Die Kreuzzüge.
51
asiatisches Nomadenvolk, entweihten die heiligen Örter und mißhandelten
die Christen. Schon Gregor Vh. wollte ein Heer zur Wiedereroberung
des heiligen Landes aussenden; aber seine Kämpfe mit Heinrich Iv.
verhinderten ihn daran. Einem schlichten Einsiedler gebührt der Ruhm,
das ganze Abendland zu diesem Zwecke unter die Waffen gerufen zu
haben.
b. Peter von Amiens. Das war Peter von Amiens (spr.
Amjäng). Er war zu Amiens in der Picardie geboren; zuerst war er
Soldat, nachher Einsiedler und gelangte bald durch seine große Enthalt-
samkeit in den Ruf besonderer Heiligkeit. Auch er machte eine Wall-
fahrt ins gelobte Land und sah die Greuel an den heiligen Stätten,
ließ sich die Marter erzählen, welche die Glaubensbrüder von den Türken
erdulden mußten, und faßte den Entschluß, das Abendland zum Kampfe
gegen die Ungläubigen aufzurufen. Wie er nachher vorgab, bestärkte ihn
der Heiland selber in diesem Gedanken mit den Worten: „Eile, Peter,
dein Vorhaben auszuführen. Verkünde die Leiden meines Volkes, daß
ihm geholfen und die heilige Stadt von den Ungläubigen befreit werde!"
Er kam nach Rom. Papst Urban Ii. nahm ihn freudig auf, gab
ihm Empfehlungsbriefe an die Großen Frankreichs und beauftragte ihn,
predigend Stadt und Land zu durchziehen, um die Gemüter für dieses
große Unternehmen vorzubereiten.
In eine Mönchskutte gekleidet, die durch ein Seil zusammengehalten wurde,
barfuß, ein Kruzifix in der Hand haltend, ritt er auf einem Esel durch Italien und
Frankreich, redete bald vor den Großen, bald vor dem Volke, und sein flammendes
Auge, sein mageres, von vielen Entbehrungen durchfurchtes Gesicht gaben seinen
Worten Nachdruck. Er erzählte von den Leiden der Christen im heiligen Lande, von
seiner himmlischen Erscheinung, las ihnen Briefe des Patriarchen zu Jerusalem vor
und gewann so alle Herzen für den gottgefälligen Zug. Wie einen Heiligen verehrte
ihn das Volk: glücklich schätzte sich derjenige, der nur seine Kleider berühren durfte;
die seinem grauen Esel ausgerupften Haare wurden als Reliquien gesammelt und
verkauft.
e. Die Versammlungen zu Piacenza und Clermont. Gleich-
zeitig kam auch eine Gesandtschaft des griechischen Kaisers Alexius,
die um schleunige Hülfe aller christlichen Völker gegen die Ungläubigen
bat. Da berief der Papst Urban Ii. im März 1095 eine Kirchenver-
sammlung nach Piacenza (spr. Pjatschensa) am Po, die so reichlich
besucht war, daß die Stadt die Besucher nicht zu fassen vermochte. Eine
zweite Versammlung zu Clermont (spr. Klärmong) im südlichen Frank-
reich, im November desselben Jahres, war noch besser besucht; allein
14 Erzbischöfe, 225 Bischöfe, 400 Äbte und eine große Menge Fürsten
und Ritter waren erschienen. Zuerst erklärten sich die Geistlichen zum
Zuge bereit, ihnen folgten viele Laien. Alle hefteten ein rotes Kreuz
auf die rechte Schulter, daher hießen sie Kreuzfahrer und der Zug
Kreuzzug.
Alle umliegenden Städte und Dörfer waren mit Menschen angefüllt, und viele
mußten noch trotz der Kälte unter freiem Himmel übernachten. Zuerst trat Peter auf
und schilderte in feuriger Rede die Not der christlichen Brüder in Palästina; als da-
durch die Herzen wunderbar ergriffen waren, erhob sich der Papst selbst und forderte
mit hinreißender Beredsamkeit, die viele zu Thränen rührte, zum Kampfe für die
4'
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Extrahierte Ortsnamen: Amiens Rom Frankreichs Italien Frankreich Jerusalem Piacenza Clermont Piacenza Clermont Frank- Palästina
68
Mittlere Geschichte.
fanden. Da die Bruder dieses Ordens später Johannes den Täufer zu
ihrem Patron (Schutzherr) erwählten, hießen sie Johanniter; sie selbst
nannten sich Hospitalbrüder des heiligen Johannes von Jerusalem. Sie
widmeten sich der Kranken- und Armenpflege mit solchem Eifer, daß
ihnen Fürsten und Könige, auch Gottfried von Bomllon, reiche Schen-
kungen an Grundstücken'zuwandten. Der zweite Vorsteher des Ordens
gab demselben eine festere Regel, nahm selber den Titel Ordens meistert
an und teilte die Brüder in drei Klassen: in Ritter, welche die Pilger
geleiteten und gegen die Ungläubigen schützten; in Geistliche, welche
den Gottesdienst besorgten, und in dienende Brüder, welche die
Krankenpflege ausübten und den übrigen Brüdern dienten, selbst aber
nie Ritter werden konnten. Alle drei Klassen mußten nicht nur das
Gelübde der Kranken- und Armenpflege und der strengsten Sitt-
lichkeit, sondern auch die Klostergelübde der Armut, des Gehor-
sams und der Ehelosigkeit ablegen; die Ordensritter ver-
pflichteten sich außerdem noch zum Kampfe gegen die Ungläubigen.
Die Kleidung der Johanniter ist ein schwarzer Mantel mit weißem, acht-
spitzigem Kreuze auf der linken Brust. 1 2
Der Orden der Templer oder Tempelherren ward erst 1118
durch neun französische Ritter gestiftet. Ihren Namen erhielten sie davon,
daß ihr Ordenshaus neben dem Platze lag, wo sonst der Tempel Salo-
mos stand, und selbst Tempel hieß. Ihr Hauptzweck war der Kampf
gegen die Ungläubigen. Sie trugen einen weißen Mantel mit blut-
rotem Kreuze; die weiße Farbe sollte ihre Reinheit, die rote dagegen den
blutigen Kampf andeuten. In ihrem schwarzweißen Banner führten sie
die Inschrift: „Nicht uns, o Herr, nicht uns, sondern deinem Namen
gieb Ehre!" Der Orden gewann bald viele Freunde und zählte 20 000
Ritter; in Europa und Asien hatte er reiche Besitzungen. Nach dem
Verlusie Palästinas gingen die meisten Templer nach Frankreich. Der
König Philipp von Frankreich, welcher nach ihren Gütern begierig
war, ließ 1309 plötzlich alle Tempelherren gefangen nehmen, warf ihnen
die schlimmsten Verbrechen vor und wollte sie durch jede Art von Grausam-
keit zum Geständnis bringen. Viele Ordensbrüder siarben so; die Ordens-
güter zog der König größtenteils an sich, ihr Ordenshaus zu Paris, den
Tempel, wählte er selbst als Wohnung. 1312 ward der Orden auf
Andrängen des Königs von Frankreich durch den Papst aufgehoben.
Der dritte geistliche Ritterorden ist der deutsche. Schon bald nach
dem ersten Kreuzzuge entstand zu Jerusalem unter dem Schutze der Jung-
frau Maria ein Hospital für deutsche Pilger, während der Johanniter-
orden sich besonders der italienischen, der Tempelorden sich der französischen
Pilger annahm. Als der Rest des Kreuzheeres, das Friedrich Barbarossa
1 Später hießen die Vorsteher in Süditalien Großmeister. 2 Nachdem
Palästina verloren gegangen (1291), siedelte der Orden nach der Insel Cypern über,
eroberte dann Rhodus (1310) und erhielt 1522 von Karl V. die Insel Malta. Durch
die Reformation und die französische Revolution hat er seine meisten Güter verloren.
Heute ist er bedeutungslos; sein Sitz ist Rom. Die Mitglieder des prcußiichen
Iohanniterordens haben nur die Krankenpflege sich zur Aufgabe gestellt.
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Asien Frankreich Paris Frankreich Jerusalem Johanniter- Süditalien Cypern Malta Rom
52
Mittlere Geschichte.
Befreiung des heiligen Grabes aus unter einem Kriegsherrn, „dem das Brot nimmer
ausgeht, bei dem der Sieg gewiß, der Lohn ewig, der Tod ein Märtyrertod ist."
Als er geendet, erscholl aus tausend Kehlen der Ruf: „Gott will es! Gott will es!"
Da erhob sich der Papst noch einmal. „Dies Wort," rief er, „möge euer Feldgeschrei
sein, das Kreuz aber das Zeichen zur Kraft und zur Demut. Der Fluch des heiligen
Stuhles soll jeden treffen, der sich unterfängt, das heilige Unternehmen zu bindern,
sein Beistand hingegen im Namen des Herrn eure Bahn ebnen und euch geleiten auf
allen euren Wegen!" Dazu verkündete der Papst jedem Teilnehmer am Zuge voll-
ständige Sündenvergebung; keinem Herrn solle gestattet sein, seine Untergebenen an
der Teilnahme zu hindern; die Mitziehenden sollten während der Dauer des Zuges
von der Verpflichtung, ihre Schulden 311 bezahlen, befreit sein.
Die Teilnehmer dieser Versammlung trugen die Begeisterung in ihre
Heimat. Die Bewegung ergriff zunächst Frankreich, dann die lothringische
Ritterschaft und endlich die Normannen in England und Süditalien.
(Deutschland wurde wegen des Streites zwischen Kaiser und Papst davon
fast gar nicht berührt.) Nicht bloß Ritter und Edle, auch dienstbare Leute
entschlossen sich zum Zuge; denn diese konnten nach des Papstes Wort
dadurch die Freiheit erlangen. Viele lockte die Lust an Abenteuern,
andere die Hoffnung auf große Schätze. Die Männer verließen ihre
Frauen, der Vater den Sohn, der Sohn den Vater, und es gab kein
Band des Herzens, welches die allgemeine Begeisterung zu zügeln ver-
mochte; ja, sogar Mönche ließen sich durch die Fesseln, die sie sich dem
Herrn zuliebe freiwillig angelegt hatten, nicht in ihren Klöstern zurück-
halten. Von allen Orten berichtete man über Wundererscheinun gen,
welche zum Kreuzzuge aufzufordern schienen. Es ward sogar erzählt und
geglaubt, Kaiser Karl sei der Gruft entstiegen, um selbst sein Volk gegen
die Ungläubigen zu führen. Eine damals ausbrechende Seuche, das
heilige Feuer genannt, erklärte man schon als göttliche Strafe der
Zögerung.
d. Erfolglose Versuche. Und wirklich dauerte vielen die zum Auf-
bruch bestimmte Zeit — nach der Ernte — schon zu lange. Bereits im
Anfange des Frühlings sammelte Peter von Amiens ein Heer. Es
fanden sich entlaufene Knechte, Handwerker, welche keine Lust zur
Arbeit hatten, Schuldner, die ihrer Schuld, Diebe, die der Haft ent-
laufen wollten. Zu Tausenden strömten sie herbei. Ohne gehörige Waffen
und Kleidung, ohne Lebensmittel und Geld, singen sie schon in christ-
lichen Ländern an zu plündern. Schrecken ging vor ihnen her. Der
Kaiser von Konstantinopel ließ sie gern übersetzen, um sie nur los zu
werden. Peter blieb vorsichtigerweise in Konstantinopel. Die übrigen
fanden bis auf einige Entflohene in Kleinasien ihr Grab.
Diesem Zuge folgte noch in demselben Sommer ein zweiter und
dritter, deren Teilnehmer in Ungarn erschlagen wurden; der folgende war
der schlimmste von allen. Es waren Räuber und Landstreicher der ärgsten
Art; aber alle Sünden waren ihnen ja vergeben, die vergangenen und
die zukünftigen. Sie begannen mit der Bekämpfung der Ungläubigen,
namentlich der Juden, schon im Abendlande. In Ungarn erfolgte ein
allgemeines Aufgebot, um dieses Gesindel fernzuhalten; hier fanden auch
alle ihr Grab.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Peter_von_Amiens
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Deutschland Konstantinopel Konstantinopel Kleinasien Ungarn Ungarn
56
Mittlere Geschich te.
folgte ihm; er nannte sich König von Jerusalem und führte die
fränkische Lehnsverfasfung ein. Das Königreich Jerusalem bestand
jetzt aus dem Gebiete von Jerusalem, den Grafschaften Tripolis *
und Edessa und dem Fürstentume Antiochien.
2) Die übrigen Kreuzzüge.
Balduin war ein kräftiger Herrscher; von Genua, Venedig und Pisa
unterstützt, eroberte er auch noch die bedeutendsten Orte Palästinas am
Mittelmeere. Unter seinem Nachfolger wurde auch Tyrus unterworfen. Die
Muhamedaner setzten den Kampf gegen die Christen ununterbrochen fort
und gewannen zuerst Edessa. Dies wurde die Veranlassung zu dem
zweiten Kreuzzuge (l 147), an welchem Konrad Hl. von Deutschland
und Ludwig Vii. von Frankreich teilnahmen und der ohne Erfolg war.
Den dritten Kreuzzug führte Barbarossa (S. 62). Auch dieser Zug
vermochte den Ungläubigen Palästina nicht zu entreißen. Da vereinigten
sich (1204) deutsche, französische und italienische Ritter zu dem vierten
Kreuz zu ge. Doch sie kamen nicht nach Palästina, sondern eroberten
Konstantinopel. Den fünften Kreuzzug veranstaltete Friedrich Ii.
(S.64), densechsten und siebentenkreuzzug Ludwig der Heilige
von Frankreich (1248 und 1270). Dieser wollte zuerst Ägypten und
darnach Palästina erobern, richtete aber nichts aus; 1291 ging auch die
letzte christliche Besitzung in Palästina, Ptolomais (Akkon), verloren.
1213 zogen aus Frankreich 30 000, aus Deutschland 20 000 Kinder fort, um
Palästina zu erobern. Die deutschen Kinder kamen fast alle um, die französischen
fielen Sklavenhändlern in die Hände, die ganze Schiffsladungen derselben an die
Türken nach Ägypten verkauften.
3) Ilolgen der Kreuzzüge.
Durch die Kreuzzüge sind über 5 Millionen Menschen geopfert, und
doch ist der eigentliche Zweck derselben — das heilige Land den Händen
der Ungläubigen zu entreißen — nicht erreicht. Dennoch sind diese vielen
Opfer nicht umsonst gebracht.
Das Ritterwesen wurde durch die Kreuzzüge veredelt; dadurch,
daß der Ritter sich in den Dienst der Kirche stellte, für sie und Gottes
Ehre das Schwert zog, kam er zu dem Bewußtsein, daß er überhaupt
sich der Schwachen und Bedrängten anzunehmen habe. — Die Ritter
der abendländischen Nationen traten einander nahe, lernten von einander
Rittersitte, und so bildete sich ein großer abendländischer Ritterstand. Auch
die Ritterorden (s. später!) sind infolge der Kreuzzüge entstanden.
Bürger und Bauern erlangten durch die Kreuzzüge größere Freiheit,
indem entweder sie selber, oder ihre Bedrücker davon zogen. Die Ver-
bindung mit dem Osten erzeugte einen lebhaften Handel, durch den
zunächst die Seestädte Genua, Venedig und Pisa reich und mächtig
wurden, der aber auch den Landhandel belebte. Die morgenländischen
Waren — Seide, Zimmet, Gewürze — gingen durch Süddeutschland
nach Norddeutschland, den Niederlanden, oder nach England. Die Ge-
werkthätigkeit wurde gehoben, insbesondere die Weberei und Färberei.
Dem Ackerbau im westlichen Europa wurden durch die Kreuzfahrer 1
1 Am Mittelmecre, nördlich von Sidon.
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Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Jerusalem Jerusalem Tripolis Edessa Genua Venedig Tyrus Edessa Deutschland Frankreich Palästina Konstantinopel Frankreich Palästina Akkon Frankreich Deutschland Gottes Genua Venedig Norddeutschland England Europa
Die Bartholomäusnacht.
129
ging. Sodann brandschatzte er die geistlichen Bistümer am Rheine und
in Franken, ließ Städte und Dörfer, Kirchen und Klöster niederbrennen.
Als er auch in Braunschweig einfiel, verbündete sich der Herrscher dieses
Landes, Heinrich der Jüngere, mit Moritz, und es kam zur Schlacht bei
Sievershausen (östlich von Hannover). Moritz siegte, aber im wilden 1553
Reitertreffen schlug ihm eine Kugel in den Leib; von den Seinen au
einen Baum gelehnt, gebot er noch, den Feind zu verfolgen. Nach dem
Empfange des heiligen Abendmahls soll er mit den Worten gestorben
sein: „Gott wird kommen!" Kaiser Karl V. rief bei der Nachricht von
Moritz' Tode aus: „O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!" und Johann
Friedrich: „Moritz hat mir viel Böses gethan, aber er war ein Mann
von besonderen Gaben!" — Johann Friedrich starb schon 1554 mit dem
Seufzer: „Gott, sei mir Sünder gnädig!"
Nunmehr neigte alles zum Frieden; schon im folgenden Jahre kam
der Augsburger Religionsfriede zustande, der den Bekennern 1555
der Augsburgischen Konfession gleiche Rechte mit den Katholiken gewährte.
Über einen Punkt konnte man sich nicht einigen. Die Katholiken ver-
langten, daß die in Zukunft zur lutherischen Lehre übertretenden Geist-
lichen ihre Stifter und Pfründen der katholischen Kirche ausliefern sollten,
während die Evangelischen dieselben für sich beanspruchten. Diese Frage,
der geistliche Vorbehalt, wurde mit dem Zusatz in den Friedens-
vertrag aufgenommen, daß sich die Stände darüber nicht hätten einigen
können. Es war ein Keim zu künftigen Streitigkeiten.
Karl V. übertrug 1556 seinem Bruder Ferdinand die Regierung
im Reiche; sein Sohn Philipp Ii. wurde sein Nachfolger in den Nieder-
landen, Spanien und Neapel; dann zog sich der lebensmüde Greis in
das Kloster St. Just in Spanien zurück', wo er schon 1558 starb.
Im Kloster beschäftigte er sich mit Uhrmacherei und soll einst gesagt haben: „Ich,
der ich die ganze Welt unter einen Glauben bringen wollte, kann setzt nicht einmal
zwei Uhren auf einen Gang bringen." Ein andermal sagte er: „Unablässig habe
ich mit eigenen Augen zu sehen gesucht, daher ist meine Negierung eine stete Pilger-
schaft gewesen. Neunmal habe ich Deutschland, sechsmal Spanien, viermal Frank-
reich, siebenmal Italien und zehnmal die Niederlande besucht; zweimal bin ich in
England und ebenso oft in Afrika gewesen und habe elf Seereisen gemacht."
6) Die Bartholomäusnacht; 1572.
a. Gegenreformation; die Hugenotten. Noch bevor Karl V. das
Schwert gegen die Protestanten zog, begann durch die katholische Kirche
eine Gegenreformation. Im Jahre 1540, also während Luther
noch lebte, bildete Ignatius Loyola den Orden der Gesellschaft
Jesu (Jesuitenorden), dessen hauptsächlichster Zweck war, den Prote-
stantismus zu unterdrücken, und der binnen kurzem eine ausgedehnte
Verbreitung fand. In Spanien verhängte der finstere Philipp Ii. mit
Hülfe der Jesuiten über die „Ketzer" eine solche Verfolgung durch das schreck-
liche Jnquisitionsgericht, daß dort binnen zehn Jahren alle Protestanten
verschwunden waren. (In Spanien sind in den letzten Jahrhunderten
durch die Inquisition über 30 000 Menschen lebendig verbrannt!)
Auch in Frankreich hatte die Reformation Eingang gefunden.
Die dortigen Protestanten, die man Hugenotten nannte, hielten sich an
Hossmeyer und Hering, Hülssbuch Ii. q
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Friedrich Johann Friedrich Johann_Friedrich Johann Friedrich Karl_V. Karl_V. Ferdinand Philipp_Ii Philipp Karl_V. Karl_V. Ignatius_Loyola Philipp_Ii Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Rheine Sievershausen Hannover Spanien Neapel Spanien Deutschland Spanien Italien England Afrika Jesu Spanien Spanien Frankreich
204
Die Weltgeschichte.
geheuer, die nicht werth wären, das Land zu besitzen',
in welchem die Erzvater, Propheten und Apostel gewan-
delt hatten und Christus gestorben wäre. Das größte
Actergeschrey aber erhob ein gewisser lahmer Mönch aus
Frankreich, namens Pktkk, der im Jahr 1095 aus dem
gelobten Lande kam. Er gieng zum Pabst, und wußte
ihm so viel Greuelthaten der Türken vorzulügen, daß die-
ser von nun an beschloß, den Bluthunden, wie sie Pstcr
nannte, das heilige Land aus den Händen Zu reißen.
In dieser Absicht ließ der Pabst einen Befehl fürs erste
durch ganz Frankreich ergehen,- es solle jeder, der die
Waffen tragen könne, sich zu diesem Feldzuge anschicken,
wobey er sowohl denen, die wirklich mit zu Felde giengen,
als auch solchen, die die Streiter mit Geld und Lebens-
mitteln unterstützten, das ewige Leben verhieß. Nun
bewafnetcn sich Vornehme und Geringe, Greise und Kna-
den, ehrliche Menschen und Verbrecher, Lahme, Bucke-
lichte und Geradegewachscne, Priester und Mönche: alles
ergriff das Schwerdt, und sogarweiber zogen die Rüstung
des Kriegers an und mischten sich unter den bewafnetcn
Haufen. Da jeder Soldat einen rothen Lappen in Gestalt
eines Kreuzes auf dem Rücken trug, so nannte man die-
se vom Pabst aufgcbotenen Krieger Kreuzsoldaten, und
ihre Unternehmung hieß ein Krcuzzug. Im Jahr 1096
war ein Heer von einer Million bcysammen, worunter
sich aber eine große Menge untauglichen Gesindels be-
fand. Dies sonderte man ab, und so entstand ein Hau-
fen von 320,000 Mann, worüber der lahme Peter das
Commando bekam. Dieser war vor Freuden außer sich,
und er sähe schon im Geiste, wie seine Brüder allen Ara-
bern und Türken die Köpfe absäbclten. Als der seltsame
Feldmarschall die Musterung über sein Heer gehalten hat-
te, stellte er sich an die Spitze desselben. Sein Harnisch
rvar seine zerlumpte Kutte, seine Beinstieftln die nackte
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20 6
Die Weltgeschichte.
der spielende Knabe und der gebückte Greis, der Kranke
auf seinem Lager, die einsame Witwe und der Priester
im'tempel. Das Blut floß in Strömen, und alle Stra-
ßen waren mit Leichnamen bedeckt. Diese satanischen
Greuel verübten nicht etwa Wilde, sondern Christen,
an demjenigen Orte, wo ehedem das größte Muster der
Tugend Liehe gepredigt Hatte. Als die Mörder keine
Kraft mehr in den von Blut triefenden Händen hatten,
eilten sie triumphirend zum heiligen Grabe, und brüll-
ten hier dem, der so oft seinen Schülern zugerufen hatte:
liebet eure Feinde, mit wildem Jauchzen ein Loblied zu.
Gottfried von Bouillon wurde im Jahr Io9y feyerlich
zum König von Jerusalem gekrönt, und die Sieger
machten sich Hofnung, diesen so schnell gegründeten neuen
französischen Staat in Asten bald befestigt und mit vielen
Eroberungen vermehrt zu sehen. In dieser Absicht verei-
nigten sich verschiedene Haufen abergläubiger Krieger so-
gar durch ein unsinniges Gelübde, denn sie schworen,
daß sie die Waffen gegen die Ungläubigen, d. i. gegen die
Türken und Araber, nie ilttderlegm wollten. Eine Ge-
sellschaft dieser blinden Eiferer, die ein Haus nicht weit
vom ehemaligen Tempel Salomons bewohnten, gab
sich den Namen der Tempelherren, und bildete im
Jahr ii 18 einen förmlichen Orden, der -Olden der
Tempelherren genannt; eine andere Gesellschaft aber,
die in dem Hospital des heiligen Johannes die kranken
und verwundeten Kreuzfahrer verpflegte, gab sich im Jahr
liio den Namen der Johannitterritter. Auch die eu-
ropäischen Großen wurden jetzt von diesem wilden Feuer
entflammt, und die deutschen Kaiser, die Könige von
Frankreich, England und Ungarn und viele andere Re-
genten schickten von Zeit zu Zeit neue Heere Europäer nach
Asien. Der Kaiser Conrad z führte allein eine Armee
von 70,020 Rittern, die vielen Haufen von Fußknechten
nicht
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_von_Bouillon Johannes Conrad
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Frankreich England Ungarn Asien
Die Geschichte nach Christi Geburt. 207
nicht gerechnet, gegen die Türken; allein dies zahllose,
schöne und tapfere Heer, das ganz Asien hätte erobern
können, wurde aufgerieben. Eben so gieng es den Heer-
schaaren, die die nächsten Kreuzzüge unternahmen, und
sogar der Kaiser Friedrich der Erst?, so wie der König
von Frankreich Ludwig 9 verloren beyde, jener im Jahr
1180 und dieser im Jahr 1270, das Leben und zugleich
320,0*02 tapfere Krieger. Gleichwohl erlosch die toben-
de Flamme des Zorns der Europäer gegen die Türken und
Araber noch immer nicht; im Gegentheil errichtete des
umgekommenen Kaisers Friedrichs Sohn, Herzog Frie-
drich von Schwaben, im Jahr 1190 einen neuen Or-
den, der aus lauter deutschen Edelleuten bestand, und
ebenfalls wie der Tempelherren - und Johanniterorden das
Gelübde beschwören mußte, theilö der Kranken und Ver-
wundeten zu pflegen, theils gegen die Ungläubigen zu
fechten. Dies ist der noch jetzt bestehende deutsche Rit-
terorden. Endlich gegen den Schluß des dreyzehntm
Jahrhunderts hatten die schwärmerischen europäischen Krie-
ger alle Eroberungen in Asien wieder eingebüßt, und die
tollen Kreuzzüge nahmen ein Ende: Europa hatte eines
unsinnigen Einfalls wegen, den ein alberner Mönch aus-
heckte und ein stolzer Pabst durchsetzte, über sechs Mil-
lionen Menschen und mit denselben unsägliche Schätze
verloren. Viele der größten fürstlichen und adelichen
Geschlechter waren dadurch zu Grunde gegangen; auch
hatte die Abwesenheit der Regenten aus ihren Staaten Un-
ordnungen aller Art in ihren Ländern angerichtet. Am
kläglichsten wurden Deutschland, England und Frankreich
zerrüttet. Dagegen gewann durch diese Heerzüge die
Geistlichkeit, und vornemlich der Pabst: denn viele Tau-
send Rrtter verkauften, ehe sie zum Kampfe giengen, ih-
re Güter. Weil nun in diesen Zecken außer dem Adel
fast niemand Capckale hatte, als die Klöster: so kauften
diese
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Ludwig Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Christi Asien Frankreich_Ludwig Friedrichs Schwaben Asien Europa Deutschland England Frankreich
jungen Christen lernten in den Schulen nicht Gott, seine
erhabenen Eigenschaften und seine großen Werke kennen,
auch wurden sie nicht unterrichtet, wie sie ernst vernünftig
ge und zufriedene Menschen, nützliche Bürger, liebreiche
Gatten, gehorsame Unterthanen, verträgliche Nachbaren,
aufrichtige, herzliche und nach Jesu Muster handelnde
Erfreuer und Beglücker ihrer Mitmenschen, und also einst
würdige Bewohner einer bessern Welt werden müßten,
sondern sie lernten bl»s einige lateinische Psalmen herpler-
ren, und wurden zur Ehrerbietung und zum sklavischen
Gehorsam gegen den Pabst und seine Diener, die Pfaffen,
abgerichtet. Von nun an verehrte man die Geistlichkeit
auf eine wirklich abgöttische Art, und ihre Zahl wuchs
biö zum Erstaunen. Aus eben dem Grunde vermehrten
sich auch die Dchaaren der Mönche. Zwar gab es schon
im Anfänge dieses Zeitraums verschiedene Mönchsorden
(Mönchsgesellschaften); aber fast alle waren blos Gats
tungcn des Benedictinerordens, der schon rm sechsten
Jahrhundert gestiftet wurde. Jetzt aber errichteten Do-
Mlnlms, ein Spanier, und Franciscus, ein Jtaliäner,
jener den Dominicaner-und dieser den Franclscaner-
(Minonten-) Drden. Beyde haben unter anderen Ges
lübden auch dieses, daß sie kein anderes Brod genießen
dürfen, als gebetteltes, und eben deswegen heißen sie
Bettelmönche. In unseren Tagen hat man schon allge-
mein cingesehen, daß ein gesunder, rüstiger Bettler, der
seine Almosen im Müssiggange verzehrt, ein für den Staat
höchst lästiges und gefährliches Geschöpf sey. In jenen
Zeiten aber hatte man vor diesen bettelnden Menschen ei-
nen großen Respekt, füllte ihren weiten Brodsack mit den
besten Speisen, und küßte ihnen die Hand dazu. Daher
kam cs, daß die Tafeln dieser sogenannten Bettelmönche
mit den leckersten Gerichten, ihre Keller mit den feinsten
Weinen und ihre Kasse mit großen Capitalett angefüllt
(Bürgerschule, zttrbv.) £*
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aiz Die Weltgeschichte. .
ser Siglsmund freyes Geleit, d. i. Schutz gegen jede
Antastung versprach, so erschien er. Gleichwohl wurde
der edle Mann von den versammleten Geistlichen, die sich
heilige Väter nannten, verdammt und auf ihren Befehl
im Jahr 14 iz lebendig verbrannt. Ein gleiches Schick-
sal hatte am nemlichen Orte sein ihm völlig gleichdenken-
der Freund Hieronymus von Prag. Diese entsetzliche
Grausamkeit, mit welcher sogenannte Diener desallbarnv
herzigen Männer deswegen als schädliche Bestien erwürg-
ten, weil diese nach ihrem Gewissen handelten, empörte
das Herz der Hußiten — so nannte man Hußens An-
hänger — so sehr, daß sie die Waffen ergriffen, und
unter ihrem muthigen Anführer, Johann von Trocklwv,
auch Aiska genannt, mit einer Wuth gegen die pabstliche
Geistlichkeit zu Felde zogen, die ihnen freylich sehr zur
Schande gereicht, wiewohl doch nur in so fern, daß sie
Las jetzt aus wilder Rache thaten, was die papistischen
Geistlichen vorher mit. kaltem Blute gethan hatten. Sie
verbrannten in kurzer Zeit gegen 600 Klöster, mishandel-
ten und ermordeten die Mönche, und machten nach und
nach ganz Böhmen zu einem Schauplatz des gräßlichsten
Blutvergießens. Ein großes kaiserliches Heer, womit
sich noch brandenburgische, sächsische und österreichische
Truppen vereinigt hatten, machten endlich diesem Greuel,
den man den Hußitmkneg nennt, ein Ende: denn die
meisten Hußiten blieben auf dem Schlachtfelde, viele
««hmen die papistische Lehre wieder an, ein Theil von ih-
nen aber blieb im Stillen dem Glauben Hußens getreu,
und ist noch jetzt unter dem Namen der böhmischen und
mährischen Brüder bekannt.
Geschichte von Deutschland.
So große Verwirrungen die Päbste in der Kirche
»nrichteten, eben so großes Unheil stifteten sie auch im
dcut-
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Extrahierte Personennamen: Johann_von_Trocklwv Johann Aiska