Bartholomäusnacht.
49
sich in ehrlichem Frieden zu vertragen und als Franzosen zu fühlen
hätten. Im Jahre 1571 begab er sich an den Hof, vom König aufs
herzlichste begrüßt, von Katharina umarmt, von beiden mit Ehrem
bezeugungen überhäuft.
König Karl Ix. Der junge, nunmehr zwanzigjährige Jüng-
ling war schwächlich, aber von Haus aus gut geartet, zu einer Heuchler-
rolle unfähig. Die in ihrem fieberhaften Ehrgeiz befangene und
trotz aller Verschlagenheit kurzsichtige Katharina tat alles, um den
jungen König in kindischen Tändeleien und unwürdigen Kleinigkeiten
festzuhalten; ja nicht einmal die notwendige geistige Ausbildung wurde
ihm zuteil. Denn von einem geistig reifen Sohne fürchtete Katharina
sich in ihrer Stellung als Regentin bedroht, und mit Schrecken sah
sie, daß Coligny Einfluß auf die Seele des Jünglings gewann,
daß er edle Triebe in ihm weckte, das Feuer der Begeisterung in
ihm entfachte, indem er die Unterstützung der protestantischen
Niederländer gegen das fanatische Spanien als eine nationale
Pflicht hinstellte. Karl hing so an Coligny, daß er ihn „Väterchen"
nannte. In diesem innigen Verhältnis zwischen beiden ist wohl der
eigentliche Keim der schrecklichen Bartholomäusnacht zu suchen,
deren Greuel nicht von langer Hand vorbereitet waren. Bei ihrer
Wandelbarkeit war Katharina wohl entschlossen gewesen, mit den
Hugenotten Frieden zu schließen. Aber sür die Calvinisten wollte sie
nicht gearbeitet haben, jedenfalls nicht die Macht über den Sohn ver-
lieren. Der Admiral, der zu einem Kriege gegen Spanien anfeuerte,
mußte beseitigt werden. Ein Mordanschlag aus ihn mißlang, und der
König schickte ihm eine Sicherheitswache von 50 Mann vors Haus.
Da reifte in der Seele Katharinas und ihrer fanatischen Ratgeber eine
Bluttat großen Stils, zu der der schwache König seine Einwilligung
gab, weil man ihm vorgespiegelt hatte, eine hugenottische Verschwörung
bedrohe sein Leben und die ganze Dynastie.
Der Tag der Vermählungsfeier Heinrichs von Navarra-
Bourbon mit der Schwester des Königs, Margarete von Valois,
sollte zur Ausführung des Planes benutzt werden. Zu dem Fest ihres
Führers waren die Hugenotten scharenweise nach Paris geströmt. In
der Nacht vom 24. auf den 25. August 1572 wurden auf ein gegebenes
Zeichen die hugenottischen Gäste in ihren Quartieren überfallen.
Coligny wurde von einer Bande unter der persönlichen Leitung des
Herzogs Heinrich von Guise niedergemacht. Heinrich von Navarra
rettete sich durch einen Scheinübertritt zur katholischen Kirche. In
Paris hat die Bartholomäusnacht oder die Bluthochzeit an
2000, in den Provinzen an 20000 Opfer gefordert.
Mensch, Weltgeschichte iv. 4
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Extrahierte Personennamen: Katharina Karl_Ix Karl Katharina Katharina Coligny_Einfluß Karl Coligny Katharina Heinrichs_von_Navarra-
Bourbon Heinrichs Margarete_von_Valois August Coligny Heinrich_von_Guise Heinrich Heinrich_von_Navarra Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Spanien Katharinas Paris Paris
Die Reformation in England.
Mit Heinrich Vii. kam das Haus Tudor in England zur
Regierung, von 1485 bis 1603. Heinrich, Graf Richmond aus dem
Hause Lancaster hatte den blutigen'krieg zwischen der „roten und
weißen Rose", den Häusern Lancaster und Aork, den Shakespeare
in seinen „englischen Königsdramen" in einer Reihe lebensvoller Einzel-
bilder uns plastisch vor Augen führt, glücklich beendet und durch seine
Regierung geordnete Zustände und eine starke Königsmacht geschaffen.
Da sein ältester Sohn Artur noch vor ihm starb, folgte ihm
sein zweiter Sohn Heinrich Viii., ein Herrscher, unter dem, aus rein
äußerlichen Gründen, die Reformation in England Eingang
fand, eigentlich mehr eine „Loslösung von Rom" als eine Wieder-
geburt der Kirche. Heiurich Viii. hatte die Witwe seines älteren
Bruders geheiratet: Katharina von Aragon, eine Schwester der
Mutter Karls V. Die Kirche hatte die Verbindung gesegnet. Zwanzig
Jahre hatte diese Ehe zu Recht bestanden. Eine Tochter, die spätere
„Maria die Katholische", war ihr entsprossen. Da läßt die leiden-
schaftliche Zuneigung des Königs zu einer schönen Hofdame Anna
Boleyn ihn die Scheidung von seiner ersten Gemahlin anstreben,
angeblich aus Gewissensgründen, der nahen Verwandtschaft halber.
Bisher hatte Heinrich sich mit dem Papst sehr gut gestanden, von
ihm sogar wegen einer Streitschrift gegen Luther den Titel eines
„Verteidigers des Glaubens" erhalten. Der Papst war anfänglich
auch nicht abgeneigt, während des Streites mit dem Deutschen Kaiser
Karl V., dessen Tante die englische Königin war, den Wünschen des
Königs bezüglich der Scheidung geneigtes Ohr zu schenken. Dann
aber änderte sich die politische Lage. Rom gab die Erlaubnis
zur Ehescheidung nicht. Und nun setzte sie König Heinrich auf
eigene Hand durch und ließ durch Thomas Cranmer, einen fein-
gebildeten Geistlichen, aber einen vorsichtigen, geschmeidigen Höfling,
den er zum Erzbischof von Canterbury erhob, Anna Boleyn zur
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Vii Heinrich Heinrich Heinrich Graf_Richmond Heinrich_Viii Heinrich Katharina_von_Aragon Karls_V. Anna
Boleyn Heinrich Heinrich Karl_V. Karl_V. Heinrich Heinrich Thomas_Cranmer Canterbury Anna_Boleyn
Extrahierte Ortsnamen: England Haus_Tudor England England
Heinrich Viii. und seine Regierung.
oo
Königin von England krönen. Die verstoßene Katharina wurde in
ein Kloster gesperrt.
Die neue Kirchenverfassung.
Mit Zustimmung des Parlaments veröffentlichte Heinrich das
Gesetz, „daß der König auf Erden für das alleinige Oberhaupt der
Kirche Englands angenommen und gehalten werde." (Supremats-
akte). An die Stelle des päpstlichen Primats war das königliche
getreten. Höhere Ziele lagen der Abänderung nicht zugrunde. An
der Verfassung und dem Lehrgebäude der Kirche wurde nichts Wesent-
liches geändert. Aber die zahlreichen Klöster wurden gewaltsam auf-
gelöst, die Mönche und Nonnen kaum vor Hunger geschützt, die reichen
Klostergüter teils der Krone verliehen, teils an Höflinge verschenkt.
In Verbindung mit Cranmer leitete eine andere dienstfertige Kreatur,
Thomas Cromwell, der die Würde eines Großsiegelbewahrers erhielt,
die Durchführung dieser kirchlichen Neuerungen.
Andere Willkürakte des Königs.
Der ehrgeizige Kardinal Wolsey, der sich im Geiste schon auf
dem Stuhl Petri gesehen, starb, weil er die Ehescheidungsangelegenheit
nicht eifrig genug betrieben hatte, in Ungnade. Der geistreiche Kanzler
Thomas Moore, der übrigens früher dem König in den Ketzer-
Hinrichtungen tapfer beigestimmt hatte, verfiel, weil er auch schließlich
zu opponieren wagte, dem Schafott. Thomas Moore ist der Verfasser
eines interessanten Werkes, dessen Ausschrift „Utopia" (Nirgendheim)
einer ganzen Gattung den Namen gegeben hat. Bis zur Stunde
versteht man unter „Utopien" die Schilderung und Vergegenwärtigung
solcher Zustände, die im Gebiet der Träume und Wünsche liegen.
„Utopia" von Thomas Morus bringt in halb romanhafter Form die
Schilderung eines menschlichen Gemeinwesens, in welchem durch die
natürlichen menschlichen Tugenden ein Zustand der Gleichheit, Brüder-
lichkeit und Freiheit erreicht wird. Morus gehörte zu den Vertretern
des englischen Humanismus.
Heinrich Viii. und seine Frauen.
Anna Boleyn, um deretwillen die Scheidung von der spanischen
Katharina betrieben worden war, sollte sich nicht lange ihrer könig-
lichen Stellung erfreuen. Eine neue Liebe beschäftigte das Herz des
sinnlichen Königs. Auf die ungerechtfertigte Beschuldigung der Untreue
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Viii Heinrich Katharina Heinrich Heinrich Thomas_Cromwell Wolsey Thomas_Moore Thomas_Moore Thomas_Morus Morus Heinrich_Viii Heinrich Anna_Boleyn Katharina
Extrahierte Ortsnamen: England Englands Stuhl_Petri Nirgendheim
56
Tic Reformation in England.
hin ward Anna Boleyn enthauptet und ihre Ehe von Cranmer für
ungültig erklärt.
Die dritte Gemahlin des Königs, die junge, sanfte Johanna
Seymour, starb wenige Tage nach der Geburt ihres schwächlichen
Sohnes Eduard. Durch ein Porträt des Malers Holbein und durch
Zureden Cromwells ließ Heinrich sich dann bestimmen, um eine deutsche
Fürstentochter, Anna von Kleve, zu werben. Aber als sie nach
England kam, gefielen weder ihre Erscheinung, noch ihr Wesen dem
wählerischen Könige. Ein nichtiger Vorwand zur Ehescheidung wurde
schnell gefunden, woran sich Cromwells Sturz und Enthauptung
schlössen. Die fünfte Gemahlin, Katharina Howard, blieb ihrem
früheren Geliebten auch nach ihrer Erhebung zur Königin treu und
büßte ihre Unvorsichtigkeit mit dem Tode auf dem Schaffott.
Tie letzte Frau des Königs. Katharina Parr, sehr der lutherischen
Lehre zugetan, verdankte es nur ihrer großen Klugheit, daß sie das
Schicksal ihrer Vorgängerinnen nicht teilte.
Alle Regierungsakte des Königs wurden durch Laune und Will-
kür eingegeben. Noch auf dem Sterbebett erteilte er den Befehl zur
Hinrichtung des katholisch gesinnten Herzogs von Norfolk und seines
ritterlichen Sohnes, des Grafen von Surrey 1547.
Eduard Tl und die Einführung des Protestantismus in
England 1547—1553.
An den zehnjährigen Knaben, den Sohn der Johanna Seymour,
drängte sich die Familie heran, um in seinem Namen zu regieren.
Eduard Vi. zeigte eiu gutgeartetes Wesen, das an die herrische, ge-
walttätige Tudornatur in nichts erinnerte. Sein Oheim, der Herzog
von Somerset, leitete anfangs die Vormundschaft, bis er von einer
Gegenpartei verdrängt wurde. Der junge König war von Cranmer
ganz für den Protestantismus gewonnen worden und zeigte bei all
seiner Jugend eine warme Begeisterung und frühreifes Verständnis
für die neue Lehre. Unter ihm wurde der gesamte Gottesdienst nach
dem Vorbild der Lehre Luthers und Zwinglis, unter Beibehaltung
des königlichen Supremats, umgestaltet. Dem jungen und schwächlichen
König war kein langes Leben bestimmt. Kurz vor seinem Ende ließ
er sich bereden, seine beiden Schwestern Maria und Elisabeth von der
Erbfolge auszuschließen, weil die Ehe ihrer Mutter für ungültig er-
klärt worden sei.
An ihrer Statt bestimmte er als Nachfolgerin die Urenkelin des
ersten Tudors, Johanna Gray. Diese, eine sehr angenehme, liebens-
würdige Persönlichkeit, war in den Schriften des griechischen Philosophen
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Extrahierte Personennamen: Anna_Boleyn Johanna
Seymour Eduard Eduard Holbein Heinrich Heinrich Anna_von_Kleve Cromwells Katharina_Howard Katharina_Parr Eduard Eduard Johanna_Seymour Eduard_Vi Eduard Somerset Cranmer Schwestern_Maria Maria Johanna_Gray
Extrahierte Ortsnamen: England Cromwells England Norfolk Surrey England Luthers
76
Der Dreißigjährige Krieg.
Kindes Statt an und übertrug ihm 1617 die Erbfolge in Böhmen
und bald darauf auch in Ungarn. Diesem schien die Nachfolge im
Kaisertum gewiß. Er hatte zwar den Majestätsbrief Kaiser Rudolfs
beschwören müssen, aber sehr bald begannen durch ihn die Unter-
drückungen der böhmischen Prorestanten. Schon während der Regierung
Rudolfs Ii. hatten sich die zwei bewaffneten Bündnisse: die katholische
Liga und die protestantische Union gebildet. An der Spitze
der Protestanten stand Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, das
Haupt der Liga war der tapfere Kurfürst Maximilian von Bayern,
der sich mit Spanien verbündete, während die Union den Beistand
Frankreichs und Hollands gewann.
Der böhmisch-pfälzische Krieg (1618—1626).
Der Unwille der Protestanten über die Unterdrückung ihrer
religiösen Rechte kam zuerst in Böhmen zum Ausdruck. In den
Städten Kloster-Grab und Braunau hatten sich die Protestanten
Kirchen erbaut, die Katholiken wollten das nicht dulden, weil, wie sie
behaupteten, nur der Herren- und Ritterstand und die königlichen
Städte Religionsfreiheit genössen. Die Streitfrage kam vor den
Kaiser Matthias, der sie zugunsten der Katholiken entschied. Die zwei
protestantischen Kirchen wurden geschlossen, die zu Kloster-Grab sogar
zerstört, und mehrere Bürger mit Gefängnis bestraft. Da man das
Verhalten des Kaisers auf den Einfluß zweier katholischer Berater,
der Grafen Martinitz und Slavata zurückführte, so veranlagten die
Führer der Protestanten, an der Spitze der tapfere und allgemein
beliebte Graf Mathias von Thurn, einen Volkszug in das Präger-
Schloß und ließen jene beiden, mitsamt ihrem Geheimschreiber Fabrieius,
nach böhmischer Sitte durch ein Fenster des Schlosses in den 66 Fuß
tiefer liegenden Graben hinabstürzen (der „Prager Fenstersturz").
Doch der Fall tötete sie nicht. Slavata erlitt nur eine leichte Kopf-
wunde, und Martinitz entkam mit dem Schreiber.
Der Aufstand. Diese Gewalttat war das Signal zum offenen
Aufstand, der sich sehr rasch von Böhmen aus auch über Schlesien,
Mähren und Ungarn verbreitete. Der schwache Kaiser Matthias hätte
jetzt gerne den Weg der Nachgiebigkeit eingeschlagen, aber die Jesuiten
und ihr Zögling und Werkzeug, der bigotte König Ferdinand, wollten
davon nichts wissen und nötigten den Kaiser, das Kriegsglück zu ver-
suchen. Bald schallte die Werbetrommel durch ganz Deutschland. Die
Sache der Protestanten stand im Anfange gut. Der kriegserfahrene
Graf Ernst von Mansfeld brachte im Auftrage von Kurpfalz den
Böhmen viertausend Mann.
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Extrahierte Personennamen: Rudolfs Rudolfs Friedrich_V. Friedrich_V. Maximilian_von_Bayern Maximilian Matthias Martinitz Mathias_von_Thurn Slavata Martinitz Matthias Ferdinand Ferdinand Ernst_von_Mansfeld Ernst
Der Nordische Krieg.
(1700—1721.)
Die Regierungszeit Friedrich Wilhelms war für Europa kriege-
risch bewegt, aber der König war, trotz seiner Vorliebe für den
Soldatenstand, persönlich friedliebend und wollte seinem Volke so
lange als möglich die Segnungen des Friedens erhalten, so daß er jeder
ernsten Verwicklung aus dem Wege ging. In seinen Tagen entstand
wohl die Redensart: „So schnell schießen die Preußen nicht.". Als
er zur Regierung kam, ging der spanische Erbfolgekrieg zu Ende, und
durch den Frieden zu Utrecht, in welchem Preußen einen Teil des Ober-
quartiers Geldern (südlich von Kleve) erwarb und die Bestätigung
der neuen Königswürde erhielt, bekam er den nötigen Spielraum, sich
am nordischen Kriege zu beteiligen.
Dieser führt seinen Namen daher, weil er zwischen den nord-
europäischen Mächten: Schweden, Dänemark, Polen und Ruß-
land ausgefochten wurde. Letzteres gewinnt erst mit diesem Kriege
ein geschichtliches Interesse. Bis zum Ausgang des 17. Jahrhunderts
galt Rußland noch für ein barbarisches Land, dessen Bewohner Fürsten
gehorchten, die den Titel Zar führten, d. h. „Kaiser", als Rechts-
Nachfolger der römischen Cäsaren. Die Machtstellung der Russen be-
gründete Peter der Große (1689—1725), welcher zuerst den Versuch
unternahm, bei seinem Volke die Anfänge europäischer Kultur einzu-
führen. Er war der jüngste von drei Söhnen des Zaren Alexei. Der
ältere, Feodor, der schon 1682 starb, hatte mit Umgehung seines
kränklichen Bruders Iwan, den talentvollen Peter zum Nachfolger
bestellt. Aber die herrschsüchtige Schwester Sophie, welche während
der Minderjährigkeit der Brüder Regentin war, brachte es mittels
des Beistandes der russischen Kerntruppe, der Strelitzen, dahin, daß
Iwan und Peter als Zaren ausgerufen wurden. Unter der Leitung
des Schweizers Le Fort wuchs Peter in einem Dorfe unweit Moskau
zu einem vielversprechenden Jüngling heran. Eine kleine Kriegsschar
von fünfzig Kameraden, unter denen er selbst diente, hatte er sich nach
europäischem Muster errichtet; sie war die Pflanzschule der russischen
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Alexei Feodor Peter Sophie Peter Peter
Extrahierte Ortsnamen: Europa Schweden Dänemark Polen Moskau
136
Der Nordische Krieg.
Garde, welche später die Strelitzen stürzen half. Anfangs hatte
Sophie diese Kriegsübungen als ein harmloses Kinderspiel angesehen.
Bald aber schöpfte sie Verdacht und entwarf sogar einen Plan
zur Ermordung des Prinzen. Allein der Plan wurde verraten, und
Sophie in ein Kloster geschickt. Um diese Zeit, 1689, starb auch
Iwan, und Peter wurde nun Alleinherrscher. Nachdem er eine neue
Verschwörung seiner Schwester Sophie vereitelt hatte, machte er eine
Reise ins Ausland, in der Absicht, die Regierungskunst und besonders
das Seewesen gründlich zu erlernen. Über Deutschland reiste er nach
Holland. Amsterdam war für ihn eine neue Welt. Das Gewühl der
Kaufleute, der Schiffer und Matrosen, die Schleusen, Dämme, Ma-
schinen, alles erfüllte den jungen Zar mit freudigem Erstaunen. Um
nicht erkannt zu werden, trug er die Kleidung eines holländischen
Schiffzimmermannes und war vom frühen Morgen bis zum späten
Abend beschäftigt, mit allen Merkwürdigkeiten der Stadt sich bekannt
zu machen. Von Amsterdam setzte er nach dem nahe gelegenen Dorfe
Saardam über, dem Sitze des holländischen Schiffbaues. Hier erschien
er als gemeiner Russe und ließ sich unter dem Namen Peter Michailow
in die Lifte der Werkleute eintragen. Noch lange zeigte man zu Saar-
dam die Hütte, die er bewohnte. Seine Mitgesellen nannten ihn
nicht anders als Peter Baas, d. i. Meister Peter. Als solcher kam
er alle Morgen mit dem Beile in der Hand auf die Schiffswerft
und arbeitete. Nach siebenwöchentlichem Aufenthalte kehrte er nach
Amsterdam zurück und reiste dann nach England. Hier sowohl
wie in Holland besuchte er fleißig die Werkstätten der Künstler und
Handwerker. Mehrere tüchtige Männer, insbesondere erfahrene See-
leute, nahm er in seine Dienste und schickte sie nach Rußland. Dann
reiste er über Dresden nach Wien und wollte eben weiter nach
Italien reisen, als er die Nachricht von einem neuen Aufstande der
Strelitzen erhielt. Ergrimmt eilte er durch Polen nach Moskau zu-
rück, fand aber bei seiner Ankunft die Ruhe bereits hergestellt. Der
Verdacht der Anstiftung dieser Empörung fiel wieder auf seine Schwester
Sophie. Peter ließ zu einer furchtbaren Warnung 28 Galgen vor ihrem
Kloster aufrichten und 150 der Hauptempörer vor ihren Augen aufknüpfen.
Die stets zu Aufständen bereite Schar der Strelitzen, die an die Leib-
wache der Prätorianer erinnert, wurde von Peter aufgehoben. Nach
dem Tode Le Forts trat der begabte, aber in seinem Charakter nicht
ganz einwandfreie Alexander Menfchikow an feinen Platz. Auch
er unterstützte den Zaren bei seinen Reformen. Schulen und Buch-
druckereien wurden eingerichtet, viele gebildete Ausländer ins Reich
gezogen und die Russen selbst zur Unternehmung von Reisen angefeuert.
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Extrahierte Personennamen: Iwan Peter Peter_Michailow Peter_Baas Peter Peter Le_Forts Alexander_Menfchikow Alexander
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Holland Amsterdam Dorfe
Saardam Amsterdam England Holland Wien Italien Moskau
140
Der Nordische Krieg,
Taten sind vom französischen Schriftsteller Voltaire („Charles
douzeil) in höchst fesselnder und anschaulicher Weise geschildert worden.
Nach Karls Xii. Tode gelangte seine jüngere Schwester Ulrike
Eleonore, vermählt mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel, zur
Regierung. Sie schloß mit Hannover — Georg I. von England
und Hannover hatte auch zu Karls Xii. Gegnern gehört — und
Preußen zu Stockholm Frieden 1720/21, mit Rußland zunystädt
am Bottnischen Meerbusen.
Rußland bekam die schönsten Länder an der Ostsee, Livland,
Estland, Jngermanland und einen Teil von Kardien.
Preußen erhielt Stettin und Vorpommern samt Usedom
und Wollin.
Schweden schied aus der Reihe der Großmächte aus. Seinen
Platz nahm Rußland ein.
Peters des Großen Ende.
Im Jahre 1716 hatte Peter abermals eine Reise ins Ausland
unternommen und auf ihr Deutschland, Holland und Frankreich besucht.
Seine zweite Gemahlin Katharina, die einzige, die seinen Jähzorn
zu bändigen verstand, begleitete ihn nach Holland. Zwischen dem
Zaren und seinem Sohn Alexei aus erster Ehe kam es zu schweren
Zerwürfnissen, die mit der Gefangennehmung und dem Tode des
Sohnes endeten. Alexei hatte sich in die Reformen Peters nicht
schicken wollen, vielmehr bei jeder Gelegenheit seine Vorliebe für die
alten Zustände zur Schau getragen.
Bald nach dem Abschluß des nordischen Krieges starb Peter 1725.
Der Senat und der heilige Synod, die obersten Staatsbehörden, hatten
ihm zuvor deu Titel „Vater des Vaterlandes" beigelegt. Zu seiner
Nachfolgerin hatte er seine Gemahlin bestimmt, die als Katharina I.
vom Senat und ganzem Reiche anerkannt wurde. Schon früher hatte
man ihr die schmeichelhafte Bezeichnung „Stern des Nordens" ge-
geben. Sie war die Tochter eines armen livländischen Bauern und harte
bei einem Geistlichen in Marienburg als Magd gedient. Als diese
Stadt 1702 von den Russen eingenommen, wurde auch sie als
Gefangene fortgeführt. Das Mädchen von Marien bürg fesselte
bald durch ihre Jugend und Schönheit das Herz des Kaisers, so daß
er sie zu sich nahm und sie später zu seiner Gemahlin erhob. Aber
schon nach zweijähriger Regierung (1725—1727) folgte sie ihrem
Gemahl ins Grab.
Nach ihr kam Peter Ii., der Sohn des unglücklichen Alexei, auf
den Thron und regierte bis 1730. Unter ihm wurde der noch vor
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Extrahierte Personennamen: Karls Ulrike
Eleonore Georg_I._von_England Karls Peter Katharina Alexei Alexei Peters Peter_Ii
Extrahierte Ortsnamen: Karls Hessen-Kassel Karls Stockholm Bottnischen_Meerbusen Ostsee Livland Estland Stettin Wollin Deutschland Holland Frankreich Holland Marienburg
Peters des Großen Ende.
141
kurzem so mächtige und allgemein gefürchtete Menschikow, welcher schon
auf dem Punkte stand, durch Verheiratung seiner Tochter Schwieger-
vater des Kaisers zu werden, plötzlich gestürzt. Sein Geiz hatte ihn
verleitet, große Geldsummen zu veruntreuen. Hierzu kamen die ge-
Heimen Anschwärzungen von seilen des neuen kaiserlichen Günstlings
Dolgorucki und dessen Partei, so daß der aufgebrachte Kaiser das
außerordentliche Vermögen Menschikows einzog und ihn selbst mit seiner
Familie nach Sibirien verbannte. Dort in den öden Steppen betrauerte
er in drückender Armut den Unbestand menschlicher Größe.
Auf Peter Ii. folgte Anna, die Tochter des obengenannten
Iwan. Ihr ganzes Vertrauen genoß der Herzog von Kurland, der
Reichsgraf Viron, so daß die Regierung größtenteils in dessen Händen
war. Dolgorucki und seine Partei wurden gestürzt, mehrere enthauptet,
die übrigen nach den Wüsteneien Sibiriens verbannt. Auf dem Sterbe-
bette ernannte Anna ihren Günstling sogar zum Regenten während
der Minderjährigkeit des kurz vor ihrem Tode geborenen Prinzen
Iwan. Aber gleich nach ihrem Tode (1740) brach ein großer Aufstand
aus. Der kaum zwei Monate alte Iwan wurde vom Throne gestoßen
und Biron mit seinem ganzen Anhange nach Sibirien verbannt. Mit
Hilfe der bestochenen Garden bestieg jetzt Elisabeth, die Tochter
Peters des Großen, an fünfter Stelle nach ihm 1740 den Thron.
Im Jahre 1762 erlosch mit dieser ehrgeizigen, aber sittenlosen
Zarin das Haus Romanow. Das russische Reich ging über an
Peter Iii., einen Enkel Peters des Großen und Sohn eines Herzogs
von Holstein-Gottorp.
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Extrahierte Personennamen: Peter_Ii Anna Reichsgraf_Viron Dolgorucki Anna Biron Peters Peter_Iii Peters Holstein-Gottorp
Regierungsantritt.
119
Durch Qranien- empfing der Kurprinz manchen trefflichen Wink
über Kriegführung. Am liebsten wäre er in die Reihen der begeisterten
Kämpfer gegen die spanische Macht eingetreten. Aber dies lag nicht
im Plane seiner Eltern, ebensowenig wie die Verlobung des Sohnes
mit der Prinzessin Ludovika Hollandine, einer Tochter des Winter-
königs. Nach dem Tode desselben hatte seine Gemahlin Elisabeth
ihren Aufenthalt in Holland gewählt. Auf diese Weise lernte Friedrich
Wilhelm die Prinzessin kennen und faßte sehr bald eine große Zu-
neigung zu ihr. Schweren Herzens, aber ohne Murren, fügte der
Kurprinz sich dem Willen seines Vaters und folgte dem Befehl, un-
verzüglich heimzukehren. In Spandau hießen ihn die fürstlichen Eltern
willkommen. In Berlin wurden zu Ehren seiner Heimkehr manche
Festlichkeiten veranstaltet. Im Juni war der Prinz eingetroffen, iin
August desselben Jahres unternahm der Vater mit ihm eine Reise
nach Preußen, wo es Friedrich Wilhelm gar nicht gefiel. Er sah Ver-
Hältnisse, die ihm nicht zusagten, denn die Stände, auf den Schutz
Polens sich steifend, erschwerten dem Kurfürsten nach Möglichkeit die
Regierung.
Wider Erwarten früh gelangte dtefe in die Hände des Sohnes.
Als Friedrich Wilhelm den Thron bestieg (1640), waren es
größtenteils Einöden und Trümmerstätten, über die er walten sollte.
Überdies waren seine Lande locker zusammenhängende Gebiete, lagen
über den ganzen deutschen Norden zerstreut, vom Rhein bis zur
Memel. Auch fehlte ihnen fast jedes Gemeingefühl. Nur die Person
des Landesherrn knüpfte sie enger zusammen. Aus diesen Gliedern,
ein organisches Ganzes zu bilden, einen Staat zu schaffen, erkannte
Friedrich Wilhelm als seine vornehmste Aufgabe.
Erste Regierungshandlungen.
Obgleich er die lichtscheue Politik Schwarzenbergs haßte, brach
er doch nicht sofort mit dem Ratgeber seines Vaters, sondern ließ
ihn vorerst noch in seinem Amte, war aber darauf bedacht, die Festungen
mit Truppen zu besetzen, die auch ihm, nicht nur dem Kaiser, den
Treueid leisteten. Die Schwarzenbergsche Staatskunst hatte es nämlich
dahin gebracht, daß die Truppen, die das Land hatte aufbringen müssen
und die vom Lande erhalten wurden, nur dem Kaiser durch den
Fahneneid verpflichtet waren. Schwarzenbergs Stellung wurde immer
unhaltbarer. Aber ehe er vollständig in Ungnade fiel, erlag er einem
Schlagfluß. Aus seinen Papieren, die der Kurfürst unter Siegel legen
ließ, ergab sich deutlich, wie sehr dieser Minister die Notstände des
Landes benutzt hatte, um sich zum reichen Mann zu machen.
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Extrahierte Personennamen: Ludovika_Hollandine Elisabeth Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm August Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Holland Spandau Berlin Polens Rhein Schwarzenbergs Schwarzenbergs