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bildungsschulen? Warum lesen die Menschen Bücher und Zeitungen? Warum gehen sie in Konzerte und Schauspiele? Welche Werke verdanken wir den Malern, Dichtern, Musikern, Bildhauern und Baumeistern? Welche Bilder, Gedichte, Gesänge, Bildsäulen und Bauwerke kennst du? Was sindet sich davon in der Schule, in der Kirche und im Heimatorte? (Durch rechte Betrachtung solcher Kunstwerke lernen die Menschen das Schöne und Gute lieben und das Häßliche und Böse hassen. Sie werden also dadurch veredelt.)
d. Wie die Menschen regiert werden. Die Menschen in einem Lande bilden eine große Familie oder ein Volk. Wir wohnen in Deutschland und gehören zu dem deutschen Volke. Der Landesvater und höchste Herr ist der deutsche Kaiser. Das Deutsche Reich besteht aus 26 einzelnen Staaten. Je nach ihrer Größe steht an der Spitze ein König oder Großherzog oder Herzog oder Fürst. Der größte deutsche Staat ist das Königreich Preußen. Der König von Preußen ist auch deutscher Kaiser. Er ist der Wächter über Gesetz, Ordnung und Glück des Volkes. Die Gesetze werden durch Abgeordnete des Volkes beraten, durch den Landessürsten bestätigt und durch die Regierung, d. h. die Diener der Fürsten, ausgeführt. Jeder Unterthan muß den Gesetzen gehorsam sein.
Das Heer und die Marine, d. h. die Kriegsschiffe, schützen Land und Volk gegen alle Feinde. Jeder gesunde Deutsche ist wehrpflichtig und muß als Soldat sein Vaterland verteidigen helfen. Bei jedem Orte steht auf der Land-wehrtafel, zu welchem Heerbezirk er gehört. Was steht auf eurer Landwehrtafel? Die Schiffe schützen die Küsten, den Handel und unsere Ansiedelungen in fremden Ländern.
Die Beamten führen im Namen des Königs die Gesetze ans. Sie schwören darum dem Könige Treue. Sie üben die Rechtspflege und verwalten Gemeinde-, Kirchen-, Schul-, Verkehrs-, Bau-, Steuer- u. a. Angelegenheiten. Alle Unterthanen müssen nach ihren Einkünften eine Abgabe oder Steuer bezahlen; damit werden alle Einrichtungen zum allgemeinen Wohle unterhalten. An der Spitze der Verwaltung steht in Dörfern der Schulze, in Amtsbezirken der Amtsvorsteher, in Städten der Bürgermeister, im Kreise der Landrat, im Regierungsbezirk der Regierungspräsident, in der Provinz der Oberpräsident und im ganzen Lande das Ministerium. Letzteres besteht aus den nächsten Räten und Dienern des Königs.
In welchem Orte, Amtsbezirk, Kreise, Regierungsbezirk, Provinz, Lande wohnst du? Nenne die Namen der einzelnen Beamten! Wie hängt deine Heimat mit dem großen Vaterlande zusammen? (Bach oder Fluß. Wege. Eisenbahn. Fernsprecher oder Fernschreiber. Kaiserliche Post. Landwehrtafel. Standesamt.) Was haben Post-, Gerichts-, Steuerboten und Gendarmen zu thun?
e. Wer uns jetzt regiert. Unser Landesvater heißt Wilhelm der Zweite. Er ist König von Preußen und Kaiser von Deutschland. Er stammt aus dem berühmten Geschlechte der Hohenzollern, das nun fast 500 Jahre lang in unserem Vaterlande regiert. Die Vorfahren unseres Kaisers haben Preußen groß und sein Volk glücklich gemacht. Auch unser Kaiser will sein Volk beschützen, führen und beglücken. In Preußen hat er 30, in ganz Deutschland 50 Millionen Unterthanen. Alle Beamten haben ihm den Diensteid, alle Soldaten
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Deutschland
220
Käthe war eine fleißige, umsichtige und sparsame Hausfrau. Sie baute
den Garten, mästete alljährlich ein Schwein, hielt Kostgänger und ver-
mehrte die Einnahmen, wo es ging. Und das war nötig, denn Luther
war sehr gastfrei und freigebig, sein Einkommen aber gering, da er von
seinen Büchern nie einen Gewinn nahm.
Kein Armer ging ungespeist und unbeschenkt,
kein Unglücklicher ungetröstet aus seiner Thür.
Weil er alles für andere that, fehlte es ihm
oft selbst an dem Nötigsten. Durch Geschenke
half ihm der Kurfürst aus dieser und jener
Verlegenheit. Bei Tische, wo es nie an
Gästen fehlte, liebte Luther eine heitere
Unterhaltung. Des Abends ergötzte er sich
mit seinen Hausgenossen an Gesang und
Saitenspiel; denn „Frau Musika" war ihm
eine gar liebe und vertraute Kunst. Sein
*63. Katharina von Bora, häusliches Leben war ein Muster für
jede christliche Familie. Seine Kinder liebte er zärtlich, erzog sie
aber streng in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Sein liebes
Söhnlein Hans, dem er den lieblichen Brief von dem schönen Garten
schrieb, durfte einst drei Tage nicht vor sein Angesicht kommen, weil er
ungehorsam gewesen war. „Ich will lieber einen toten als einen un-
geratenen Sohn!" sagte er. Groß war Luthers Schmerz, als seine vier-
jährige Magdalene auf dem Sterbebette lag. „Ich habe sie sehr lieb,"
seufzte er an ihrem Bette, „aber, lieber Gott, da es dein Wille ist, daß
du sie hinnehmen willst, so geschehe dein Wille!" Zu dein Kinde sprach
er: „Magdalenchen, du bleibst gern hier bei deinem Vater und ziehst
auch gern hin zu jenem Vater?" „Ja, Herzensvater, wie Gott will!"
antwortete das kranke Kind. Als sie im Sarge lag, sprach der betrübte
Vater: „Du liebes Kind, wie wohl ist dir geschehen! Du wirst wieder
auferstehen und leuchten wie die Sterne, ja wie die Sonne!" Zu dem
trauernden Volke sprach er: „Weinet nicht, denn zum Himmel habe ich
eine Heilige geschickt!"
9. Der bedrohte und doch siegesgewisse Glaubensheld. Zwischen
den Fürsten des katholischen und evangelischen Bekenntnisses
mehrte sich die Feindschaft. Johann von Sachsen, Philipp von Hessen
und andere Reichsstände schlossen zur Sicherung der evangelischen Freiheit
ein Bündnis. Die katholische Partei erwirkte durch ihre Mehrheit auf
dem Reichstage in Speier 1529 das Verbot weiterer Neuerungen.
Dagegen legten die evangelischen Stände eine Protestation oder Ver-
wahrung ein. Seitdem wurden sie Protestanten genannt. Im nächsten
Jahre berief der Kaiser einen Reichstag nach Augsburg. Hier legten
1530 die Evangelischen am 25. Juni 1530 vor Kaiser und Reich
ihr Glaubensbekenntnis, die Augsburgische Konfession, ab.
Es war von Melanchthon nach sorgfältiger Beratung mit den angesehensten
Gottesgelehrten abgefaßt und von Luther gut geheißen worden. Die Ver-
lesung geschah in deutscher Sprache, und die Evangelischen hörten sie
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Extrahierte Personennamen: Luther Katharina_von_Bora Hans Luthers_Schmerz Johann_von_Sachsen Johann Philipp_von_Hessen Philipp Melanchthon
227
Gräfin. „ Entweder erhalten meine armen Unterthanen ihr Vieh wieder,
oder, bei Gott, Fürstenblnt für Ochsenblut!" Damit verließ sie
das Zimmer. Kurze Zeit darauf füllte sich das Zimmer mit Bewaff-
neten, die ehrerbietig hinter den Stühlen der Gäste sich aufstellten. Alba
erbleichte, und die Gäste sahen sich stumm an. Endlich nahm man die
Sache für einen Scherz auf und lobte die landesmütterliche Sorge der
mutigen Gräfin. Alba gab Befehl, den Bauern ihr Vieh wiederzugeben,
Katharina, die Heldenmütige, aber bedankte sich aufs schönste bei
ihren Gästen.
4. Der Religionsfriede zu Augsburg (1555). Auf dem Kon-
zile in Trient wurde die katholische Lehre scharf gegen die
evangelische abgeschlossen. Um den kirchlichen Streit in Deutschland
beizulegen, erließ Karl das „Interim", d. h. einen einstweiligen
Ausgleich in der Religionsfrage, stieß aber damit auf den lebhaftesten
Widerstand. „Das Interim hat den Schalk hinter ihm!" spottete man.
Der kluge Moritz von Sachsen sah die Macht des Kaisers
drohend wachsen. Um die kaiserliche Übermacht zu brechen, seinen
Schwiegervater Philipp von Hessen zu befreien und seinen Abfall von
der evangelischen Sache zu sühnen, rüstete er
im geheimen; sogar mit Frankreich schloß er
ein Bündnis. Plötzlich überraschte er den
kranken Kaiser in Innsbruck und hätte
ihn um ein Haar gefangen genommen.
Bei Nacht, in Regen und Sturm ließ
sich der gichtkranke Kaiser in einer Sänfte
durchs Gebirge tragen. Dem gefangenen Jo-
hann Friedrich kündigte er tags vorher seine
Freiheit an, doch sollte er dem Hofe noch einige
Zeit freiwillig folgen. Bei der eiligen Flucht
des Kaisers konnte der stark beleibte Kur-
fürst nur schwer Nachkommen und äußerte'
scherzend: „Ich wollte dem Hofe ja gerne nicht I73* Moritz von Sachsen,
entlaufen, wenn der Hof mir nicht entliefe!" Karl V. verstand sich
nun zum Vertrage von Passau, der den Protestanten Ge-
wissensfreiheit und gleiches Recht mit den Katholischen ge-
währte. Nach drei Jahren wurden diese Zugeständnisse im Religions-
frieden zu Augsburg von neuem bestätigt (1555). Bedenklich blieb 1555
der „geistliche Vorbehalt", der den Keim zu neuen Streitigkeiten
enthielt. Nach ihm sollten die geistlichen Reichsstände, d. h.
Äbte, Bischöfe re. bei ihrem Übertritt zur Reformation ihrer
Würde und ihrer Einkünfte verlustig gehen. Moritz erlebte
diesen Frieden nicht. Er fiel als Sieger in der Schlacht bei Sievers-
h aus en, südlich von Celle, gegen den wilden und raublustigen Mark-
grafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, seinen ehemaligen
Waffengefährten. Sein letztes Wort war: „Gott wird kommen —!"
Sein Bund mit Frankreich brachte Deutschland den Verlust
von Metz, Toul und Verdun.
15*
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Extrahierte Personennamen: Katharina Karl Karl Moritz_von_Sachsen Philipp_von_Hessen Philipp Friedrich Friedrich Moritz_von_Sachsen Karl_V. Karl_V. Moritz Albrecht_von_Brandenburg-Kulmbach Albrecht Metz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Celle Frankreich Deutschland Verdun
333
wieder unterworfen werden. Dasselbe versuchten die Venetianer und
Lombarden im Bunde mit dem Könige von Sardinien, aber der
greise österreichische Feldmarschall Radetzky warf alles vor sich nieder
und besiegte den Sardenkönig, worauf dieser die Krone seinem Sohne
Viktor Emanuel überließ und ins Ausland ging.
4. Deutscher Einigungsversuch. Alle deutschen Freiheitsmänner
waren eifrig bestrebt, ein starkes, einiges Deutschland zu schaffen. Um
eine gemeinsame Verfassung für das ganze Deutschland aufzustellen, war
eine aus der Wahl des Volkes hervorgegangene Nationalversammlung
nach Frankfurt a. M. berufen worden. Der Bundestag sollte beseitigt
werden. In der Paulskirche verhandelten die Vertreter des Volkes über 1848
die Reichsverfaffung und boten schließlich Friedrich Wilhelm Iv.
die erbliche deutsche Kaiserwürde an. Doch dieser wollte die
Kaiserkrone nicht aus der Hand der Revolution, sondern nur
von dem freien Willen der Fürsten annehmen und lehnte sie
deshalb ab, da letztere nicht einig werden konnten. Er suchte
nun eine freie, festere Union der Staaten zu schaffen und berief einen
Reichstag nach Erfurt, dem entgegen aber Österreich mit den süd- 1850
deutschen Fürsten den Frankfurter Bundestag wieder eröffnete. Nach
langem Hin- und Herstreiten, wobei schon die Heere gerüstet in Hessen
einander gegenüberstanden, gab Preußen in dem Vertrage zu Olmütz
nach und ließ den aufgelösten Bundestag unverändert wieder aufleben.
Die Schleswig-Holsteiner hatten mit Hilfe der Preußen unter
Wrangel das Dänenjoch abgeschüttelt, das Danewerk genommen und
Düppel erstürmt. Aber die Drohungen Englands, Rußlands und
Schwedens bewogen Preußen zu einem faulen Frieden, worauf die sich
selbst überlassenen Holsteiner bei Jdstädt besiegt und den Dänen mit
Hilfe Österreichs unterworfen wurden. Die in der ersten Begeisterung
gegründete deutsche Flotte wurde an den Meistbietenden verkauft.
5. Napoleon Iii. in Frankreich. Ludwig Napoleon Bona-
parte, ein Neffe Napoleons I. und Sohn des Königs Ludwig von
Holland und der Königin Hortense, hatte sich durch Klugheit und Ent-
schiedenheit zum Präsidenten der Republik aufgeschwungen. Nachdem 1848
er durch süße Reden viele gewonnen und seine Gegner am 2. Dezember
1851 durch Gewalt beseitigt hatte, ließ er sich (1852) durch Volks- 1852
abstimmung als Napoleon Iii. zum Kaiser der Franzosen wählen.
„Das Kaiserreich ist der Friede!" verkündete er der Welt. Als aber
Nikolaus I. von Rußland alle Christen im Orient unter seinen
Schutz stellen wollte und darüber mit der Türkei in Hader kam, da
zog Napoleon mit England in dem orientalischen Kriege, dem soge-
nannten Krimkriege (1853—1856), das Schwert für die Türkei,
um Rußlands Übermacht zu brechen. Die Westmächte siegten mehrmals
und stürmten endlich nach furchtbaren Opfern das feste Sebastopol auf
der Halbinsel Krim am Schwarzen Meere. Da schloß Alexander Ii.,
der Sohn des inzwischen verstorbenen Nikolaus I., den Frieden zu Paris,
der Rußlands Macht im Schwarzen Meere lähmte. Um so mehr wandte
nun der edle Alexander alle Sorgfalt darauf, seine Völker durch den
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Extrahierte Personennamen: Feldmarschall_Radetzky Viktor_Emanuel_überließ Viktor Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Ludwig_Napoleon_Bona- Ludwig Napoleon Napoleons_I. Napoleons_I. Ludwig_von
Holland Ludwig Napoleon Nikolaus_I._von_Rußland Nikolaus_I. Napoleon Alexander_Ii Alexander Nikolaus_I. Nikolaus_I. Alexander Alexander
Extrahierte Ortsnamen: Sardinien Deutschland Deutschland Frankfurt Erfurt Hessen Englands Schwedens Frankreich England Paris
349
daß die fremden Moden bekämpft, eine Unzahl von Fremdwörtern
aus unserer Muttersprache ausgemerzt und die Werke unserer großen
Dichter immer mehr Gemeingut des Volkes werden.
Auch das kirchliche Gebiet zeigt eine große Bewegung. Die
evangelische Kirche hat durch die Synodalverfassung auch den Gemeinde-
gliedern Anteil an der Kirchenverwaltung gegeben. Durch die Werke
der inneren Mission sucht sie nachdrücklich alle Schäden im Volks-
leben zu heilen und zu verhüten.
8. Der treue Wächter in den Gefahren unserer Zeit. Zwischen
der katholischen Kirchengewalt und der Staatsgewalt brach nach der
„Unfehlbarkeits-Erklärung" des Papstes in Rom (18. Juli 1870) 1870
der sogenannte „Kulturkampf" aus, indem die Mehrzahl der Geist-
lichen und ihre Gesinnungsgenossen sich gewissen Gesetzen des Staates
(den sogenannten Maigesetzen, 1873), welche die Machtfülle der Kirche 1873
beschränkten, nicht fügten und erklärten, sie müßten Gott, d. h. seinem
unfehlbaren Stellvertreter in Rom, mehr gehorchen als den Menschen,
d. h. den nationalen Gesetzgebern, während die Staatsgewalt mit allen
gesetzlichen Mitteln auf eine Unterwerfung aller Unterthanen unter die
Gesetze des Staates drang. Wieder schallte die alte Kampflosung durch
das deutsche Land: „Hie Kaiser! Hie Papst!" Wieder entzweite die
alte Streitfrage die Gemüter: Kirchen- oder Staatsgewalt, Rom oder
Deutschland? „Nach Canossa gehn wir nicht!" rief die nationale Partei
mit dem Fürsten Bismarck. „In Rom unser geistliches Haupt, in Rom
unser Herz!" sagte die priesterliche oder ultramontane Partei. In letzter
Zeit gab die preußische Regierung unter den Nachfolgern des Kultus-
ministers Falk in mehreren wichtigen Forderungen der Kirchengewalt
nach. Dies bewog den einsichtsvollen Papst Leo Xiii. auch seinerseits
die Friedenshand zu bieten und dem Staate einige Zugeständnisse zu
machen. Seit 1887 kann der traurige „Kulturkampf" als beendet an-
gesehen werden.
An eine gefährliche Klippe geriet das Erwerbsleben 1872 nach
dem glorreichen Kriege mit Frankreich. Die französischen Milliarden
schienen die Köpfe und die Gewissen verrückt zu haben. Jeder wollte
reich werden und ohne Mühe ein Leben des behaglichen Genusses führen.
Wie Pilze enstanden überall Fabriken und zweifelhafte Aktienunter-
nehmungen. Es wurden Waren, in den meisten Fällen „billig und
schlecht", in solchem Übermaße erzeugt, daß zuletzt an keinen Absatz zu
denken war. Da kam der „große Krach", in dem die zusammenbrechenden
Schwindelgeschäfte auch manches Lebensglück begruben. Dem unnatür-
lichen Aufschwünge folgte ein entsprechender Rückgang und Stillstand, den
hohen Löhnen der Arbeiter eine Lohnherabsetzung oder Entlassung. Aus
den unzufriedenen Arbeitern, die in der „Schwindelperiode" ihre
Arbeitgeber durch Streiken, d. h. Arbeitseinstellung, zu Lohnerhöhungen
gezwungen hatten, verstärkte sich unter der Leitung kühner Führer die
Partei der Sozialdemokraten. Sie bekämpfen die Herrschaft des
Kapitals und fordern eine gerechtere Verteilung des Arbeitsertrages.
Sie rütteln an allen Grundlagen unserer gesellschaftlichen, staatlichen und
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Extrahierte Personennamen: Leo_Xiii Leo
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Deutschland Rom Rom Frankreich
240
188. Georg Wilhelm.
Nach einem Stiche von Kilian. (Bürkner.)
6. Sein schwacher Sohn Georg
Wilhelm (1619—1640) vermochte in
den Drangsalen und Nöten des Dreißig-
jährigen Krieges das Unheil von seinem
Lande nicht abzuwenden. Sein Wahl-
spruch: „Anfang, bedenk das End'!"
ließ ihn zwischen dem Kaiser und den
Schweden hin und her schwanken und
brachte der Mark die schrecklichsten
Plünderungen durch die Kaiserlichen
wie durch die Schweden. Brandenburg
wurde zur Wüste. Der Kurfürst aber
flüchtete nach Königsberg in Preußen-
wo er auch starb.
Fragen: Woher die Beinamen Cicero, Nestor, Hektor? — Wie zeigte
sich die Kurfürstin Elisabeth als Heldin und wahre Christin? — Wie erwies
sich Kurfürstin Katharina als wahre Landesmutter? — Was bewog Johann
Sigismund zum Religionswechsel, und welche Folgen hatte dieser Schritt? —
Welche Ursachen hatten die Judenverfolgungen?
74. Der Dreißigjährige Krieg (1618—1648).
1. Ursachen des Krieges. Seit dem Augsburger Religionsfrieden
hatte sich die Reformation immer weiter ausgebreitet, selbst in öster-
reichischen Ländern. Die Feindschaft zwischen Protestanten und Katholiken
verschärfte sich. Erstere traten in der Union zusammen und stellten den
Kurfürsten Friedrich von der Pfalz an die Spitze. Die Katholiken
schlossen zu Schutz und Trutz die Liga und wählten Maximilian
von Bayern als Haupt. In Böhmen hatten die Evangelischen dem
„gemütsblöden" Kaiser Rudolf Ii. einen Majestätsbrief abgerungen,
der ihnen freie Religionsübung zusicherte. Wegen Verletzung desselben
sollte sich ein dreißigjähriger Kriegsbrand entzünden. Katholische
Stände hatten eine protestantische Kirche schließen, eine zweite nieder-
reißen lassen. Die Protestanten glaubten dadurch den Majestätsbrief
verletzt und beschwerten sich beim Kaiser, erhielten aber eine harte Ant-
wort. Da man diese zwei verhaßten kaiserlichen Räten zuschrieb, so be-
gaben sich protestantische Edelleute, darunter Graf Thurn, auf das
Prager Schloß und forderten Rechenschaft. Es entspann sich ein heftiger
Wortwechsel, der damit endete, daß man die beiden Räte samt ihrem
Schreiber „nach altböhmischer Sitte" aus dem Fenster warf. Sie fielen
in den Burggraben, blieben aber trotz der Höhe des Falles unverletzt.
Diese That Ntdr wie ein Funke, der in ein Pulverfaß fällt; sie brachte
den unheilvollsten Krieg zum Ausbruche.
1618 2. Der böhmische Krieg. Die Protestanten richteten eine eigene
Regierung ein, verjagten die Jesuiten und erhielten durch den Grafen
Ernst von Mansfeld Zuzug aus Deutschland. Dem schwachen Kaiser-
Matthias folgte der Jesuitenzögling Ferdinand Ii. in der Regierung.
Er wollte „lieber sein Land als Wüste sehen als über Ketzer herrschen".
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Extrahierte Personennamen: Georg_Wilhelm Wilhelm Kilian Kilian Georg
Wilhelm Wilhelm Elisabeth Katharina Johann
Sigismund Johann Friedrich Friedrich Maximilian
von_Bayern Maximilian Rudolf_Ii Rudolf Graf_Thurn Ernst Matthias Ferdinand_Ii Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Schweden Schweden Brandenburg Königsberg Mansfeld Deutschland
247
ein Mann mit siechem Körper — er wurde fast immer in der Sänfte
getragen —> aber feurigem, weitschauendem Geiste und rastloser Thätig-
keit. Er durchzog siegreich ganz Deutschland von einem Ende bis zum
andern, und kein Feind war sicher vor seiner Schnelligkeit. Dabei ver-
übten jetzt die Schweden dieselben Greuelthaten
wie die Heere der Kaiserlichen. Aus dem
Religionskrieg war ein Raubkrieg ge-
worden. Bei Leipzig erfocht Torstenson einen
glänzenden Sieg über Pieeolomini und be-
drohte Wien. Den eifersüchtigen Dänenkönig
züchtigte, Böhmen und Schlesien verheerte er.
Doch die Qualen der Gicht entwanden ihm den
Feldherrnstab. Wrangel folgte ihm. Dieser
drang nach Bayern vor und vereinigte sich hier
mit dem französischen General Tu renne. Der
alte Maximilian von Bayern wurde geschlagen. In Böhmen hatte der
schwedische General Königsmark die Kleinseite von Prag eingenommen
und reiche Beute gemacht. Schon begann er die Stadt mit glühenden
Kugeln zu überschütten, da erscholl endlich aus Westfalen das ersehnte
Wort: „Friede!"
6. Der Westfälische Friede war nach jahrelangen Verhandlungen
zwischen den Streitenden in Münster und Osnabrück zustande ge-
kommen (1648). Die hauptsächlichsten Bedingungen waren: Lutheraner 1648
und Reformierte bekamen freie Religionsübung und gleiche
Rechte mit den Katholischen. Der Augsburger Religionsfriede wurde
bestätigt, der „geistliche Vorbehalt" aber nicht beseitigt. Die Verteilung
der Kirchengüter zwischen Evangelischen und Katholischen regelte sich nach
dem Besitzstände des Jahres 1624. Die Reichsfürsten erhielten die
Landeshoheit und das Recht, Bündnisse zu schließen. Der
Kaiser durfte von jetzt ab nur mit Zustimmung der Reichsstände
Krieg führen, Gesetze geben und Steuern auferlegen. Schweden
bekam den größten Teil von Pommern und 15 Millionen Mark Kriegs-
kosten, Frankreich ein gut Stück vom Elsaß, Brandenburg Hinter-
pommern und die Bistümer Minden, Halberstadt, Kammin und Magde-
burg, Sachsen die Lausitz, Bayern die Oberpfalz, während die Unter-
pfalz dem Sohne des unglücklichen Friedrich V. mit einer achten Kurwürde
zurückgegeben wurde. Mecklenburg und Hessen-Kassel erhielten kleine
Entschädigungen. Die hessische Landgräfin Amalia war die treuste
Verbündete der Schweden gewesen. Wegen ihrer klugen Verwaltung in
den schwierigsten Lagen, wegen ihrer Standhaftigkeit im evangelischen
Glauben und wegen ihrer Bundestreue ist sie viel gepriesen worden. Die
Schweiz und die Niederlande wurden für unabhängig erklärt.
7. Die verderblichen Folgen des Krieges. Durch den West-
fälischen Frieden war Deutschlands Ohnmacht besiegelt. Deutsch-
land als europäische Macht bestand nicht mehr; es gab nur noch einen
deutschen Staatenbund von mehr als 300 unabhängigen kleinen
und großen Herrschaften. Die Fürsten ergötzten sich an Hetzjagden und
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_von_Bayern Maximilian Friedrich_V. Friedrich_V.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Wien Prag Westfalen Katholischen Pommern Frankreich Brandenburg_Hinter- Halberstadt Kammin Sachsen Hessen-Kassel Schweden Deutschlands
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Frankreich zur Republik machte und seine wilden und schlammigen
Wellen durch ganz Europa wälzte. Wie ein Fieber ergriff die Be-
wegung auch Preußen. Reine und unreine Leidenschaften wallten
überall auf. Edle Männer und lose Schreier machten sich zu Ver-
tretern des Volkswillens und setzten alle Kreise in Gärung. Obwohl
sich Friedrich Wilhelm Iv. der Erfüllung berechtigter Volkswünsche
1848 geneigt zeigte, so brach doch am 18. März 1848 ein furchtbarer
Straßenkampf in Berlin (und dann in anderen Städten) aus, in dem das
Militär zwar siegte, aber trotzdem von dem friedliebenden Könige aus
der Stadt zurückgezogen wurde. Er berief nun eine Nationalver-
sammlung, die eine neue Verfassung beraten sollte. In ihr ging
es oft bunt und wild her, während in den Straßen der Pöbel lärmte,
schmähte und Unfug verübte. Da stellte der König den Grafen von
Brandenburg und den Freiherrn von Manteuffel an die Spitze
der Regierung. Diese Männer schafften mit Hilfe der Armee Ordnung,
verlegten die Nationalversammlung nach Brandenburg und lösten sie
1850 endlich ganz auf. Darauf gab der König am 31. Januar 1850 die noch
heute gültige Verfassung, nach der alle Gesetze durch das Zusammen-
wirken der Regierung, des vom Lande gewählten Abgeordneten-
hauses und des vom Könige berufenen Herrenhauses entstehen.
Einige Artikel von den Rechten der Preußen lauten:
Art. 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich. Standesvorrechte finden
nicht statt.
Art. 5. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.
Art. 6. Die Wohnung ist unverletzlich.
Art. 12. Tie Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der öffentlichen
Religionsübung ist gewährleistet.
Art. 20- Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
Art. 21. Für die Bildung der Jugend wird durch öffentliche Schulen
gesorgt. Kein Kind darf ohne Unterricht bleiben.
Art. 23. Alle Unterrichts- und Erziehungsanstalten stehen unter Aufsicht
des Staates.
Art. 25. Der öffentliche Volksschulunterricht wird unentgeltlich erteilt Den
Lehrern wird ein festes, den örtlichen Verhältnissen angemessenes Gehalt gewährleistet.
Art. 27. Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und
bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
Art. 32. Das Petitionsrecht (d. h. das Recht, Bitten und Anträge an die
Staatsgewalt zu richten) steht allen Preußen zu.
Art. 34. Alle Preußen sind wehrpflichtig.
Andere wichtige Bestimmungen aus der Verfassungsurkunde sind: Die
Person des Königs ist unverletzlich. Die Minister sind verantwortlich. Der
König hat die vollziehende Gewalt; er ernennt die Minister und die Staats-
beamten, beruft die beiden Kammern und hat das Recht der Begnadigung und
Strafmilderung.
In der Pfalz und in Baden hatten sich die Aufständischen der
Regierungsgewalt bemächtigt, aber der Prinz von Preußen, der spätere
Kaiser Wilhelm I., besiegte die badischen Freischaren und führte den
Großherzog zurück. — Auch Wien hatte sich im Aufstande erhoben,
wurde aber eingenommen und gezüchtigt. Die Ungarn rissen sich unter
Kossuth von Österreich los und konnten nur mit Hilfe der Russen
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Extrahierte Personennamen: Schreier Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Wilhelm_I. Wilhelm_I.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europa Berlin Brandenburg Brandenburg Pfalz Baden Wien
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Kaiser und seinen Kanzler, den Fürsten Bismarck, richteten sich die Augen
der Fürsten, Staatsmänner und Völker, wenn der Weltfriede bedroht
erschien, in der Hoffnung, daß die Weisheit deutscher Staatskunst Europa
den Frieden sichern werde. Der blutige Krieg zwischen Russen und
Türken, der das Fürstentum Bulgarien von der Türkei losriß, wurde
1878 durch den Kongreß und Frieden von Berlin geendigt (1878). Zur
Sicherung des europäischen Friedens, welcher durch Frankreich und
Rußland gefährdet erschien, schloß Deutschland ein Schutz- und Trutz-
bündnis mit Österreich, welchem auch Italien beitrat. Dieser Dreibund
ist bis heute die Bürgschaft des Weltfriedens. Auch die Berufung der
1884 Afrikanischen Konferenz nach Berlin (im Winter 1884) ist des
großen Kanzlers Werk. Sie regelte die Beziehungen der Nationen
zu den aufgeschlossenen afrikanischen Gebieten am Kongo und Niger. —
Die über den ganzen Erdball zerstreuten Deutschen sind nicht mehr
schutzlos wie vordem, sondern durch eine starke Reichsregierung geschützt
und als Glieder einer großen Nation geehrt. Deutsche Kriegsschiffe
wahren die Ehre des deutschen Namens in allen Meeren und an allen
Küsten. „Zur wirksamen Wahrung des deutschen Handels hat die
kaiserliche Regierung einige Gebiete an der Westküste Afrikas unter
ihren Schutz genommen." Es sind dies Togoland, Kamerun und
Angra Pequeña in West- und Südwestafrika, wo deutsche Kaufleute
Ansiedelungen angelegt hatten. Auch in Ostafrika, an der Nordküste
Neu-Guineas und auf einigen Inseln des neubritannischen Archipels
weht die deutsche Flagge. — Die deutschen Mittel- und Klein-
staaten sind jetzt keine Gefahr mehr für die deutsche Einheit und Größe.
Im Dienste des nationalen Gedankens fördern sie die Kulturarbeit,
gestalten sie vielseitig und mannigfaltig und helfen sie durch verschiedene
Mittelpunkte — die Haupt- und Residenzstädte — verbreiten. An der
allgemeinen Durchbildung des deutschen Volkes wie an den glorreichen
Thaten und Errungenschaften von 1870—71 gebührt ihnen ein guter Anteil.
6. Der mächtige Kriegsherr und Führer des Deutschen Reiches.
Das Deutsche Reich wurde ein verfassungsmäßiger Bundesstaat aus
25 Staaten und dem Reichslande Elsaß-Lothringen. Die Ober-
leitung erhielt der König von Preußen als deutscher Kaiser. Der
oberste Reichsbeamte ward der Reichskanzler. (Erst Fürst Bismarck,
dann Graf Caprivi, jetzt Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst.) Unter
ihm stehen das Auswärtige Amt, das Reichsamt des Innern, das
Reichsmarineamt, das Reichsschatzamt und das Reichspostamt.
Die höchste richterliche Behörde des Reiches ist das Reichsgericht in Leipzig.
Die Reichsgesetze werden durch den Bundesrat (58 Vollmachtsstimmen
der Bundesregierungen) und den Reichstag (397 gewählte Abgeordnete
des deutschen Volkes) beraten und beschlossen. Sie erstrecken sich hauptsäch-
lich auf Heer, Marine, Handel, Post, Telegraphen, Eisenbahnen, Münzen,
Maße und Gewichte, Gerichtsverfahren, Presse, Strafrecht, bürgerliches
Recht und Gewerberecht. Die Einnahmen des Reiches kommen aus den
Verbrauchssteuern (auf Salz, Tabak, Branntwein, Bier und Zucker),
den Zöllen (auf Kaffee, Tabak, Petroleum, Getreide, Wein, Vieh u. s. w.),
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Bulgarien Berlin Frankreich Deutschland Italien Berlin Niger Afrikas Kamerun West- Südwestafrika Ostafrika Nordküste
Neu-Guineas Reichslande_Elsaß-Lothringen Leipzig
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zu machen. Mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern hat er eingehende
Beratungen gehalten, um Licht und Schatten, Leistung und Gegenleistung
gerecht zu verteilen. Wohlthätige Gesetze zum Schutze der armen
und wirtschaftlich schwachen Unterthanen sind erlassen. Er-
krankte Arbeiter erhalten unentgeltlich Arzt und Arznei und werden
mit ihren Angehörigen nach dem Krankenkassengesetz unterstützt. Nach
dem Unfallversicherungsgesetz werden alle Verunglückten unter-
halten, die durch Unfälle bei der Arbeit erwerbsunfähig wurden. Nach
dem Altersversicherungsgesetz erhalten alte und dienstunfähige
Arbeiter ein lebenslängliches Jahrgeld. Wie jeder Mensch die Pflicht
zur Arbeit hat, so soll er auch ein Recht auf Schutz und Sicherung
seines Loses haben. So soll jeder Arbeiter seine Sonntagsruhe haben.
Die Einkommensteuer ist so umgestaltet, daß ein Jahreseinkommen bis
900 Mark nicht besteuert wird. Die neue Landgemeindeordnung will
die Gemeinden zu größerer Selbständigkeit in der Selbstverwaltung führen.
Das edle Beispiel unseres Kaisers, den manche begeistert einen
„Arbeiterkaiser" genannt haben, reizt alle anderen Staaten zur Nach-
ahmung, so daß jetzt überall Gesetze zum Schutze der Arbeiter beraten werden.
7. Schmerzliche Verluste. Am 7. Januar 1890 starb des Kaisers 1890
Großmutter, die greise Kaiserin Augusta. Ihr Tod versetzte das kaiser-
liche Haus wie das ganze Land in die tiefste Betrübnis. Wie ihr großer
Gemahl wird auch sie im Volke unvergessen bleiben: als edle Frau,
als hochherzige Beschützerin aller wohlthätigen Bestrebungen für das
Volkswohl, als Gründerin der Frauenvereine, die unter dem „Roten
Kreuze" so überaus segensreich wirken.
Am 20. März 1890, kurz vor seinem 75. Geburtstage, legte Fürst 1890
Bismarck sein Amt als Kanzler des Deutschen Reiches nieder und zog
sich auf seine Güter, Friedrichsruhe im Sachsenwalde bei Hamburg
und Varzin in Hinterpommern, zurück. Mit Schmerz sah ihn Deutsch-
land aus seiner weltgebietenden Stellung scheiden, in welcher er 28 Jahre
hindurch für den Ruhm und die Macht Preußens, für die Einheit und
Größe Deutschlands gekämpft hatte, wie keiner vor ihm. Nie wird der
Deutsche vergessen, daß er ihm hauptsächlich ein großes, einiges und
mächtiges Vaterland verdankt. Ihm folgte als Kanzler Graf Caprivi
und diesem 1894 Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst, der frühere
Statthalter von Elsaß-Lothringen. Unfern einzigen Bismarck entriß uns
der Tod am 30. Juli 1898 zur unsäglichen Trauer Alldeutschlands.
Am 26. Oktober 1890 feierte ganz Deutschland wie ein Mann
den 90. Geburtstag seines stillen, edlen, großen Waffenschmiedes und
Schlachtendenkers Moltke. Doch schon am 24. April 1891 rief ihn 1891
Gott unerwartet durch einen schmerzlosen Tod in die Ewigkeit.
8. Verfassung und Verwaltung des preußischen Staates. Die
Gesetze werden vom Abgeordnetenhaus beraten. Es zählt jetzt 433
Mitglieder, die aus 5 Jahre gewählt werden und mindestens 30 Jahre alt
sein müssen. — Die obersten Staatsbehörden sind die Ministerien,
ihnen sind die Provinzialbehörden und diesen wiederum die örtlichen
nachgeordnet. Es giebt 9 Ministerien: 1. das Ministerium der äußeren
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Extrahierte Personennamen: Augusta Caprivi Schlachtendenkers_Moltke
Extrahierte Ortsnamen: Sachsenwalde Hamburg Hinterpommern Deutschlands Elsaß-Lothringen Deutschland