homiletischliturgische Korrespoudeuzblatt, von Pf. Brandt, welches die Gehaltlosigkeit und den innern Widerspruch des Rationalismus nachwies. Diesem folgte 1827 die von dem furchtlosen Prof. Hengstenberg (f 1869) zu Berlin redigirte Evangelische Kirchenzeitung, welche die Waffen gründlicher Wissenschaft gegen die seichte und flittrige des Unglaubens kehrte, auch den warmen Lebenshauch des Christeuthums erquicklich in die Herzen ausströmen ließ, obschon sie zu Zeiten sehr herb urtheilen konnte. Auch sonst wurde der Rationalismus mannhaft angegriffen, und zugleich wandte sich die Zeitströmung in Dingen der Philosophie und des Geschmacks von ihm ab, daher er sehr an Ansehen zu verlieren begann.
In diesen zwanziger Jahren fand ein mächtiger Um -schlag statt: es erwachte auch unterm Volk ein Suchen nach dem Wahren, eine Frende am Gefundenen, ein Ernst, der Seele Heil zu schaffe». Laien versammelten sich, wie schon lange im Württembergischen, so nun auch in Baiern, Pommern, Halle, Berlin rc. zur Privaterbauung. Mau las die heil. Schrift, eine christliche Predigt rc. und horchte mit offenstem Seelenohre aus die Stimme der Offenbarung Gottes. Man betete inbrünstig miteinander, oft frei aus dem Herzen. Die Theilnehmer hatten Verfolgung zu bestehen von den Kindern dieser Welt, selbst von der Polizei, der ihr Wesen als Schwärmerei verdächtigt ward, aber sie ließen sich’s nicht beirren. Sie fühlten sich so glücklich in dem Einen Glauben an
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Extrahierte Personennamen: Jesu_Christo Krafft Brandt Hengstenberg Ernst
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§ 31. Die Mission. 339
8 Vereine bildeten sich unter den Holländern im weiteren Verlauf. Jänike in Berlin wollte nicht dahinten bleiben und sandte s. 1800 den um Männer verlegenen Niederländern und Engländern treffliche deutsche Jüngliuge zu, die er siir's Werk vorbereitet hatte, z. B. für Afrika Renner und Echmelen, für Indien Rheni ns (f 1838), für Chiua Gützlaff :c. Der gleiche heilige Drang erfaßte auch Süddeutsche und Schweizer; 1815 trat die „Ev. Missivusgesellschaft" in Basel auf den Plan, die Kan-kasien und Westafrika, später Indien und Chiua mit Arbeitern versah. Ein Berliner Verein s. 1824 bedachte Südafrika; eben dort fieng 1826 ein rheinischer seine Arbeit an, verbreitete sie aber auch nach Borneo, Sumatra und China; ein norddeutscher s. 1836 arbeitet in Neuseeland und Westafrika. Die lutherische Mi)-sionsgesellschast in Leipzig setzt s. 1836 das Werk der Hallischen Senbboten fort; und der geisteskräftige Ludwig Harms in Hermauusburg (f 1865) hat s. 1848 gezeigt, wie eine einzige Gemeinde, wenn sie erst selbst zum Leben gebracht ist, es großen Gesellschaften gleich thun kann, indem sie alle ander Jahre Duzende von Missionaren zu Kassern und Betschuaneu, zu den Telugus in Südindien und den aussterbenden Australiern, nenestens zu den Gallas sandte. — Daß sich auch in Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland rc. ähnliche Vereine gebildet haben, beweist, wie allerwärts in lutherischen Landeskirchen die Pflicht und Lust gefühlt wird, den Schatz, in dessen Besitz man wahres Glück gesunden hat, durch Hinauswerfen zu vermehren. Und vergessen dürsen auch die evangelischen Franzosen nicht werden, welche 1824 ein Seminar gründeten, das für die Basuto in Südafrika eine Segensquelle geworden ist.
So zählt man nun wohl über 80 Missionsgesellschaften. von denen die meisten, 28 britische und 26 continen-tale, aus Europa kommen; in Amerika haben sich jedenfalls ihrer 20 gebildet, in Afrika und Australien je 3. Es gab auch Christen, welche die Formen und Normen
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