Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
44
34. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.
ie Glocke auf dem St. Georgenturme schlug die Mitternachtstunde.
Ein schweres Gewitter war im Nnzuge. Mit der Wut des
Tigers kam der Sturm geflogen. Rber bald wurde sein heulen und
Brausen überdröhnt von der mächtigen stimme des Donners, der in
heftigem, zürnendem Tone den zuckenden Blitzen Buhe zu gebieten
schien. Lin Wetterschlag folgte dem anderen. Da erscholl in die
Nacht hinaus der Feuerruf: ,,Es hat in den Turm von 5t. Georg
eingeschlagen!" In kurzer Zeit war der Platz um die Kirche mit
Tausenden von Menschen angefüllt. Nlle schauten beängstigt nach
dem Turmdache. Welchen Gang wird das Feuer nehmen? 5türzt
das Dachgebälk, so wird der 5turm den Brand in die dichte Häuser-
masse tragen, die dort auf der Westseite hart an die Kirche herantritt,
hier ist die feuergefährlichste Steile der ganzen 5tadt: zahllose höl-
zerne Emporlauben in engen Höfen, bretterne Dachgiebel, schindel-
gedeckte Schuppen und alles so zusammengepreßt, daß nirgends eine
Löschmannschaft mit Erfolg einem Feuer wehren kann. Dazu kommt,
daß das bedrohte Stadtviertel vor dem Winde liegt.
Da bahnte sich der Schieferdecker Npollonius Nettenmair einen
Weg durch die Menge. ,,Wenn einer helfen kann, so ist es Nettenmair!"
ruft dort eine Stimme. Eine dunkle Nöte überzog die bleichen Wangen
unseres Schieferdeckers,' seine schlanke Gestalt richtete sich hoch auf.
,,Bleib' ich," sagte er zu einem ihn begleitenden Freunde, „so denkt
an meinen Vater und an meines Bruders Weib und an seine Kinder!"
Mit großen Schritten eilte er die Turmtreppe hinauf, einige Bauhand-
werker folgten ihm. Wie er am Dachgebälk anlangt, da zuckt es
blau zu allen Turmluken herein und unmittelbar darauf rüttelt ein
prasselnder Donner an dem Turme. Npollonius war wie betäubt. Ein
dicker Schwefelqualm erstickte ihn. Er sprang nach der nächsten Dach-
luke um frische Luft zu schöpfen. Die Werkleute waren vor Schrecken
auf den obersten Treppenstufen stehen geblieben, „herauf!" ries ihnen
Npollonius zu. „Schnell das Wasser! Die Spritze! In diese Seite
muß es eingeschlagen haben, von da kam Luftdruck und Schwefelgeruch.
Schnell mit Wasser und Spritze an die Nusfahrtür!" Der Zimmermeister
rief schon auf der Leitertreppe hustend: „Nber der Nauch!" — „Nur
schnell!" entgegnete Npollonius. „Die Nusfahrtür wird mehr Luft
geben, als uns lieb ist." Der Maurer und der Schornsteinfeger folgten
dem Zimmermann, der die Schläuche trug, so schnell wie möglich
mit der Spritze die Leitertreppe hinauf. Die anderen brachten Wasser
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Extrahierte Personennamen: Georg Schieferdecker_Npollonius_Nettenmair Npollonius
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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Reichtum: er war zu vergänglich. Die Ergiebigkeit der Bergwerke
ließ nach, und während z. B. die Fundgrube „Himmlisch Heer" von
1536—1593 eine Ausbeute von 1800000 Mark geliefert hatte, deckte
in der späteren Zeit der Ertrag nicht die Betriebskosten und heute
sind die Gruben verödet und verfallen.
Die Zeit des Niedergangs und des Verfalls der Silbergewinnung
brachte für Annaberg schwere Tage; Mutlosigkeit und Verzweiflung
hatte sich der Bewohner bemächtigt; es war eine traurige Zeit.
Da geschah es eines Tages, daß ein armes Weib mit drei
hungernden Kindern an die Tür des Bergherrn Christoph Uttmann
pochte. Sie war eine Fremde, kam weit daher und bat um ein
Stück Brot und um ein Nachtlager. Frau Barbara empfing die
Arme nach ihrer Gewohnheit mit gütigen Worten, erquickte sie
mit Speise und Trank und bot ihr Unterkunft. Die fremde Frau
erzählte, daß sie aus Brabant stamme; glücklich habe sie mit den
Ihrigen bis vor kurzem gelebt, bis der Herzog Alba als Statt-
halter nach den Niederlanden gekommen sei und in der schreck-
lichsten Weise gewütet habe. Entsetzlich war die Beschreibung, die
die Frau von jenem Abend machte, an dem Albas Häscher
auch in ihre friedliche Hütte gedrungen waren; sie berichtete, wie
ihr Mann in vergeblicher Gegenwehr vor ihren Augen gefallen sei
und wie man ihr das Haus über dem Kopfe angezündet habe. „Da
habe ich in wenig Stunden," sagte sie, „meinen Mann, meinen Be-
sitz und meine Heimat verloren und war gezwungen auszuwandern
gleich tausend anderen Familien, die sich teils nach England teils
nach Deutschland wandten."
Als sie nun weiter von ihr er Wanderung und ihrem Schicksal
erzählte, griff sie, um nicht müßig zu sitzen, in die Tasche und zog
ein Päckchen hervor. Es enthielt kurze hölzerne Stäbchen, die in
kleine Haken von Eisendraht ausliefen, eine Rolle Zwirn und ein
auf Papier gezeichnetes Muster. Dieses Muster ward nun über den
Tisch gebreitet, von der Rolle ein Faden abgelöst und um das eine
Stäbchen geschlungen: die Frau klöppelte Spitzen.
Barbara Uttmann erkannte die hohe Bedeutung dieser Kunst;
sie dankte Gott, daß er die fremde Frau geschickt, und freude-
strahlend sagte sie zu dieser: „Diebes Weib, du bleibst bei uns!
Ich will dir und deinen Kindern Freundin, Schwester, Mutter sein.
Siehe, in unserem Orte herrscht Trauer. Der Hammer des Bergmanns
rostet, das Vieh stirbt hin, verwüstet liegen die Felder. Mein Gemahl
gibt mit vollen Händen; doch was können die Gaben eines einzigen
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Extrahierte Personennamen: Christoph_Uttmann Barbara Barbara_Uttmann Gott
Extrahierte Ortsnamen: Annaberg Albas_Häscher England Deutschland
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63
fast, als habe er niemals ein größeres Glück empfunden als in diesem
Augenblicke. Der Fleiß des jungen Gesellen gefiel auch den Ge-
fängnisbeamten, und da es Tischlerarbeiten in einem solchen Hause
genug gibt, so ließ man ihn in der Gefängniswerkstatt weiter arbeiten
nach Herzenslust, bis endlich seine Zeit abgelaufen war.
Mit freundlichen Ermahnungen und einem Zeugnis über seine
gute Führung wurde Friedrich Breitkopf in seine Heimat entlassen.
Er hatte sich im Gefängnis einen hübschen Groschen Geld erspart
und hätte damit wohl anderwärts hingehen können als gerade zu
den Bekannten des heimatlichen Dorfes, indessen Friedrich Breit-
kopf war im Gefängnis ein anderer geworden. Wohl kam es
ihm schwer an, den früheren Bekannten wieder unter die Augen zu
treten; aber es zog ihn zu seinem alten Mütterchen, das er so bitter
gekränkt hatte und dessen Vergebung ihm vor allem anderen am
Herzen lag.
Der erste, der dem entlassenen Sträfling entgegentrat, als
er in das Dorf schritt, war der greise Gemeindediener. Tief beschämt
schlug Friedrich die Augen nieder, als er dem alten Manne gegenüber-
stand, und kein Wort der Begrüßung wollte über seine Lippen.
Da fühlte er, wie der Greis seine Hand ergriff und mild zu ihm
sagte: „Bist wieder da, Friedrich? Hast Pech gehabt, armer Junge!
Es haben dich alle bedauert im Dorf; laß nur gut sein, das ver-
gißt sich wieder; du bist ja nicht schlecht, bloß ein bißchen wild;
das kann jedem vorkommen, mein Sohn. Geh jetzt zu deiner Mutter,
die wartet schon auf dich!“
O, wie wohl taten dem jungen Manne diese schlichten Worte!
— War er wirklich nicht schlecht, sondern nur wild gewesen? —
Nein, nein, er hatte sein ehrlich Handwerk aufgegeben; das war
nicht recht gewesen; schon darum hatte er seine Strafe verdient.
Und doch, es tat ihm so unendlich wohl, daß gerade der
greise Gemeindediener sein Vergehen so milde beurteilte.
An dem Häuschen seines Mütterchens stand Friedrich einen
Augenblick still und blickte durch die Fensterscheiben hindurch in
das einzige Wohnstübchen. O Gott, da saß die alte Frau gebeugt
in ihrem Lehnstuhl und hatte vor sich ihr altes Gesangbuch mit den
großen Buchstaben aufgeschlagen. Leise öffnete Friedrich Haus-
und Stubentür; da blickte die alte Frau auf. „Mütterchen, Mütter-
chen, vergib mir, daß ich dir so wehe getan habe!“ schrie Friedrich,
stürzte zu den Füßen seiner Mutter nieder und begrub sein tränen-
überströmtes Antlitz in ihrem Schoße.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Breitkopf Friedrich Friedrich_Breit- Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_Haus- Friedrich Friedrich Friedrich
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Geschlecht (WdK): koedukativ
21
5. Hub wie sic nun beim Sohne sitzt
Sv selig, so verklärt, —
Ich wette, dasi Laub Mütter!ein
Die Englein singen hört!
Friedrich Halm.
19. Schiller an seine Mutter.
Liebste Mutter!
Herzlich betrübt ergreife ich die Feder, mit Ihnen und den
lieben Schwestern den schweren Verlust zu beweinen, den wir
zusammen erlitten haben. Zwar gehofft habe ich schon eine Zeit-
lang nichts mehr; aber wenn das Unvermeidliche eingetreten ist,
so ist es immer ein erschütternder Schlag. Daran zu denken, daß
etwas, das uns so teuer war und woran wir mit den Empfindungen
der frühen Kindheit gehangen und auch im späteren Alter mit
Liebe geheftet waren, daß so etwas aus der Welt ist, daß wir
mit all unserem Bestreben es nicht mehr zurückbringen können,
daran zu denken, ist immer etwas Schreckliches. Und wenn man
erst wie Sie, teuerste und liebste Mutter, Freude , und Schmerz
mit dem verlorenen Freund und Gatten so lange, so viele Jahre
geteilt hat, so ist die Trennung um so schmerzlicher.
Auch wenn ich nicht einmal daran denke, was der gute,
verewigte Vater mir und uns allen gewesen ist, so kann ich mir
nicht ohne besondere Rührung das Ende eines so bedeutenden und
talentvollen Lebens denken, das ihm solange und mit solcher Ge-
sundheit zuteil wurde und das er so redlich und ehrenvoll ver-
waltete. Ja wahrlich, es ist nichts Geringes auf einem so langen
und mühevollen Laufe so treu auszuhalten und so wie er noch im
dreiundsiebenzigsten Jahre mit einem so kindlichen, reinen Sinn
von der Welt zu scheiden! Möchte ich, wenn es mich gleich alle
seine Schmerzen kostete, so unschuldig von meinem Leben scheiden
wie er von dem seinigen!
Das Leben ist eine schwere Prüfung und die Vorteile, die
mir die Vorsehung in mancher Vergleichung mit ihm vergönnt
haben mag, sind mit so vielen Gefahren für das Herz und für den
wahren Frieden verknüpft. Ich will Sie und die lieben Schwestern
nicht trösten. Ihr fühlt alle mit mir, wieviel wir verloren haben;
aber Ihr fühlt auch, daß der Tod allein dieses lange Leiden
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Halm Friedrich
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2 r>
Soldat seiner Fahne untreu wurde; aber fast ebenso selten gelang
es, einem Fahnenflüchtigen auf die Spur zu kommen.
„Ei, so lauf!“ dachte auch jetzt mancher Verfolger bei sich;
„die dreißig Taler möchte ich mir wohl gerne verdienen; aber
ebenso gerne spare ich dem armen Teufel das Gassenlaufen.“ So.
kehrten denn alle Kameraden mit demselben Bescheid zurück: „Herr
Hauptmann, der Ausreißer ist entwischt!“ Endlich eilt keuchend
noch einer herbei. Wahrhaftig, er schleppt den Heerflüchtigen
hinter sich her und — sollte man’s glauben! — es ist sein leiblicher
Bruder! Staunen und Unwille malt sich auf den Gesichtern der
Kameraden, und als sich der verräterische Bruder seinen Judaslohn
auszahlen läßt, treffen ihn verächtliche und wütende Blicke. „Schwer
Geld!“ sagte der Hauptmann, als er die dreißig Taler ausgezählt hat.
„Ja, schwer Geld!“ wiederholt mit gepreßter Stimme der Empfänger.
Auf der Stelle wird an dem Ausreißer die festgesetzte Strafe
vollzogen: sechsmaliges Gassenlaufen. Dreimal schon ist er durch
die heiße Gasse gerannt und der blutige Schweiß träufelt ihm vom
Leibe. Da tritt sein Bruder, der Verräter, hervor. „Herr Haupt-
mann,“ sagt er, „halten’s zu Gnaden, wenn der Soldat auch einmal
ungefragt ein Wort spricht! Ich bitte untertänigst, daß ich die anderen
drei Gassen für meinen Bruder laufen darf!“ „Was fällt dir ein?“
herrscht ihn der Hauptmann an; „packt’s dich an deiner Seele, du
Schelm, daß du deinen eigenen Bruder eingefangen hast?“ „Zu
Befehl, Herr Hauptmann!“ antwortet der Soldat, „unser Vater klagte
uns jüngst in einem Briefe seine bittere Not. Durch Krankheit geriet
er in Schulden und ganzer dreißig Taler halber wollen ihn die Gläu-
biger von Haus und Hof treiben. Wie sollten wir Brüder dem armen
Vater helfen? Lange sannen wir vergeblich hin und her; endlich
kam uns ein Ausweg in den Sinn: Zahlt man nicht dem dreißig
Taler aus, der einen Deserteur einbringt? Wohlan, so ehrlos es sein
mag, einer muß heerflüchtig werden; der andere muß ihn einsangen
und mit dem schmachvoll erworbenen Lohne den armen Vater retten.
Doch wer soll schimpflich den Fahneneid brechen? — — Wer soll
schmählich den Bruder verraten? — — Wir losten darum. — —
Halten’s zu Gnaden, Herr Hauptmann, das übrige kann jeder selber
erraten.“
Die harten Gesichtszüge des Hauptmanns milderten sich und
leise zitterte seine Stimme, als er sagte: „Der Ausreißer muß sechs-
mal Gasse laufen, so verlangt’s die Vorschrift. Doch hat ’s damit
vorläufig noch keine Eile. ’Ich will den Fall dem König melden.“
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Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
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27
das in Sicherheit bringen, was schon gehauen ist." Er kehrt in un-
schlüssiger Stimmung in den fjof zurück und ist angenehm berührt,
als er den Schwiegervater hinter einem stattlichen Haufen Strohseile
erblickt.
von der Stunde an haben sich die beiden verstanden. Der Schwie-
gersohn hat den alten Dauer stets zu Date gezogen und ihn vor
den Dienstboten ehrerbietig behandelt und der ctlte schwört nicht
höher als auf seinen Schwiegersohn. Cr geht oft durch die Fluren
und betrachtet die Saaten und die schonen Kleeäcker mit größerem
Stolze als ehedem die eigenen. Uuch die Dienstboten haben es
bald gemerkt, daß zwischen den beiden die größte Eintracht herrscht,
und nicht mehr gelacht, wenn der Alte etwas tadelte, denn sie wußten,
daß sie bei dem Jungen übel ankommen würden. Und als nach
Jahr und Tag ein Kindlein in der lviege schrie, wurde der Großvater
die fleißigste und besorgteste Kindsmagd,- denn er sah hier den alten
Daum neue Sprossen treiben und das ist fröhliche Hoffnung, die selbst
über das Grab hinaus grünt. Wir können ihn an manchen Sommer-
tagen beobachten, wie er daheim, die Fliegenklatsche in der Hand,
an der Wiege eingenickt sitzt, während die anderen draußen auf dem
Felde arbeiten, oder wie er stolz dareinschaut, wenn der Erstgeborene
an seiner Hand die ersten Schritte macht. U)ie schon ist es, wenn
so das Ulter mit dem Nat und die Jugend mit der Tat froh zum
gemeinschaftlichen Werke schreiten, wenn die alten Leute im Kreise
der Kinder und Enkel leben, teilnehmend an all ihren Freuden und
Leiden!
Leider ist es nicht überall so und in manchem Uuszugstübchen
ertönen Seufzer und Klagen. Der sogenannte Uuszug, die Bezüge an
Mehl, Schmalz, Eiern, Fleisch u. s. w., die die alten Leute ver-
tragsmäßig von ihren Kindern zu erhalten haben, geben nur zu oft
Unlaß zu Unzufriedenheiten. Uuf der einen Seite zeigen sich Neid und
Geiz, auf der anderen Mißtrauen und Klagen. Wie bitter muß das
Stück Drot den Uuszüglern im Munde aufquellen, wenn sie denken
müssen, daß es ihnen von ihren Kindern nicht gegönnt sei. Es ist
darum nicht gut, wenn die Eltern den Kindern die Übernahme des
Gutes zu leicht machen, alles aus den Händen geben und in eine
zu große Ubhängigkeit von ihren Kindern geraten. Die Kinder
werden ihnen viel mehr Liebe erweisen, wenn sie wissen, daß die
Eltern unabhängig von ihnen sind und daß sie noch einmal etwas
zu erwarten haben.
Nach Fritz Möhrliu.
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
trägt eine umfangreiche Bücherei Rechnung. In Hunderten von
kleinen Gärten, die auf dem noch unbebauten Teile des Fabrik-
geländes angelegt sind, können verheiratete Arbeiter von des
Tages Arbeit und Mühen sich erholen. Die Geburt eines jeden
Enkels des greisen Fabrikherrn gab der Familie Krause Veran-
lassung eine neue Wohlfahrtseinrichtung für die Fabrik zu schaffen.
Die letzte Stiftung verfügt, daß jedes Schulkind eines Arbeiters in
der Krauseschen Fabrik alle Unterrichtsmittel, deren es bedarf, un-
entgeltlich geliefert bekommt. Am 3. März 1902 ging Karl Krause
zur ewigen Kühe ein. Sein Leben beweist allen Zagenden, die da
meinen, in unseren Tagen könne sich nur der Reiche eine selb-
ständige Stellung erringen, daß ernstes Streben immer noch zum
Ziele führt. Nach Oskar Bache.
47. Benjamin Franklin an einen jungen Freund.
Ittein junger Freund!
mit Freuben t]abe ich aus Deinem letzten Briefe ersetzen, datz
Du seit einem Monate Dich selbständig gemacht Hast und
das fflempnergeschäst auf eigene Rechnung treibst. Ich zroeifele
nicht daran, datz Dein junges öeschäft schönen Fortgang tzaben
roirb; denn ich weitz, datz Du in Deinem Fache etwas süchtiges
gelernt, Dich seit einigen jähren auch in grötzeren Werkstätten
umgesetzen und dadurch möglichst vervollkommnet tzast.
Doch das wissen und Kennen allein machen den tüchtigen
Seschäftsmann, der es zu etwas bringen will, noch nicht. Du
wirst datzer einem älteren Freunde, der Dich aufrichtig lieb tzat
und der glaubt das leben zu kennen, gern gestatten Dir in
folgenden anspruchslosen Zeilen einige wohlgemeinte Ratschläge
mitzuteilen, die Dir, wenn Du sie befolgst, sicher von Butzen lein
werden, silfo tzöre und beherzige!
Der weg zum vorwärtskommen in der Welt ist, wenn Du
nur ernstlich willst, so eben wie der weg zum Markte. Fr hängt
meistens von zwei Wörtchen ab und die tzeitzen: Tätigkeit
und Sparsamkeit verschwende also weder Zeit noch 6eld,
sondern mache von beiden den besten öebrauch! Ohne Fätig-
keit wird Dir nichts gelingen, mit ihr aber alles, wer alles
erwirbt, was er mit Ftzren erwerben kann, und — notwendige
Busgaben abgerechnet — alles erhält, was er erwirbt, der wird es
sicher zu etwas bringen und wird entschieden vorwärts kommen.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
Extrahierte Personennamen: Krause Karl_Krause Karl Oskar_Bache Benjamin_Franklin
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173
bittere Klage; denn die Not war groß. Es war plötzlich eine eisige
Kälte übers Land gekommen, scharf pfiff der Ostwind, hoch lag der
Schnee, eine Hungersnot brach an.
„Kein Körnlein ist mehr zu finden weit und breit."
Zornig schwirrten die Stimmen durcheinander.
„Nur für die Raben ist gesorgt, die fressen uns, wenn wir erfroren
sind." —
„Heut' morgen sind zwei Meisen tot aufgefunden worden." —
„Die Ärmsten!" —
„Ja, wenn man einen leeren Magen hat! Es ist zum Erbarmen!" —
„Der Hunger tut so weh." —
„Warum helfen die Menschen uns nicht? Die sitzen warm und
haben die Scheuern voll." —
Der Vorsitzende gebot Ruhe. „Streut denn niemand im Dorfe
Futter?" —
„Ja, die Frau Pfarrer," rief das Rotkehlchen, „schon die Tage
her!"
„Willst du schweigen!" rief der Spatz, „wie darfst du unseren Frei-
tisch verraten!"
„Das bißchen genügt nicht für uns alle. Tut denn sonst niemand
was für uns?" —
„Ja, Kartoffeln streuen manche und Brotkrumen, die vertragen
wir aber nicht. Da frißt man sich den Tod dran, an den eiskalten,
durchfrorenen Brocken." —
„Mein Weibchen ist neulich dran gestorben," klagte ein Fink.
„Das ist doch heimtückisch von den Menschen!" —
„Nein, sie wissen's nur nicht besser," verteidigte das Rotkehlchen.
Lauter wurden die Anklagen. „Die Menschen müssen uns helfen;
wir dienen ihnen doch das ganze Jahr. Wir halten ihnen Gärten und
Felder rein, wir singen ihnen zur Freude." —
„Was wäre die Natur ohne uns!" —
„Ja," rief ein Spatz, „sie können gar nicht ohne uns leben. Oder
habt ihr schon einmal ein Dorf ohne Spatzen gesehen?" —
„Hört den Gassenbub'!" rief eine Amsel.
„Hört den Junker," schrien die Spatzen im Chor zurück.
„Gauner! Pfälzer Krischer!" —
Mühsam stiftete der Vorsitzende Friede. „Bleibt bei der Sache!
Was ist zu tun?" —
„Wir hätten im Herbste fortziehen sollen wie so viele andere. Wer
lohnt uns unsere Treue?" —
„Wir wollen fort! Wir wollen fort!" —
„Nach Ägypten wollen wir wie der Storch. Da ist's schön, sagt
der Storch." —
„Ach, der Schwätzer! Alle Winter macht er sich aus dem Staub
und dabei behauptet er, die Menschen könnten nicht ohne ihn bestehen." —
„Wollen seh'n, ob sie uns entbehren können!" —
„Schweigt still!" rief ein alter Star, der großes Ansehen genoß,
„hört mich an! Ich beantrage —"
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
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208
können seine Hinterbliebenen aus ordnungsmäßig geführten Büchern ohne
Mühe ersehen, wie sie Schuldnern und Gläubigern gegenübergestellt sind.
Nebenbei will ich nur erwähnen, daß ein Handwerker sich bei Lieferanten
und Genossenschaftskassen um so leichter Kredit verschafft, je leichter und
klarer er nachweisen kann, wie es mit seinen Vermögensverhältnissen
bestellt ist. Auch dazu trägt die Buchführung bei, daß ein Handwerker
schnell und sicher seine Geschäftsunkosten feststellen kann und bei der
Aufstellung von Kostenberechnungen nicht im Finstern tappt.
Eine geordnete Buchführung ist endlich das beste Mittel für die
Feststellung des reinen Einkommens und der Abzüge, die nicht zu be-
steuern sind. Damit bildet sie zugleich die Grundlage für eine Steuer-
veranlagung, die genau den Tatsachen entspricht. Wenn dagegen ein
Handwerksmeister die Buchführung für überflüssig hält, so muß er es
sich gefallen lassen, daß das Rentamt oder der Steuerausschuß sein Ein-
kommen nach seinem Ermessen abschätzt, ermittelt und demgemäß den
Steuersatz bestimmt."
Die braven Meister ließen sich endlich von mir überzeugen und
nach Jahresfrist rühmte ein jeder von ihnen die Vorteile der Buch-
sührung.
A. Gutsch.
112. Die Wichtigkeit der Kostenberechnung.
„Das wird ein frohes Pfingstfest werden!" rief Meister Lebe-
recht, einen Brief schwingend, der über den Hof schreitenden Frau
Meisterin durch das Fenster der Werkstatt zu, „unsere Käthe kommt
am Freitag und ihr Mann trifft am folgenden Tage ein." Und es
wurde ein frohes Fest,- denn nicht nur Tochter und Lchwiegersohn
stellten sich ein, unerwartet erschien auch der Pflegesohn der braven
Meistersleute. Der war einige Iahre älter als Meister Leberechts
Schwiegersohn und besaß eine einträgliche Tischlerei.
In der Frühe des zweiten pfingsttages brachen die Männer auf
um eine Fußwanderung nach einem Uusflugsort zu machen, während die
Frauen mit dem Dampfboot nachkommen sollten. Meister Leberecht
hatte nämlich die Ubsicht mit seinem Tochtermann ein vertrauliches
Wort zu reden,- denn er meinte auf dessen Gesicht dann und wann einen
sorgenvollen Zug beobachtet zu haben. Unvermerkt lenkte er das Ge-
spräch auf den Geschäftsbetrieb und fragte den jungen Meister, wie
sich sein Geschäft denn anlasse. „Es geht ganz gut," lautete die
Untwort, „ich habe eine ausgedehnte Kundschaft, bekomme fortgesetzt
reichliche Aufträge und auf Bezahlung brauche ich meistens nicht lange
zu warten. Die Käthe steht mir treu zur Leite,- wir leben bescheiden
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TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksfortbildungsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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ja,“ erwiderte der Beamte, „die Quittung, die Sie in Detmold er-
halten haben über den Zoll; die mir vorgelegte Quittung lautet bloß
über die Strafgelder.“ Dem Herrn Professor wurde jetzt klar, daß
sie in Detmold abgefahren waren ohne erst die Quittung über den
Zoll sich ausstellen zu lassen. Um nun die Strafe nicht noch einmal
bezahlen zu müssen wurde ein Bote nach Detmold geschickt, der
die Quittung über den Zoll zu holen beauftragt war. Dem Herrn
Professor war die Sache sehr ärgerlich und er wünschte den Kaffee
dahin, wo der Pfeffer wächst. Nach Verlauf mehrerer Stunden war
die Quittung da, der Herr Professor bezahlte den Zoll für Preußen
und fuhr glücklich und unangehalten über die kurhessische und
hannoversche Grenze, bezahlte aber auch jedesmal den ihm ab-
verlangten Zoll. In Göttingen hielten sich unsere Reisenden einige
Tage auf und verlebten dieselben in Gesellschaft des lieben Freundes
sehr angenehm.
Am dritten Tage brach man wieder auf.
Als man abermals an die preußische Grenze kam, fragte der
Zollbeamte nach dem „Zollbaren“. „Wir haben nichts Zollbares
bei uns,“ erwiderte bestimmt der Herr Professor. Die Frau Pro-
fessor sah ihren Gatten fragend an, schwieg aber. Der Zollbeamte
untersuchte flüchtig den Wagen und wünschte glückliche Reise.
Geradeso ging es an den Zollhäusern mehrerer Thüringer
Staaten, ohne daß man Zoll bezahlte, bis man wieder im Regierungs-
bezirk Erfurt an ein preußisches Zollhaus kam.
Dort ging es in der Hauptsache auch glatt ab; als aber der
Blick des Zollbeamten die Wagenlaternen streifte, wurde er stutzig.
Von Neugierde geplagt, machte er die Wagenlaternen auf und
fand, daß beide mit Tabak gefüllt waren.
Neuer Schreck. Diesmal lud sich aber das Unwetter auf den
armen Kutscher ab, der, durch das Beispiel der Frau Professor
verleitet, sich für einige Groschen Tabak in Bremen gekauft und
ihn glücklich bis Thüringen in den Wagenlaternen verborgen
hatte.
¿a Was half aber alles Schelten und alles Jammern, kurz, der
Herr Professor mußte zahlen.
Nachdem auch dieser Kelch geleert war, fuhren unsere Reisenden
der Heimat wieder zu.
Die Freude des Wiedersehens ließ allen Schmerz und Ärger
vergessen. Glücklich hielt der Wagen vor der Tür des Herrn Pro-
fessors, alles Gepäck wurde hereingeschafft, aber das Kutschkästchen
war zum Entsetzen der Frau Professor leer, der Kaffeesack war
verschwunden. Was war damit geschehen? Die Frau Professor
wagte nicht danach zu fragen und hat es nie erfahren.
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