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1. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 52

1885 - Dortmund : Köppen
— 52 — ihm iit den Wagen nachgereicht und er läßt fortfahren. Unterwegs denkt er, er müsse doch einmal den geliehenen Hut aufprobieren. Er thut's — und findet zu seinem Schrecken, daß er ihm zu weit ist. Doch fällt ihm ein, daß er ja in den Zimmern der Prinzessin keinen Hut auszusetzen brauche; es werde schon genug sein, wenn er nur einen in der Hand trage. Der Wagen hält vor dem Schlosse, und so begiebt er sich, den Hut in der Hand, über den Hos und den weiten Flur in den Empfangssaal der Prinzessin, die ihn aufs freundlichste begrüßt und sich lange mit ihm unterhält. Hut und Portier waren schon vergessen; da füllt es der Prin- zefsin ein, an dem schönen Morgen noch einen Gang durch den Schloßgarten zu machen. Sie ersucht den Oberpräsiden- ten um jctne Begleitung; dieser weiß, was sich schickt, und kann nicht Nein sagen. Den Hut nimmt er natürlich mit, aber er darf es nicht wagen, ihn aufzusetzen. Eine zeitlang geht es gut, und die Prinzessin merkt nichts; endlich aber weht ein kühles Lüftchen durch den Garten und da meint sie, der alte Herr könne sich leicht erkälten, wenn er noch länger unbedeckten Hauptes neben ihr her wandele. Sie redet ihm also zu, den Hut nun endlich aufzusetzen und seine Gesundheit zu bedenken. Aber der Freiherr weiß allerlei Entschuldigungen: es sei ihm warm genug, auch wolle er die schuldige Ehrer- bietung gegen sie, die Prinzessin^ nicht verletzen u. s. w. Die will aber keine Widerrede mehr gelten lassen und fordert ihn endlich nachdrücklich auf, sich zu bedecken. „Wenn es denn Ew. Königliche Hoheit durchaus nicht anders haben wollen", erwiderte er, „so sollen sie nun auch sehen, wie ich mich in dem Hute ausnehme!" Er setzt ihn auf den Kopf, aber er fällt ihm bis auf die Schulter herab. Hatte die Prinzessin in ihrem Leben einmal von Herzen gelacht, so war es diesmal, besonders als sie den ganzen Zusammenhang dieser Hutgeschichte erfahren hatte. — Setzen wir unsere Reise von Hohensyburg über das Ardey nach Annen zu fort, so haben wir eine prachtvolle Aussicht. Auf der einen Seite erblicken wir das schöne Ruhrthal, auf der anderen den fruchtbaren Hellweg. Annen ist ein gewerb- reicher Ort, welcher viele Zechen und Fabriken besitzt, darunter auch eine Glashütte. In wenig Zeit bringt uns die Eisen- bahn von hier nach Barop. Auch hier blüht die Industrie. Wo jetzt der bedeutende Ort Hombruch liegt, war vor 20 Jahren noch eine öde Heidefläche mit niedrigem Buschwerk.

2. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 542

1910 - Dortmund : Crüwell
542 Eigentümer sind schlau und vorsichtig und lassen ihr Heim nicht aus den Augen. Einer der beiden Gatten ist immer in der Mähe, wehrt selbst ab und ruft den Ehegenossen zu Hilfe. Endlich geben die zudringlichen Spatzen die Sache als hoffnungs- los auf, und die Stare finden den verdienten Frieden. 255. Brutkästen für Bögel. V°„ Marti» Br»°ß. Cvn den meisten Gegenden Deutschlands sind die Starenkästen ein Aj ganz bekannter, alltäglicher Anblick, so daß wir nur wenig ans sie achten und es uns kaum vorstellen können, wie man vor ver- hältnismäßig noch recht kurzer Zeit gar nicht daran dachte, Freund Star auf diese Weise an Hof und Garten zu fesseln. Und wie hat sich der Starenkübel im Laufe der Zeit vervollkommnet! Die zwei oder drei Dutzend Starkasten, die einst mein Vater in unserm Garten anbringen ließ, hatte der Holzhacker aus fichtenen oder kiefernen Brettern roh zusammengefügt. Regen und Sonne trieben das Holz natürlich bald auseinander, so daß aus den klaffenden Häuschen nur zu oft das Nistmaterial heraushing. Jedes Frühjahr mußte die Mehrzahl ausgebessert werden, wenn man nicht befürchten wollte, daß der erste beste Sturm die Kasten stückweise davontrug. Trotz dieser Mißstände muß ieh aber der Wahrheit die Ehre geben und gestehen, daß nur selten eins der Häuschen unbewohnt blieb; ja Stare und Sperlinge stritten sich häufig genug um den Besitz der fragwürdigen Wohnungen. Es war oft ein Mordskandal da oben in den Bäumen, zumal sich meist die ganze Nachbarschaft am Kampfe beteiligte. Uns Buben aber bereitete es immer die höchste Be- friedigung, wenn wir sahen, wie die freche Spatzenschar von beit rechtmäßigen Besitzern der Wohnung hinausgeworfen wurde; nur ausnahmsweise gelang es den Spatzen, das Feld zu behaupten. Heute nun kauft man nett und sauber gearbeitete Starkasten in allen Geschäften, die mit Gartenmöbeln handeln. Sehr praktisch sind die Nistkästen, die den Namen des Freiherrn v. Berlepsch tragen. Sehr häufig wird der Fehler begangen, daß man erst im Frühjahr an die künftige Brutstätte denkt, wenn die von der Wan- derung heimgekehrten Stare durch ihr Schnalzen und Pfeifen den Vogelfreund an sein Liebeswerk erinnern. Viel praktischer ist es, bereits im Spätherbst, etwa im November, die Nistkästen aufzu- hängen. Nur der eine Umstand ist unangenehm, daß bei zeitigem Aushängen der Nistkästen sich so oft die Sperlinge in ihnen festsetzen.

3. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 162

1910 - Dortmund : Crüwell
162 nicht mehr wiedergesehen. Und nicht mal das im Tode entschlum- merte Antlitz des Freundes habe ich wiedergesehen. Auf Wieder- sehen denn, Freund, dort in der Ewigkeit! — Wir ritten südwestlich. Erst eine Strecke durch die Steppe. Dann kam tiefer, roter Sand. Die Pferde stampften mühsam den Boden. Es wurde heiß. Eine weite Strecke ritten wir erst; dann stiegen wir ab und führten die Tiere am Zügel. Wir woll- ten sie schonen. Wieder eine Strecke — der Weg wurde etwas fester — saßen wir von neuem auf. Hier und da erblickten wir die Spuren von Hufen. Die Spur ging weiter und weiter. Unser Ritt war vergeblich. Wir hielten die Pferde an und beschlossen, zur Wasserstelle umzukehren, dort zu lagern und dann nach Aminuis zurückzureiten. Wir inachten also Kehrt. Da ein Schuß . . . ein zweiter! Wir rissen die Pferde herum. Am Sandhügel dort stieg noch der Rauch. Dorthin schauten wir, in den Sätteln stehend. Ein Pferd lag am Boden. Daneben stand ein Mann, aufrecht. Wir erkannten die Uniform. Der Mann schaute nach uns und winkte mit dem Hute. Da spornten wir die Pferde. In wenigen Minuten hatten wir ihn erreicht. Ein Reiter stand vor uns mit fahlem, gelbem Gesicht. Um die Augen saßen große dunkle Ringe, und die Augen lagen tief in den Höhlen, und fiebernd und brennend blickten sie uns entgegen. Sprechen konnte der Reiter nicht. Wir reichten ihm Wasser. Und er trank und trank, und immer wieder trank er. Dann sagte er: „Es war Zeit, daß Ihr gekommen seid. Meine Kraft war zu Ende, und das Pferd hier ist tot." Und dann erzählte er, daß er mit noch zwei andern Soldaten von Nunub mit Meldung nach Aminuis ab- geschickt worden wäre. In Nunub Hütten sie am Fünften ein Ge- fecht mit den Hottentotten gehabt. Die Hütten sich dann nordöstlich, nach Aminuis zu, geflüchtet. Das wäre die Meldung gewesen. Sie wären bis über Awadaos hinausgekommen und wären auf eine An- zahl Hottentotten gestoßen. Einer der Soldaten hätte eine Kugel bekommen. Sie hätten ihn gerettet, aber dann hätten sie den Weg verloren. Das erzählte der Soldat init fliegendem, stockendem Atem. Und wieder bat er um Wasser. Essen wollte er nicht. „Und die andern?" fragten wir. „Und die andern", sagte er dumpf, „liegen zwei Stunden von hier, und vielleicht sind sie tot, verdurstet. Der Verwundete konnte nicht mehr. Er bat uns, ihn liegen zu lassen, wir sollten uns retten. Der Tod saß uns auf den Fersen. Wir hatten kein Wasser. Noch eine Strecke haben wir ihn auf dem Pferde mitgeschleppt. Da ging es nicht mehr. Da sollte ich allein

4. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 238

1910 - Dortmund : Crüwell
238 Rrt: Elsässer in breiten Filzhüten und blauen Kitteln, zerlumpte Bel- gier mit holzschuhen, Deutsche, und in Gehrock und Seidenhut ein Wiener, den goldenen Kneifer auf der Nase. Wir wurden in zwei Gliedern aufgestellt, und von dem Korporal begleitet, durchzog der sonderbare Zug die Straßen von Marseille. Bald umdrängte uns die lärmende Schar der Marseiller Gassenjungen. Sie ballten die kleinen Fäuste und schimpften, bis uns ein dunkles Tor ihren Blicken entzog. Gran. Das Leben in der Garnison. von Marseille ging's nach Gran, dem dunkeln Erdteil entgegen. Langsam setzte sich das Schiff in Bewegung. Majestätisch glitt es durch das Hafentor in die offene See. Ich schaute unverwandt nach der Küste Europas, bis auch das letzte Streifchen am Horizont ent- schwand. Rls am folgenden Morgen der feurige Sonnenball aus den schäumenden Fluten tauchte, lag Rsrika mit seinen grauen nackten Felsen vor unsern Rügen, und von einem felsigen Rbhange her grüßte uns Gran, die Hauptstadt einer der drei Provinzen, die das Reich Rtgier bilden. Das sollte meine zweite Heimat sein. Mit Tages- anbruch schiffte man uns aus. Vir betraten den Boden, den nur wenige von uns wieder verlassen sollten. Die Stadt macht auf jeden Fremden einen bedeutenden Eindruck. Wir wurden auf eine Festung geschickt, die von einem hohen Berge stolz auf das Meer hinabschaut. Diese Festung heißt St. Gregor und ist von Soldaten der Fremden- legion besetzt. Des andern Tags wurden wir gegen Rbend auf den Bahnhof geführt,- denn unser Reiseziel, Sidi-Bell-Rbbes, war noch 85 km von Gran entfernt. Rbends neun Uhr langten wir dort an. Ein Unteroffizier brachte uns in die Kaserne. Dort mußten wir die Reisepapiere abgeben und wurden in ein Buch eingetragen. Rm an- dern Morgen wurde uns von einem Haarkünstler der Kopf ganz kahl geschoren. Dann trieb man uns wie eine Herde Schafe in das Bade- zimmer zur Reinigung. Ruch der letzte Rest europäischen Staubes wurde mit kaltem Wasser gründlich von uns weggewaschen. Wir wurden eingekleidet, und der regelmäßige Dienst nahm seinen Rnfang. Ls ist für jeden Soldaten, der nicht Französisch sprechen kann, eine schwere Rufgabe, die Kommandos in der Kaserne und beim Exerzieren nach Wunsch des vorgesetzten auszuführen. Es regnet da Flüche und Drohungen auf die Häupter der Rekruten. Das Exerzieren dauert täglich 5 bis 6 Stunden. Von Mitte Juni bis Mitte Septem- der ist von morgens lo bis nachmittags um 2 Uhr Ruhezeit. Es soll während dieser Zeit kein Dienst verrichtet werden mit Rusnahme des

5. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 335

1910 - Dortmund : Crüwell
335 lausend, nimmt er seinen verderbenbringenden Weg auf den Gegner und senkt ihn in die Tiefe oder macht ihn wenigstens kampfunfähig. Nur ungefähr 35—40 m lang, bei 4 m Breite und 2 m Tief- gang, aus dünnem Stahlblech erbaut, sind es nur winzige Fahrzeuge. Aber eine ungemein mächtige Maschine verleiht ihnen eine Schnellig- keit bis zu l5 in in der Sekunde, was ungefähr 50 km in der Stunde entspricht. Gerade diese Geschwindigkeit, Lenkbarkeit und Kleinheit sind, da sie selbst keinerlei Panzer tragen können, ihr bester und einziger Schutz gegen die Schnellfeuer- und Maschinengeschütze feindlicher Panzerriesen. Bus der langen Reihe der irn Torpedohasen ruhenden Boote ist eins vor kurzem herausgeholt worden und liegt nun auf dem Strome vor Anker. Ts soll eine Fahrt in See unternehmen. 3m Hasen spielt sich das Leben auf den Blitzbooten ganz nett und gemüt- lich ab, aber es kann auf diesen Nußschalen höchst ungemütlich sein, wenn sie aus längere Zeit bei schlechter Jahreszeit in See geschickt werden. Dann kann die Sache Ernst werden. Dieser Ernst spricht sich auch in den Zügen des jungen Kommandanten aus, der soeben an Bord zurückkehrt. Er ist einige Stunden an Land gewesen, um Abschied zu nehmen und um seine Segelorder zu empfangen. Sie lautet: „von Wilhelmshaven nach Kiel", und zwar soll das Boot am andern Morgen in See gehen. Es ist Mitte Dezember. Am Nachmittag hat sich ein scharfer Nordwind ausgemacht. Er jagt Schneeböen vor sich her, welche die Lust zeitweise ganz verdunkeln, und das Thermometer ist unter den Gefrierpunkt gesunken. Das sind keine angenehmen Aussichten, aber was hilft es? Dem Befehle muß gehorcht werden. Der Komman- dant begibt sich in seine Kajüte, die so klein ist, daß er sich kaum darin umdrehen kann. Dort nimmt er die Seekarte und studiert den weg, den er zu nehmen gedenkt. Er soll zum erstenmal ein Schiff über See führen unter schwierigen Verhältnissen, allein, ohne Berater. Jetzt heißt es, der drohenden Gefahr kühn in das Auge sehen, sie überwinden und zeigen, daß man des geschenkten Vertrauens wert ist und trotz seiner Jugend sein Fach versteht. Lange liegt er wach in seiner Koje, bis ihn endlich der gleichmäßige, hohltönende Schritt der Wachtposten aus dem eisernen Deck einschläfert. Aber schon lange vor Tagesanbruch leidet es ihn nicht mehr unten. Zeitig haben die Heizer Feuer unter den Kessel gemacht. Eine dichte schwarze Rauchwolke quillt aus dem Schornstein, und eine Viertelstunde vor der bestimmten Zeit spielt Dampf über dem Dampfrohr, ein Zeichen, daß die Maschine fertig zum Angehen ist. Aus dem Flaggschiff schlägt es sieben Uhr, und auf allen Fahrzeugen im Hafen pflanzen sich die Glockentöne fort. „Alle Mann Anker lichten!" beflehlt der junge Kommandant. Die

6. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 437

1910 - Dortmund : Crüwell
437 Zchlaf des geknechteten Volkes zu einem drohenden Zchütteln der ge- fesselten Glieder wandeln wolle. Aber ein Zonnenstrahl macht keinen Frühling. Nach einem Mo- nat schon schleppt sich ein elender Zug durch das Land. Der Nest der in Ztralsund niedergeworfenen Lchar, elf gefangene Offiziere, wanken wegmüde von einem Gefängnis zum andern: nach Braunschweig, nach Cassel, in die französischen Kerker, über Geldern nach Wesel. Ls waren blutjunge Männer. Einer von ihnen, Albert von lvedel, war kaum achtzehn Jahre alt. Lchills Auf waren sie freudig gefolgt. Sie waren dem vorgesetzten blind ergeben, der allein den Mut fand zur Betätigung der alten, fast begrabenen Kampfesfreude des Heeres. Dem Blutbade in Ztralsund folgte die Erschießung der vierzehn ausgelosten Westfalen und der Transport von über fünfhundert Mann nach Brest auf die Galeeren. Dort schmachteten sie jahrelang in schmäh- licher Not, bis des Volkes Erhebung ihnen Anno 1814 die ersehnte Freiheit gab. Die elf gefangenen Offiziere aber wurden wie Beute- tiere durch deutsche Gaue geschleppt, ein Wahrzeichen der furchtbaren rächenden Macht des Kaisers, bis sie am 16. Leptember 1809 den Heldentod starben. Ein blutiger Flecken auf dem Bilde Napoleons bleibt der Tag von Wesel. An ihm bekannte sich die ungezügelte Leidenschaft des Korsen zum Morde, vor der Welt suchte der Kaiser seine Nache mit einem Zchimmer des Nechtes zu umgeben. Ein Kriegsgericht wurde niedergesetzt, über die gefangenen Offiziere zu urteilen. Gleichzeitig aber erfolgte Befehl an Ierome, die Gefangenen avec eclat erschießen zu lassen. „Wegen Diebstahls mit offener Gewalt und wegen Ge- walttätigkeit auf öffentlichen Wegen und Ltraßen: de les traiter en brigands, de les juger comme tels." Und die Antwort der kriegs- gerichtlichen verhörten: „Wir sind schuldig, für des teuern Vaterlandes Freiheit und Uecht gekämpft zu haben." Sie waren zu stolz, ihr kriegerisches Tun zu leugnen. Sie han- delten in gutem Glauben nach ihres Führers Auftrag, nach Uecht und Litte des erklärten Krieges gegen den größten Feind ihres Königs. Unaufgeklärt über den falschen Lchein, mit dem ihr Parteigängerkrieg umgeben war, wären sie Deutschlands erste Befreier geworden, wenn des Volkes Waffenmüdigkeit nicht die Gefolgschaft versagt und des Königs tiefgebrochener Mut sie nicht verleugnet hätte. Man verlangte zwar ihre Auslieferung nach Preußen, wollte die Uebellen selber strafen an Ltelle des Kaisers, aber voll hohn erledigte Napoleon diese Bitte. Tod durch Erschießen! voran mit aufgesetztem Karabiner eine Kavallerie-Eskorte. Unter dumpfem Trommelwirbel folgt der traurige

7. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 418

1910 - Dortmund : Crüwell
418 4. Ich hinterlasse der Königin, meiner Gennrhlin, die Einkünfte, die sie genießt, mit 10 000 Taler Zuschuß das Iahr, zwei Tonnen Wein jährlich, frei Holz und Wildbret für ihre Tafel. Dagegen ist die Königin verpflichtet, meinen Neffen zu ihrem Erben zu ernennen. Anderseits, da sich kein passender Aufenthalt ihr zur Residenz an- zuweisen findet, genügt es mir, Stettin zu nennen, der Form we- gen; zugleich fordere ich von meinem Neffen, daß er ihr eine paf- fende Wohnung im Schlosse zu Berlin lasse, und daß er für sie, als der Witwe seines Oheims und einer Prinzessin, deren Tugend sich stets bewährt hat, die gehörige Ehrerbietung habe. 5. Nun ist die Reihe am Allodialgut. Ich bin niemals gei- zig noch reich gewesen; auch habe ich nicht über Bedeutendes zu verfügen; ich habe die Einkünfte des Staates wie ein unantastbares Eigentum betrachtet, an welches keine ungeweihte Hand zu rühren wagen darf; die öffentlichen Einkünfte sind niemals zu meinem Pri- vatgebrauch entwendet worden; die Ausgaben, die ich für mich ge- macht habe, haben niemals zweimalhundertzwanzigtausend Taler jährlich überstiegen; auch meine Verwaltung macht mir keine Ge- wissensbisse, und ich würde nie fürchten, darüber öffentlich Rechen- schaft abzulegen. 6. Ich setze meinen Neffen Friedrich Wilhelm zum Universal- erben meines Eigentums ein, unter der Bedingung, daß er die Le- gate bezahle, die ich im einzelnen bestimmt habe. 7. Ich empfehle mit ganzer Seele meinem Universalerben jene tapfern Offiziere, welche den Krieg unter meinen Befehlen mitge- macht haben; ich bitte ihn, Sorge zu tragen für diejenigen Offiziere besonders, die um meine Person waren, keinen von ihnen zu verab- schieden, keinen von ihnen, der krank würde, im Elend umkommen zu lassen; er wird unter ihnen geschickte Militärs finden und Leute, die von ihrer Einsicht, ihrer Tapferkeit und ihrer Treue Proben ge- geben haben. 8. Ich empfehle ihm meine Privatsekretüre sowie alle die, welche in meinem Bureau gearbeitet haben; sie haben Routine in den Geschäften und werden ihn in dem Anfange seiner Regierung über viele Sachen aufklären können, von denen sie Kenntnis haben, und welche die Minister selbst nicht wissen. 9. Ich empfehle ihm gleichfalls alle diejenigen, die mir gedient haben, sowie meine Kammerdiener; ich vermache 2000 Taler, zwei-

8. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 429

1910 - Dortmund : Crüwell
429 Derselbe 6. Juli des Jahres 1798 steigt auch über Berlin herauf. Die Hauptstadt des Königreichs Preußen hat ihr Huldi- gungsfest. Die ständische Ritterschaft der Mark, Berlins Bürger- schaft und Abgeordnete der märkischen Stände wollen dem König die Treue schwören. Die Glocken des Doms hallen feierlich über Berlin dahin, König Friedrich Wilhelm Iii. schreitet mit seinen Prinzen und seinem Gefolge zu Fuß aus dem Domportal über den Schloßplatz in das Schloß. Der schlichte Sinn des könig- lichen Mannes hat sich allen Prunk und alle Pracht verbeten. Der Magistrat von Berlin, die Korporationen der Gewerke, die Abgeordneten der märkischen Stände sind im Lustgarten aufmar- schiert. Im Weißen Saal des Königlichen Schlosses aber sammeln sich Ritterschaft und Hof. Hier steht dichtgedrängt, Mann neben Mann, der Adel Preußens, königlich gesinnt bis auf die Knochen, und es ist wohl kein Geschlecht unter ihnen, davon nicht Vater, Sohn oder Bruder mitgezogen waren in die Kriege des großen Königs. Hier blinkten Ordenssterne und Uniformen, darunter die wallenden Mäntel des Johanniterordens, die Generalität der Stadt in ihrer Galauniform, dazwischen die prächtigen Monturen des Regiments des Gensdarmes und der vornehmen Kavallerieregimen- ter, die Minister in ihren goldgestickten Röcken. Und auf das glänzende Bild sah vom Balkon des Saales die schöne junge Königin Preußens herunter, in römischer Gewan- dung, die Stirn bediademt, die Haltung stolz und frauenhaft zu- gleich. Jetzt führte der Oberhofmarschall die Gesandten ein; feier- lich kamen sie daher in ihren goldverbrämten Plüschröcken, den Dreimaster unter dem Arm, wohlfrisiert, das Haar nach damaliger Sitte gepudert. Der König, der dritte Friedrich Wilhelm, ist unter den Thronhimmel getreten, die Eidesformel schallt laut durch den Saal, und Hunderte von Händen erheben sich, ihm den Eid zu schwören. Von draußen dröhnt der Kanonendonner über den Schloßplatz, die Glocken läuten, und die brausenden Vivats der Volksmenge erfüllen die Luft. „Das ganze Volk leistete den Eid, dichtgedrängt, Kopf an Kopf auf dem weiten Raum, und der Anblick des Platzes war großartig und ergreifend, das ganze Schauspiel über alles Wort hinaus rührend und erhaben,“ schreibt die Frau Oberhofmeisterin von Voß. Sie steht neben der schö- nen Königin, und die leuchtenden blauen deutschen Augen der königlichen Frau schweifen über die Menge. Sie fühlt die hohe Stunde mit diesem treuen Volk, dem sie Königin geworden ist.

9. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 432

1910 - Dortmund : Crüwell
432 habe, im Aussehen wie im Ausdruck. Sie kann es durchaus nicht finden. Der Mann da vor ihr, der neue Cäsar, gefällt ihr des- ser, als sie geglaubt hatte. Das elfenbeinfarbene Haupt mit den scharf geschnittenen, beim Sprechen lebhaft bewegten durchgei- stigten Zügen erinnerte die Königin an den Kopf eines römischen Cäsaren. Unter der kaiserlichen Stirn lagen zwei eigentümlich schwermütige, dunkle, von schweren Lidern bedeckte Augen, — zweifellos ein bedeutender Kopf. Er ist nicht groß, aber sein Kopf von schöner Form, die Gesichtszüge künden einen denken- den Mann an. Das Ganze erinnert an einen römischen Kaiser. Luise machte noch einige Wendungen über den harten Win- terfeldzug und das nordische Klima und wie Napoleon es ver- tragen hätte. Dann steuerte sie gerade auf das Ziel los. Sie sprach, „wie Gott es ihr eingab.“ „Ich lerne Ew. Majestät in einem für mich sehr peinlichen Augenblick kennen. Ich sollte vielleicht Bedenken tragen, Ihnen über die Interessen meines Vaterlandes zu sprechen. Sie haben mich angeklagt, mich zuviel in die Politik zu mischen . . Der Kaiser (abwehrend): „Aber Madame, glauben Sie das nicht.“ Luise: „Doch Sire, ich weiß, Sie haben mich angeklagt, ob- gleich ich wirklich glaube, diese Vorwürfe nicht verdient zu haben.“ Der Kaiser: „Seien Sie überzeugt, Majestät, daß ich niemals alles geglaubt habe, was man während unserer politischen Zwi- stigkeiten verbreitet hat.“ Luise: „Sire, ich bin Gattin und Mutter, und ich würde es mir nie vergeben, wenn ich in diesem Augenblick nicht freimütig zu Ihnen spräche. Ich muß Ihnen das Schicksal Preußens empfeh- len, an das mich so viele Bande fesseln. Ich wäre dem König nicht aufrichtig ergeben, wenn ich nicht in diesen grausamen Augenblicken seinen Kummer und seine Besorgnis teilte. Der König hängt mehr als an einer andern Provinz an Magdeburg auf dem linken Elbufer, welche Ew. Majestät ihm entreißen wol- len. Wir haben einen unglücklichen Krieg geführt, Sire, Sie sind der Sieger. Aber ich kann nicht glauben, daß Sie Ihren Sieg mißbrauchen wollen.“ Der Kaiser: „Ew. Majestät gestatten, daß ich Ihnen freimütig antworte. Warum haben Sie mich gezwungen, die Dinge aufs äußerste zu treiben? Wie oft habe ich Ihnen Frieden angeboten! Man hat die Vorschläge, mit denen ich den General Bertrand nach der Schlacht von Eylau beauftragt habe, kaum anhören wollen.“

10. Bd. 3 A = Oberstufe für Knaben, (7. - 9. Schulj.) - S. 433

1910 - Dortmund : Crüwell
433 — Luise: „Sie wissen besser als ich, Sire, daß es nicht mehr von uns abhing, auf Verhandlungen einzugehen, seit wir mit Rußland verbündet waren. Aber ich wage es nicht, die großen politischen Standpunkte zu erörtern. Ich spreche Ihnen meine Be- sorgnisse aus über das Schicksal meiner Familie, meiner Kinder. Die Geschichte unserer Tage stellt mir schreckliche Beispiele vor Augen, und ich könnte den Gedanken nicht ertragen, unglückliche Wesen geboren zu haben. Sie haben selbst eine zahlreiche Fa- milie und stets bewiesen, wie sehr Ihnen das Schicksal der Ihri- gen am Herzen liegt. Müssen Ihnen die Besorgnisse einer Mutter nicht gerecht erscheinen ?“ Der Kaiser: „Majestät glauben doch nicht, daß von der Vernichtung Preußens die Rede sein könnte?“ Luise: „Nein, aber der Frieden, den wir in Aussicht haben, kann diese Vernichtung vorbereiten. Wenn von Ihnen, Sire, allein die Entscheidung dieser Frage abhängt . . .“ Der Kaiser: „Seien Sie überzeugt, Majestät, daß ich ganz allein entscheide. Werden Sie sich freuen, wieder nach Berlin zurückkehren zu können?“ Luise: „Ja, Sire, aber nicht unter diesen Bedingungen, es hängt von Ew. Majestät allein ab, uns ohne Kummer dahin zu- rückkehren zu lassen. Ist die Rache dessen würdig, der sie wider- standslos ausüben darf? Sire, eine Frau darf Ihnen sagen, was einem Mann nicht wohl anstehen würde. Erwerben Sie sich die Rechte auf unsere Dankbarkeit, und Ihre Siege werden Ihnen doppelt Ehre machen.“ Der Kaiser (ausweichend, weil er nichts versprechen will): „Madame, das würde mich sehr glücklich machen. — Ah, Madame, Sie tragen ein herrliches Kleid. Ist es Krepp oder italienische Gaze? Wo ist es gefertigt?“ Luise: „Bei uns, Sire.“ Der Kaiser: „In Breslau?“ Luise: „Nein, Sire, in Berlin.“ Der Kaiser: „Wird der Krepp in den königlichen Fabriken gemacht ?“ Luise: „Nein, Sire, aber warum sprechen wir in diesem großen Augenblick von Tand und Toiletten ! Ew. Majestät sagt mir nicht ein Trostwort über die Angelegenheiten, die mir so teuer sind, die allein mein Herz in diesem Augenblick beschäf- tigen, wo ich hoffe, von Ew. Majestät eine glückliche Existenz zu erhalten für alle, die ich liebe.“ Lesebuch für Mittelschulen. Band 3 A. 28
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