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Geschichte des Mittelalters.
genannt, die im tiefen Felsenthale des Gebirges Seir (Th. I. S. 25. 28)
lag; in diesem hausten die Stämme der Amalekiter, Edomiter,
Midianiter, Amoniter, Moabiter, Nabathäer u. a. ; 2) das
wüste Arabien (Arabia deserta), die Hochfläche zwischen Syrien und
dem Euphrat, ein Steppenland mit vielen Oasen und großen Sand-
strecken, aus denen manchmal der Glutwind Samum (d. h. der Giftige,
die Hitze steigt bis 630 R.) weht und alle Vegetation versengt. Die
Bewohner waren Nomaden (daher Arabes scenitae genannt, fetzt Bedui-
nen, d. h. Wüstenbewohner, im Gegensatz zu den Fellahs, d. h. Pflügern),
Krieger und Räuber wie heutzutage; 3) das glückliche Arabien
(Arabia felix), die eigentliche Halbinsel. Dieselbe ist eine Hochfläche mit
terrassenförmigen Abstufungen, Sandwüsten und nackten Felsgebirgen;
zur Zeit des regelmäßigen Regens durchrauschen Wildbäche die Thal-
einschnitte (Waddys), vertrocknen aber schon im Anfänge der regenlosen
Zeit, daher gibt es in Arabien keine Wiesen, sondern nur Steppen mit
Weidekräutern. Die bewässerten Thäler, die sich hauptsächlich im
Süden finden, find reich an Palmen, Gewürzen, Myrrhen und anderen
köstlichen Spezereipflanzen, sowie an Weihrauch. Die Küsten bilden
fast durchgängig einen ebenen, sandigen, heißen und ungesunden Saum,
welchem es an Süßwasser mangelt.
8 84. Die bedeutendsten Stämme waren: im Norden (im heutigen
Nedschid), die Sara eenen (d. h. Morgenländer), später die allge-
meine Benennung der Araber; die Th a müden er und Min ä er
gegen die westliche Küste hin (im heutigen Hedschas); die Homeri-
ten und Sabäer im Südwesten (Jemen, dem eigentlichen glücklichen
Arabien), die Adr a maten und Chatramotiten im Süden (Ha-
dramaut), die Dacharener, Omaniten und Gerrhäer an der
Ostküste (Oman und Lahsa).
K 85. In alter Zeit, als Babylon und die phönikischen Städte
sowie Memphis in Aegypten die Stapelplätze des Welthandels waren,
betheiligte sich auch Arabien, das durch seine Lage zur Vermittlung des
Verkehrs zwischen Ostindien, Babylonien, Ost-Afrika und Syrien geeignet
war. Von Gerrha (Th. I. S. 25) am persischen Meerbusen und
Mara oder Maraba oder Saba, der Hauptstadt der Sabäer, führten
Karawauenwege bis Petra und Aelana, welche Weihrauch, Myrrhen,
Balsam, Aloe, Zimmt, Ladanum, Perlen, Edelsteine rc. und andere
Erzeugnisse Arabiens, Ostindiens und Aethiopiens den Phönikiern und
Aegyptiern brachten, daher den Sabäern ein fabelhafter Reichthum zu-
geschrieben wird. Die Nomaden hatten ungefähr dieselben Sitten und
Lebensweise wie heute noch und waren bei überhandnehmender Volkszahl
den Nachbarländern gefährlich. Araber sollen einmal über Babylon
geherrscht haben und als Hyksos trafen wir sie in Aegypten (Th. I.
S. 4. 13); Alexander der Große beabsichtigte eine Unternehmung
gegen Arabien, wurde aber durch den Tod an der Ausführung gehin-
dert, der Feldzug des A. Gallus unter Augustus mißlang, der unter
Trafan hatte keinen dauernden Erfolg, sowie Arabien auch von den
Parthern und Neupersern fast unberührt blieb.
§ 86. Die Natur des Landes macht eine Eroberung durch Fremde
unmöglich, daher sind die Araber bis auf den heutigen Tag ein unver-
mischtes, in ihrer Weise freies Volk geblieben, das seine Traditionen
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Extrahierte Personennamen: Gerrha Mara Saba Petra Alexander Gallus Augustus
— 41 —
a) Nicht bloß die tiefeingeschnittenen, reichbewässerten Thäler,
auch die Abhänge des Gebirges sind anbaufähig und deshalb
auch bewohnbar. Die Abnahme der Wärme von 5—6° auf je
1000 m bedingt vier Höhenzonen des Pflanzenwnchses und der
landwirtschaftlichen Nutzung.
1. Der Gürtel des Weinstockes mit Nußbäumen im Norden
und Kastanien im Süden (600 m).
2. Der Gürtel des Getreidebaues und der Buchenwälder,
wo der Mensch noch in größern Ortschaften wohnt (1400 m).
Bild 8. Gletscher mit Moräne.
3. Der Gürtel der Nadelhölzer, wo saftige Weiden vor-
zügliche Rindviehzucht gestatten und der Mensch noch Dörfer oder
Einzelhöfe bewohnt (1800 in).
4. Der Gürtel der Almen bis zur Schneegrenze (2600 m),
wo die Alpenrosen purpurn blühen und die Hirten (Sennen) in der
schneefreien Jahreszeit ihre Herden auf würzige Hochweiden führen.
b) Zahlreiche Querthäler und tiefeingeschnittene Pässe
fördern die Anlage von Verkehrswegen, an denen kein Hoch-
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- 137 —
Die Pyrenäen ziehen als gewaltige Grenzmauer der Halbinsel
vom Golf von Biscaya zum Mittelmeer. Während der westliche
Teil eine mit Wald bedeckte Berglandschaft bildet, der östliche zwar
bedeutend höher (2800 m) und auf der spanischen Seite wild zer-
klüftet ist, beide jedoch eine Anzahl wegsamer Paßübergänge bieten,
ist das eigentliche Hochgebirge der Mittelpyrenäen eine fast un-
übersteigliche, geschlossene Mauer. Von ihren zahlreichen Gipfeln,
die in das Gebiet des ewigen Schnees ragen, zeichnen sich der Mont
Perdu (3350 m) und die Maladettagruppe (3400 in) aus.
Der mehr gegliederte französische Nordabhang ist durch feine Bäder
berühmt. — Die Sierra Nevada (d. i. Schneegebirge), der Kern
des Hochlandes von Andalusien, erreicht im Mulahacen eine Höhe
von fast 3500 m, ist also nach den Alpen das höchste Gebirge Europas.
Iii. Die Bewässerung der Pyrenäen-Halbinsel ist nicht reich-
lich, weil die meisten Ströme so wasserarm sind, daß sie in der heißen
Jahreszeit stellenweise austrocknen. — In das Mittelmeer fließen
Ebro (vom Cantabrischen Gebirge), der durch seine linken Neben-
flüfse viel Wasser von den Pyrenäen erhält, aber an Versandung
leidet, und Hucar, in den Atlantischen Ocean der Minho (eben-
falls vom Cantabrischen Gebirge); der Dnero (portugiesisch Douro),
der Tajo (portugiesisch Tejo) und der Guadiana kommen vom
Iberischen Randgebirge, durchlaufen die steppenartige Hochebene und
sind, auch abgesehen vom Wassermangel, wegen ihrer Stromschnellen
für die Schiffahrt fast wertlos. Der Gnadalquivir (d. h. großer
Fluß) wird von der Sierra Nevada reichlich gespeist und überdies im
untern Laufe durch die aussteigende Meeresflnt für Seeschiffe fahrbar.
Iv. Die Halbinsel weist große klimatische Unterschiede auf. Die
nördlichen Gebirgsgegenden haben Klima und Vegetation von Mittel-
europa. Die Hochebene zeigt auffallende Gegensätze: im Sommer
drückende Hitze, im Winter empfindliche Kälte (ein spanischer Spruch
heißt: Neun Monate Winter und drei Monate Hölle). Die Nieder-
schlüge sind hier sehr gering; doch herrscht im allgemeinen noch Ge-
treideban vor. Im südlichen Teile des Tafellandes jedoch, in der
Mancha, ist der steppenartige Boden kaum anbaufähig; diese öde
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Extrahierte Personennamen: Biscaya
Extrahierte Ortsnamen: Andalusien Europas Atlantischen_Ocean Guadiana Sierra_Nevada Mittel-
europa
— 212 —
sich in einer Länge von etwa 2000 km nordöstlich erstreckt, dabei
sich immer mehr der Ostküste Amerikas nähernd. Die höchste Er-
Hebung reicht an 2000 in.
In Südamerika:
1. Das Hochland von Guayana, von den Ebenen des
Orinoco und des Amazonenstromes umschlossen.
2. Das ungeheuer große Gebirgsland von Brasilien
zwischen den Ebenen des Amazonenstromes und des La Plata. Beide
Gebiete sind noch wenig erforschte Tafelländer mit aufgesetzten Ge-
birgsketten, deren größte Höhe ungefähr 2700 m ist.
B. Hieftand.
Zwischen den Cordilleren und den östlichen Gebirgen Amerikas
breiten sich ungeheure Tiefebenen aus, welche fast die Hülste der
Gesamtfläche einnehmen.
Bild 78. Prärie mit Jndianerzelten.
Das nordamerikanische Tiefland scheidet sich in:
1. die nördliche (arktische) Tiefebene, ein teils mit Wald be-
decktes, teils mit Felsplatten und großen Seen übersäetes, wenig be-
wohntes Gebiet;
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Extrahierte Ortsnamen: Amerikas Südamerika Guayana Brasilien La_Plata
— 244 —
Richtung gegen Südamerika. Die Gesamtheit dieser letzteren Grnppe
nebst den nördlich gelegenen Sandwich(ßänduitsch)-Jnseln heißt man
Polynesien, d. i. Vielinselwelt.
A. Jas Festland Australien.
I. Wagrechte Gliederung. Der australische Kontinent wird
aus allen Seiten vom Meere begrenzt: im Norden, Westen und
Süden vom Indischen, im Osten vom Großen Ocean.
Die Küstengliederuug ist außerordentlich gering. Nur im
Norden findet sich ein tiefer Einschnitt, der Golf von Carpentaria,
welcher die Halbinsel Aork bildet. Unbedeutend ist die Einbuchtung
durch den Australgolf im Süden.
Ii. Senkrechte Gliederung. Die Bodengestalt ist sehr ein-
förmig. Höhere Gebirge giebt es nur an der Ostküste, besonders
die Australalpen mit dem Mt. Kosciuszko (maunt koßzjuschko;
2240 m) und die Blauen Berge. — Im Innern dehnen sich
weite, teils wüsten- teils steppensörmige Hochebenen aus.
Iii. Bewässerung. Australien ist der wasserärmste Erdteil.
Es hat nur eiueu größeru Strom, welcher das ganze.jahr Wasser
enthält, den Murray (mörre). — Die Steppenseen sind salz-
haltig, haben sehr geringe Tiefe und verschwinden größtenteils
während der trockenen Jahreszeit.
Iv. Klima und Produkte. Ungefähr 1/3 des Festlandes liegt
in der heißen Zone, teilweise im Gebiete des australischen Monsuns
mit halbjähriger Regenzeit. Im Innern herrscht oft jahrelange Dürre.
Der Südosten erfreut sich eiues gleichmäßig milden und auch fii*
Europäer sehr gesunden Klimas. — Die australische Pflanzenwelt
ist außerordentlich einförmig. Eigentümlich ist die vertikale und
daher fast schattenlose Stellung der Blätter der einheimischen Bäume-
Der Eukalyptus soll eine Höhe von 130—150 m erreichen. Be-
zeichnend ist der Maugel an Nahrungspflanzen. Die europäisches
Ansiedler haben aber Getreide-, Obst- und Weinbau mit dem gün'
stigsten Erfolge eingeführt. Seit neuerer Zeit werden noch Zucker'
rohr und Baumwollstaude gepflauzt. — Auch die Tierwelt ist
l
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— 263 —
und Futterkräuter. Nur die Akazie mit den sanften, dünnen Blättern
scheint sich in der trockenen Luft wohl zu fühlen. An grüne Wälder
und murmelnde Bäche ist gar nicht zu denken. Ein Stück festes Holz
ist auf weite Strecken so selten wie ein Stein. Alles ist Erde, höchst
fruchtbare Erde, aber nichts als Erde, und die einzige Abwechslung
ist, daß die Erde zu Zeiten Schlamm, zu Zeiten Staub wird.
Die größte Not, woran diese ungeheure Fläche fruchtbaren Bodens
leidet, ist der zeitweise Mangel an Wasser auf den Feldern. Man
spricht schon lange davon, die ganze große Ebene durch regelmäßig
ineinander greifende Kanäle zu bewässern — ein riesenhaftes, jedoch
ausführbares Unternehmen.
Naturgemäß sind die Pußten sehr schwach bewohnt. Sie haben
wenige, weit auseinander liegende Städte und Dörfer. An der großen
Straße zwischen Tokay und Debreczin trifft man alle drei oder vier
Stunden ein Dorf, aber in einigen Gegenden erfreut oft tagelang
keine solche willkommene Ansicht das Auge des müden Wanderers.
Die Hauptstadt der Pußten ist Debreczin, eine von den Magyaren
sehr hoch gestellte Stadt, in der sich 1848 der ungarische Reichstag
samt der Regierung versammelt hatte. Doch was sieht man in
Debreczin? Hauptsächlich lange Stücke der Steppe, die man Straßen
nennt, weil sie hin und wieder Häuser zur Seite haben. Von
Domen, Palästen, glänzenden Häuserreihen ist keine Rede. Ein großer
Platz, ein paar Kirchen, Straßen und ebenerdige Bauernhütten
bilden die Stadt. Und so wie Debreczin sind all die andern Städte
der Pußten. Sie erscheinen wie ein großes Lager, worin sich das
Volk zusammendrängte. (Nach Fr. v. Löher.)
Das Werner Hbertand.
Das Berner Oberland ist unter allen Teilen der Alpen am
meisten bekannt und besucht. Kein anderer Teil der Hochgebirgs-
schweiz hat eine solche Längenausdehnung, keiner solch zusammen-
hängende Gletscher und Firnfelder, und bei keinem ist die Gipfel-
bildung so reichhaltig und darum sür das Auge so überraschend ent-
wickelt. Die Berner Alpen entfalten, vom nördlichen Flachland oder
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— 236 —
Industrie und Handel sind unbedeutend; bekannt sind die
Strohhüte, sogen. Panamahüte, und Hängematten.
Hauptstadt ist Bogota (110 000 E.). — Colon (Aspinwall)
am Atlantischen Ocean, zur Zeit noch ein schmutziges Negerdorf,
und Panama, eine alte Stadt mit 30 000 E., sind die Endpunkte
Bild 87. Eingeborene in Colombia beim Ackerbau.
der Eisenbahn über die Landenge und daher Knotenpunkte für den
Dampfschiffahrtsverkehr auf dem Atlantischen und Großen Ocean.
Die neun vereinigten Staaten von Veneznela
(1044 000 qkm und an 21/2 Millionen ausschließlich katholische
Einwohner, der Abstammung nach fast durchweg Mischlinge) um-
fassen nahezu das ganze Orinocogebiet und sind durch ungemein
reiche Vegetation ausgezeichnet; aber nur der kleinere Teil des Bodens
ist bebaut; der größere Teil ist Graslaud (Llanos des Orinoco).
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Extrahierte Ortsnamen: Bogota Atlantischen_Ocean Panama
— 315 —
Trinity-Turms, und auf der Börse versammelte sich die Handels-
kammer, um das Schwesterinstitut in San Francisco telegraphisch
zu beglückwünschen. Hier selbst, an den Ufern des Pacific, der-
anstalteten in echt amerikanischer Weise dreißig bekränzte und be-
flaggte Lokomotiven zusammen mit den sämtlichen Dampfmaschinen
der Stadt ein kolossales Wettpfeifen. Es sei noch hinzugefügt, daß
die Verbiudungsschwelle von Lorbeerholz, jener letzte Nagel von Gold
und die Klammern von Silber waren. Die Staatsunterstützung,
welche den Bahngesellschaften zum Bau der Pacificbahn gewährt
wurde, betrug über 53 Millionen Dollars (über 220 Millionen
Mark) und fast 142 000 qkm Land. Die Kosten für den ganzen
Bau beliefen sich auf 290 Millionen Dollars (über 1200 Millionen
Mark).
Durch die Union- und Central-Pacificbahn wurden zuerst die
weit ausgedehnten Gebiete des westlichen Amerika der Kultur er-
schlössen und dessen unerschöpfliche Mineralschätze zugänglich gemacht.
Die Bahn ist aber auch von Einfluß auf die Bewegung des Welt-
haudels, insofern sie einen Teil des Verkehrs zwischen Europa und
Ostasien vermittelt. (Nach Geistbeck und Krügers
Die Urwälder Wrasttiens.
a. Die Pflanzenwelt.
Tritt der Europäer zum erstenmal in die unermeßlichen Ur-
Wälder Brasiliens (Bild 104), so findet er ihren Anblick ebenso nn-
erwartet großartig als entzückend. Wohl mag er früher auf seinen
Reisen da oder dort gefragt haben, ob dieses oder jenes Urwald
sei; jetzt, wo er denselben betreten hat, fragt er nicht mehr; er
fühlt, er weiß es, wo er sich befindet. Jener feierliche Schauer
sagt es ihm, der jeden befällt, welcher zum erstenmal den Urwald
betritt. Da starrt er hinein in das Labyrinth von hohen, schlanken
Stämmen, die gleich Riesen neben ihm aufsteigen, und in das ihn
umgebende Gewirr von Schlingpflanzen. Blickt er nach oben, so
erhebt sich hoch über ihm jenes lichte Laubdach, das den Himmel
nur wie durch einen Flor erkennen läßt; aber von allem vermag
14 *
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Extrahierte Ortsnamen: San_Francisco Amerika Europa Ostasien Brasiliens
— 316 —
er sich keine Rechenschaft zu geben. Zuerst ist es der ungeheure
Maßstab der Riesenbäume, welcher uns in Erstaunen setzt, sodann
die gänzliche Verschiedenheit der Pflanzenwelt dieser Wälder von der
unseres Erdteils. Wo wir in der Heimat einen blühenden Stranch
oder einen Obstbaum in anmutiger Farbenpracht erblicken, da finden
wir hier blühende Banmkolosse, deren Höhe die der heimatlichen um
das Doppelte, ja selbst Dreifache übertrifft, während ihre Blüten
den größten Blumen unserer Prachtgärten an die Seite gestellt
Bild 104. Urwald in Brasilien.
werden können. Dazu sprossen sie in einer solchen Fülle hervor,
daß das ganze Laubdach des Baumes sich oft in ihre Farben zu
kleiden scheint. Besonders sind es jene Bäume mit prachtvollen lila
oder weißen Blüten, welche ungemein viel zur Zierde der Wälder
beitragen, indem sie sich von dem mannigfachen Grün des Laubes
unterscheiden. Jeder Baum hat seinen eigentümlichen Wuchs, sein
eigenes Lanbwerk und sein von den benachbarten Bäumen ver-
schiedenes Grün. Riesige Gewächse, den verschiedensten Arten an-
gehörend, verschlingen ihre Zweige und erzengen ein Gemisch des
verschiedenartigsten Laubes. Gleich gewaltigen Säulen erheben sich
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318 —
stundenlang unter ihnen, während sie an anderen Stellen gar nicht
vorkommen. Ihr Anblick ist überaus malerisch; jedes Lüftchen
schaukelt sie, und sanft schütteln sie das liebliche Haupt, voll Huld
und Anmut herabzugrüßen.
Doch wir vergessen über deu schlauken Palmen beinahe die
baumartigen Farnkräuter, die allein an Schönheit und
Mannigfaltigkeit mit jenen lieblichen Kindern der Natur wetteifern
können. Sie ähneln gar sehr den Palmen, nur ist ihr leichtes,
biegsames Blütterdach flacher und weniger buschig als das der
Palmenkrone. Gar lieblich ist es, wenn diese bedeutenden, 3—5 m
langen und fast 3 m breiten Farukrüuter, von dem leisesten Lüst-
chen angehaucht, bei ihrer Leichtigkeit sich anmutig wiegen und diese
sanften Schwingungen ins unendliche fortsetzen.
d. Vir Tierwelt.
Nicht minder ausgezeichnet als die Pflanzen- ist die Tierwelt,
welche jene Urwälder bewohnt. Der Naturforscher weiß uicht, ob
er mehr die Formen oder die Farben oder die Stimmen der Tiere
bewundern soll. Den Mittag ausgenommen, wo alle lebenden Ge-
schöpfe der heißen Zone Schatten und Ruhe suchen und wo daher
eine majestätische Stille über die Tropennatur verbreitet ist, ruft
jede Stunde des Tages eine andere Welt von Geschöpfen hervor.
Den Morgen verkünden das Gebrüll der Heulaffen, die hohen und
tiefen Töne der Laubfrösche und Kröten, das einförmige Schmettern
und Schwirren der Cikaden und Heuschrecken. Hat die aufsteigende
Sonne den Nebel verdrängt, so freuen sich alle Geschöpfe des neuen
Tages. Die Wespen verlassen ihre langen, von den Zweigen herab-
hängenden Nester; die Ameisen kommen aus ihren künstlich von
Lehm aufgetürmten Wohnungen und beginnen die Reise auf den
selbstgebahnten Straßen; die buntesten, an Glanz mit den Farben
des Regenbogens wetteifernden Schmetterlinge eilen von Blume zu
Blume; Taufende der glänzendsten Küfer durchschwirren die Luft
oder blinken gleich Edelsteinen ans dem frischen Grün der Blätter
hervor. Indessen schleichen Eidechsen von ausfallender Form, Größe
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