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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 509

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
509 Ditmarse und fuhr den Bittenden so an: „Was meint er wohl? ich sollte einem mir ganz fremden Menschen meinen Hof überlassen? Wie kann er glauben, darauf fortzukommen, da er nichts in Vermögen hat? Was? Wie? sage er mir das doch?" „Durch Fleiß und Gottes Hülfe", sagte Parren. „Ja, das haben mir schon viele versprochen, aber nicht gehalten", erwiderte Boje. „Nein! daraus wird nichts." „Nun so Gott befohlen, Herr Boje", sagte Parren und ging. Doch bald wurde Boje anderen Sinnes; er ließ ihn zurückrufen und sagte: „Ich habe mich bedacht; er mag sogleich denhof beziehen; allein er muß auch sein Versprechen halten." Parren trat denhof an und wirthschaftete gut. Allein das Land war zu ver- wildert und sein Vermögen zu gering, um es in Ordnung zu bringen, die Jahre so unfruchtbar und seine Ernte so geringe, daß er Boje nichts bringen konnte. Um das Vieh in der Fenne (Koppel) zu halten, hatte er den Befriedigungsgraben kleien (d. h. Marschthon ausgraben) lassen müssen, wobei durch Zufall ein Spat aus dem Boden über die Fenne geworfen war. Auf dieser Stelle wuchs hernach der Hafer so stark, daß Parren nach der Ursache forschte und sie in der Erdart fand. Allein, was half es ihm, er hatte kein Geld dazu, um die Erdart in großer Menge herauskleien zu lassen. Er ging zu Boje und sagte traurigen Angesichts, daß er ihm den Hof wieder überlassen müsse, weil er nichts darauf gebaut habe. Doch hätte er ein Mittel entdeckt, das Land wieder in Ordnung zu bringen. In einer gewissen Tiefe befinde sich eine Art Kleie, womit sich dem Acker eine Fruchtbarkeit ohnegleichen mittheilen lasse. Hätte er nur das Geld dazu, sie herauszugraben, würde er den Hof gerne behalten; aber er schäme sich es dem Herrn Boje zuzu- muthen, ihm zu diesem Zwecke 200 Thaler zu leihen. „So sieht er doch selbst ein", sagte Boje, „daß dieses eine unbescheidene Zumuthung ist. Daherthut er denn auch besser, daß er sich fortmacht und an einen anderen wendet, der ein solches Unter- nehmen, als er mir da vormacht, besser beurtheilen kann." Parren ging; aber Boje ließ sich die Sache durch den Kopf gehen und entschloß sich, es noch einmal mit dem Drews zu wagen. Er rief ihn und sagte: „Da ist das Geld, was er ver- langt. Seine Handschrift verlange ich nicht, denn er hat doch nichts weiter zu ver- schreiben, als seine Ehrlichkeit." Parren aber wollte zuerst nur 100 Thaler leihen und ließ die anderen liegen. Er fing nun sogleich an auf einer seiner Fennen zu pütten (tiefgraben); alle Nachbarn konnten nicht begreifen, was er beginnen wollte, und schüttelten die Köpfe. Er fuhr ungestört fort und besäete seine Fenne mit Weizen. So schönen Weizen hatten die Nachbarn noch nicht gesehen und bekamen fast schon Lust zur Nachahmung; doch es blieb dabei. Parren verfuhr nun mit einer anderen Fenne auf gleiche Weise und löste aus dem Ertrage so viel, daß er nicht nur seine Wirthschaft verbesiern, sondern auch die geliehenen 100 Thaler dem Boje zurückgeben konnte. Freudig ging er mit dem Gelde und den Zinsen zu ihm, reichte ihm sogleich beide Beutel dar und sagte mit Freudenthränen in den Augen, „Gott ist mit meinem Vorhaben gewesen, Herr Boje. Hier in diesem Beutel ist das Kapital, in diesem sind die Zinsen, den schuldigen Dank lassen Sie in meinem Herzen wohl aufbewahrt bleiben." Hier traten beiden Freudenthränen in die Augen, und sie sahen sich stillschweigend einer den andern an. Zuletzt drückte Boje den Beutel mit den Zinsen dem Parren wieder in die Hand und sagte: „Nein, mein Freund!

2. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 61

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
61 109. Dornröschen. (Märchen.) Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und krigten immer keins. Endlich aber bekamen sie ein so schönes Mädchen, daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen würden. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die geladen waren, kamen, und nachdem das Fest gehalten war, beschenkten sie das Kind mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichthum, und so mit allem, was Herrliches auf der Welt ist. Als elf ihre Wünsche eben gethan hatten, kam die dreizehnte herein, die nicht eingeladen war und sich dafür rächen wollte. Sic rief: „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahre an einer Spindel stechen und todt hinfallen." Da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte; zwar konnte sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, aber sie konnte ihn doch mildern und sprach: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, in den die Königstochter fällt." Der König hoffte, sein liebes Kind noch vor dem Ausspruch zu be- wahren, und ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König- reich sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden alle Gaben der weisen Frauen erfüllt, denn cs war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es ge- schah, daß an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt war, der König und die Königin nicht zu Haus waren und das Fräulein ganz allein im Schlosse zurück blieb. Da ging es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie cs Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In dem Schlosse steckte ein gelber Schlüssel, und als sie umdrehte, sprang die Thür auf und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann emsig ihren Flachs. „Ei, du altes Mütterchen", sprach die Königstochter, „was machst du da?" „Ich spinne", sagte die Alte und nickte mit dem Kopfe. „Wie das Ding herumspringt!" sprach das Fräulein und nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie die Spindel an- gerührt, so ging die Verwünschung des Zauberweibes in Erfüllung, und sie stach sich damit. In dem Augenblicke aber, wo sie sich gestochen hatte, fiel sie auch nieder in einen tiefen Schlaf. Und der König und die Königin, die eben zurückgekommen waren, fingen an mit dem ganzen Hofstaat einzuschlafen. Da schliefen die Pferde im Stalle ein, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das aus dem Herde

3. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 140

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
140 208. Der Schwanritter. (Sage.) Herzog Gottfried von Brabant war gestorben, ohne männliche Erben zu hinterlassen; er hatte aber in einer Urkunde gestiftet, dasz sein Land der Herzogin und seiner Tochter verbleiben sollte. Hieran kehrte sich jedoch Gotttried’s Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, wenig, sondern bemächtigte sich, aller Klagen der Witwe und Waise unerachtet, des Landes, das nach deutschem Rechte auf keine Weiber erben könne. Die Herzogin beschlosz daher, bei dem König zu klagen; und als bald darauf Karl nach Niederland zog, kam sie mit ihrer Tochter dahin und begehrte Recht. Dahin war auch der Sachsenherzog gekommen und wollte der Klage zur Antwort stehen. Es ereignete sich aber, dasz der König durch ein Fenster schaute; da erblickte er einen weiszen Schwan, der schwamm den Rhein herauf und zog an einer silbernen Kette, die hell glänzte, ein Schifflein nach sich; in dem Schiff aber ru’nete ein schlafender Ritter, sein Schild war sein Hauptkissen, und neben ihm lagen Helm und Panzer; der Schwan steuerte gleich einem geschickten See- manne und brachte sein Schiff an das Gestade. Karl und der ganze Hof verwunderten sich höchlich ob diesem seltsamen Ereignisz; jedermann vergasz der Klagen der Frauen und lief hinab dem Ufer zu. Unterdessen war der Ritter erwacht und stieg aus der Barke ; wohl und herrlich empfing ihn der König, nahm ihn selbst zur Hand und führte ihn gegen die Burg. Da sprach der junge Held zu dem Vogel: „Flieg deinen Weg wohl, lieber Schwan ! wann ich dein wieder bedarf, will ich dir schon rufen.“ Sogleich schwang sich der Schwan und fuhr mit dem Schifflein aus aller Augen weg. Jedermann schaute den fremden Gast neugierig an ; Karl ging wieder zu seinem Gericht und wies jenem eine Stelle unter den anderen Fürsten an. Die Herzogin von Brabant, in Gegenwart ihrer schönen Tochter, hub nunmehr ausführlich zu klagen an, und hernach vertheidigte sich auch der Herzog von Sachsen. Endlich erbot er sich zum Kampf für sein Recht, und die Herzogin solle ihm einen Gegner stellen, das ihre zu bewähren. Da erschrak sie heftig; denn er war ein auserwählter Held, an den sich niemand wagen würde; vergebens liesz sie im ganzen Saale die Augen umgehen, keiner war da, der sich ihr erhoben hätte. Ihre Tochter klagte laut und weinte; da erhub sich der Ritter, den der Schwan in’s Land ge- führt hatte, und gelobte, ihr Kämpfer zu sein. Hierauf wurde von beiden Seiten zum Streit gerüstet, und nach einem langen und hartnäckigen Ge- fecht war der Sieg endlich auf Seiten des Schwanritters. Der Herzog von Sachsen verlor sein Leben, und der Herzogin Erbe wurde wieder frei und ledig. Da neigten sie und die Tochter sich dem Helden, der sie erlöst hatte, und er nahm die ihm angetragene Hand der Jungfrau mit dem Be- ding an : dasz sie nie und zu keiner Zeit fragen solle, woher er gekommen, und welches sein Geschlecht sei, denn auszerdem müsse sie ihn verlieren. Der Herzog und die Herzogin bekamen zwei Kinder, die waren wohl gerathen ; aber immer mehr fing es an, ihre Mutter zu drücken, dasz sie gar nicht wuszte, wer ihr Vater war; und endlich that sie an ihn die ver- botene Frage. Der Ritter erschrak herzlich und sprach: „Nun hast du selbst unser Glück zerbrochen und mich am längsten gesehen.“ Die Herzogin bereute es, aber zu spät; alle Leute fielen ihm zu Füszen und baten ihn zu bleiben. Der Held waffnete sich, und der Schwan kam mit demselben Schifflein geschwommen ; darauf kiiszte er beide Kinder, nahm Abschied von seinem Gemahl und segnete das ganze Volk, dann trat er in das Schiff, fuhr seine Strasze und kehrte nimmer wieder. Der Frau

4. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 142

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
142 211. Der hörnene Siegfried. (Deutsche Heldensage.) 1. Wie Siegfried hörnen ward. In Niederland wohnte in uralter Zeit ein König, Namens Siegmund, der weithin berühmt war durch seine grosze Macht. Dessen Sohn hiesz Siegfried; der Knabe war aber von unbändiger Kraft, und all’ sein Trachten ging dahin, dasz er in die Fremde zöge, um Abenteuer zu bestehen. End- lich gab der König dem Wunsche seines Sohnes nach und liesz ihn ziehen. Siegfried kam bald in ein Dorf, das vor einem Walde lag. Dort ver- dang er sich bei einem Schmidt, um sich Waffen schmieden zu lernen. Aber er schlug so gewaltig auf das Eisen, dasz dieses zersprang und der Ambos in die Erde getrieben ward. Der Meister fürchtete sich deshalb vor ihm und suchte des wilden Gesellen sich wieder zu entledigen. Er schickte ihn daher in den nahen Wald zu einem Köhler; aber unterwegs muszte Siegfried an der Höhle eines gräulichen Drachen oder Lindwurmes vorbei, und dieser, dachte der Meister, würde den jungen Helden todten. Wirklich fuhr der Drache auf den nichts ahnenden Wanderer los, aber Siegfried wehrte sich und erschlug ihn. Darauf ging er weiter und gerieth bald in eine Wildnisz, in welcher es von Drachen, Kröten und anderem giftigen Gewürm wimmelte. Ohne sich zu besinnen, risz er eine Menge der stärksten Bäume aus der Erde, warf sie auf die Unthiere und zündete dann den ganzen Holzstosz an. Aber von der Glut begann die Hornhaut der Ungetlnime zu schmelzen, und ein Strom von dieser Masse flosz unter dem brennenden Haufen hervor. Neugierig tauchte Siegfried seinen Finger hinein, und siehe da! als er erkaltet war, hatte ihn eine undurchdringliche Hornhaut überzogen. Da bestrich sich der Held den ganzen Leib aus diesem trägen Strom, und so ward er ganz mit Horn überzogen, also dasz ihn kein Schwert verwunden konnte; nur zwischen den Schultern blieb auf dem Rücken eine Stelle, die er nicht zu erreichen vermochte. An dieser sollte er frühzeitig den Tod empfangen. 2. Wie Siegfried Kriemhilden suchte. Hierauf zog Siegfried auf weitere Abenteuer in die Ferne und kam nach Worms, am Rheine, wo der König Gibich herrschte. Derselbe hatte drei Söhne und eine wunderschöne Tochter, Namens Kriemhild. Gern hätte Siegfried diese als seine Gemahlin heimgeführt, und auch sie war dem herrlichen jungen Helden gewogen: aber eines Mittags, als sie, in Gedankenverloren, in einem offenen Fenster stand, kam ein riesiger Drache durch die Luft dahergeflogen und entführte sie, um sie zu seiner Gemahlin zu machen. Von dem Feuer, welches er ausathmete, ward die Burg so hell erleuchtet, als ob sie in Flammen stünde. Er trug sie aber weit, weit weg in eine ungeheure Berghöhle, wo er sie mit Speise und Trank reichlich versorgte und ihr alle Liebe und Freundlichkeit erwies; aber die Jung- frau weinte und klagte und sehnte sich nach ihrem elterlichen Hause, und dabei fürchtete sie sich vor dem gräulichen Ungethüm, denn wenn es ath- mete, so zitterte und bebte der Berg unter ihm. Der König Gibich schickte Boten aus nach allen Richtungen, um seine verlorene Tochter zu suchen, aber keiner fand eine Spur von ihr. Darüber war viele, viele Tage lang groszes Trauern und Klagen in der Königsburg. Siegfried aber ward indessen ein gewaltiger Held von solcher Stärke, dasz er Bären lebendig erjagte und zum Spott an die Bäume hing. Doch auch er fand trotz seines rastlosen Suchens nirgends die geraubte Jungfrau. Da verfolgte einmal sein treuester Hund eine seltsame Spur, und Siegfried jagte ihm eifrig nach, ohne an Schlaf oder Trank und Speise

5. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 144

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
144 Gelegenheit wahr und schlug ihn unversehens mit einem Faustschlage zu Boden. Da lag der edle Siegfried betäubt unter seinem Schilde; rothes Blut quoll ihm aus Mund und Nase, und er schien todt zu sein. Ehe sein Eeind ihn aber vollends mordete, sprang schnell der Zwerg Engel, der immer in der Nähe geblieben war, herbei und deckte über Siegfried eine Tarnkappe, die die wunderbare Eigenschaft hatte, jeden, den sie umhüllte, unsichtbar zu machen. Kuperan tobte vor Wuth, dasz sein Gegner ver- schwunden war, aber wie er auch von Baum zu Baum suchte, er vermochte ihn nicht wiederzufinden. Inzwischen suchte der gute Zwerg den bewusztlosen Helden wieder zu beleben. Als er die Augen endlich wieder aufschlug und seinen Retter neben sich sah, sprach er: „Lohne dir Gott, du kleiner Mann, was du an mir gethan hast.“ — „Ja,“ erwiderte der Zwerg, ^,da hätte es dir schlimm ergehen können. Aber nun folge auch meinem Rathe und gieb es auf, die Jungfrau zu befreien.“— Da sagte Siegfried: „Nimmermehr! Und wenn ich tausend Leben hätte, so wollte ich sie alle um die Jungfrau wagen.“ Sobald er sich also einigermaszen erholt hatte, warf er die Tarnkappe fort und stürmte von neuem auf den Riesen ein. Wieder schlug er ihm acht tiefe Wunden, bis er um Gnade flehte. Wohl hätte der Treulose sie nicht verdient, aber Siegfried bedachte, dasz er ohne ihn nicht an den Drachenstein gelangen könnte, und so schenkte er ihm abermals das Leben, jetzt aber war er vorsichtiger und liesz ihn vorangehen. So gelangten sie endlich an den Drachenstein. Ein unterirdischer Gang führte zu der Thür desselben; der Riese schlosz sie auf, und Sieg- fried steckte den Schlüssel zu sich. Bald waren sie oben auf dem Felsen. Der Drache war zum Glück ausgeflogen, die Jungfrau aber erkannte den Helden und fing vor Freuden an zu weinen und sprach: „Willkommen, du edler Siegfried! Wie geht es meinem Vater und meiner Mutter zu Worms, und wie leben meine Brüder?“ Siegfried erzählte ihr alles und dasz er gekommen wäre, sie zu befreien. Indessen trat der Riese heran und sagte: „Hier in der Erde liegt ein Schwert, mit welchem allein es möglich ist, den Drachen zu bezwingen.“ Das war freilich Wahrheit, aber die Ab- sicht, die der Riese bei diesen Worten hatte, war eine schlimme. Denn als Siegfried sich bückte, um das Schwert in der Erde zu suchen, sprang jener herzu und versetzte ihm einen fürchterlichen Schlag in den Rücken. Zornig wandte sich der Held um, und nun begann ein Ringen der beiden, dasz der Fels erbebte. Siegfried risz dabei dem Riesen die alten Wunden mit Gewalt wiederauf, so dasz ihm das Blut in Strömen herunterlief; end- lich bat der Unhold wieder um Gnade, aber Siegfried rief: „Das kann nicht sein. Ich bedarf deiner nicht mehr, und nun soll dir deine Untreue ver- golten werden.“ Mit diesen Worten gab er dem Riesen einen Stosz, dasz er vom Rande des Felsens hinab taumelte und in der Tiefe zerschmet- tert ward. 5. Wie Siegfried mit dem Drachen kämpfte. Kriemhild hatte bei diesem schrecklichen Kampfe die Hände ge- rungen und zu Gott um Hülfe gerufen; auch jetzt noch zitterte und weinte sie, aber Siegfried trat zu ihr und sprach: „Nun sei getrost, holdselige Jungfrau; noch bin ich unbezwungen, und mit Gottes Hülfe werde ich auch wohl dich befreien.“ Aber Kriemhild sagte: „Ich fürchte, dasz noch schwerere Kämpfe dir kommen, als bisher.“ „Ja,“ erwiderte Siegfried, „schlimm wär’ es, wenn ich jetzt sogleich mit dem Drachen streiten sollte, denn es ist heute der vierte Tag, dasz ich nicht gegessen und getrunken, noch auch geschlafen habe.“ Das hörte der Zwerg Engel, und sogleich liesz er durch eine Schar seines Volkes köstliche Speisen und Getränke auftragen.

6. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 146

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
146 guten Zwerg, um gen Worms zu reiten-, denn sein treues Rosz fand Sieg- fried noch unten am Fusze des Berges. Als sie aber eine kurze Strecke geritten waren, fiel Siegfried ein, dasz der Schatz, den er im Berge gesehen hatte, ihm als.dem Besieger des Drachen gehöre, denn er wuszte ja nicht, dasz es der Hort der Nibelungen, des guten Zwergvolkes, sei. So ritt er zurück und lud den Schatz auf sein Rosz. Derselbe brachte ihm aber kein Glück. Am Hofe zu Worms wurden nun Siegfried undkriemhild mit groszen Freuden empfangen, und bald ward ihre Vermählung mit aller Pracht gefeiert. Es war ein herrliches Königspaar, und sie regierten mit groszen Weisheitund Gerechtigkeit; mitihrem Golde linderten sie, wo sie konnten, jede Noth der Armuth. Aber ihr groszes Glück erregte bald den Neid von Kriemhildens Brüdern. Sie stifteten den grimmigen und düsteren Hagen an, Siegfried zu ermorden. Einst forderte Hagen ihn auf, mit ihm einen Wettlauf zu machen; Siegfried kam zuerst an das Ziel, einen kühlen Brunnen im Walde, und da er sich bückte um zu trinken, durchbohrte ihn hinterrücks der böse Hagen an der einzigen Stelle, zwischen den Schultern, wo er verwundbar war. So endete der herrliche Siegfried. Den Nibelungen- schatz aber versenkte Hagen heimlich in den Rhein; an dessen Grunde soll er noch heutzutage liegen. 212. Siegfrieds Schwert. 1. Jung Siegfried war ein stolzer Knab', ging von des Vaters Burg herab. 2. Wollt' rasten nicht in Vaters Haus, wollt' wandern in alle Welt hinaus. 3. Begegnet' ihm manch Ritter werth mit festem Schild und breitem Schwert. 4. Siegfried nur einen Stecken trug, das war ihm bitter und leid genug. 5. Und als er ging im finstern Wald, kam er zu einer Schmiede bald. 6. Da sah er Eisen und Stahl genug, ein lustig Feuer Flammen schlug. 8. Und lehr' du mich mit Fleiß und Acht, wie man die guten Schwerter macht!" 9. Siegfried den Hammer wohl schwin- gen kunnt', er schlug den Ambos in den Grund. 10. Erschlug, daß weit der Wald er- klang und alles Eisen in Stücke sprang. l I. Und von der letzten Eisenstang' macht er ein Schwert, so breit und lang. 12. „Nun hab' ich geschmiedet ein gutes Schwert, nun bin ich wie andre Ritter werth. 7. „0 Meister, liebster Meister mein, laß du mich deinen Gesellen sein. 13. Nun schlag' ich wie ein andrer Held die Riesen und Drachen in Wald und Feld. 213. Die treue Gudrun. (Nordseesage.) 1. Wie Gudrun mit Herwig verlobt ward. ln alten heidnischen Zeiten herrschte über die Friesen, welche den langen Festlandssaum und die Inseln der Nordsee bewohnten, der mächtige König Hettel Seine Gemahlin war die schöne Hilde von Irland, Tochter des gewaltigen Hagen

7. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 147

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
147 dem er sie einst mit List und Gewalt entführt hatte. Denn unter seinen Dienst- mannen waren nicht nur kühne und starke Helden, wie vor allen Wate von Stürmen, der Riese mit dem ellenbreiten Barte, sondern auch solche, die mit ver- wegener List stets ihr Ziel zu erreichen wuszten, wie die Dänen Frute und Horand. Der letztere hatte bei Hildens Entführung besonders durch seine wunderbare Sangeskunst geholfen: wenn er seine schönsten Weisen anhub, so lieszen die Thiere im Walde und die Fische im Wasser ihre Fährten, und vollends die menschlichen Gemüther wuszte er so zu bezaubern, dasz sie ganz willenlos ihm folgten. So hatte denn auch Hilde seiner Verlockung nicht widerstehen können : heimlich war sie mit ihm in’s Friesenland gefahren, um König Hettels Gemahlin zu werden, und als ihr starker Vater ihr nachgesegelt war, hatte vor allen der riesige Wate durch seine ungeheure Kraft ihn zurückgeschlagen. Man könnte also glauben, dasz auf dem friesischen Königspaar kein Segen geruht hätte. Aber es schien dennoch so. Zwei herrliche Kinder waren ihnen herangeblüht: die liebliche Gudrun, die noch schöner war, als einst ihre Mutter; aber weil ihr niemand etwas davon gesagt hatte, so wuszte sie nichts davon, und frisch und fröhlich sah sie aus ihren blauen Augen in die Welt hinein; ihr etwas jüngerer Bruder aber war der rasche und kräftige Ortewin, den der greise Wate zu aller Heldentugend erzogep hatte. Hettel und Hilde sahen mit Lust und hohem Stolz auf ihre Kinder; aber bald sollten sie erfahren, wie geringen Be- stand alles Irdische habe. Die Kunde von Gudruns Schönheit und von dem Reichthum und der Macht ihrer Eltern lockte bald von nah und fern zahlreiche Freier herbei. Zu- erst kam Siegfried von Moorland und begehrte Gudrun zum Weibe, aber die stolzen Eltern wiesen ihn ab, weil er nicht mächtig genug sei. Ebenso erging es dem Normannenfürsten Hartmut, dem Sohn des reichen Königs Ludwig. Und als zu dritt der edle und starke König Herwig aus Niederland kam, ver- weigerten auch ihm die Eltern ihre Tochter; aber da rückte er mit einem groszen Heere vor Hettels Burg und bewies täglich durch kühne Thaten, dasz er ein echter Held sei. Das gefiel dem König Hettel wohl, und als nun auch Gudrun bat, um ihretwillen nicht mehr Blut zu vergieszen, so ward Versöhnung ge- stiftet, und die stolzen Eltern gestatteten endlich die Verlobung ihrer Tochter mit dem wackeren Herwig. 2. Wie Gudrun entführt ward. Diese Kunde entflammte die beiden verschmähten Könige zum heftigsten Zorn. Siegfried von Moorland fiel verwüstend in Herwigs Reich ein, und Hettel muszte mit allen seinen Mannen diesem zu Hülfe eilen. Aber während so die Friesenburg von Vertheidigern fast ganz entblöszt war, benutzte der Normanne Hartmut schlau die günstige Gelegenheit. Seine böse Mutter Gerlinde, die über die stolze Zurückweisung ihres Sohnes grollte, hatte täglich ihn und seinen Vater Ludwig zur Rache getrieben: jetzt erschien er plötzlich mit einermächtigen Flotte vor Hildens wehrlosem Schlosse, um die schöne Gudrun mit Gewalt zu entführen. Zuerst zwar suchte er durch Schmeichelei und Drohungen die Jungfrau zu bewegen, dasz sie ihm in die Normandie folgte ; als aber Gudrun immerfort bei dem Worte blieb: „durch feste Eide gehöre ich als Braut dem König Herwig,“ da stürmte Hartmut die Burg, verbrannte sie und entführte Gudrun mit zweiundsechzig Frauen. So erlebte denn die stolze schöne Hilde ein ähnliches Schicksal, als sie es einst ihren Eltern bereitet hatte. Sie sandte Boten an ihren Gemahl in Her- wigs Land, um ihm das schwere Unglück zu melden und ihn zur Verfolgung der Räuber aufzufordern. Sogleich schlossen Hettel und Herwig jetzt Frieden mit dem bedrängten Siegfried, und alle drei Könige vereinigten sich, zu Schiffe den flüchtigen Normannen nachzusetzen. Aber in ihrer Hast versäumten sie, den Todten die letzte Ehre zu erweisen: statt die Leichen der Gefallenen fromm zu begraben, warfen sie dieselben rasch in’s Meer, um sich ihrer nur zu entledigen, 10*

8. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 149

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
149 4. Wie Gudrun in die Normandie kam. Die entflohenen Räuber näherten sich unterdessen ihrer Heimat. Als sie von ferne die Burgen derselben gewahrten, redete König Ludwig Gudrun zu, dasz sie seinen Sohn heirathe ; aber empört durch die Niederträchtigkeit ihrer Entführer und in tiefem Schmerz über den Tod ihres Vaters erklärte sie heftig, eher würde sie sterben, als dasz sie Hartmut zum Gemahl nähme, sie hasse ihn und seine ganze feige Sippe. Da ergrimmte Ludwig; er erfaszte die Jungfrau an ihrem langen blonden Haar und schleuderte sie mit starker Faust weithin in’s Meer. Sogleich sprang jedoch Hartmut ihr nach und rettete sie in eine Barke. Gudruns Herz aber konnte er dadurch nicht gewinnen. Als sie nun in Normandie das Land betraten, kamen ihnen erwartungsvoll Hartmuts Mutter, die böse Gerlinde, und seine liebliche Schwester Ortrun ent- gegen. Die letztere küszte die heimatlose Gudrun und zeigte durch Thränen ihr tiefes Mitgefühl, so dasz sich vom ersten Augenblick an eine innige Freund- schaft zwischen den beiden Jungfrauen entspann. Als nun aber auch die arg- listig lauernde Gerlinde herantrat, um Gudrun zu begrüszen, stiesz diese sie heftig zurück; denn in ihr sah sie die Hauptanstifterin ihres Unglücks, und in ihrem Blicke fühlte sie eine böse Seele. Von da an warf das arge Weib einen tödtlichen Hasz auf die arme Jungfrau, und sie dachte mehr darauf, dieselbe zu quälen, als sie der Heirath mit ihrem Sohne geneigt zu machen. 5. Wie Gudrun als Magd gehalten ward. Hartmut erneuerte allerdings wieder seine Bewerbungen um Gudrun; da sie dieselben aber entschieden zurückwies, so empfahl er sie der liebevollen Für- sorge seiner Mutter und zog für eine Reihe von Jahren auf Abenteuer aus. Gerlinde aber begann nun, Gudrun nach ihrer Weise zu erziehen: sie hielt sie kärglich und strenge und zwang ihre Gefährtinnen, die niedrigsten Mägdedienste zu verrichten. Unter den mit der Königstochter geraubten Jungfrauen befand sich eine Namens Hergart, die schönste und vornehmste nächst ihr selber: diese muszte Wasser tragen und im Winter die Oefen heizen, aber bald war dadurch ihr Muth gebrochen, und sie beugte sich den Unterdrückern und ward ihrer Ge- bieterin untreu. Desto fester hielten die anderen Frauen zu ihrer Herrin, und besonders war die treue Hildburg eine feste und sichere Stütze für Gudrun. Diese selbst trug ihr bitteres Loos ohne Klag?, aber keinen Augenblick wankte sie in der Treue gegen den ihr verlobten Herwig: ob auch Monde auf Monde und Jahre auf Jahre während ihrer Erniedrigung dahin schwanden, so liesz sie doch die Hoffnung auf ihre endliche Befreiung nicht fahren, und ihren Peinigern blieb sie kalt und fremd, wie sie es von Anfang an gewesen war. Nur gegen die Freundlichkeit der lieblichen Ortrun, der freilich nur selten gestattet war, sich ihr zu nahen, fühlte und zeigte sie warme Dankbarkeit. Im siebenten Jahre kehrte endlich Hartmut aus der Fremde zurück; er hoffte Gudrun jetzt zur Vermählung willig zu finden, aber ihre Treue war un- wandelbar. Seiner Mutter machte er schwere Vorwürfe über ihre Härte gegen die Jungfrau; jene versprach, sie wolle hinfort es anders machen, aber kaum hatte Hartmut sich abermals auf Seeabenteuer hinausbegeben, so begannen auch die Miszhandlungen schlimmer als jemals. Die friesische Königstochter muszte jetzt täglich Gerlindens Kammer auskehren und im Winter die Oefen darin heizen, wobei es nicht an den schlimmsten Scheltworten fehlte. Auf Augen- blicke mochte Gudrun wohl verzagen und alle Hoffnung auf Befreiung aufgeben ; aber wenn sie sich an der Brust ihrer treuen Hildburg ausgeweint und ein Gebet zum Himmel emporgesandt hatte, dann kam ihr wieder Ruhe und Heiterkeit der Seele. Ohne Murren that sie alles, das man sie hiesz, aber ihr Herz war bei den Lieben daheim. So vergingen wieder Jahre. Da kehrte Hartmut gegen den siebenten Win- ter abermals zurück, nunmehr fest entschlossen, auf alle Fälle Gudrun zu seiner Gemahlin zu machen. Er ging in ihre Kammer und stellte ihr alle Herrlichkeit

9. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 199

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
199 da sprengten plötzlich in die Quer fünfzig türkische Reiter daher, die hnben an, ans ihn zu schießen, nach ihm zu werfen mit den Spießen. Der wackre Schwabe forcht sich nit, ging seines Weges Schritt vor Schritt, ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken und that nur spöttlich um sich blicken, bis einer, dem die Zeit zu lang, auf ihn den krummen Säbel schwang. Da wallt dem Deutschen auch sein Blut: er trifft des Türken Pferd so gut, er haut ihm ab mit einem Streich die beiden Vorderfüß' zugleich. Als er das Thier zu Fall gebracht, da faßt er erst sein Schwert mit Macht; er schwingt es auf des Reiters Kopf, haut durch bis auf den Sattelknopf, haut auch den Sattel noch in Stücken und tief noch in des Pferdes Rücken; zur Rechten sieht man, wie zur Linken, einen halben Türken heruntersinken. Da packt die andern kalter Grans, sie fliehen in alle Welt hinaus, und jedem ist's, als würd' ihm mitten durch Kopf und Leib hindurchgeschuitten. Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar, die auch zurückgeblieben war, die sahen nun mit gutem Bedacht, was Arbeit unser Held gemacht. Von denen hat's der Kaiser vernommen, der ließ den Schwaben vor sich kommen, er sprach: „Sag' an, mein Ritter wertst! wer hat dich solche Streich' gelehrt?" Der Held bedacht' sich nicht zu lang: „Die Streiche sind bei uns im Schwang, sie sind bekannt im ganzen Reiche, man nennt sie halt nur Schwaben- streiche." 45. Klein Roland. Frau Bertha saß in der Felsenkluft, sie klagt' ihr bittres Loos. Klein Roland spielt' in freier Luft, des Klage war nicht groß. „O König Karl, mein Bruder hehr! O daß ich floh von dir! Um Liebe ließ ich Pracht und Ehr', nun zürnst du schrecklich mir. O Milon, mein Gemahl so süß! Die Flut verschlang mir dich. Die ich um Liebe alles ließ, nun läßt die Liebe mich. Klein Roland, du mein theures Kind, nun Ehr' und Liebe mir! Klein Roland, komm herein geschwind! Mein Trost kommt all von dir. Klein Roland, geh zur Stadt hinab, zu bitten um Speis' und Trank, und wer dir giebt eine kleine Gab', dem wünsche Gottes Dank!" Der König Kart zur Tafel saß im goldnen Rittersaal. Die Diener liefen ohn' Unterlaß mit Schüsiel und Pokal. Von Flöten, Saitenspiel, Gesang ward jedes Herz erfreut; doch reichte nicht der helle Klang zu Bertha's Einsamkeit. Und draußen in des Hofes Kreis, da saßen der Bettler viel, die labten sich an Trank und Speis' mebr, als am Saitenspiel. Der König schaut in ihr Gedräng' wohl durch die offne Thür, da drückt sich durch die dichte Meng' ein feiner Knab herfür. Des Knaben Kleid ist wunderbar, vierfarb zusammeugestückt; doch weilt er nicht bei der Bettlerschar, herauf zum Saal er blickt. Herein zum Saal klein Roland tritt, als wär's sein eigen Haus. Er hebt eine Schüssel von Tisches Mitt' und trägt sie stumm hinaus. Der König denkt: „Was muß ich sehn? Das ist ein sondrer Brauch." Doch weil er's ruhig läßt geschehn, so laffen's die andern cmch. Es stund nur an eine kleine Weil', klein Roland kehrt in den Saal. Er tritt zum König hin mit Eil' und faßt seinen Goldpokal. „Heida! halt an, du kecker Wicht!" der König ruft es laut. Klein Roland läßt den Becher nicht, zum König auf er schaut. Der König erst gar finster sah, doch lachen mußt' er bald. „Du trittst in die goldne Halle da wie in den grünen Wald.

10. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 201

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
201 Sie haben Stahlgewand begehrt und hießen satteln ihre Pferd', zu reiten nach dem Riesen. Jung Roland, Sohn des Milon, sprach: „Lieb' Vater! hört! ich bitte! Vermeint ihr mich zu jung und schwach, daß ich mit Riesen stritte, doch bin ich nicht zu winzig mehr, euch nachzutragen euren Speer- samt eurem guten Schilde." Die sechs Genossen ritten bald vereint nach den Ardennen, doch als sie kamen in den Wald, da thäten sie sich trennen. Roland ritt hinter'm Vater her; wie wohl ihm war, des Helden Speer, des Helden Schild zu tragen! Bei Sonnenschein und Mondenlicht streiften die kühnen Degen; doch fanden sie den Riesen nicht in Felsen und Gehegen. Zur Mittagsstund' am vierten Tag der Herzog Milon schlafen lag in einer Eiche Schatten. Roland sah in der Ferne bald ein Blitzen und ein Leuchten, davon die Strahlen in dem Wald die Hirsch' und Reh' aufscheuchten; er sah, es kam von einem Schild, den trug ein Riese, groß und wild, vom Berge niedersteigend. Roland gedacht' im Herzen sein: „Was ist das für ein Schrecken! Soll ich den lieben Vater mein im besten Schlaf erwecken? Es wachet ja sein gutes Pferd, es wacht sein Speer, sein Schild und Schwert, es wacht Roland, der junge." Roland das Schwert zur Seite band, Herrn Milon's starkes Waffen, die Lanze nahm er in die Hand und that den Schild aufraffen. Herrn Milon's Roß bestieg er dann und ritt ganz fachte durch den Tann, den Vater nicht zu wecken. Und als er kam zur Felsenwand, da sprach der Rief' mit Lachen: „Was will doch dieser kleine Fant auf solchem Rosse machen? Sein Schwert ist zwier so lang als er, vom Rosse zieht ihn schier der Speer, der Schild will ihn erdrücken." Jung Roland rief: „Wohlauf zum Streit! Dich reuet noch dein Necken. Hab' ich die Tartsche lang und breit, kann sie mich besser decken; ein kleiner Mann, ein großes Pferd, ein kurzer Arm, ein langes Schwert, muß eins dem andern helfen." Der Riese mit der Stange schlug auslangend in die Weite; jung Roland schwenkte schnell genug sein Roß noch auf die Seite. Die Lanz' er aus den Riesen schwang, doch von dem Wunderschilde sprang auf Roland sie zurücke. Jung Roland nahm in großer Hast das Schwert in beide Hände; der Riese nach dem feinen faßt; er war zu unbehende: mit flinkem Hiebe schlug Roland ihm unter'm Schild die linke Hand, daß Hand und Schild entrollten. Dem Riesen schwand der Muth dahin, wie ihm der Schild entrissen; das Kleinod, das ihm Kraft verliehn, mnßt' er mit Schmerzen missen. Zwar lief er gleich dem Schilde nach, doch Roland in das Knie ihn stach, daß er zu Bodey stürzte. Roland ihn bei den Haaren griff, hieb ihm das Haupt herunter; ein großer Strom von Blute lief in's tiefe Thal hinunter. Und aus des Todten Schild hernach Roland das lichte Kleinod brach und freute sich am Glanze. Dann barg er's unter'm Kleide gut und ging zu einem Quelle; da wusch er sich von Staub und Blut Gewand und Waffen helle. Zurücke ritt der jung' Roland, dahin, wo er den Vater fand, noch schlafend bei der Eiche. Er legt' sich an des Vaters Seit', vom Schlafe selbst bezwungen, bis in der kühlen Abendzeit Herr Milon aufgesprungen:
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