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56. Are schwarze Stadl.
Städte mit amerikanisch jähem Wachstum und amerikanischem Gold-
fieber, in denen die stete Hast und das tolle Ringen industrieller Arbeit
tobt, über Nacht Tausende und Tausende aus dem Schoß der Erde ge-
wonnen werden, in denen Glücksjäger aller Nationen und Rassen sich
tummeln — im großen Rußland sind sie selten. In einem öden Winkel
des russischen Reichs, nahe den Grenzen Persiens und der Türkei, am
Westufer des Kaspischen Meeres liegt eine derartig merkwürdige Stätte.
Es ist die Naphthastadt Baku.*)
Im August des verflosienen Jahres führten mich meine Wanderungen
durch die Kaukasusländer auch nach Baku. Von Westen, von Tiflis her
kam ich. Von Norden blickte das wilde Gewirr der nackten, gezackten Riesen-
ketten des Großen Kaukasus, angetan mit breiten, weißen Schneehauben,
drohend herüber; im Süden grüßten die lieblich sich streckenden, zart ge-
rundeten Berge des Kleinen Kaukasus. Hier fette Getreidefelder, dichte
Rebenpflanzungen, dort braungetönte, melancholische Ebenen und längs des
Kurflusses graugrüne Sümpfe, in denen es von Reihern, Störchen und
Pelikanen wimmelte.
Je mehr ich mich Baku näherte, desto eintöniger, farbloser wurde die
Szenerie. Baumlose Bergkegel mit rissigem Gestein, auf denen grelle Sonnen-
lichter lagen, erhoben sich. Trockene Distelstauden deckten die gelbschillernde
Steppe. Was von menschlichen Behausungen sichtbar wurde, waren einzig
die weißen Mauerquadrate der Stationsgebäude. Eine erstickende Lust,
untermischt von schwerem Erdölgeruch, zog über die Ebene. Hohe, für die
Ausfuhr von Roh-Naphtha gebaute Waggons, mächtige, auf Rädern ruhende
Eisenzylinder standen auf den Seitengeleisen in langen Reihen.
Vor fünfzig Jahren war Baku noch ein schmutziges, kleines Tataren-
dorf. Unsauber ist es auch heute noch, aber die Bevölkerung, die die
Naphthastadt und ihre nächste Umgebung birgt, erreicht zur Zeit besonders
reger industrieller Tätigkeit 150 000 Seelen.
Auf einem Flächenraum von nahezu 3000 qkm gleicht die Erde
einem mit Erdöl getränkten Schwamme. Doch nur 50 qkm naphthahaltigen
Landes unterliegen bis jetzt der Bohrung. Der Geschäftsführer des deutschen
Konsuls in Baku, der dort ein Musterlager deutscher Maschinen und
Maschinenteile unterhält, geleitete mich zu einigen Bohrlöchern, zu einer
springenden Fontäne, ins Innere mehrerer Bohrtürme.
Soweit das Auge reichen konnte, lag graues, kahles Erdreich, standen
Hochaustagende schwarze Brettertürme und blaugrün schimmernde Naphtha-
seen und -lachen. Wie der Kutscher, ein zerlumpter Tatar, dem die Haar-
büschel fast bis an die Nasenwurzel wuchsen, durch dieses straßenlose Einerlei
sich hindurchfinden konnte, war mir ein Rätsel. Mein Führer hatte ihm
nur zugerufen: Bohrturm „180", „425", „571!", und er jagte mit seinen
zwerghaften, blitzschnell ausgreifenden Pferdchen ohne Irrtum zum Ziel.
Das Verfahren, das Naphtha aus den gewaltigen, unterirdischen
*) Baku ist vor kurzem gänzlich niedergebrannt.
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Extrahierte Personennamen: August
Extrahierte Ortsnamen: Persiens Kaspischen_Meeres Naphthastadt_Baku Baku Tiflis Kaukasus Kaukasus Baku Roh-Naphtha Baku Baku Baku