545
Nun donnerten auch die Kanonen von einer Anhöhe hinter uns
über unsere Köpfe weg. Da wurde es drüben etwas stiller. Und da
kam auch schon der Ruf: „Sprungweise vor!“ Wir sprangen auf
und stürzten vor; aber eine entsetzliche Kugelsaat prasselte gegen
uns an — und warfen uns wieder hin. Schräg vor mir hatte ein
Unteroffizier eine Kugel in den Leib bekommen; das Blut strömte
sofort mit Gewalt aus der Wunde, er kauerte und versuchte, es mit
seinem Taschentuche zu hemmen und rief laut um Hilfe. Von
drüben im Busch schossen sie mit wildem Eifer und schrien vor Wut.
Wir kamen nicht vorwärts. Ich weiß nicht, wie lange wir so
lagen und schossen. Es sind wohl Stunden gewesen. Ich wunderte
mich einmal, daß sich kein Offizier bei uns sehen ließ, und vergaß
es wieder. Der Schweiß rann mir wie Wasser über den ganzen
Körper. Nicht meine Zunge, mein Hals, mein ganzer Körper schrie
nach einem Schluck kühlen Wassers. Seitwärts .versuchte ein
Lazarettgehilfe einem Verwundeten einen Gummischlauch um den
stark blutenden Schenkel zu legen. Der Verwundete bat in süd-
deutscher Mundart: „Bring mi ein bißle zurück; kannscht das?“ Da
schleppte der ihn keuchend zurück. Das Feuer drüben wurde
schwächer. Eine Stimme befahl: „Langsamer feuern!“ Von drüben
her klang es heiser und höhnisch nachäffend: „Langsamer feuern!“
Ein Verwundeter rief laut und ängstlich nach Wasser.
Wir lagen, Gewehr im Anschlag, und warteten. Von rechts
her ging es von Mund zu Mund: „Der Hauptmann ist tot. Der
Oberleutnant auch. Alle Offiziere . . . Und fast alle Unteroffiziere.“
Ich nahm mit der linken Hand meine Feldflasche, während ich das
Gewehr aufliegen ließ, und nahm den kleinen Schluck, den ich für die
höchste Not aufgespart hatte. Als ich die Flasche absetzte, dachte
ich, daß dies vielleicht mein letzter Trunk gewesen wäre, und < A oe
auch an meine Eltern. Ich dachte auch, daß der Feind ein venig
Luft holen und gleich im Sturme vordringen würde. Aber es ge schab
nichts. Da kam ein Oberleutnant, der zum Stabe gehörte, ge uckt
unsere Reihe entlang. Als er hinter mir war, kniete er da, t■ p|
auf meinen Stiefel und sagte: „Gehen Sie zum General und mebh
Sie, daß wir nach meiner Schätzung etwa ein Kilometer von «.
letzten Wasserlöchern sind.“
4. Ich hob mich vorsichtig in die Knie und lief gebückt zu-
rück und kam auf den Weg. An einem Termitenhaufen, der wohl
drei Meter hoch war, mühte sich ein Arzt und ein Lazarettgehilfe,
einen Verwundeten vor dem Verbluten zu G&diütizeärp-inflliuglaube
aber, daß sie zu spät kamen: er lag wie ein Tmeu'äuf seia!£r roten
dunkeln Decke. Dann sah ich den Ballon “Mlcfet1' Weit voi mir.
Tßrßu ’V-iy'v-¿0
Kappey u. Koch. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. '35 , 1 ,
Schuibucöbidliothek
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
454
257. Die Belagerung und Erstürmung Mündens im
Dreißigjährigen Kriege.
1. Wenige Jahre nach dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges kamen
die ersten feindlichen Scharen auch in die Nähe der Stadb Münden.
Wallenstein stel mit einer Armee von 20000 Mann in das Amt Fried-
land ein und plünderte und brannte die Dörfer rund um Göttingen ab.
Das Geschrei der benachbarten Landbewohner, die zum Himmel auf-
steigende Flamme, welche die schönsten Dörfer in Brandstätten verwandelte,
verkündete den Bürgern Mündens das nahe Verderben. Doch Wallen-
stein griff die Stadt nicht an; wider Erwarten schien das Unglück schnell
vorüberzuziehen. Schon atmeten die Mündener freier; schon bauten
die unglücklichen Landbewohner ihre friedlichen Hütten wieder auf und
vertrauten der Erde die Hoffnungen des künftigen Jahres an, um sorglos
die Wintertage in der neuen friedlichen Hütte durchleben zu können. Da
rückte plötzlich Tilly, der mit seiner Armee im Hessischen stand, vor die
unglückliche Stadt. Es wurde also zur schrecklichen Gewißheit, was man
schon lange geahnt hatte. Münden wurde am 26. Mai 1626 belagert.
2. Das Gedränge und Gewühl mehrte sich stündlich. Man schickte nach
Göttingen und ließ den Grafen von Solms und die Bürger um Hilfe
bitten. Umsonst! Was wollten doch auch wohl Solms unerfahrene Knaben
gegen Tillys geübte Krieger? Dazu war die Stadt nur wenig befestigt
und nicht imstande, den fürchterlichen Donnerbüchsen Tillys lange zu
widerstehen. Sehr richtig sah der damalige Bürgermeister Christoph
von Mengershausen es ein, daß es geratener sei, sich lieber dem
mächtigen Krieger zu ergeben, als durch unnützen Widerstand und Blut-
vergießen denselben zu erzürnen. Er wollte die Stadt vor dem gänzlichen
Ruin bewahren; auch dachte er an das schlimme Schicksal, das die armen
Weiber und Kinder bei der Eroberung treffen würde. Der Bürgermeister
versammelte den Rat und trug ihm seine Meinung vor. Sein Vorschlag
fand den einstimmigen Beifall der Versammlung. Der gesamte Rat faßte
den Entschluß, mit dem General Tilly zu kapitulieren und, um die armen
Bürger, ihre Weiber und Kinder am Leben zu erhalten, eine demütige
Bittschrift an denselben abzulassen. Allein das Schicksal wollte einen weit
traurigeren Ausgang. In der Stadt lag eine dänische Besatzung von
800 Mann, die unter dem Befehle des Oberstleutnants Sevis von Lawis
stand. Dieser war aus dem kaiserlichen Heere entflohen; er wußte, welches
Schicksal ihm bei der Übergabe bevorstand. Als er den Entschluß des
Rates erfahren hatte, eilte er schnell aufs Rathaus und sagte in befehlendem
Tone, daß er die Übergabe der Stadt nicht zulassen wolle. Dieser Platz
sei ihm, setzte er hinzu, von dem Könige von Dänemark zur Verteidigung
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Tilly Christoph
von_Mengershausen Tilly Sevis_von_Lawis
455
anbefohlen worden; der Rat solle die Unterhandlungen mit Tilly noch
einen oder etliche Tage aufschieben.
3. Am 29. Mai schickte Tilly einen Trompeter und ließ die Stadt zur
Übergabe auffordern. Schnell ließ der Kommandant von Lawis den
Bürgermeister, den Syndikus, den Kämmerer und den Stadthauptmann
zu sich rufen; und in ihrer Gegenwart erteilte er dem Trompeter folgende
Antwort: Er möge dem General Tilly nur anzeigen, daß ihm dieser Platz
von dem Könige von Dänemark anvertraut wäre, und daß er Befehl habe,
ihn mit Leib und Blut aufs äußerste zu verteidigen. Sein fester Ent-
schluß sei, diesen Befehl aufs strengste zu erfüllen, was auch sein Eid und
seine Pflicht von ihm fordere. Er würde wert sein, daß man ihn an
den höchsten Baum hänge, wenn er einen solchen Ort, der noch mit allen
möglichen Lebensmitteln und mit Schießbedarf hinlänglich versehen sei, so
leichtfertig übergeben würde. Der Herr General möge doch bedenken, wie
es ihm gefallen würde, wenn er einem seiner Offiziere einen solchen Platz
anvertraut habe und dieser ihn so leicht übergebe. Der Magistrat habe
hierbei nichts zu sagen, dieser sowohl wie die Bürgerschaft seien in seiner
Gewalt und müßten wohl tun, was er als Befehlshaber für gut halte.
4. Kaum war der Trompeter mit dieser kecken Antwort zurück, so er-
widerte Tilly schon mit dem fürchterlichsten Kanonendonner. Er ließ sofort
die Stadt mit 12 groben Stücken, wovon sieben zu Altmünden und fünf
an der Zimmerbahn standen, ununterbrochen beschießen. Am andern Tage
wurden aus 10 groben Stücken über 800 Schüsse auf die Stadt gefeuert.
Die Stadtmauer wurde an verschiedenen Stellen durchbrochen, und die
Feinde fingen an zu stürmen. Die Besatzung leistete eine bewunderungs-
würdige Gegenwehr. Schon drang der Feind von der Mühlenstraße her
stürmend nach dem Markte vor; der Oberst Clav et stellte sich ihm mit
50 Musketieren entgegen und trieb ihn mit beträchtlichen Verlusten zurück.
An einer andern Stelle hatten die Stürmenden es mit dem Teufel selbst
zu tun. Ein Mündener Bürger, namens Asmns Teufel, der mit
anderen Bürgern die Brücke besetzt hielt, bediente ein schweres Geschütz.
Er hatte dasselbe mit Radnägeln u. a. m. nicht schwach geladen. Die
stürmenden Feinde, nichts ahnend, öffneten schnell von innen das südliche
Brückentor; kaum aber ist es geöffnet, so feuert Asmns Teufel los, und
das Jammergeschrei der vielen Feinde verkündet die schreckliche Wirkung
jenes fürchterlich geladenen Mordgewehrs. Nicht weniger Tapferkeit zeigte
der Hauptmann Reden. Er hatte seinen Platz hinter dem Schlosse in .
der Schanze. Durch sein Beispiel und seine Liebe begeisterte er auch
seine Soldaten zu unglaublicher Tapferkeit. Zweimal schlug er den nach-
drücklichsten Sturm des Feindes zurück und hielt sich ritterlich. Als er
sah, daß der in die Stadt eingedrungene Feind auch ans das Schloß los-
stürmte, drang er mit seinen tapfern Kriegern in der größten Wut gegen
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460
ringerung des Wohlstandes ihres Dorfes hatten sie am meisten zu leiden.
Die Mehrzahl von ihnen verdient das Zeugnis, daß sie alle diese Gefahren
als echte Streiter Christi ertrugen. Die meisten hielten bei ihren Ge-
meinden aus bis zum letzten Mann. Ihre Kirche wurde verwüstet und
ausgebrannt, Kelch und Kruzifix wurden gestohlen, die Glocken vom Turm
geworfen und weggeführt. Da hielten sie den Gottesdienst in einer
Scheuer, auf freiem Felde, im grünen Waldversteck. Häufig waren sie
die ersten, welche von der Verwilderung der Dorfbewohner zu leiden
hatten; Diebstahl und frecher Mutwille wurden am liebsten gegen solche
geübt, deren zürnender Blick und feierliche Klage früher den meisten Ein-
druck gemacht hatten. Ihre Schicksale sind daher vorzugsweise kenn-
zeichnend für jene eifernen Jahre, und gerade von ihnen besitzen wir die
meisten Aufzeichnungen aus jener eisernen Zeil, oft in Kirchenbüchern,
denen sie ihr Leid klagten, während kein Mensch sie hören wollte.
Gustav Freytag.
259. Der Grotze Kurfürst und der französische Gesandte.
1. Eines Morgens hatte Friedrich Wilhelm auf der Jagd im Grune-
walde durch einen Eilboten die Nachricht erhalten, daß ein großer Zug
französischer Hugenotten in Berlin eingetroffen sei, um des Kurfürsten
Schutz anzuflehen, und daß der französische Gesandte gegen das Verbleiben
der Flüchtlinge Einspruch erhoben habe. Eiligst kehrte der Kurfürst nach
Berlin zurück. Kaum hatte er sich umgekleidet, so erschien der Gesandte,
Herr von Rebenac, und bat dringend um eine Unterredung. Der Kurfürst
erklärte sich bereit, ihn sofort zu empfangen. Bei seinem Eintritt in den
Empfangssaal grüßte ihn der Gesandte mit zierlicher Verbeugung.
2. „Sie kommen zu außergewöhnlicher Stunde, Herr Marquis,"
redete er den Gesandten an; „ich muß daher wohl annehmen, daß ein
besonderer Auftrag Ihres Königs Sie hierherführt."
„Die Weisheit Euer Durchlaucht hat, wie immer, das Richtige ge-
troffen," entgegnete Rebenac. „Seine Majestät König Ludwig Xiv. haben
mir Befehl erteilt, eine Unterredung bei Euer Duchlaucht nachzusuchen."
„Sie ist Ihnen bewilligt."
„Durchlaucht," nahm Rebenac das Wort, „mein Herr hat es für-
notwendig gehalten, jene Verordnung aufzuheben, die sein Vorfahr dereinst
zu Nantes zum Besten der Hugenotten erließ. Von dem Tage an suchten
diese Schutz in Deutschland, Holland und vor allem bei Euer Durchlaucht.
Massenhafte Auswanderungen fanden statt. Dieses Aufgeben des Vater-
landes ist wider meines Herrn Willen. Böte sich den aufrührerischen
Untertanen keine neue Heimat dar, sie würden sich geduldig dem neuen
Gesetze fügen. Aber die Aussicht auf den Schutz Euer Durchlaucht macht
die Leute kühn, und so wagen sie es, teils offen, teils heimlich Frankreich
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav_Freytag Gustav Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Marquis Rebenac Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Christi Berlin Berlin Nantes Deutschland Holland
461
zu verlassen und entziehen dadurch dem Reich eine große Anzahl von
Kräften. Ich habe Befehl erhalten, gegen die Aufnahme der Hugenotten
in Brandenburg Einspruch zu tun."
3. Über das Antlitz des Kurfürsten zuckte es wie ein Wetterstrahl.
Alle Anwesenden wußten, daß dieser Blitz nur ein Vorläufer des schweren
Gewitters war, das sich bald entladen mußte.
„Und das Verlangen Seiner Majestät?" fragte der Kurfürst mit
erzwungener Ruhe.
„Es ist einfach, gnädiger Herr. Heute ist wiederum eine Anzahl
französischer Flüchtlinge in Berlin eingetroffen. Sie harren in diesem
Augenblick auf einen gnädigen Empfang durch Euer Liebden. Ich bitte
Sie im Namen des Königs von Frankreich, diesen neuen Ankömmlingen
Ihr Land verschließen zu wollen."
„Und wenn ich diese Bitte abschlage?"
Rebenac wurde betroffen. „Dann — dann, Durchlaucht," sagte er,
„werden Sie es begreiflich finden, daß der König von Frankreich sich
nicht mehr an die Verträge gebunden erachten kann, die bisher zwischen
Brandenburg und Frankreich bestanden."
„Sie kündigen mir den Vertrag?" entgegnete der Kurfürst mit
leichtem Lächeln.
„Das habe ich nicht gesagt," siel Rebenac schnell ein; „ich deutete
nur die Möglichkeit an."
Der Kurfürst fuhr mit der Linken an den Degen. „Herr Marquis,"
begann er mit kraftvoller Stimme, „ich habe Seiner Majestät gelobt, den
Frieden nach besten Kräften zu wahren; aber ich habe mich niemals ver-
pflichtet, den Hilfesuchenden die Tür meines Hauses zu verschließen.
Brandenburg steht den Verfolgten offen, die eine unerhörte Willkür aus
der Heimat treibt. Die Greuel der Verfolgung, welche sich gegen die
Bekenner der protestantischen Lehre in Frankreich richten, dulde ich nicht.
Fahren Sie nicht auf, Herr Marquis, ich dulde sie nicht. Der König von
Frankreich darf in seinem Reiche schalten, wie es ihm gut dünkt. Aber
wie er in seinem Lande Herr ist, so bin ich es in meinem. Wer
meinem Hause angehören will, der soll den Schutz genießen, den ich
gewähren kann. Diese von Frankreich ausgetriebenen Hugenotten
werden nicht zurückgewiesen werden von der Tür des brandenburgischen
Hauses."
4. „Durchlaucht," entgegnete Rebenac verlegen, „ich wage zu be-
merken, daß Seine Majestät der Kaiser von Deutschland dem Entschlüsse
Euer Gnaden nicht allzu geneigt ist. Brandenburg ist stark; dennoch" —
er richtete sich empor — „dennoch, so hoch wir Euer Durchlaucht stellen,
der Kaiser ist der Gebieter im Deutschen Reich."
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Extrahierte Personennamen: Rebenac
Extrahierte Ortsnamen: Brandenburg Berlin Frankreich Frankreich Brandenburg Frankreich Brandenburg Frankreich Frankreich Frankreich Deutschland Brandenburg Deutschen_Reich
463
den Stock erinnert, mit welchem er seinen Anordnungen Nachdruck
zu geben wußte.
Des Königs: „cito, cito!“ auf den Verfügungen brachte Minister,
Räte, Kanzlisten und Kanzleiboten zum Zittern. Bis zu den Tor-
schreibern und Briefträgern herab wirkten die Donnerworte des Königs.
Unermüdete Tätigkeit und Pflichttreue, unausgesetzte Bewachung
der Unterbeamten, die größte Sorge für Ersparungen, für Erhöhung
der Einkünfte, die peinlichste Ordnung in den Geschäften und in der
Regelung der einzelnen Geschäftszweige waren es vor allem, was der
König forderte, und wer es daran fehlen ließ, mußte der härtesten
Strafen gewärtig sein.
Keiner war vor seinem plötzlichen Erscheinen sicher. Als der
König erfuhr, daß der Torschreiber in Potsdam die Bauern, die zum
Markte wollten, früh vor dem Tore warten ließ, ohne zu öffnen,
ging er selbst hin, fand dann auch natürlich den säumigen Beamten
noch im Bette. Aber wehe ihm! Mit den Worten: „Guten Morgen,
Herr Torschreiber, guten Morgen!“ prügelte Friedrich Wilhelm den
Langschläfer höchst eigenhändig aus dem Bette. Ein andres Mal
ging der König eines Morgens seiner Gewohnheit gemäß in Pots-
dam spazieren. Auf der Straße fand er da Reisende, die mit der
Nachtpost von Hamburg angekommen waren und nun schon lange
Zeit vergeblich dem schlafenden Postmeister klopften. Des Königs
Rohrstock brachte ihn aber bald aus den Federn, und seines Dienstes
war der Saumselige entlassen. Bei den Reisenden aber bat der König
um Entschuldigung, das preußische Beamte so pflichtvergessen seien.
2. Bei aller Strenge und Härte, mit der Friedrich Wilhelm sein
Regiment leitete, sah er es doch als seine besondere Aufgabe an,
sich der bedrängten und unterdrückten Stände seiner Untertanen
anzunehmen. So verordnete er, daß fortan kein Pächter oder
Schreiber sich unterstehen solle, die Leute im Hofdienst mit Peitschen
und Stockschlägen übel zu traktieren oder zur Arbeit anzutreiben.
Wenn solches dennoch geschehe, so sollten dergleichen Schreiber,
auch wenn sie es auf Befehl des Pächters getan hatten, das erste
Mal in einer Festung sechs Wochen karren, das zweite Mal aber
am Leben gestraft und aufgehangen werden. Ebenso trat der König
dem Mißbrauch entgegen, den manche Beamte mit dem Vorspann-
dienst der Bauern trieben. „Ich will nicht,“ schrieb er an die
Behörden, „daß die Herren Räte in den Provinzen mit meiner
Bauern Pferden spazieren fahren.“ Auch an die Regimenter erging
ein ähnlicher Erlaß. Kein Offizier sollte sich unterstehen, einen
Bauern, der Vorspann leisten muß, zu zwingen, daß er schneller als
anderthalb Meilen in zwei Stunden führe. Wer den Bauern zu
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TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
542
Schort fangen die schwarzen zu stürmen an,
bis auf wenige Meter find sie heran,
und wilder und lauter in ihren Reihn
hört man ihr „Affa!" „Aajata!"*) fchrein. —
Doch je wilder und näher das Aampfgewühl,
desto ruhiger treffen die Deutschen ihr Ziel.
Und ob auch mancher sein Blut verspritzt:
U)er lebt, schießt weiter, und jeder Schuß „'sitzt."
Die schwarzen springen mit Wutgeheul
nach schweren Verlusten zurück in Eil'.
So stürmen sie fünfmal in wildem Wagen
und werden fünfmal zurückgeschlagen.
Doch auch die Deutschen leiden Not,
gar mancher sinkt blutend in den Tod,
und in dem Geknatter von Pulver und Blei
verhallt manch banger Schmerzensschrei. —
So liegt irrt Sand mit zerschossenem Bein
der Gefreite Sertel in ^ual und j)ein.
Die Wunde brennt, die Sonne sticht;
er ruft nach Hilfe und sindet sie nicht. —
Doch sieh! Aus der liegenden Schützen Thor
hebt sich sein Leutnant, Graf Arnim, empor.
Tr richtet in ganzer Größe sich auf,
springt hin zu dem Armen in kurzem Laus:
„Du armer Aerl, ich helfe dir gleich
und trage dich fort ans der Äugeln Bereich!"
„Einlegen, Herr Graf!" ruft der Hauptmann ihm zu —
Schon hat ihn die tückische Augel im Nu
durch beide Schenkel getroffen schwer.
Doch stürzend noch hält er fest das Gewehr,
und ob er in Schmerzen verbluten ntuß,
er feuert weiter, Schuß auf Schuß.
Und als ihm, ermattet vom Wundenbrand,
die schwere Waffe entsinkt aus der Hand:
Noch nimmer erschöpft sich sein Aampfesmut,
er nimmt die Pistole und zielet gut
und feuert weiter Schuß auf Schuß,
daß mancher ^eind erblassen muß. —
Da trifft eine Angel ihn mitten durchs Herz
und endet sein Leben und seinen Schmerz. —
*) Namen zweier bsererohäuptlinge, die hier den Deutschen gegenüberstanden.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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146
un wat sei hier un dor bi ehres Gliken
in'n ganzen Dörpen hadden hürt;
un dat de Schult den Knecht hadd slagen,
un dat de Knecht den Schulten wall verklagen.
Sei wullen sick gewiß nich slagen laten,
sei brukten dat tau liden nich von keinen,
sei wullen für kein Släg' nich deinen,
ne! leiwerst würden sei Soldaten.
Un von Soldaten keinen f up den König.
„Je hür," seggt Late, „so en König,
so 'n König, Krischan, is nich wenig,
so'n König, de is schrecklich rik,
un allens möt gescheihen glik,
so as hei man de Hand umkihrt.
So'n König is en grotes Dirt!
So'n König" . . . „Na," seggt Krischan, segg mal irst,
wat ded'st du, wenn du König wirst?"
„As ick? Ick? Wat ick ded?" seggt Lute
un treckt drei Paff ut fine Pip Herute
un kek so stolz ümher, as set de Krön
up sinen Flaßkopp all, un he up sinen Thron.
„Dat will 'ck di seggen. Wenn ick König wir,
ick hödd min Swin man blot tau Pird."
„Ne, so 'ne Dummheit heww'ck meindag' nich hürt,
wer di für klauk söfft, bei ward angeführt,"
seggt Krischan Block. „Dat nimmt mi Wunner!
Ne, ick! Wenn ick so König wir,
denn rost ick keinen Toback mihr,
denn rokt ick nicks as ínter Tunner!"
„Du büst woll ok nich klauk!" seggt Lute. . .
Dünn kämm uns' Schultenvader achter'n Dornbusch rute,
in fine Hand en Schacht, en rechten löhnigen:
„Täuw, Rackertüg! täuw, ick will jug bekönigen!
Will'n ji woll dauhn, wat jug is heiten?!
Kik dor mal hen! De Swin sünd in den Weiten!
Ji Rackertüg! Ji rokt mi all Toback?!"
Un ob se noch so knendlich beden,
rapps! rapps! teilt Schultenvader jeden
en richtig Dutzend in de Jack.
„Ji Snaesels! Ji willt König sin
un latt de Swin in'n Weiten 'rin?"
Frch Reuter.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief]]
88
71. Abschied vom Leben.
Als ich schwer verwundet und hilflos in einem Holze lag und zu sterben meinte.
1. Die Wunde brennt; die bleichen Lippen beben. —
Ich fühl's an meines Herzens matterm Schlage,
hier steh' ich an den Marken meiner Tage —
Gott, wie du willst! Dir hab' ich mich ergeben. —
2. Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben;
das schöne Traumbild wird zur Totenklage. —
Mut! Mut! — Was ich so treu im Herzen trage,
das muß ja doch dort ewig mit mir leben! —
3. Und was ich hier als Heiligtum erkannte,
wofür ich rasch und jugendlich entbrannte,
ob ich's nun Freiheit, ob ich's Liebe nannte:
4. als lichten Seraph seh' ich's vor mir stehen. —
Und wie die Sinne langsam mir vergehen,
trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen.
72. Ein Brief Theodor Körners.
Liebster Vater!
Ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegenheit, die, wie ich
das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich weder befremden noch erschrecken
wird. Neulich gab ich Dir schon einen Wink über mein Vorhaben,
das jetzt zur Reife gediehen ist. Deutschland steht auf; der preußische
Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge
die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen Frei-
heit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande, laß mich ihr wür-
diger Jünger sein! Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, ich
will das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden
hinwerfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir mein Vaterland
zu erkämpfen. Nenn's nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! Vor zwei
Jahren hätte ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche Selig-
keit in diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks
in schöner Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es, bei Gott! ein
würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung,
daß kein Opfer zu groß sei für das höchste menschliche Gut, für seines
Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein bestochenes väterliches Herz:
,Theodor ist zu größeren Zwecken da; er hätte auf einem anderen
Felde Wichtigeres und Bedeutendes leisten können; er ist der Mensch-
heit noch ein großes Pfund zu berechnen schuldig? Aber, Vater, meine
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2. Steigt vor mir, der sich gerühmct
in vermess'ner Prahlerei,
daß ihm nie mehr als die Hälfte
seines Geistes nötig sei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
rus den ganzen doch herbei,
daß er neu dein schloß dir baue,
deine Retten brech' entzwei."
3. „Wie du sagst, mein Herr und Aönig,
steht vor dir Bertran de Born,
der mit einem Lied entflammte
sderigord und Bentadorn,
der dem mächtigen Gebieter
stets im Auge war ein Dorn,
dein zuliebe Aönigskinder
trugen ihres Baters Zorn.
H. Deine Tochter saß im 5aale,
sestlich, eines Herzogs Braut,
und da sang vor ihr mein Bote,
dem ein Lied ich anvertraut,
sang, was einst ihr 5tolz gewesen,
ihres Dichters 5ehnfuchtlaut,
bis ihr leuchtend Brautgeschmeide
ganz von Tränen war betaut.
5. Aus des Olbaums Lchlummerschatten
fuhr dein bester 5ohn empor,
als mit zorn'gen Zchlachtgesängen
ich bestürmen ließ sein Mhr.
schnell war ihm das Roß gegürtet,
und ich trug das Banner vor,
jenem Todespfeil entgegen,
der ihn traf vor Rionforts Tor.
6. Blutend lag er mir im Arme;
nicht der scharfe, kalte Steinl —
daß er sterb' in deinem fluche,
das war seines Sterbens ^ual.
strecken wollt' er dir die Rechte
über R?eer, Gebirg und Tal;
als er deine nicht erreichet,
drückt' er meine noch einmal.
Kappey u. Koch. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 7
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