80 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
aber der Papst seine Behauptung so keck hinstellte und sie in der
Geschichte der Vorzeit nicht sehr bewandert waren, so dachten sie:
,,Er muß doch wohl wissen, was er sagt!" und unterwarfen sich.
Und so machte es Gregor mit mehreren Fürsten. Ueber Kaiser
Heinrich erklärte er sich, er habe die Absicht, ihn nächstens durch
Gesandte zu unterweisen, was er zum Heile der Kirche und zur
Ehre der königlichen Würde zu thun habe. Werde er auf seine
Vorschriften hören, so würde er sich freuen; wenn er aber ihm
Ungehorsam bewiese, so würde er ihm zeigen, was er vermöchte.
Heinrich war damals in einer sehr mißlichen Lage, in die er
sich aber selbst gestürzt hatte. Die Sachsen sahen jetzt deutlich,
daß er sie ganz zu Boden drücken wollte. Alle Tage stürzten
die königlichen Kriegsknechte wie Räuber über das Eigenthum
der Sachsen her, forderten willkürlich Zölle und Abgaben, führ-
ten ganze Heerden hinweg, zwangen die Einwohner als Knechte
zu dienen, und wenn Einer nur murrte, wurde er gleich ins
Gefängniß geworfen, aus dem Niemand anders loskam, als mit
Hingebung seines ganzen Vermögens. Klagte man beim Kaiser,
so erhielt man kein Gehör oder wurde mit schnöden Worten
zurückgeschickt. Einmal berief Heinrich alle sächsischen Fürsten
nach Goslar, mit ihnen Wichtiges zu berathen. Alle kamen und
warteten aus das Erscheinen des Kaisers. Sie warteten eine
Stunde und wieder eine, bis endlich ganz spät am Abend ihnen
ein Höfling den Bescheid brachte, sie könnten nur wieder aus-
einander gehen, der Kaiser habe keine Zeit. Zugleich erfuhren
sie, er habe indessen am Würfelspiele gesessen! So unklug rannte
Heinrich in sein Unglück hinein!
Die Sachsen traten zusammen und rathschlagten, was zu
thun sei. Viele wollten gleich dareinschlagen; aber die Vernünf-
tigeren wollten noch einmal erst den Weg der Güte versuchen.
Sie schickten drei Abgeordnete an Heinrich, der eben wieder in
Goslar war. Sie sprachen: „Adeligster König! Das Volk der
Sachsen, welches keiner Nation an Muth wie an Treue nachsteht,
bittet dich, die Rechte der Altväter, die alte Freiheit des Landes,
ihm wiederzugeben. Ausländer und Dürftige maßen sich mit
Gewalt unsere Güter an und entziehen Eingeborenen die Wal-
dungen, Weiden und Heerden. Lässest du uns nach vaterländi-
scher Sitte leben, so wird kein Volk in Deutschland und Frank-
reich treuer und ergebener gefunden werden." — Das war gut
und vernünftig gesprochen. Heinrich aber fuhr sie stolz an und
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Extrahierte Personennamen: Gregor Gregor Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Sachsen Goslar Sachsen Goslar Sachsen Deutschland Frank-
Colombo's erste Reise.
307
du doch? Es hat so viele Weise auf der Erde gegeben, und
Keiner von ihnen hat im Westen Länder entdeckt; also wirst du
auch nichts finden-" —„Und", rief ein Vierter, „gäbe es auch
wirklich eine andere Welt da unten, so ist sie uns nicht beschieden.
Wir sollen hier oben bleiben." Alle seine Gegengründe halfen
nichts; sie wiesen ihn ab. Zum Glück dachten nicht Alle so. Es
fanden sich manche treffliche Männer, welche seinen Plan nüt
Achtung anhörten und ihm selbst alle Ehre erwiesen! Auch er-
hielt er die Erlaubniß, zum Gefolge des Hofes sich halten zu
dürfen. Aber hier brannte ihm der Boden unter den Füßen.
Immer bat er aufs neue um Schiffe, aber immer vergebens.
Endlich sagte ihm der König geradezu: jetzt habe er zu viel an-
dere Sorgen, als daß er daran denken könne; auch fehle es ihm
an Geld; er möchte ein ander Mal wiederkommen!
Diesen Bescheid hielt Colombo für eine förmliche Abweisung.
Noch wandte er sich an zwei reiche spanische Granden und bat
sie nvl Schiffe und Geld; aber auch diese — wiesen ihn ab.
Traurig beschloß er nun, dieses Land zu verlassen und in Frank-
reich sein Glück zu versuchen, oder, wenn ihm dies auch nicht
gelänge, in England seinen Bruder aufzusuchen. Wahrlich, die
Ausdauer des braven Mannes ist zu bewundern!
Mißmuthig reiste er nach dem Kloster Rabida, um hier von
seinem Sohne und dem Abte Abschied zu nehmen. Dieser hielt
ihn auf und versprach noch einen Versuch bei der Königin zu
machen. Er reiste zu ihr ins Lager. „Es wäre doch schade,"
sprach er, „wenn deine Majestät sich den großen Gewinn ent-
gehen ließe und einer andern Macht zuwendete. Colombo ist
ein sehr gelehrter Mann, der gewiß halten wird, was er ver-
spricht. Es wäre ein großer Verlust, wenn er mißvergnügt das
Reich verließe." — Jsabella wurde nachdenkend, befahl endlich,
ihn kommen zu lassen und ließ ihnr eine Summe Geldes als
Geschenk auszahlen. Schon glaubte er am Ziele seiner Wünsche
zu sein; aber er verlangte zum Lohne seiner Dienste, ihm die
Würde eines Admirals und eines Vicekönigs über die zu ent-
deckenden Länder zu verleihen und dann noch die Hälfte der
daraus gezogenen Einkünfte; das schien der Königin zu viel,
und sie entließ ihn. Ganz Spanien war eben voll Freude, denn
Zsabella hatte die Mauren in Granada bezwungen; nur Colombo
stand mitten in der allgemeinen Freude traurig da und sah sich
verachtet. Sieben Jahre, die er so trefflich hätte benutzen können,
20*
é
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Zsabella
Extrahierte Ortsnamen: Colombo Frank- England Colombo Spanien Granada Colombo
308 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
Waren verloren, und zwar blos in Spanien, wo man ihn recht
eigentlich bei der Nase herumgeführt hatte.
Zum zweiten Male nahm er also von seinem Freunde Ab-
schied und reiste dem Seehafen zu. Kaum aber war er fort, so
stellte der Einnehmer der geistlichen Renten in Aragonien,
Santangelo, der bei Jsabella viel galt, dieser vor, wie übel
sie sich gerathen habe, einen solchen Mann ziehen zu lassen und
eine Gelegenheit, Ehre und große Reichthümer zu gewinnen, so
mnthwillig von sich zu stoßen. Seine Worte machten solchen
Eindruck, daß sie sich willig erklärte, die Unternehmung zu wagen.
„Nur fehlt es mir", sagte sie, „jetzt an Gelde; aber hier sind
meilie Kronjuwelen, die will ich verpfänden." Santangelo be-
nutzte diese Stimmung, schoß geschwind das nöthige Geld vor
und schickte dem Colombo einen Eilboten nach. Glücklich wurde
er noch eingeholt, ehe er die Küste erreicht hatte, kehrte gleich
um und war nun taumelnd vor Freude, daß er endlich sein Ziel
vor Augen sah. So schwer wurde es ihm gemacht, die Erlaubniß
zur Entdeckung eines Erdtheils zu erhalten! Darauf wurde
ein förmlicher Vertrag mit ihm abgeschlossen: er erhielt für sich
und seine Nachkommen die Würde eines Admirals und Vice-
königs in den zu entdeckenden Ländern; er sollte den zehnten
Theil von allem Gewinn haben, der aus den Waaren und Früchten
dieser Länder gezogen würde, und den achten Theil von dem
Handelsgewinne mit denselben; dafür aber mußte er auch den
achten Theil zu den Kosten beitragen. Nun wurden geschwind
drei ziemlich kleine und gebrechliche Schiffe ausgerüstet, 120 Mann
dazu angeworbem, und einige tüchtige Seefahrer, die Gebrüder
Pinzon, versprachen, die Unternehmung zu unterstützen und
mitzufahren. Die Nacht vor der Abfahrt brachten Colombo und
die Schiffsmannschaft mit religiösen Andachtsübungen zu; noch
einmal umarmte er seine beiden Söhne, schüttelte dem braven
Abte dankbar die Hand und schiffte sich ein. Nun — Glück ans
den Weg!
Am 3. August 1492 — es war ein Freitag — spannte mit
Tagesanbruchs die kleine Flotte die Segel auf und fuhr ans dem
Hafen von Pa los (nicht weit von Cadiz) ins offene Meer hinein.
Schon am vierten Tage brach das eine Steuerruder; „eine
schlimme Vorbedeutung!" seufzten Viele. Auf der einen cana-
rischen Insel mußte er einen Monat verweilen, um die Schiffe
ausbessern zu lassen, und doch wagte sich der kühne Mann mit
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Extrahierte Personennamen: Santangelo Gebrüder
Pinzon August
Erster Kreuzzug.
109
liegende Habe dem nächsten Kloster zu verschreiben u. s. w. Nie-
mand gewann dabei mehr als die Kirchen und Klöster, und die
Juden. Jene nahmen die Güter und Häuser der Kreuzfahrer in
Verwahrung und behielten sie, wenn die Besitzer nicht wieder-
kamen, oder sie bekamen auch wohl Güter geschenkt, um für die
glückliche Reise der Schenker Zu beten. Diese aber schafften gegen
ungeheuere Zinsen baares Geld herbei, was bei dem allgemeinen
Bedürsnisse bald zu fehlen anfing, und mancher Kreuzfahrer ver-
schleuderte seine Besitzungen ums halbe Geld, uur um etwas nüt-
nehmen zu können. Manche Fürsten selbst verkauften ihr Für-
stenthum, weil sie nie wiederkehren, sondern sich dort von den
Ungläubigen ein neues erkämpfen wollten.
So brach das Jahr 1096 an, in welchem der Zug sich in
Bewegung setzen sollte. Wer beschreibt das wilde Gewühl, das
man auf allen Straßen sah! Es war, als wenn eine neue Völ-
kerwanderung -begonnen hätte. An allen Orten sah man Zelte
und Fahnen und Waffen von der mannigfaltigsten Art, und alle
Landstraßen und Flüsse waren mit Kreuzfahrern bedeckt, die ju-
belnd den Sammelplätzen zuzogen. „Gott will es haben!" hörte
man überall als Losungswort rufen.
Unter allen den hohen Häuptern, welche sich zum Zuge ent-
schlossen hatten, war Keiner, zu dem man mehr Vertrauen hatte,
als Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen
(Belgien), der von der Schlacht bei Merseburg her noch bekannt
ist. Vor dessen Burg erschien schon in den ersten Tagen des
Frühlings unvermuthet Kukupeter mit einer großen Schaar nichts-
nutzigen Gesindels; denn dieses Volk hatte keine großen Vor-
bereitungen zu machen gehabt und nur auf die ersten Strahlen
der Frühlingssonne gewartet, um fortzuziehen. Der edle Gott-
fried erschrak, als er den ungeschlachten Haufen sah. Mit solchen
Leuten mochte er nicht ziehen. „Geht nur voran!" rief er ihnen
zu, „ich bin noch nicht bereit. Bald komme ich nach. Vor den
Thoren von Constantinopel treffen wir wieder zusammen!" —
Peter ließ es sich gefallen; jubelnd zog die Schaar ab. Aber sie
war so groß, daß Peter sie theilte. Zwanzigtausend der Un-
geduldigsten zogen voran unter Anführung eines Ritters aus
Burgund, den man seiner Armuth wegen Walther Habe-
nichts nannte.
Um nach Constantinopel zu gelangen, mußten die Kreuz-
fahrer durch Deutschland, Ungarn und Bulgarien ziehen. Die
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Peter Peter
Hussiten. Ziska.
245
brich wurde wieder darum angesprochen, machte die Summe von
400,000 Goldgulden voll und erhielt dafür die ganze Mark mit
der Kurwürde für sich und seine männlichen Nachkommen erk-
und eigenthümlich, doch so, daß Sigismund oder seine Nachkom-
men das Land gegen Zurückbezahlung der Summe wiedernehmen
könnten.* *) Dies ist aber nie geschehen, und so ist die Mark bei
dem Hause Hohenzollern geblieben. Dieser Burggraf nahm den
Namen Friedrich 1., Kurfürst von Brandenburg, an.
Die Böhmen, die über die Verbrennung ihres theuern Leh-
rers Huß schon sehr ausgebracht waren, wurden es noch mehr
durch die Nachricht, daß auch Hieronymus verbrannt wäre. Si-
gismund hielt für nöthig, sich in einem besondern Briese an die
Böhmen zu entschuldigen: Huß' Verbrennung thäte ihm leid; er
hätte ihn ja gern geschützt, wenn es nur möglich gewesen wäre.
Amte gehörte die Verwaltung der Reichsgüter in jenem Theile des Herzogthums
Franken, die höchste Gerichtsbarkeit an des Kaisers Statt und der oberste Militär-
befehl in dem gesammten Gebiet. Der Burggraf stand zu dem Markgrafen in
demselben Verhältniß, wie der Pfalzgraf zum Könige. In dieser Stellung er-
warben die Zollern durch Erbschaft und Kauf große eigene Güter, wie sie kein
anderer geistlicher oder weltlicher Fürst in Frauken besaß; und da sie ein gleiches
Interesse mit der Reichsgewalt hatten, so standen sie in allen Fällen auf Seiten
der Kaiser. Für die Dienste, welche Burggraf Friedrich Iii. für die Wahl Ru-
dolphs von Habsburg leistete, ertheilte ihm dieser Kaiser ,,die erbliche Belehnung
auch in weiblicher Linie mit Allem, was er bereits inne hatte". In der Schlachc
auf dem Marchfelde (1278) trug er die Sturmfahne. Sein Sohn geleitete
Heinrich Vii. nach Italien und entschied in der Schlacht bei Mühldorf den
Sieg zu Gunsten der bairisch-böhmischen Partei, für welchen Dienst er reich be-
lohnt wurde. In noch höherm Maße machte sich Friedrich V. um Karl Iv.
verdient. Bei seinem Tode theilte er seine Länder unter seine zwei Söhne
Johann und Friedrich; jener erhielt das Land auf dem Gebirge und im
Voigtland; dieser die Lande unterhalb des Gebirges (Anspach).
*) Im Jahre 1415 schon erhielt Burggraf Friedrich den erblichen Besitz der
Mark und die Kurwürde; 1417 in Kostnitz geschah die feierliche Belehnung.
Mit dem angeblichen Verkauf des Markgrafenthnms verhält es sich aber fol-
gendermaßen. Nachdem Burggraf Friedrich bereits zum .,erblichen Verweser und
obersten Hauptmann in den Marken" ernannt worden war, gab ihm Sigis-
mund durch die Verschreibung von 400,000 Goldgulden auf die Marken und
weitere 50,000 als Mitgift der Tochter des Sachsenherzogs bei ihrer Vermählung
mit Friedrichs Sohn eine festere Garantie, indem daran die Bedingung ge-
knüpft war, daß im Fall einer Rückforderung durch Sigismund oder seine
Nachfolger jene Summe an den Burggrafen zurückgezahlt werden müsse. Somit
waren die Marken den Burggrafen verpfändet, aber nicht für ein Darlehn, das
er anderweitig dem Könige gemacht, sondern für den Aufwand von Geld und
Mühe. dem er zur Rettung des halbverwilderten Landes sich unterzog.
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Friedrich_1. Friedrich Friedrich_Iii Friedrich Habsburg Heinrich_Vii Heinrich Friedrich_V. Friedrich_V. Karl_Iv Karl Johann Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrichs Sigismund
1789-1861.
Erste Periode.
Von dem Anfange der französischen Revolution bis zur
Erhebung Bonaparte's zum Cónsul, (1789—99).
113. Ausbruch der französischen Revolution.
26ie große Begebenheiten die Geschichte auch enthält, so zeigt
sie doch kein größeres und gewaltigeres Ereigniß auf, als die
französische Revolution, durch welche die älteste Monarchie Eu-
ropas umgestürzt und fast alle benachbarte Staaten in Mit-
leidenschaft gezogen wurden! Wenn es auch Anfangs schien, als
betreffe sie nur Frankreich, so haben sich doch ihre Folgen über
einen großen Theil der Erde ausgebreitet und der jetzige Zustand
auch unsers Deutschlands würde ohne sie ein ganz anderer sein.
Die Ursachen dieser großen Staatsumwälzung Frankreichs
liegen meist in der früheren Zeit. Ludwig Xiv., welcher mehr
als 70 Jahre regierte (1643—1715), hatte durch seine vielen Er-
oberungskriege und seine Verschwendung das Land in große
Schulden gestürzt. Diese wurden unter seinem Urenkel und Nach-
folger Ludwig Xv. (1715—74), einem höchst leichtsinnigen und
unthätigen Könige, noch bedeutend vermehrt; denn er überließ
die Regierung seinen Ministern und ließ sich von nichtswürdigen
Weibern leiten. Eine derselben, die Marquise von Pompadour,
plünderte das Reich 20 Jahre lang, und eine andere, die schänd-
liche Dubarry, kostete Frankreich in fünf Jahren 45 Millionen
Thaler. Ja, der König trieb sogar einen schändlichen Wucher
mit Korn, setzte einen hohen Preis fest, unter welchem es nicht
verkauft werden durfte, und bezahlte die Beamten in Papiergeld
statt mit baarem Gelde. Die Verzweiflung der ärmeren Classen
Weltgeschichte für Töchter. Iv. 13. Aust. 1
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82
Neueste Geschichte. 2. Periode. Frankreich.
wollte, bisher zurückgehalten, durch ihr sanftes Wesen seine Wild-
heit gezügelt und genoß daher die allgemeinste Liebe und Achtung.
Aber theils wünschte er Kinder zu haben, die er von ihr nicht
hatte; theils hoffte er durch eine Heirath mit der Prinzessin eines
alten Hauses mehr Ansehen zu erhalten; kurz, er erklärte, „er
müsse die süßesten Gefühle seines Herzens aufopfern, nur aus
das Heil Frankreichs hören und darum seine Ehe trennen". Mit
gebrochenem Herzeil gehorchte Josephine und zog sich nun nach
Malmaison zurück, wo sie 3ya Jahr darauf starb. Napoleon
trug seine Hand Marien Luisen, einer Tochter des Kaisers
Franz, an. Dieser mußte wohl darein willigen, hoffte auch viel-
leicht durch diese Verbindung bei Abzahlung der Kriegscontri-
bntion Erleichterung, zll erhalten. Aber vergebens. Napoleon
erließ keinen Thaler. Am 2. April 1810 wurde die Ehe voll-
zogen und ein Jahr darauf ihm ein Söhnchen geboren, welches
schon in der Wiege den Titel eines Königs von Rom erhielt
und von allen Seiten mit vielen Schmeicheleien bewillkommnet
wurde.
In Schweden ereignete sich im Jahre 1809 eine gewalt-
same Thronveränderung. Der von Ankarström ermordete Gu-
stav 111. hatte einen Sohn hinterlassen, Gustav Iv. Adolph,
einen sonderbaren Mann. Was er einmal beschlossen hatte, das
wollte er auch durchsetzen, berechnete aber nie, ob die Umstände
und seine Kräfte es auch zuließen. So fing er (1808) mit seinem
Schwager, dem Kaiser Alexander, einen Krieg an, und opferte
dabei viele Menschen auf. Damit noch nicht zufrieden, bekriegte
er auch den König von Dänemark. Alle Vorstellungen, die man
ihm darüber machte, dienten nur dazu, ihn noch hartnäckiger zu
machen. Vergebens stellte man ihm vor, daß das Geld zur
Fortsetzung des Krieges nicht aufzubringen sei. — Die Unzu-
friedenheit wurde immer größer, besonders nachdem er drei
Garderegimenter kassirt hatte, weil er glaubte, sie hätten nicht
genug ihre Schuldigkeit gethan. Jetzt entstand eine Verschwörung.
Das gegen die Dänen stehende Heer brach gegen Stockholm auf.
Als der König die Empörung erfuhr, wollte er mit einigen Re-
gimentern den Rebellen entgegengehen. Da begaben sich am
13. März 1809 Feldmarschall Klingspor und General Adler-
kreuz zu ihm und nahmen ihn gefangen. Sein Oheim, der
Herzog Karl von Südermanland, übernahm die Regierung und
wurde bald darauf als Karl Xiii. zum König ernannt; der un-
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreichs Rom Schweden Stockholm
184 Neueste Geschichte. 4. Periode. Preußen.
Parteien ihre Macht zu erweitern. — Nicht minder glücklich hat
ein Kampf geendet, welchen England gegen das bisher allen
Europäern unzugängliche „Reich der Mitte", China, geführt hat.
Die ostindische Compagnie hatte nämlich alten Handelsverkehr
mit einigen chinesischen Häfen. Im Jahre 1836 aber erließ die
chinesische Regierung ein Verbot gegen den Opiumhandel und
nahm in Folge davon englischen Kaufleuten 20,000 Kisten Opium,
int Werth von vier Millionen Pfund Sterling (30 Millionen
Thaler) weg. Dies führte einen Krieg zwischen England und
China herbei. Die Engländer eroberten eine bedeutende Handels-
stadt und schickten sich schon an, die Hauptstadt Nanking zu
nehmen, da schlossen die Chinesen, deren Kriegskunst bei allem
Muth und aller Ausdauer der europäischen nicht gewachsen war,
einen Frieden, in welchem sie die Insel Hong-Kong abtreten,
eine Entschädigung von 21 Millionen Dollars zahlen und fünf
chinesische Häfen dem Verkehr der englischen Schiffe eröffnen sollten.
Dieser Erfolg kam indeß den Engländern nicht allein zu Gute.
China mußte auch mit andern Nationen Handelsverträge errichten;
1844 mit Nordamerika; 1845 mit Frankreich, welches besonders
das Interesse seiner Missionäre ins Auge faßte, später mit Spa-
nien, Portugal, Belgien u. s. w. Indeß versuchte England,
welches das dringendste Interesse (wegen seines ungeheuren Thee-
bedarfs) hat, seinen Handelswaaren, besonders seinem Opium
Eingang zu verschaffen, sich auch nach dem Innern des Reiches
Wege zu eröffnen, wogegen China den Bestimmungen des Frie-
dens von Nanking zuwider, Canton den Engländern nicht öffnete.
Darum setzte sich England im Mai 1847 mit Gewalt in den
Besitz einer Räumlichkeit in der Nähe von Canton zur Gründung
von Waaren- und Wohnhäusern und nährte gelegentlich Zwistig-
keiten mit den allerdings übelwollenden chinesischen Behörden, bis
es endlich 1856 zu einem offenen Bruche kam.
135. Preußen und Deutschland; Rußland, Italien und die
Schweiz.
In Preußen wurden die letzten Regierungsjahre Friedrich
Wilhelms Iii., welcher bei seinem Volk bis zu seinem Tode in
seltener Liebe und großer Achtung stand, durch ernste Streitig-
keiten mit der katholischen Kirche gestört. Wiewohl der König
den Katholiken eine Rücksichtnahme zu Theil werden ließ, wie
sie dieselben in keinem andern Staate genießen, so war doch ein
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Extrahierte Personennamen: Muth Friedrich
Wilhelms Friedrich Wilhelms
Extrahierte Ortsnamen: China England China Nanking China Nordamerika Frankreich Portugal Belgien England China Nanking England Deutschland Italien
220 Neueste Geschichte. 5. Periode. Oestreich.
Sitzungen der Nationalversammlung, um sie dem Einfluß des
Straßenpöbels zu entziehen, von Berlin nach Brandenburg, und
hielten diesen Beschluß gegen alle Proteste der Abgeordneten
aufrecht. Da diese ihre Sitzungen dessenungeachtet in Berlin
fortzusetzen versuchten, erhielt der General Wrangel den Befehl,
mit großer Truppenmacht in Berlin einzurücken; es wurde der
Belagerungszustand erklärt und die unbefugten Sitzungen der
Abgeordneten mit Waffengewalt aufgehoben. Dieselben faßten
zuletzt den Beschluß, das Volk von der Zahlung der Steuern
gegen die Regierung zu entbinden, und ließen durch Emissäre in
den Provinzen dafür wirken; aber das Volk, welches richtig
fühlte, daß durch eine solche Steuervvrweigerung das ganze
Staatsleben ins Stocken gerathen müßte, schaarte sich gerade um
desto fester um die Regierung. Bald zeigte sich, daß die Meisten
nur darauf gewartet hatten, daß der König selbst mit dem Bei-
spiel der Entschlossenheit voranginge, um der herrschenden Ge-
setzlosigkeit ein Ende zu machen. Ueberall erfolgte eine freudige
Erhebung für die Krone und für das muthvolle Ministerium.
Dieses löste endlich die Nationalversammlung, welche sich in
Brandenburg nicht zahlreich genug einfand, auf und veröffentlichte
dagegen eine vom König octroyirte Verfassung (vom 5. De-
cenlber 1848), welche die meisten Freiheiten in eben solcher Aus-
dehnung gewährte, wie sie die Nationalversammlung beantragt
hatte, aber mit der ausgesprochenen Hoffnung, daß die künfti-
gen Kammern Alles darin mildern würden, was mit der Kraft
des Königthums nicht verträglich wäre. Die öffentliche Mei-
nung nahm diese Verfassung eben so wie das kräftige Einschrei-
ten der Regierung sehr günstig auf, und man gab sich überall
den besten Hoffnungen für eine weitere erfreuliche Entwickelung
der Dinge hin.
In Oestreich war der Verlauf der innern Bewegung nicht
weniger stürmisch gewesen als in Preußen, und das Bild, welches
die im Juli zusammengetretene Reichsversammlung darbot, war
insofern ein noch verworreneres als das der preußischen National-
versammlung, weil in jener die verschiedensten Volksstämme un-
tereinander gemischt waren, und eine Menge Abgeordnete die
deutsche Sprache gar nicht verstanden, in welcher sie über die
künftige Reichsverfassuug mitberathen sollten. Es versteht sich,
daß dabei an geordnete Verhandlungen nicht zu denken war;
noch dazu fand der Reichstag unter noch ungünstigeren Verhält-
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Extrahierte Personennamen: Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Brandenburg Berlin Berlin Brandenburg Oestreich
Voltaire und Rousseau.
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die Verdorbenheit der höheren Stände aufgedeckt, und gelehrt,
daß auch das Volk von Natur gewisse Rechte habe, die man ihm
Lesen seine Kenntnisse zu vermehren und seine große Gelehrsamkeit auszubilden.
Wir können nicht alle seine Schicksale erzählen Bald war er hier, bald dort.
Ueberall zeigte er Widerwillen gegen die Menschen, besonders die höheren Stände;
er hätte sich am liebsten von allen Menschen abgesondert und gefiel sich in den
auffallendsten Behauptungen. So suchte er einmal zu beweisen, daß alles Elend
unter den Menschen von den Wissenschaften und Künsten herrührte, und daß
es nicht eher in der Welt besser werden würde, bis die Menschen in den Zu-
stand der Natur zurückkehrten und wie die wilden Thiere in den Wäldern lebten.
Ja, er meinte, der ursprüngliche Gang der Menschen sei der ans allen Bieren.
Alles das zog ihm vielen Spott zu, der ihn immer mehr verstimmte. Er hatte
sich auf der kleinen Petersinsel im Bielersee niedergelassen, um hier die ganze
übrige Welt zu vergessen. Als man ihn aber auch von dort wcgwies, glaubte
er, die ganze Menschheit hätte sich wider ihn verschworen. Dabei war er der
genügsamste und gutmüthigste Mensch von der Welt. Einmal klagte er einem
Freunde, er könne seine Stube gar nicht verlassen; denn eine Schwalbe hätte
sich in dem Winkel seines Fensters ihr Nest gebaut, und da müsse er immer zu
Hause sein, um das Fenster zu öffnen, wenn sie hinaus- oder hereinfliegen wollte.
Ein andermal fand ihn ein Freund heftig im Zimmer auf- und abgehend, mit
Stolz seinen Hausrath betrachtend und ihm entgegenrufend: „Das Alles ist
mein!" Dies Alles bestand blos in einem Bette, einem einfachen Tische, einigen
Strohstühlen und einem Schreibtischchen. „Hat Ihnen das nicht auch schon
früher gehört?" fragte ihn der Freund. „Nein!" antwortete Rousseau; „denn
ich habe erst heute dem Meubleshändler die ganze Schuld bezahlt." Während
er in seinem Alter in Paris lebte, ernährte er sich vom Notenabschreiben, konnte
aber sehr böse werden, wenn man ihm mehr geben wollte, als er verlangte.
Die Pompadour schickte ihm einst, um ihn sich zu verbinden, 100 Louisd'or für
einige abgeschriebene Noten, erhielt jene aber zurück mit folgendem Billet:
Madame,
Ich glaubte im ersten Augenblicke, es sei ein Irrthum Ihres Beauftragten,
der mir 100 Louisd'or für die Abschriften einhändigen wollte, welche mit
12 Francs bezahlt sind. Er hat mich indessen aus dem Irrthume gerissen;
erlauben Sie, daß ich auch Sie meinerseits von einem Irrthume befreie.
Meine Ersparnisse haben mich in den Stand gesetzt, mir ein Einkommen
von — 540 Francs, nach allem Abzüge, zu sichern. Meine Arbeit trägt
mir jährlich eine beinahe gleiche Summe ein; ich habe also einen bedeuten-
den Ueberschuß, den ich, so gut wie möglich, anwende, obgleich ich eben
nicht Almosen ertheile. — Wenn wider Vermuthen Alter und Schwächlich-
keit meine Kräfte unzulänglich machen sollten, so habe ich einen Freund.
Paris, den 18. August 1762.
Rousseau.
Von Menschenhaß und Mißtrauen gequält, starb er 1778 in Ermenonville
bei Paris.
Beide Männer hatten in ihren viel gelesenen Schriften auf die Mißbräuche
der Gewalt, aus die Ungerechtigkeiten der Gerichte, auf die Herrschaft der Vor-
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Extrahierte Personennamen: Rousseau August
Extrahierte Ortsnamen: Bielersee Paris Paris Paris