oder j Makler einsam durch die engen Straßen wandeln. Er weiß, was
er sucht und wo er es zu finden hat. Er hebt den Deckel der einen
oder der anderen Kiste ab, nimmt eine Handvoll aus ihrer stillen Be-
hausung, riecht daran, prüft die Farbe, läßt die Teeblätter durch die
Finger gleiten, schreibt sich eine Bemerkung in sein Taschenbuch und
geht weiter, um dieselben Versuche bei einer anderen Pwktie zu wiederholew
In das Innere der übrigen Warenhäuser werfen wir nur hin
und wieder einen schüchternen Blick; es gelüstet uns für heute nicht
mehr, Wanderungen zwischen endlosen Reihen von Kisten und Ballen
zu unternehmen; aber im Vorübergehen können wir uns doch nicht
erwehren, unser Auge über die fabelhaften Vorräte von australischer
Wolle, von Seide aller Länder, von Farbehölzern, Tierhörnern, Banm-
wolle, Baumstämmen, Gewürzen aller Art, Häuten, Leder, Zucker,
Kaffee u. s. w. streifen zu lassen. Es ist, als ob die Ernte aller Erd-
striche unverkürzt nach diesen Lagerplätzen gebracht worden wäre. So
groß sind die aufgehäuften Massen, und so viel geht von Zucker, und
Kaffee, S-pezereiew und dergleichen beim Öffnen und Umpacken der Kisten
und Fässer verloren, daß das Kehricht der London-Docks für eine nam-
hafte Summe verpachtet wird und daß der Pächter desselben in wenigen
Jahren ein reicher Mann geworden sein soll.
So reiht sich ein Warenhaus ans andere, und vor denselben ächzen
Hunderte von Kranen unter ihrer Last, und Tausende von Arbeitern:
Zimmerleute, Faßbinder, Lastträger, Makler und Dockbeamte rennen
auf und ab, aus und ein; und im großen Bassin dicht bis an die Um-
randung aneinander gedrängt liegen die Schiffe, auf denen Matrosen und
Lastträger mit Ameisentütigkeit beschäftigt sind, Waren ans Land oder
an Bord zu bringen. In keinem andern Hafen der Welt treiben sich
so viele verschiedenartige Nationalitäten umher. Neben dem Holländer
ankert der Kauffahrer aus Brasilien, mit Kaffee und Farbehölzern voll-
geladen ; der Däne bringt sein Hornvieh ans Land; belgische und
französische Schiffe laden Glas, Leder, Eier, Obst und Gemüse aus;
der Amerikaner wälzt seine Tabakfässer und Banmwollenballen ans
Land; russische und deutsche Ostseefahrer haben ihre Getreideladungen
bereits in die Magazine untergebracht und warten auf Rückfracht;
englische Fahrzeuge aus Indien, Australienkanada mwd—vom Kap
ziehen durch die geöffneten Schleusentore; und wer eben keine Arbeit
hat, vergnügt sich in seiner Weise, kocht, ißt, trinkt, sitzt oder träumt
auf Verdecken und in Mastkörben, fiickt am Segel- oder Tauwerk und
denkt der fernen Heimat und summt sich das Lied vor, das er am
liebsten hat. Nach Falk.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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245
auch etwas Hafer, Gerste, Roggen, aber das Getreide kommt meistens
nur dürftig in dem sandigen Boden fort, treibt kurze, dünne Hälmchen
und gibt wenige Körner. Bleibt der Regen einmal über die Zeit aus,
fo kann die ganze Ernte verloren gehen. Meistens muß der Buch-
weizen, der mit dem magersten, sandigsten Boden zufrieden ist, das
Korn ersetzen, daher er auch Heidekorn genannt wird. Er ist auf dem
Tische gewöhnlicher Leute die Hauptspeise; fein Mehl dient zur Be-
reitung von Pfannkuchen und Klößen, die bei keinem Mittagsmahle
fehlen.
Wenn im Hochsommer der Buchweizen und das Heidekraut in
Blüte steht, schwärmen Millionen von Bienen darüber hin, um aus
den unscheinbaren Blümchen den klaren, goldgelbem Saft zu gewinnen.
Das ist ein Summen und Surren, ein Schwirren und Tummeln
ringsum! Kreuz und quer, in jeder Richtung durchschießen die
fleißigen Tierchen die Luft, eilen rastlos von Kelch zu Kelch und
sausen dann schwerbeladen ihrem Stocke zu, um sich ihrer süßen Last
zu entledigen.
Die Bienenzucht wird in der Heide auf das großartigste und
eifrigste betrieben. Doch nicht die Heidegegend allein gibt ihren Bienen
Honig und Wachs. Ehe Buchweizen und Heidekraut blühen, zieht der
Imker mit feinen zahlreichen Bienenstöcken nach den reichen Marsch-
ländern oder in andere Gegenden, die fetten Boden besitzen. Hier tun
seine Tierchen sich gütlich an den Blüten von Raps, Bohnen, Klee
und anderen Gewächsen; die letzte und süßeste Speise bieten ihnen hier
aber die Lindenbämne, welche Mitte Juli die duftenden, so köstlichen
Honig spendenden Blüten entfalten. Sind diese abgefallen, so bringt
der Imker seine Zucht in ihre Heimat, die Heide, zurück, wo sie sich
nunmehr am Buchweizen und bald auch an den Blütenglöckchen des
Heidekrauts labt.
Die merkwürdigsten Tiere der Heide aber sind die unansehnlichen,
grobwolligen Schafe von schmutzig weißer oder schwärzlicher Farbe, die
man Heidschnucken nennt. Sie sehen gar seltsam aus mit ihren kleinen
schwarzen Köpfen, den gewundenen Hörnern und den langen Haaren,
die über die feinere Wolle herunterhängen. Zahllose solcher Herden,
manche aus vielen Hunderten von Tieren bestehend, nehmen hier mit
dem Heidekraut vorlieb und gedeihen trefflich dabei. Es sieht gar drollig
aus, wenn diese struppigen Schäfchen in ungeschickten, munteren Sprüngen
aus dem Boden sich herumtummeln, während ihr Meister, den Strick-
strumpf in der Hand, gleichgültig dareinschaut. Ost sind die Heid-
schnucken der ganze Reichtum der Leute, die aus ihrer Wolle fast alle
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Thüringen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 49 —
Was holt denn deine Mutter auf dem Markte? Butter, Eier, Käse, Beeren, Obst,
Tauben usw. Woher haben die Hökenfranen all die vielen Dinge, die sie verkaufen?
Die Hökeufraueu wohnen nicht in der Stadt, sie kommen draußen vom Lande herein.
Weißt" du noch, woher die eine oder die andere war? (Kosma, Altkirchen, Tegkwitz,
Monstab usw.) Haben denn die Hökenfranen das alles selbst gemacht und erbaut?
Manche Ware haben sie selber gemacht, z. B- die Ziegenkäse und die Quärge. Die
Stachelbeeren und Johannisbeeren haben sie in ihrem Kärtchen erbaut; die Eier haben
sie von ihren Hühnern usw. Vieles aber kaufen sie erst bei den Bauern und bringen
es dann in die Stadt.
Neben den Hökenfranen treffen wir auf dem Wochenmarkte auch noch Öbster. Die
halten besonders auf dem Topfmarkt, wo die Fleischerstände sind. Die Öbster bringen
große Körbe mit Obst in die Stadt und halten damit feil. Woher haben die Öbster
das viele Obst? An den Straßen stehen Obstalleen (z. A. Lindenaustraße, Schmöllnsche
Chaussee, Paditzer Straße usw.), die haben die Öbster gepachtet. Wenn das Obst in
den Alleen reif ist, nehmen sie es ab, legen es in Körbe und bringen es nach Alten-
bürg auf den Markt.
In die Heimat der Hökenfranen und Öbster wollen wir nun wandern! Welche
Fragen wollt ihr nun beantwortet haben?
Ii. A. Anterrichtsgänge:
a) Altenburg, Geraer Straße, Göhren, Lutschütz, Breesen, Tegkwitz, Tal des Gersten-
baches bis Unterlödla, zurück nach Altenbnrg.
b) Altenburg, Kosma, Kürbitz, Schlöpitz, Jauern, Röthenitz, Burkersdorf, Altenburg.
B. Anterrichtliche Weßandtung.
1. Welches ist die Heimat der Hökenfranen und Öbster und wo liegt sie?
Die Heimat unserer Hökenfranen und Öbster ist die Altenbnrger Kornkammer.
Diese nimmt die Mitte unserer Heimat ein und erstreckt sich von der Sprotte bis zum
Erlenbach, von der Schnauder bis zur Pleiße. Die Kornkammer wird durchflössen von
der Blauen Flut, vom Deutschen Bach und Gerstenbach. Dadurch ist der ganze Boden
in einige Höhenrücken zerschnitten worden, diese bilden niedrige Wellen, die auf dem
Rücken fast eben sind. Die Ränder der Bodenwellen fallen meist sanft ab. Nur an
einzelnen Stellen sind die Ränder steil. Wie kommt das?
Zusammenfassung: Lage und Bodenform des Hügellandes.
2. Warum kann die Mitte unseres Ostkreises eine Kornkammer genannt werden?
In dieser ganzen Gegend treffen wir nur sehr selten Wald an, wir wandern
immer zwischen fruchtbaren Feldern dahin, die sich rechts und links der Straße aus-
breiten. Da wächst auf den bräunlichen Schollen der Felder saftiger Klee, der wie
ein dichter grüner Wald dasteht und für die schmucken Herden ein willkommenes Futter
bildet; au anderen Stellen schließen sich üppige Krautblätter zu großen Kraut-
h ä u p t e n zusammen, die dann im Herbste zu Markte gebracht oder auf großen Wagen
nach der Stadt gefahren werden, wo man das Sauerkraut daraus bereitet. Wieder an
anderen Stellen finden wir ausgedehnte Flächen mit Rüben bepflanzt, die als Futter
dienen, daneben dehnen sich große Kartoffelfelder aus. Die meisten und größten
Äcker aber sind mit wogendem Getreide bestanden. Da reifen in der Glut der Sommer-
sonne die mehlreichen Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstenkörner. An den Feldwegen
und an den Straßen ziehen sich die verschiedensten Obstalleen dahin, deren srncht-
beladene Zweige sich unter ihrer Last tief zur Erde neigen. Zahlreiche kleine Bauern-
dörfer breiten sich zwischen den fruchtbaren Gefilden aus. In diesen finden wir
Fritzsche, Landeskunde von Thüringen. 2. Aufl. 4
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Thüringen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
51 —
Die Bauern machen reiche Ernten an Obst, Gemüse, Getreide usw., auch der Vieh-
stand liefert ihnen reichen Ertrag an jungen Tieren (Schweine, Ziegen, Hühner, Gänse,
Tauben usw.), an Milch, Butter, Käse, Eiern.
Was sie nicht selbst brauchen, verkaufen sie an die Hökensranen, Viehhändler,
Fleischer usw. Manche Bauern kommen auf die Wochenmärkte nach Altenburg und ver-
kaufen Beeren, Obst, Gemüse, Butter, Eier und Geflügel an die Stadtfrauen.
Dadurch verdienen die Bauern viel Geld. Die meisten Bauern sind deshalb reich.
Wie zeigt sich das?
Die Dörfer der Kornkammer bestehen meist nur aus großen und kleinen Bauern-
Höfen und wenigen Häusern. Die meisten Dörfer sind klein; manche Dörfer zählen kaum
50 Bewohner. Große Orte gibt es in der Kornkammer nur wenige, Städte liegen nur
am Rande der Kornkammer.
Das osterländische Hügelland.
Viele von den kleinen Dörfern haben weder Kirche noch Schule; manche haben
wohl eine Kirche, aber keinen Pfarrer; sie werden durch den Nachbarpfarrer verwaltet.
Große Kirchspiele!
Das Großgewerbe hat sich in der Kornkammer nicht entfaltet. Große Werkstätten
fehlen ganz. Auch das Handwerk ist nicht stark verbreitet. In manchen Dörfern gibt
es weder Bäcker, noch Fleischer, noch Schuhmacher usw. Warum nicht?
Zusammenfassung: Das Leben in den Bauerndörfern der Kornkammer.
C. Wückvlick und Zeichnung.
Das osterländische Hügelland.
1. Lage und Ausdehnung des Hügellandes.
2. Die Bodenwellen des Hügellandes.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Thüringen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
— 133 —
u. a, prächtige Blumen werden in großer Menge gebaut. Daneben finden wir fast unüber-
schaubare Flächen (insgesamt 450 Morgen) Landes mit Gemüsen aller Art bestanden.
Sellerie, Kohlrabi, Wirsing, Gurken, Spargel, Blumenkohl usw. werden in großen
Mengen gebaut. Ein großes Feld (Dreibrunnenfeld, 200 Morgen) dient fast ausschließ-
lich dem Brunueukreßbau. Neben dem Gartenbau ist aber auch der Obstbau weit ver-
breitet. Dessen Mittelpunkte sind Mühlhausen und Sömmerda; besonders berühmt sind
die Kirschen der Fahnerschen Höhen. Überall an den Hängen finden sich große Obst-
Plantagen, und die Straßen werden von prächtigen Obstalleen eingefaßt, die reiche Er-
träge liefern. Im östlichen Teile des Beckens werden besonders Gewürzpflanzen an-
gebaut: Fenchel, Kümmel, Thymian, Majoran, Pfefferminze usw. Man hat deshalb
die Bewohner jener Gegend (Buttstädt, Kölleda) die Pfefferminzbauern genannt. Ge-
treide, namentlich Korn und Gerste, fowie Zuckerrüben. werden in allen Teilen des
Beckens angebaut.
Sachliche H5ertiefung: Wie verwerten die Bewohner von Erfurt usw. die Er-
Zeugnisse des Obst- und Gemüsebaues? Wozu sind so ausgedehnte Flächen der Blumen-
zucht gewidmet? Welches Leben herrscht im Sommer ans dem Erfurter Bahnhof?
Warum wird Erfurt als des Reiches Gärtnerin bezeichnet? usw.
3. Wodurch ist das Uustrutb ecken zum Blumen- und Gemüsegarten geworden?
Der Boden ist sehr fruchtbar. Im Becken besteht er aus dickem Schwemmlande
(vergl. Pleißen- und Saalaue!), auf deu Höhen und Hängen dagegen aus Keuperfaud-
stein, der mit Mergel vermischt ist.
Das Becken ist reich an Wasser. Die Unstrut empfängt im Becken von allen
Seiten her zahlreiche Zuflüsse.
Das Becken hat eine tiefe und geschützte Lage; es wird ringsum von Höhenzügen
eingeschlossen. Dadurch ist es vor rauhen Winden geschützt. Es herrscht hier also ein
mildes Klima.
Sachliche Vertiefung: Warum ist der Boden so fruchtbar? Woraus besteht dieses
Schwemmland? Woher rührt das Schwemmland, das den Boden bedeckt? Warum
empfängt die Unstrut so viele Nebenflüsse? Welchen Wert haben diese Gewässer für
den Gartenbau?
4. Was hat die Bodenfruchtbarkeit des Landes zur Folge gehabt?
Durch den ausgedehnten Acker- und Gartenbau ist gleichzeitig auch eine umfang-
reiche Viehzucht hervorgerufen worden, die durch den Wiesenreichtum der Becken begünstigt
wird. Auch eine lebhafte Ge Werbtätigkeit hat sich entfaltet. Es ist aber zumeist nur
das Kleingewerbe, das in den Orten des Beckens blüht. Durch die ausgedehnte Viehzucht
hat sich besonders das Fleischergewerbe entwickelt. In großen Schlächtereien werden
die mancherlei Thüringer Wnrstwaren hergestellt, die weit und breit berühmt sind. Mit dem
Fleischerhandwerk ist auch das Gerberhandwerk aufgeblüht, und es find zahlreiche
Gerbereien entstanden. Dadurch ist die Fabrikation von Lederwaren hervorgerufen worden;
große Schuhfabriken befinden sich besonders in Erfurt. Der Reichtum an Getreide hat
zur Errichtung von Branntweinbrennereien und Bierbrauereien geführt,
und der Zuckerrübenbau hat Veranlassung gegeben zur Gründung von Zuckerfabriken.
Infolge der günstigen Erwerbsverhältnisse ist das große Becken auch reich besiedelt.
Zahlreiche Dörfer und Städte find in dem Becken ausgeblüht. Die Städte sind jedoch
zumeist nur Landstädte; nur einzelne Städte am Rande des Beckens sind zu bedeutender
Größe herangewachsen, so Erfurt und Mühlhausen.
Es hat sich auch ein lebhafter Handelsverkehr entwickelt. Große Märkte werden
in Erfurt abgehalten. Vom Erfurter Bahnhof aus werden tagtäglich ganze Wagen-
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden]]
TM Hauptwörter (200): [T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T96: [Stadt Thüringer Saale Schloß Wald Gotha Dorf Heidelberg Weimar Einw.], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil]]
6
und es setzt sich auf dem Boden ein weißes Pulver nieder. Das ist
die gewöhnliche Stärke, wie sie die Hausfrauen anwenden, um feines
Weißzeug steif zu machen. Kleber und Stärke sind demnach die
Hauptbestandteile eines Getreidekornes, aber sie sind nicht die einzigen.
Verbrennt man nämlich Getreidekörner, so lösen sich Kleber und Stärke
in Luft auf, als zurückbleibende Asche aber finden sich mineralische
Stoffe vor, Pottasche, Soda, Kalk, Eisen, Salz u. s. w., welche die
Pflanze dem Acker entnommen hat, auf welchem sie wuchs.
Ein solches Getreidekorn ist seinem Inhalte nach nichts mehr und
nichts weniger, als ein Menschenleib im kleinen. Der liebe Gott hat
es nüntlich in seiner Weisheit so eingerichtet, daß der Kleber des Ge-
treidekornes nach dem Genusse in unserem Körper zu Fleisch und Blut
sich umwandelt; die Stärke dagegen bildet Fett, und die mineralischen
Stoffe dienen dazu, die Knochen imstande zu erhalten. Hierin liegt
der Grund, warum schwarzes Brot nahrhafter ist, als das weiße;
jenes hat mehr Kleber, denjenigen Stoff, welcher Fleisch und Blut
bildet, während der Hauptbestandteil von diesem die Fett bildende
Stärke ist. Die Kleie enthält ebensowenig Nahrungsstoff, als z. B.
Kalk oder Kreide, und wenn sie zum Futter, ja zur Mästung des
Rindviehs, der Schweine. Gänse u. s. w. gebraucht wird, so ist das.
was fett macht und Fleisch giebt, nicht die Kleie, sondern vielmehr der
auch in der besten Mühle von ihr nicht ganz loszulösende Kleber.
Auch das zum Leben ganz unentbehrliche Wasser fehlt im Brote nicht;
50 kg Rvggenmehl geben nämlich ungefähr 65 kg Brot, und
dieser Überschuß kommt zum größten Teile auf Rechnung des
Wassers, das bei dem Backen zum Mehle hinzugesetzt wird.
Aber warum, könnte jemand fragen, geben wir uns überhaupt die
Mühe, das Getreide zu mahlen und aus dem Mehle Brot zu backen?
Es wäre ja viel einfacher, wenn wir die Getreidekörner, wie sie sind,
in den Mund steckten und durch diesen in den Magen beförderten.
Wäre unser Magen von der Art, wie ihn die Hühner und Tauben
haben, so ließe der Vorschlag sich hören. Der scharfe Magensaft der
Vögel löst auch die harte, zumeist aus mineralischen Stoffen bestehende
Kleie leicht und rasch auf; aber in unserem Magen würden die un-
gemahlenen Körner lange unverdaut liegen, und der Körper würde
daher von ihnen kaum die Hälfte des Nutzens haben, welchen gut ge-
backenes Brot giebt; denn so viele Veränderungen auch durch das
Mahlen und Backen mit dem Getreide vorgehen, so dienen diese doch
alle dazu, dasselbe für unseren Mund genießbarer und für unseren
Magen verdaulicher zu machen. Bei dem Mahlen bestehen sie einfach
darin, daß das Getreidekorn von der Schale befreit und zu Mehl
zerrieben wird. Aber welches sind die Veränderungen, welche durch
das Backen bewirkt werden? Sie beginnen, sobald der Bäcker das
Mehl mit warmem Wasser angemacht hat, und sind, obgleich unsichtbar,
doch ganz gewaltiger Art. Der Kleber greift mit seinem Bundes-
genossen, dem Wasser, die Stärke an und nötigt diese zu verschiedenen
Verwandlungen. Zuerst wird aus ihr ein Körper, welcher dem Gummi
sehr ähnlich ist, jenem Pflanzensafte, welcher an der Luft zu einem
159
-
Fliegenpilz. Wer davon isst, dem bekommt es sehr übel. Dagegen
schmausen Schnecken und Käfermaden von vielen Pilzen, welche die
Menschen nicht gemessen dürfen.
Die Hefe, die zum Kuchenbacken unentbehrlich ist und vom Bier-
brauer erhalten wird, ist nichts anderes, als ein Pilz. Sie besteht aus
winzigen Bläschen, die aneinander gereiht sind und sich bei hin-
reichender Wärme in zuckerhaltigen Flüssigkeiten schnell vermehren.
149. Die Kartoffel.
Vor etlichen Hundert Jahren kam dies nützliche Gewächs aus Amerika
zu uns. Der berühmte englische Seefahrer Franz Drake schickte die
Kartoffel aus Amerika einem Freunde in England und schrieb ihm,
die Frucht dieses Gewächses sei so trefflich und nahrhaft, daß er
ihren Anbau für sehr nützlich halte. Der Freund denkt, Franz Drake
meine mit dem Worte „Frucht" die Samenäpfel, die oben an dein
Kraute hängen. Im Herbste, als die Samenäpfel gelb werden, ladet
er eine Menge vornehmer Herren zu einem Gastmahle, wobei es sehr
hoch hergeht. Am Ende kommt auch eine zugedeckte Schüssel auf den
Tisch. Der Hausherr steht auf und hält eine schöne Rede, worin
er sagt, er habe die Ehre, den Gästen eine Frucht mitzuteilen, wozu er
den Samen von seinem Freunde, dem berühmten Drake, mit der Ver-
sicherung bekommen habe, daß ihr Anbau für England höchst wichtig
werden könne. Die Herren kosten die Frucht, die in Butter gebacken und
mit Zucker und Zimmet bestreut ist; aber sie schmeckt ihnen abscheulich,
und sie meinen, die Frucht könne wohl für Amerika gut sein, aber in
England werde sie nicht reif. Da heißt denn der Gutsherr die Kartoffel-
sträucher herausreißen und wegwerfen. Kurz darauf geht er durch seinen
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
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Extrahierte Personennamen: Franz_Drake Franz Franz_Drake Franz Drake
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Amerika England England Amerika England
418
hebt den Deckel der einen oder der andern Kiste ab, nimmt eine Hand
voll aus ihrer stillen Behausung, riecht daran, prüft die Farbe, läßt die
Theeblätter durch die Finger gleiten, schreibt sich eine Bemerkung in sein
Taschenbuch und geht weiter, um dieselben Versuche bei einer anderen
Partie zu wiederholen.
Unsere Lippen sind von der langen Wanderung, von Indigo und
Thee ziemlich trocken geworden; darum müssen wir einmal trinken. Unser
Führer bleibt an der Schwelle, und ein anderer zeigt uns den Weg
durch den Dockkeller. Er giebt jedem von uns ein Grubenlicht in die
Hand. Die Wege zwischen den Fässern sind rein, mit Sand bestreut,
und tragen zwei Eisenbahnschienen, um das Hin- und Herrollen der
schweren Fässer zu erleichtern. Rings herum, so weit unser Auge reicht,
Faß an Faß. Die matten Öllampen, die wir nach allen Richtungen hin
von der Decke herab wie Glühwürmer leuchten sehen, sagen uns, daß
wir uns in einem unterirdischen Gewölbe von ungewöhnlicher Ausdehnung
befinden. Und in der That, dieser Keller bedeckt 12 Acker unterirdischen
Bodens, und seine Schienenwege sollen 13 englische Meilen lang sein.
Der Eindruck des Ganzen, namentlich an Kreuzwegen, wo man die
Lampenflämmchen nach allen Seiten hin sich in das Unendliche verlieren
sieht, ist ein gewaltiger. Es überkommt uns eine Art Schauer, wenn
wir das Grubenlicht von dem saubern Sandboden hinauf gegen die
schwarze Decke heben, von wo, seltsam geformt, unheimlich ausschauende,
schwarz und grau gefärbte, meterlange Pflanzengebilde herabhängen, die
sich an der feuchten Kellerdecke eingenistet haben. Von Zeit zu Zeit
bleiben wir stehen und lassen uns von dem Führer ein Glas Portwein
oder Leres kredenzen. Wir nippen aus diesem und aus jenem Fasse, und
was im Glase übrig bleibt, wird vom Küper unbarmherzig auf den
Boden geschüttet, da ihm selbst das Weiutrinken bei Verlust seines Amtes
verboten ist. Es ist ganz unglaublich, wie viel durch dieses Wegschütten
allein an Wein verloren geht. Hat doch jeder Kaufmann, der in den
Docks Weine lagern hat, das Recht, Erlaubniskarten zum Kosten aus-
zustellen; sonst wäre es ihm ja nicht möglich, seinem Käufer die Ware vor-
zuführen, die er feil hat.
In das Innere der Warenhäuser werfen wir nur hin und wieder
einen schüchternen Blick; es gelüstet uns für heute nicht mehr, Wande-
rungen zwischen endlosen Reihen von Kisten und Ballen zu unternehmen;
aber im Vorübergehen können wir uns doch nicht erwehren, unser Auge
über die fabelhaften Vorräte von australischer Wolle, von Seide aller
Länder, von Farbehölzern, Tierhörnern, Baumwolle, Baumstämmen,
Gewürzen aller Art, Häuten, Leder, Zucker, Kaffee u. s. w. streifen zu
lassen. Es ist, als ob die Ernte aller Erdstriche unverkürzt nach diesen
Lagerplätzen gebracht worden wäre. So groß sind die aufgehäuften
Massen, und so viel geht von Zucker, Kaffee, Spezereien und dergleichen
beim Öffnen und Unipacken der Kisten und Fässer verloren, daß das
Kehricht der London-Docks für eine namhafte Summe verpachtet wird,
und daß der Pächter desselben in wenigen Jahren ein reicher Mann ge-
worden sein soll.
So reiht sich ein Warenhaus ans andere, und vor denselben ächzen
hunderte von eisernen Krahnen unter ihrer Last, und tausende von Ar-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Leitern: Zimmerleute, Faßbinder Lastträger, Makler und Dockbeamte
rennen auf und ab, aus und ein, und im großen Bassin dicht bis an die
Umrandung aneinander gedrängt liegen die Schiffe, auf denen Matrosen
und Lastträger mit Ameisenthätigkeit beschäftigt sind, Waren ans Land
oder an Bord zu bringen. In keinem andern Hafen der Welt treiben
sich so viele verschiedenartige Nationalitäten umher. Neben dem Holländer
ankert der Kauffahrer aus Brasilien mit Kaffee und Farbehölzern voll-
geladen; der Düne bringt sein Hornvieh ans Land; belgische und fran-
zösische Schiffe laden Glas, Leder, Eier, Obst und Gemüse aus; der
Amerikaner wälzt seine Tabakfüsser und Baumwollenballen ans Land;
russische und deutsche Ostseefahrer haben ihre Getreideladungen bereits in
die Magazine untergebracht und warten auf Rückfracht; englische Fahr-
zeuge aus Indien, Australien, Kanada und vom Kap ziehen durch die ge-
öffneten Schleusenthore; und was eben keine Arbeit hat, vergnügt sich in
seiner Weise, kocht, ißt, trinkt, sitzt oder träumt auf Verdecken und in
Mastkörben, flickt am Segel- oder Tauwerk und denkt der fernen Heimat
und summt sich das Lied vor, das er am liebsten hat.
306. Der Hering.
Der Hering nimmt unzweifelhaft unter allen Fischen die erste Stelle
ein. Die ungeheueren Massen, in denen er gefangen wird, die mannig-
faltigen Weisen seiner Zubereitung, der Wohlgeschmack und die Dauer,
welche der Fisch in jeder Gestalt zeigt, dies alles giebt ihm im Haushalte
Hering.
der Natur eine Bedeutung, welche der Bedeutung des Getreides wenig
nachgiebt. Unter allen Geschlechtern des großen Salzwassers darf das
seine wahrscheinlich für eins der fruchtbarsten gelten; denn von Norwegen
bis zu den Hebriden und von da bis zur Normandie erfüllen unermeß-
liche Heere die See. Es werden alljährlich tausende von Millionen ge-
fangen, tausende von Millionen werden Delphinen und Haien, Pinguinen
und Tauchern zur Beute, und dennoch erscheint der Hering alljährlich in
derselben zahllosen Fülle. Dieses Erscheinen und Wiederverschwinden er-
folgt mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Es ist der Hering gewissen
sperlingsartigen Strichvögeln zu vergleichen, welche im Sommer sich auf
die Berge begeben, im Winter die Ebene bewohnen; denn in der That
unternehmen diese Fische nicht jene großen wunderbaren Wanderungen,
von denen lange erzählt ward, sondern sie verbleiben Jahr aus Jahr ein
in denselben Meeresbereichen. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt sind aber die
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Extrahierte Ortsnamen: Brasilien Indien Australien Kanada Mastkörben Norwegen
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überzogene Tische, an denen je drei Europäer und ein Chinese Platz nah-
men, welcher letztere im Namen des Hausherrn den guten Wirt machte.
Das Eigentümliche chinesischer Gebräuche, nämlich ihr vollständiger
Gegensatz zu jenen der Europäer, tritt auch bei den Mahlzeiten in auf-
fälliger Weise zu Tage. Gleichwie der Chinese beim Gruße das Haupt
bedeckt, statt es zu entblößen, den Ehrenplatz zur Linken statt zur Rechten
anbietet, die Vorfahren adelt, statt die Nachkommen, von rechts nach
links schreibt, statt umgekehrt, zur Farbe seiner Trauerkleider die weiße
und nicht die schwarze wählt, jede Spur eines Bartes sorgfältig zu ver-
tilgen sich bemüht, statt ihn als Zeichen männlicher Reife und Würde zu
pflegen; ebenso beginnt der Chinese die Mahlzeit mit jenen Speisen, mit
welchen wir sie beschließen, mit Backwerk und Früchten. Als wir Platz
nahmen, war bereits jeder Tisch mit einer Menge der verschiedensten Ge-
richte auf zierlichen, bunt bemalten Porzellantellerchen gedrängt voll, und
während wir noch damit beschäftigt waren, den unbekannten Inhalt ein-
zelner dieser Tellerchen zu enträtseln, war unser Chinese bereits bemüht, uns
mit den beiden Stäbchen von jeder einzelnen Speise die besten Bissen vorzu-
legen. Und damit ihn nicht vielleicht der Vorwurf träfe, als wären die Stäb-
chen nicht rein, zog er beide jedesmal sorgfältig zwischen den Lippen durch
und sog sie ab, bevor er ein frisches Stück faßte und auf unsere Teller legte.
Die Mehrzahl der Gerichte war uns unbekannt; denn die chinesischen
Küchen setzen seltsamer Weise einen großen Wert darein, die Speisen
unkenntlich zu machen und ihren natürlichen Geschmack zu verändern.
Und so wurden uns denn nicht bloß Schwalbennester, Kibitzeier und ge-
dämpfte Frösche, sondern auch gebratene Seidenwürmer, Haifischflossen,
Reh- und Büffelsehnen, Trepang, Bambuswurzeln, Seegras, halbaus-
gebrütete Küchlein und viele andere chinesische Delikatessen vorgesetzt. Der
Tisch wurde wenigstens dreimal mit neuen Speisen frisch gefüllt, so daß
mindestens fünfzig verschiedene Gerichte aufgetragen wurden. Fleischspeisen
waren entschieden in der Minderzahl und kamen bereits in kleine Stücke
zerschnitten auf den Tisch; dagegen wurden Reis und Gemüse in allen
erdenklichen Formen kredenzt. Während des Essens war ein kleines
Mädchen unablässig beschäftigt, jedem Gast eine ganz kleine Tasse mit
einem warmen, aus Hirse bereiteten Trank zu füllen, indem es die chine-
sische Artigkeit fordert, daß das Gefäß immer voll sei. _ Traubensaft
kennt der Chinese nicht. Nach dem Essen werden keinerlei geistige Ge-
tränke, sondern bloß Thee ausgetragen. Man deutet den Schluß des
Mahles dadurch an, daß man die Speisestäbchen erst in gleicher Höhe
mit der Stirn hält und sie dann wagerecht auf die Theetasse legt. Der-
gleichen hat, wie bemerkt, für den Europäer etwas sehr Ausfallendes.
Dagegen ist aber auch das Erstaunen der Chinesen nicht gering, wenn sie
sehen, wie Europäer zu speisen pflegen. Sie fragen, wie es nur möglich
sei, daß wir die Getränke kalt zu uns nehmen; wie wir wohl auf den
höchst sonderbaren und ausschweifenden Gedanken gekommen seien, unsere
Nahrung vermittelst eines Dreizacks in den Mund zu bringen, obendrein
auf die Gefahr hin, uns die Lippen zu beschädigen oder gar die Augen
auszustechen. Auch finden sie es außer der Ordnung, daß wir Nüsse und
Mandeln mit der Schale auf den Tisch bringen und den Dienern die
Arbeit ersparen, die Obstfrüchte zu schälen und das Fleisch zu zerlegen.
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