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anheben und dein Auge dem Luftzuge folgt, der leise über die Heidekräuter streicht.
Es ist der stille Zauber der Natur, die auch die Einöden belebt, und ihr Auge ist auch hier; denn dort hinter dem schwarzen, starren Nadelwald liegt ein weiter, stiller, klarer See. Er spiegelt seine dunkelgrünen Ufer wider in seinem dunklen Wasser, mit ihrem Rauschen, mit ihrem Flüstern. Aber das dunkle Wasser wird plötzlich klar, wenn die Wolken vorüberziehen: ein Silberblick leuchtet aus; der blaue Himmel schaut dich an, der Mond badet sich, die Sterne funkeln. Dort ergießt der volle See sein Übermaß in ein Fließ, das vom Waldrande fort in die Ebene sich krümmt. Hier bespült er Elsenbüsche, die es überschatten und gierig seine Wellen ausschlürfen möchten, sickert über die nassen Wiesen und wühlt sich dort im Sande ein festeres Kiesbett, um Hügel sich windend, an Steinblöcken vorübersprudelnd und durstige Weiden tränkend. Die vereinzelten Kiefern, Vorposten des Waldes, wettergepeitscht, trotzig in ihrer verkrüppelten, markigen Gestalt, blicken umsonst verlangend nach den kühlen Wellen; nur ihre Riesenwurzeln wühlen sich unter dem Sande nach dem Ufer, um verstohlen einen Trunk zu schlürfen.
Wer heute von den fernen Hügeln auf dieses Waldeck gesehen, hätte es nicht still und einsam gefunden. Zuerst hätte ein weißer, wallender Glanz das Auge getroffen; dann ringelten Rauchwirbel empor, und um die schwelenden Feuer bewegten sich Gestalten. Schnee war das Weiße nicht; denn die Bäume röteten sich zwar schon herbstlich, aber schüttelten noch sparsam ihre welken Blätter ab, und die Wiesen prangten noch in kräftigem Grün. Schnee war es nicht, denn es blieb nicht liegen; es flatterte und rauschte auf, hellen Lichtglanz werfend und wieder verschwindend. Schwäne waren es auch nicht, die aufflattern wollen und die Flügel wieder sinken lassen. Das hätten Riesenvögel sein müssen, deren es im Havellanbe und der Zauche nie gegeben hat. Auch Segel waren es nicht, die der Wind aufbläht und wieder niederschlägt; denn auf dem Fließe trieben nur kleine Nachen; auch Zelte nicht, denn es bewegte sich hin und her, und wer näher kam, sah deutlich zwischen den Feuern Hütten aufgerichtet, zierliche von Stroh und rohere von Kieferngebüsch.
Eine Lagerung war es, aber der einsame Reisende brauchte sich vor Raubgesellen nicht zu fürchten; die paar Spieße, die
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herzförmige Bl., Vogelknöterich, Sauerampfer, Rhabar-
der* in Mittelasien, Rhabarberwurzel, 1—2m. hoch.
§. 47. Ntlst'lgewächsr, meist eingeschlechtige grünliche Bt.
Große und kleine Brennnessel, gem. Hanf! mit gefingerten
Bl., zweihäusig, die männlichen Bt. in Trauben, die weiblichen in den
Blattwinkeln, aus Persien, Hanfsamen, -öl, Fasern zu Stricken rc.,
Saft aus den Bl. mit Opium giebt ein berauschendes Getränk
(Haschisch); Hopfen! mit sich windendem Stengel, 3—5 lappigen
Bl. 2häusig, die zapfenartigen Stempelblüten zu Bier.
§• 48. Weißer Maulbeerbaum aus Südasien; gem. Feigen-
baum ^ hat 3—blappige Bl., die Bt. in dem birnförmigen Fruchtboden
(Feige), am Mittelmeer; echter Brotbaum X mit fiederspaltigen
Bl., 3—4 Pfund schweren Früchten,Ostindien und Südseeinseln; Pla-
tane hat handförmige Bl. und kugelige Kätzchen (Kleiderbaum).
§• 49. Wndcnartige M., Bt. zweihäusig, Kätzchen, Bl.
gesägt. Korb- oder Bandweidc, weiße oder gem. Trauer-
Weide, Schwarz-, Pyramiden- und Silberpappel,
Zitterpappel oder Espe.
§• 50. Kätzchtnbäilme. Frucht eine einsamige Nuß oder ein
Nüßchen. Wallnuß bäum mit gefiederten Bl., aus Persien, Nuß-
blätterthee*; die gem. oder Rothbuche mit fast ganzrandigen
Bl., die Weiß- oder Hainbuche mit doppelt-gesägten, überwin-
ternden Bl., Bucheckern; echter Kastanienbaum in Südeuropa
(Maronen), Stein- oder Wintereiche, Eicheln in Näpfchen, auf
kurzen Stielen, Stiel- oder Sommereiche, lange Stiele, Eichen-
rinde zu Lohe, Korkeiche in Südeuropa, Galleiche in Klein-
asien, Gerbsäure, Haselnußstrauch mit glockenförmiger Frucht-
hülle, Birke liefert Maien und Birkensaft, gem. oder schwarze
Erle (Else, Eller), Feldulme (Rüster).
§. 51. Zapfknbäume. Nadelhölzer, eingeschlechtig, meist ein-
häusig, die männlichen Bt. in Kätzchen, meist auch die weiblichen
so, die zuletzt in Zapfen übergehen. Gem. Kiefer (Föhre,
Kienbaum) 2 Nadeln in einer Scheide, Terpentin, Terpentinöl,
-spiritus, Geigenharz (Colophonium), Holzessig, Holztheer, Kienöl,
Pech, Kienruß (Meiler), Schwefelrcgen; gem. Fichte (Tanne,
Roth- oder Schwarztanne), Nadeln fast 4kantig und spitz, Zapfen
hangend; Edeltanne (Weiß- oder Pechtanne), Nadeln breit, aus-
gerandet und zweizeilig-kammförmig, Zapfen stehend; Lärchen-
tanne, Nadeln in Büscheln, Weymouthskiefer, Nadeln zu 5,
Ceder vom Libanon, gem. Ey presse in Südeuropa, gem. Wach-
holder^, Bl. zu 3, abstehend, zweihäusig, Beeren, virginischer
Wach hol der- oder Ce derb aum zu Cigarrenkisten, Bleistiften,
gem. Lebensbaum, Sadebaum ch* auf den Alpen, Taxus-
oder Eibenbaum ch, rothe Beeren, auf Gebirgen (Harz).
§. 52. Pfkffergkwiichst. Zwitterblüten in Kolben, ohne Pe-
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Kapelle vorüberging, sah er ein großes Loch und darin eine Tür,
die weit offen stand und die er sein Lebtag noch nicht gesehen hatte.
Da faßte er sich ein Herz und trat heran. Und als er endlich
durch die Tür in das Innere schaute, erblickte er um einen steinernen
Tisch eine Gesellschaft alter, langbärtiger Mönche, die sich die
Langeweile mit Kartenspiel vertrieben. Da ist er erschrocken
umgekehrt und ist niemals wieder zur Mittagszeit mit seiner Herde
über den Berg gegangen. Aber im Dorfe unten hat er es erzählt,
und seitdem steht es noch fester, daß es da droben zwischen dem
Gestein gar sonderbar umgeht.
A. Trinius (Märkische Streifzüge).
25. Die Gründung Potsdams.
Zu der Zeit, als der mächtige Wilzan, der in der festen Burg
zu Dragowit wohnte, über die W i l z e n an der Spree und
Havel herrschte, bedeckte den ganzen Potsdamer Werder ein
uralter Eichenwald, durch den sich von der Gegend des Heiligen
Sees bis zur Havel am Lustgarten und von Glienicke her bis nach
der Stadt Werder ein tiefes, unzugängliches Bruch zog. Über
dieses strömte im Frühling das Wasser der Havel und teilte den
ganzen Werder in drei langgestreckte Inseln. Am meisten be-
wohnt war die nördlichste von ihnen; denn in der Gegend von
Bornim und Eiche und am Pfingstberge lagen zerstreute Ge-
höfte, die zum Distrikt der Wublitz gehörten. Über sie herrschte
auch der Krul oder Unterkönig der Haveller.
Die kleine Insel an der Havel war nur wenig breiter als
der Teil der Stadt, der jetzt wieder durch den Kanal zu einer
Insel gemacht wird, und nur ihr östliches Ende, der Mündung der
Nudow gegenüber, war mit einzelnen Fischerhütten besetzt. Ihre
Bewohner befuhren zwar weit und breit die Seen und Arme
der Havel, die damals noch reich an Stören, Lachsen und Welsen
waren, drangen aber selten durch die Sümpfe und Wälder, von
denen ihr Wohnplatz im Norden umschlossen war.
Wo jetzt die Kirche des Dorfes Alt-Geltow steht, war eine
feste Burg des Krul der Haveller erbaut. Hier pflegte dieser
einen Teil des Jahres zu wohnen, um von hier aus in den großen
Wäldern am Schwielowsee, die reich an Uren, Bären und Wölfen
waren, zu jagen, oder den wilden Schwan mit dem gelben Schnabel,
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50
eine Wildnis gekommen, die der Fürst noch nicht kannte. Darauf
rechnete Wnßo; denn der Böse gab es ihm ein, den Markgrafen
in die Einsamkeit zu locken, fernab von den Seinen, und da ihn
zu töten, wo keiner es sah und keiner die Spur finden konnte.
2. Damals war die Gegend ganz anders als sie jetzt ist.
Wo jetzt die Fichten lustig und schlank ins Blaue schießen, war
ein Dickicht von Eichen und Rüstern und Buchen, die ineinander
wuchsen und Krieg führten um Boden und Luft. Da lagen um-
geworfene Stämme faulend einer über dem andern, und Ge-
würm, Kröten und Schlangen wimmelten am Boden, auf den nie
ein Lichtstrahl fiel. Wo der Wald aufhörte, war die Heide mit
stachlichten Ginster- und Wacholderbüschen besetzt, und wo die
Heide aufhörte, war das Bruchland. Verwachsene Elsen und
wilde Schlingpflanzen standen dort so dicht, daß kein Lüftchen
durchdrang, und in dem warmen, feuchten Dunste nisteten
Schwärme giftiger Stechfliegen. Wer sich verirrte und nicht
untersank, blieb stecken in den Dornen und kam jämmerlich um
vor Hunger und Qual unter den Stichen des Geschmeißes. Das
Wasser, wo es zutage lag, spiegelte nicht die Sonne und die
Sterne und den blauen Himmel. Da trieben umgefallene Bäume
umher, mit dickem Moos und Pflanzen überzogen. Inseln
schwammen, und ein buntes, schillerndes Netz von faulenden
Stoffen schien darüber ausgebreitet. Die wilden Katzen kletterten
in den verwachsenen Baumkronen und führten Krieg mit den
Habichten, den Raben und Krähen. Der Bär schlich noch brum-
mend in den Schatten um, ein Schrecken der andern Tiere, und
die Waldameise baute ihre hohen Kegelhäuser, das einzige geord-
nete Gemeinwesen weit und breit.
3. „Wird Euch in der Wüstenei nicht bang, Herr Mark-
graf?" fragte Wnßo, da sie nun auf der Spur eines großen Elen-
hirsches von ihrem Gefolge ganz abgekommen waren. Die Stöße
ins Hifthorn riefen keinen; die Luft war schwül, und Gewitter-
wolken zogen am Himmel auf.
„Wie sollte mir bange werden?" antwortete Otto, „Sankt
Johannes ist bei mir in den Wüsteneien, der mein Schutzpatron
ist und auch deiner, Wnßo."
Nun dachte Wußo heimlich: „Ob dir der Sankt Johannes
jetzt den Weg zeigen wird?" und blieb tückisch zurück. Ihre Rosse,
die durch das Moor nicht weiter konnten, hatten sie verlassen
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Extrahierte Personennamen: Wnßo Otto Johannes Wußo
3
4. Zwischen Sumpf und Sand.
1. Gott grüß' dich, märkische Heide
in hellem Sonnenglanz,
in grün und grauem Kleide
und dunkler Kiefern Kranz!
2. Wie wogt's von edeln Düften,
von Harz und Heidekraut!
Und drüber in den Lüften,
wie wirbelt's da so laut!
3. Die blauen Glöckchen läuten,
in Waffen steht der Dorn;
die Bienenschwärme beuten
in Schwad' und Heidekorn.
4. Es summt und surrt geschäftig —
heimlich Wallen und Wehn —
die Sonne spiegelt sich prächtig
in tiefen, blauen Seen.
5. Im Sande halb begraben
der hohlen Weide Stumpf;
die Linde steht erhaben,
die Erle still im Sumpf.
6. Die Sagen werden lebendig,
die grauen Zeiten jung;
die Heide, sie ist beständig
und hat Erinnerung.
7. Die Kiefer senkt am Bruche
den Wipfel wie im Schlaf,
als träumt' sie von dem Fluche,
der einst die Wenden traf.
8. Hier an der Hügelwange,
da riefen: Weidmanns Heil!
schon Markgraf Hans der Lange
und Otto mit dem Pfeil;
1*
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Bauern, ein wenig größer, wie es sich für den gesteigerten Wirt-
schaftsbetrieb nötig machte, ein wenig massiver vielleicht, und
dann setzte er sein etwas geräumigeres ein- bis zweistöckiges
Wohnhaus mitten hinein. Gewöhnlich schloß sich nach ein
Park an.
Eine durchaus konservative Stimmung lagerte über dem
Gutshofe wie über dem Dorfe, die ihm glücklicherweise auch
heute noch geblieben ist. Ob das Holz von dem Fachwerk und dem
Ziegel abgelöst ist, stets bleibt das Haus ein schlichtes Bauwerk,
das Dorf ein echtes Tieflanddorf mit Anger und Teich, in den
alte Weiden, Linden oder Kastanien hinunterschatten, den freund-
lichen, von Holzgattern •— stellenweise von Granitfindlingen —
abgeschlossenen Vorgärten und den strohgedeckten Häusern. Alles
ist breit angelegt, auseinandergezogen, alles unter Baumkronen
versteckt. Die alte Dingstätte hat sich an manchen Orten erhalten,
meistens unter der uralter: Linde, in deren Gezweig wundersame
Märchen und Sagen flüstern. So manche Friedenstat ist unter
ihren Zweigen beschlossen, aber auch manche Untat gesühnt worden.
Denn nicht nur das Feldgericht hielt hier seine Sitzungen ab,
um die gemeinsamen Dorsangelegenheiten wie Bau und Ver-
änderung von Wegen, Triften, Gehegen, Brücken und Gräben,
Verkäufe, Bestallungen u. a. zu ordnen, sondern oft auch sah der
Baum das Urteil an Missetätern oder an solchen, die man dafür
hielt, vollstrecken. Und treten wir auf den Kirchhof, der die in
märkischen Dörfern selten fehlende Kirche umgibt und nach dem
Anger durch eine Mauer abgeschlossen ist, dann erzählt uns auch
der durch den jahrhundertelangen Gebrauch erhöhte Boden
nicht nur vom Vergehen der Geschlechter, sondern auch von Frie-
denstaten, die sich auf seinem Rasen ereigneten, namentlich
von den gemütlichen Morgensprachen am Schlüsse des Gottes-
dienstes.
In den ehemals wendischen Gebieten, d. h. im Südosten
Brandenburgs, sind die Dorfhäuser noch heute im Blockbau,
jener urtümlichen, einst allgemein angewandten Bauart Nord-
osteuropas errichtet, die nicht selten sich auch auf die Kirche erstreckt.
Aber auch solche Hütten, von denen der Schweizer Servetius um
1550 sagte, daß die Landbauern der Mark in ihren aus Lehm und
Holz erbauten, kaum aus der Erde hervorguckenden, mit Stroh
bedeckten einzelnen und zerstreuten Hütten wohnen, sind längst
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Hügeln, bald unten tief im Grunde. Es sind ganz niedere, rosa
oder himmelblau gestrichene Häuschen. Eine Art Märchenstimmung
liegt über den meist bemoosten Strohdächern, über ihren wind-
schiefen Fenstern zwischen den efeubesponnenen Wänden und
den rosenüberwucherten Heckenzüunen. Sie bilden das Ent-
zücken aller Maler. Dazwischen liegt die kleine, altertümliche
Kirche, die so eng angefüllt mit Gestühl ist, daß nicht einmal
ein Taufbecken Platz findet. Der lebensgroße hölzerne Engel,
der es trägt, schwebt an der Decke und wird bei Bedarf herab-
gelassen.
Wunderschön sitzt sich's im hochgelegenen Wirtsgarten mit
dem Blick über die breite Fläche des Sees. Er kann sehr wild und
düster sein, der Schwielow. Heut aber glänzt er ttn milden Sonnen-
licht im tiefen, reinen Blau. So klar ist die Luft, daß man weit
draußen am jenseitigen Havelufer die einzelnen Häuser der Villen-
kolonie Franzensberg über Baumgartenbrück zählen kann. Links
nach Petzow zu zieht sich das bewaldete Seeufer in sanft geschwun-
genen Linien hin. Zur Rechten ragen hinter den fernen Häusern
von Caputh die kahlen Krähenberge auf. Dahinter bis nach
Potsdam meilenweite Wälder. Im Vordergrund links grüßen
vom Waldrand am Seeufer einige Villen herüber. Das Haupt-
gebäude mit einem vierkantigen, in der Mitte spitz zulaufenden
Dache, von ein paar riesigen Pappeln flankiert, gibt mit dem
tiefblauen Wasser davor ein ganz südliches Bild.
Ein Wanderer darf nicht lange rasten. Über Wiesenmatten,
die noch im herrlichsten Grün prangen, geht es auf hölzerner Brücke
zu dem Vorwerk Neue Scheune, das wie träumend unter den mäch-
tigen Waldbäumen liegt. Kein Mensch ist zu sehen, auch in dem
lieblichen Dörfchen Mittelbusch nur ein paar Kinder und ein paar
kläffende Hunde. Alle sind draußen zur Kartoffelernte. Die
Frauen in den grellbunten Kopftüchern mühen sich auf den Feldern,
von denen hier und da der zarte Rauch eines Feuers aufsteigt,
im Schweiße ihres Angesichts. Sie bilden eine lebensvolle Staffage
des prächtigen Lanüschaftsbildes mit den massigen Laubbäumen
und der blitzenden Seefläche im Hintergrund. Der tiefste, farben-
satteste Ton darin ist die Allee von Vogelbeerbäumen, die nach
Petzow führt. Rot sind die Beeren; aber tiefer, gesättigter, glü-
hender brennt das Rot des Laubes. Es sieht aus, als stünde der
ganze Weg in lebender Glut. Das romantische Petzow träumt
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auf bröckelndem Halligenland; durch den Dunst klingt das Ge-
schnatter ziehender Wintergänse; fern am Horizont ein fahler
Schein, wie ein gespenstisches Auge dieser wilden Nacht: dort
liegt Berlin, die funkelnde Stadt mit ihrem Lichtermeer. — Ein
Dorf in praller Sonne; Akazien mit ihrem lichtgrünen Sonnen-
laub leiten hinein und weben ihren üppigen Duft darüber; aber
die breite schattenlose Fahrstraße ist tiefer Sand mit groben Fahr-
geleisen, man fühlt nach, wie die Pferde hier schwitzen müssen;
dunkelgrüne Moosdächer steigen über alten rissigen Bretterzäunen
auf, aber in jedem Gärtchen dahinter ragt ein großer, hochstämmiger
Baum spanischen Flieders, im Maienzauber ein einziger violetter
Blumenstrauß; ein schwerfälliger Gemeindebackofen und eine
magere Friedenseiche; zuletzt verträumt der Blick aus einem end-
losen Horizont von sandigen Kornfeldern; die Akazienalleen und
Hohlwege mit verwilderndem Flieder verlieren sich unter der
sengenden Mittagsglut schattenlos wieder hinein. — Eine Schilf-
insel, von allen Seiten ganz eingebettet im Rohr, vor dem sich
noch ein schaukelnder Ring von Wasserrosen dehnt, deren Nixen-
arme selbst einem modernen Motorboot gefährlich werden; Rohr-
spatzen lärmen mit unablässigen: Kirre Kirre Kitt Kitt; es riecht
nach Minze und Sumpf; von oben hängen Eichenzweige über
Stämmen, die, von: Alter zerborsten, halb versunken, zu kriecheirden
Ungetümen geworden sind; Efeu spinnt sich hinein; wenn der
feuchte Seewind in diesem unentwirrbar verfilzten Pflanzen-
märchen raunt, erzählt er von einem alten Zauberer, dem Gold-
macher Kunkel, der vor Jahrhunderten hier gehaust hat.
Die ersten, die diese Bilder bewußt entdeckten, meinten
noch, sie müßten sie erst noch mit historischen Erinnerungen auf-
färben, allein mit ihrer Naturkraft trügen sie sich nicht; so hat es
Theodor Fontane noch geglaubt. Heute braucht man sich nicht
mehr leise ins Ohr zu flüstern, daß die Mark doch schön sei. Aller-
dings ist es nützlich, sich an ein Stück Geschichte dabei zu erinnern,
aber nicht an menschliche Kriege und Träume, sondern an ein
Stück Geschichte dieser Natur selbst. Berlin liegt in einem unge-
heuren vorzeitlichen Flußtal. Was sich heute noch an wirklichen
kleinen Wasserflächen und Wasseradern durch das alte Sandbett
des Riesen spinnt, ist nur ein verzwergter Rest. Nie hat dieser Strom
aber die Lieblichkeit unserer echten deutschen Gebirgsflüsse besessen.
Weit vor ihm, in einem Morgenrot der Dinge, grünte ja auch
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in dieser Gegend echter paradiesischer Urwald von unerhörter
Pracht; die amerikanischen Sumpfzypressen entfalteten damals
hier ihr Fiederlaub wie heute am unteren Mississippi. Das alles
aber erschlug eines Tages die Eiszeit. Die anrückende nordische
Gletschermauer walzte alles unter sich zur nackten, lebensleeren
Wüste aus. An der kristallblauen Glocke über der gänzlich ver-
ödeten Sohle aber stauten sich die von Süden kommenden Ge-
wässer. Den heutigen Ostseeweg sperrte die Eiswand, ein Gebirge
aus dickem Eis. So mußte die Weichsel sich aufgestaut mit der
Oder, die Oder mit der Elbe vereinen; erst dort fand der west-
östliche Staukanal seinen Abfluß gegen die Nordsee hin. Stufen-
weise ging dann die Gletscherschranke nordwärts zurück. Mehrfach
verlegte sich mit ihr der Staustrom in die wieder freiwerdende
Wüste hinein. Und so kam zu einer bestimmten Zeit der riesige
Wirbel auch gerade über Berlin. Als er auch hier endlich abfloß,
erschien das Land als eine doppelte Wüste, nacft wie in den Schauern
eines Schöpfungsmorgens noch vor Entstehung des Lebens,
versandet, der Sand mit fremden Steinen gespickt, für immer
abgeschnitten von der Flora seiner Vergangenheit. Wie dieses
Chaos eines Weltunterganges dann wieder Konturen einer Land-
schaft, wie es neue Vegetation, Schmuck, Farben, Stimmung
bekommen hat: das ist das eigentliche Märchen der märkischen
Natur. Wilhelm Bölsche (Aus Reclams Universum, Jahrgang 26, Heft 10).
19. Berlin im Lenz.
1. Im Schmuck von blühenden Gewinden,
die sich um Erz und Marmor ziehn,
mit deinem Flieder, deinen Linden,
wie schön im Lenz bist du, Berlin!
2. Wie traulich schmiegen sich an deine
granitne Stirn die Blumen all,
und in dem Laube deiner Haine
wie lieblich singt die Nachtigall!
3. Ja, noch im steinernen Gedränge
der Häuser welch ein Frühlingsflor!
Wie quillt ulid sprießt in üpp'ger Menge
selbst da das junge Grün hervor!
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Bölsche Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Mississippi Berlin Berlin Berlin
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üls einziges Kleidungsstück eine leinene Hose, dennoch rinnt ihnen
der Schweiß in Strömen herab. Und ohne einmal sich aufrichten
zu können, müssen sie durch den zehn- bis elfstündigen Arbeits-
tag, ohne das tröstende Himmelslicht zu sehen, ohne den erquickenden
Hauch der Luft zu spüren, ohne fröhliches Gespräch, ohne jede
Abwechselung.
Als ich den fürchterlichen Rückweg hinter mir hatte, den breiten
Stollen erreichte und endlich wieder ans Tageslicht trat, da schien
sie mir neu geschenkt, die grüne, blühende Erde. Tief aufatmend
wanderte ich weiter. Und als jetzt die Sonne hervorkam, als
ihr goldenes Licht über die grünen Waldberge hinzitterte und
aus dem zarten Duft andere Höhenzüge auftauchten, die statt-
lichen Soldatenberge und die Duberowberge, als über die wo-
genden Kornfelder die Lerchen jubelnd aufstiegen und der Duft
der blühenden Hollerbüsche meine Sinne umschmeichelte, da
empfand ich den Genuß all der sommerlichen Schönheit fast wie
ein Unrecht. Du nährst alle deine Kinder, Mutter Erde; aber
ein hartes Brot ist es, das sich der Mensch, dem Maulwurf gleich,
aus deinem dunkeln Schoße graben muß.
Anna Plothow (Märkische Skizzen).
52. Im Blumenthal.
Jenes prächtige, weite Waldgebiet, das sich über den Hohen-
Barnim zwischen Strausberg und Freienwalde, Wriezen und
Werneuchen ausbreitet, heißt seit Jahrhunderten „der Blumen-
thal". Der Zauber süßer Waldeinsamkeit umwebt diese Gegend;
wie Traum und Vergessen liegt es auf den sonnigen Halden
und stillen Waldtälern. Nur in den Wipfeln regt es sich: die Vöglein
singen und flöten; bunte Schmetterlinge wiegen sich über lachenden
Blumen und blitzenden Seen. Die Mark hat keinen schöneren
Wald als den Blumenthal.
Einsame Seen, von Berglehnen und Schilfgürteln eingefaßt,
Abhänge, mit Edeltannen und Eichen gekrönt, Schluchten, aus
denen hohe Buchen ihre lichten Häupter zum Himmel erheben,
Quellen, die über glatte Kiesel dahintanzen, bald ein blühendes
Rapsfeld, ein efeuumsponnenes Jägerhaus oder eine düstere
Heideschenke, und dazu ein Blühen und Duften ringsumher wie
in einem großen, wilden Garten. Und nicht nur während des
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