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6
das ihrer Meinung nach von einer Unholdin gesterbte
Vieh bei Seite zu schaffen und dieses häusliche Unglück
vor dem Manne so lang als möglich zu verheimlichen.
Aber ihr Erstaunen ging über Alles, als sie von ungefähr
in den Futtertrog sah und einen ganzen Hansen goldner
Blätter darin erblickte. Daher schärfte sie geschwind das
Küchenmesser, brach den Ziegenleichnam ans und fand
im Magenschlunde einen Klumpen Gold, so groß, als
einen Paulinerapfel, und so auch nach Verhältniß in den
Mägen der Zicklein.
Jetzt wußte sie ihres Reichthums kein Ende; doch
mit der Besitznehmung empfand sie auch die drückenden
Sorgen desselben; sie ward unruhig, scheu, fühlte Herz-
klopfen, wußte nicht, ob sie den Schatz in die Lade ver-
schließen oder in den Keller vergraben sollte, fürchtete
Diebe und Schatzgräber, wollte auch den Knauser Steffen
nicht gleich Alles wissen lassen, aus gerechter Besorg-
niß, daß er, vom Wuchergeist angetrieben, den Mammon
an sich nehmen und sie dennoch nebst den Kindern darben
lassen möchte. Sie sann lange, wie sie's klug genug
damit anstellen möchte, und fand keinen Rath. Endlich
nahm sie ihre Zuflucht zu dem trostreichen Seelenpfleger
des Dorfes, berichtete ihm unverhohlen das Abenteuer
mit Rübezahl, wie er ihr zu großem Reichthum ver-
holfen und was sie dabei für Anliegen habe. Nach-
dem er lange nachgesonnen hatte, sagte er: Hör' an,
meine Tochter, ich weiß guten Rath für Alles. Wäge
mir das Gold zu, daß ich dir's getreulich aufbewahre;
dann will ich einen Brief schreiben in welscher Sprache,
der soll dahin lauten: dein Bruder, der vor Jahren in
die Fremde ging, sei in der Venediger Dienst nach In-
dien geschifft und daselbst gestorben, und habe all sein
Gut dir im Testament vermacht, mit dem Beding, daß
der Pfarrer des Kirchspiels dich bevormunde, damit es dir
allein und keinem andern zu Nutz komme. Ich begehre
weder Lohn noch Dank von dir; nur gedenke, daß du
der heiligen Kirche einen Dank schuldig bist für den
Segen, den dir der Himmel bescheert hat, und gelobe ein
reiches Meßgewand in die Sakristei. Dieser Rath be-
hagte dem Weibe herrlich: er wog in ihrem Beisein das
Gold gewissenhaft bis auf ein Quentlein aus, legte es in
den Kirchenschatz, und das Weib schied mit frohem und
leichtem Herzen von ihm.
Rübezahl aber war mittlerweile auch nicht müßig ge-
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den,“ und liess das Bildniss des reichen Almoraddin in
eine weite Ferne stellen und befahl den Söhnen, nach
den Sternen seiner Augen zu zielen.
Nun waren Beide als die besten Bogenschützen in
ganz Arabien bekannt. Der Aeltere legte den Pfeil auf die
Sehne, zielte und traf in den Stern. Auch der Jüngere er-
griff den Bogen, zog den Pfeil aus dem Köcher; aber da er
ihn auf denbogen legen wollte, bedachte er sich, warf sich
vor dem Kadi nieder und sagte: „Verzeih, Herr, wenn ich
Dein Gebot nicht erfülle. Aber ich denke an die Güte
meines Vaters, und wie oft ich an seinen Augen gehangen
und wie freundlich mir diese Augen zugewinkt haben.
Kann ich nur so, wie Du geboten hast, zu seinem Erbe
kommen, so will ich lieber für immer Verzicht darauf
thun.“
Jetzt glaubte der ältere Bruder des Sieges gewiss zu
sein. Aber der Kadi hob mit der Hand den jüngern von
der Erde auf, berührte ihm die Stirn und sagte: „Du hast
dich als Almoraddins ächten Sohn bewährt. Denn der ist
ein wahrer und ächter Sohn, der das Andenken seines
Vaters in Ehren hält und mehr ihn als seine Schätze
liebt. Darum geh hin und nimm, was dir gebührt.“
Und jener ging und ward ein grosser Emir. So wie
er sich aber bei dem Prozesse als einen guten Sohn be-
wiesen hatte, so war er auch kein schlechterer Bruder.
Denn in seinem Glücke theilte er seinem ältern Bruder
reichlich mit, was er bedurfte, und machte auch ihn reich,
ohne sein Erbe zu schmälern oder dem Willen seines
Vaters entgegen zu handeln.
7. Kindesdank und Undank.
Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerk-
sanl ist, daß Menschen im Alter von ihren Kindern wie-
der ebenso behandelt werden, wie sie einst ihre, alten
und kraftlosen Eltern behandelt haben. Es geht auch
begreiflich zu. Die Kinder lernen's von den Eltern;
sie sehen's und hören's nicht anders und folgen dem Bei-
spiele. So wird es auf dem natürlichsten und sichersten
Wege wahr, was gesagt wird und geschrieben ist, daß der
Eltern Segen und Fluch auf den Kindern ruhe und sie
nicht verfehle.
Man hat darüber unter andern zwei Erzählungen,
von denen die erste Nachahmung und die zweite große
Beherzigung verdient.
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Ein Fürst traf auf einem Spazierritte einen fleißigen
und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an und ließ
sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen
erfuhr er, daß der Acker nicht sein Eigenthum sei, sondern
daß er als Taglöhner täglich um 15 kr. arbeite. Der Fürst,
der für sein schweres Regiernngsgeschäft freilich mehr Geld
brauchte und zu verzehren hatte, konnte es in der Ge-
schwindigkeit nicht ausrechnen, wie es möglich sei, täglich
mit 15 kr. auszureichen und noch so frohen Muthes dabei
zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave
Mann im Zwilchrock erwiederte ihm: „Es wäre mir s
übel gefehlt, wenn ich so viel brauchte. Mir muß ein
Drittheil davon genügen; mit einem Drittheil zahle ich
meine Schulden ab, und den übrigen Drittheil lege ich auf
Kapitalien an/' Das war dem guten Fürsten ein neues
Räthsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort und sagte:
„Ich theile meinen Verdienst mit meinen alten Eltern, die
nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern,
die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe,
die sie nnr in meiner Kindheit erwiesen haben, und von
diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden Alter
auch nicht verlassen werden." War das nicht artig gesagt
und noch schöner und edler gedacht und gehandelt? Der
Fürst belohnte die Rechtschaffenheit des wackern Mannes,
sorgte für seine Söhne, und der Segen, den ihm seine
sterbenden Eltern gaben, wurde ihm im Alter von seinen
dankbaren Kindern durch Liebe und Unterstützung redlich
entrichtet.
Aber ein Anderer ging mit seinem Vater, welcher
durch Alter und Kränklichkeit freilich wunderlich gewor-
den war, so übel um, daß dieser wünschte, in ein Armen-
spital gebracht zu werden, das im nämlichen Orte war.
Dort hoffte er wenigstens bei dürftiger Pflege von den
Vorwürfen frei zu werden, die ihm daheim die letzten
Tage seines Lebens verbitterten. Das war dem undank-
baren Sohne ein willkommenes Wort. Ehe die Sonne
hinter den Bergen hinabging, war dem armen, alten
Greis sein Wunsch erfüllt. Aber dieser fand im Spital
auch nicht Alles, wie er es wünschte. Wenigstens ließ
er seinen Sohn nach einiger Zeit bitten, ihm die letzte
Wohlthat zu erweisen und ihm ein paar Leintücher zu
schicken, damit er nicht alle Nacht auf bloßem Stroh schla-
fen müßte. Der Sohn suchte die zwei schlechtesten, die er
hatte, heraus und befahl seinem zehnjährigen Kinde, sie
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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33
„Du denkst dir wohl die Erde noch als ein Haus
der Lust,
„Mein Sohn, das ist nicht also; sei dessen früh bewußt!
„Nach Eimern zählt das Unglück, nach Tropfen zählt
das Glück;
„Ich geb' in tausend Eimern zwei Tropfen kaum zurück!"
Der König spricht's und scheidet. Der Sohn begriff
ihn nicht;
Er sieht noch rosenfarben die Welt im Maienlicht.
Zu Throne sitzt er lächelnd; beweisen will er's klar,
Wie sehr getäuscht sein Vater von düstrem Geiste war.
Und auf das Dach des Hauses, grad über seinen Saal,
Worin er schläft und sinnet und sitzt am frohen Mahl,
Läßt er ein Glöcklein hängen von hellem Silberklang/
Das läutet, wie er unten nur leise rührt den Strang.
Den aber will er rühren (so thut er's kund im Land),
So oft er sich recht glücklich in seinem Sinn empfand;
Und traun! zu wissen glaubt er's, da wird kein Tag
entflieh'n,
An dem er nicht mit Rechten das Glöcklein dürfte zieh'n.
Und Tag' um Tage heben ihr rosig Haupt empor;
Doch Abends, wenn sie's senken, trägt's einen Trauerflor.
Oft langt er nach dem Seile, das Auge klar und licht: —
Da zuckt ihm was durch's Jnn're, das Seil berührt er nicht.
Einst tritt er, voll des Glückes erhörter Freundschaft,
hin:
„Ausläuten," ruft er, „will ich's, wie hoch beglückt ich bin."
Da keucht ein Bot' ins Zimmer, der's minder spricht als
weint:
„Herr, den Du Freund geheißen, verrieth Dich wie ein
Feind!"
Einst fliegt er, voll des Glückes erhörter Lieb', herein;
„Mein Glück, mein Glück," so ruft er, „muß ausgeläutet
sein!"
Da kommt sein blasser Kanzler und murmelt bang und scheu:
„Herr, blüht denn auch dem König hienieden keine Treu?"
Der König mag's verwinden, er hat ja noch sein Land
Und einen vollen Säckel und eine mächt'ge Hand;
Er hat noch grüne Felder, noch Wiesen voll von Duft,
Und drauf den Fleiß der Menschen und drüber Gottes Luft!
Th. Lesebuch. Z
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39
Hier schlug ihr, indem sie im Schweiße zerquoll,
Das bebende Herz wie ein Hammer;
Und drittes noch lauteres Brüllen erscholl,
Als wär's vor dem Bett in der Kammer.
Nun sprang sie mit wildem Entsetzen heraus,
Stieß auf die Laden der Zelle:
Schon strahlte der Morgen, der Dämmerung Graus
Wich seiner erfreulichen Helle.
Und als sie mit heiligem Kreuz sich versehn:
„Gott helfe mir gnädiglich, Amen!"
Da wagte sie's, zitternd zum Stalle zu gehn
In Gottes allmächtigem Namen.
O Wunder! Hier kehrte die herrlichste Kuh,
So glatt und so blank wie ein Spiegel,
Die Stirne mit silbernen Sternchen ihr zu;
Vor Staunen entsank ihr der Riegel.
Dort füllte die Krippe frisch duftender Klee
Und Heu den Stall, sie zu nähren;
Hier leuchtet ein Eimerchen, weiß wie der Schnee,
Die strotzenden Euter zu leeren.
Sie trug ein zierlich beschriebenes Blatt
Um Stirn und Hörner gewunden:
„Zum Troste der guten Frau Magdalis hat
N. N. hierher mich gebunden."
Gott hatt' es ihm gnädig verliehen, die Noth
Des Armen so wohl zu ermessen.
Gott hatt' ihm verliehen ein Stücklein Brod,
Das konnt' er allein nicht essen.
Mir däucht, ich wäre von Gott ersehn,
Was gut und was schön ist, zu preisen:
Daher besing' ich, was gut ist und schön,
In schlicht einfältigen Weisen.
15. Herr Charles*).
Ein Kaufmann in Petersburg, von Geburt ein
Franzose, wiegte eben sein wunderschönes Büblein auf
dem Knie und machte ein Gesicht dazu, daß er ein wohl-
) Sprich: Scharl.
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TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
72
Wo geht's zum frohen Alter? Sprecht,
Wo ist der Weg zu Ehr' und Nuh?
Grad vor dir hin in Mäßigkeit
Mit stillem Sinn in Pflicht und Recht.
Und führt zum Kreuzweg dich die Spur,
Und weißt du nicht den rechten Pfad,
So frage beim Gewissen an,
Es kann ja deutsch — ihm folge nur.
Wo ist der Weg zum Leichenstein?
Ach frage nicht! Geh', wo du willst;
Zur stillen Gruft im kühlen Grund
Führt jeder Weg, kannst sicher sein.
In Gottesfurcht nur wandle hier!
Das rath' ich dir, so viel ich kann.
Ein heimlich Pförtchen hat das Grab,
Und Manches zeigt es jenseits dir.
34. Tobias Witt.
Herr Tobias Witt war ans einer nur massigen Stadt
gebürtig und nie weit über die nächsten Dörfer gekom-
men. Dennoch hatte er mehr von der Welt gesehen, als
Mancher, der sein Erbtheil in Paris oder Neapel verzehrt
hat. Er erzählte gern allerhand kleine Geschichtchen,
die er sich hie und da aus eigner Erfahrung gesammelt
hatte. Poetisches Verdienst hatten sie wenig, aber desto
mehr praktisches, und das Besonderste an ihnen war,
dass ihrer je zwei und zwei zusammengehörten.
Einmal lobte ihn ein junger Bekannter, Herr Till,
seiner Klugheit wegen. — Ei, fing der alte Witt an und
schmunzelte: Wär’ ich denn wirklich so klug?
Die ganze Welt sagt’s, Herr Witt. Und weil ich
es auch gern würde — —
Je nun, wenn Er das werden will; das ist leicht.
Er muss nur fleissig Acht geben, Herr Till, wie es die
Narren machen.
Was? wie es die Narren machen?
Ja, Herr Till! Und muss es dann anders machen,
wie die.
Als zum Exempel?
Als zum Eifempel, Herr Till! So lebte dahier in
meiner Jugend ein alter Rechenmeister, ein dürres, gräm-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Tobias_Witt Tobias_Witt Till Witt Till
50
einer! Der Aufruf wurde wiederholt. Kein Fuß bewegte
sich; und wollte der Kommandant geplündert haben, so
hätte er müssen selber gehen. Aber es war Niemand lieber
als ihm, daß die Sache also ablief; das ist leicht zu be-
merken. Als die Bürger das erfuhren, war es ihnen zu
Muthe, wie Einem, der aus einem schweren Traum erwacht.
Ihre Freude ist nicht zu beschreiben. Sie schickten sogleich
eine Gesandtschaft an den Kommandanten, ließen ihm für
diese Milde und Großmuth danken und boten ihm aus
Dankbarkeit ein großes Geschenk an. Wer weiß, was
Mancher gethan hätte! Aber der Kommandant schlug dasselbe
ab und sagte: er lasse sich keine gute That mit Geld be-
zahlen. Nur zum Andenken von Euch, setzte er hinzu, er-
bitte ich mir eine silberne Münze, auf welcher die Stadt
Hersfeld vorgestellt ist und der heutige Auftritt. Dieß soll
das Geschenk sein, welches ich meiner künftigen Gattin aus
dem Kriege mitbringen will. — Dieß ist geschehen im Februar
des Jahres 1807; und so etwas ist des Lesens zweimal werth.
20. Aus dem Leben eines Arztes.
Die Erzählung betrifft einen Landsmann, den ver-
storbenen berühmten Arzt Ernst Ludwig Heim aus Solz
bei Meiningen, weiland in Berlin.
Eines Abends kam Heim von seiner Praxis (Ausübung
seines Berufes) spät nach Hause. Es war im November
und in einem recht argen, denn Schnee und Regen ver-
mischt, wurden von einem eisigkalten und scharf schneidenden
Nordwest gepeitscht. Heim hatte, obwohl im Wagen, den-
noch viel von dieser Witterung gelitten. Er kleidete sich um,
warf sich in die Sophaecke zunächst dem Ofen, nahm nur
wenig Speise und sagte zu seiner Gattin: O diese anraa
Praxis (goldenepraxis) hat doch auch ihre entsetzliche Schatten-
seite. Wenn sich die Katheder- und Schreibtischmenschen in
behaglicher Wärme dehnen, muß ich aus dem Palaste in die
Dachstube in Haft und Drang, athme ungesunde Dünste,
bin Zeuge des eingebildeten und wirklichen Elends,
ärgere mich hier über die Schlechtigkeit, dort über die
Dummheit — und
Kommst noch überall wie ein helfender Engel, sagte
die Gattin einfallend — und das wiegt Alles auf!
Heim lächelte und schwieg. Es mochte ihm das Be-
wußtsein sagen, wie wahr dies Wort sei.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Personennamen: Ernst_Ludwig_Heim Ernst Ludwig
53
21. Das Rothkehlchen.
Ein Rothkehlchen kam in der Strenge des Winters
an das Fenster eines frommen Landmanns. Der Land-
mann aber wohnte in England, und er that sein Fenster
auf und nahm das zutrauliche Thierchen gern und freund-
lich in seine Wohnung auf. Da pickte es die Brosamen
und Krümchen auf, die von seinem Tische fielen.
Auch hielten die Kinder des Landmanns das Vöglein
lieh und werth. Aber als nun der Frühling wieder in
das Land kam und die Gebüsche sich belaubten, da
öffnete der Landmann sein Fenster, und der kleine
Gast entflog in das nahe Wäldchen und baute sein Nest
und sang sein fröhliches Lied.
Und siehe! als der Winter wiederkehrte, da kam das
Rothkehlchen abermals in die Wohnung des Landmanns
und hatte sein Weibchen mitgebracht. Der Landmann
aber sammt seinen Kindern freute sich sehr, als sie die
beiden Thierchen sahen, wie sie aus den klaren Aeuge-
lein zutraulich umherschauten. Und die Kinder sagten:
,,Die Vögelchen sehen uns an, als ob sie etwas sagen
wollten!“ Da antwortete der Vater: ,,Wenn sie reden
könnten, so würden sie sagen: Freundliches Zutrauen
erweckt Zutrauen, und Liebe erzeugt Gegenliebe!“
22. Ein Geschichtchen aus dem Morgenlande.
In der Türkei, wo es bisweilen etwas ungerade her-
gehen soll, trieb ein reicher und vornehmer Mann einen
Armen, der ihn um eine Wohlthat anflehte, mit Schelt-
worten und Schlägen von sich ab, und als er ihn nicht
mehr erreichen konnte, warf er ihn noch mit einem Steine.
Die es sahen, verdross es, aber Niemand konnte errathen,
warum der arme Mann den Stein aufhob und ohne ein
Wort zusagen, in die Tasche steckte, und Niemand dachte
daran, dass er ihn von nun an bei sich tragen würde.
Aber das that er. Nach Jahr und Tag hatte der reiche
Mann ein Unglück, nämlich er verübte einen Spitzbuben-
streich und wurde deswegen nicht nur seines Vermögens
verlustig, sondern er musste auch nach dortiger Sitte zur
Schau und Schande, rückwärts auf einen Esel gesetzt, durch
die Stadt reiten. An Spott und Schimpf fehlte es nicht,
und der Mann, mit dem räthselhaftenstein in der Tasche,
stand mit den Zuschauern eben auch da und erkannte
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung]]
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feit, bei geringer oder großer Habe, ist immer Reichthum
und stellt dich in gleiche Reihe mit dem stolzesten Ritter
vom goldenen Vließ. O, so sei denn weise und laß Thätig-
keit am Morgen mit dir gehen und dich begleiten, bis die
Abendglocke zur Ruhe läutet. Laß Rechtschaffenheit sein wie
den Athem deiner Seele, und vergiß nie, einen Pfennig
übrig zu haben, wenn alle deine Ausgaben berechnet und
bezahlt sind: dann wirst du den Gipfel irdischer Glückselig-
keit erreichen und Unabhängigkeit wird dein Schild und Har-
nisch, dein Helm und deine Krone sein; dann wird deine
Seele aufrecht gehen und sich nicht vor dem Schurken in
Seide bücken, weil er Schätze besitzt; dann wirst du keinen
Schlag einstecken, weil die Hand, die ihn droht, einen dia-
mantenen Ring trägt
36. Nöthige Winke für Diejenigen, die gern
reich werden möchten.
Der ganze Vortheil, den der Besitz des Geldes
verschafft, ist der Gebrauch des Geldes.
Vorausgesetzt, dass du ein Mann von anerkannter
Klugheit und Rechtschaffenheit bist, so kannst du mit
fünf Thalern jährlich dir den Gebrauch von hundert
Thalern verschaffen.
Wer des Tags vier Pfennige durch Müssiggang ver-
liert, der verliert jährlich über fünf Thaler, das heisst, er
verliert den Preis von hundert Thalern. Wer, einen Tag
in den andern gerechnet, täglich vier Pfennige unnütz
ausgibt, der gibt abermals damit den Vortheil aus,
täglich hundert Thaler zu seinem Gebrauch zu haben.
Wer unnöthiger Weise einen Thaler werth von seiner
Zeit verschwendet, der verliert einen Thaler und handelt
nicht klüger, als wenn er geradezu einen Thaler zum
Fenster hinauswürfe. Wer einen Thaler verliert, ver-
liert nicht allein diese Summe, sondern zugleich alle Vor-
theile, die er erwarben konnte, wenn er sie auf irgend eine
Art angelegt oder umgesetzt hätte, und diess beträgt
in der Zeit, dass ein junger Mann alt wird, eine beträcht-
liche Summe. Weiter: Wer auf Credit verkauft, fordert
einen Preis für seine Waare, der dem Kapital und den
Zinsen seines Geldes für die Zeit, die es ihm ausbleibt,
gleich kömmt: folglich bezahlt der, der auf Credit kauft,
Zinsen für das, was er kauft, und der, welcher baar be-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]