Erste Periode der griechischen Geschichte. 23
Unter diesen Bewegungen bildeten sich die religisen Anschauungen der Griechen in der Weise aus, da die von den Pelasgem verehrten Natur-machte personificirt und in die schnen olympischen Götter umgebildet wur-den (Anthropomorphismus). Zeus war als Naturgottheit der segnende und donnernde Himmelsgott und wurde auf den hchsten Bergen des Landes, dem Olympus, Kyllene, Jthome. Taygetns und im Eichenhaine zu Dodona verehrt; als geistig-sittliche Gottheit beherrscht er fast alle menschlichen Ver-Hltnisse, ist Beschtzer des Heerdes, des Gastrechts, des Staates u. s. w.; Hera, seine Gemahlin, stand der Ehe und dem Familienleben vor. Hades und seine Gemahlin Persephone, die Tochter der Demeter, waren die Herrscher der Unterwelt. Poseidon, der Bruder des Zeus, war der Gott des Meeres und des auf Seehandel begrndeten brgerlichen Wohlstandes. Pallas Athene, die Grnderin und Beschtzerin der Städte und der brgerlichen Werkthtigkeit und Geschicklichkeit, war zugleich als Kriegsgttin die Beschtzerin der besonnenen Tapferkeit. Phbus Apollo, Sohn des Zeus und der Latona, bekmpfte als Sonnen- und Lichtgott die Mchte der Finsternis, z. B. den Dracben Python, daher der Pythische Gott, und wrbe der Schpfer einer neuen hheren Cultur. Als Heil- und Shnegott ist er Vater des Asklepios, als Gott der Weissagung von den Musen, den Tch-tern der Mnemosyne, begleitet. Sein Hauptorakel zu Delphi am Fue des Parna. Seine Schwester Artemis, ursprnglich jungfruliche Mond-gttin mit Pfeil und Bogen, war die Gttin des schnellen Todes namentlich bei Frauen, dann Gttin der Jagd und des freien Naturlebens und Schtze-rin der Sittenreinheit der Jugend. Ihr Symbol war die Hirschkuh, Ar-kadien ihr Lieblingsland. Demeter (die Mutter Erde) war die Grnderin des Ackerbaues, der Ehe und des Eigenthums, Bacchus der Gott des Weins und aller frhlichen Geselligkeit, an dessen Festen prchtige Aufzge und Schauspiele veranstaltet wurden. Die Zahl der Gottheiten wurde dadurch ins Unendliche vermehrt, da die Griechen das Walten der Naturkrfte und jeben Gegenstanb in der Natur (jeben Flu, Baum, Berg ic.) als einen persnlichen Gott auffaten, lieber allen Gottheiten waltete das unerbitt-liche Schicksal.
Im heroischen Zeitalter stauben an der Spitze der kleinen Staaten erb-liehe Könige. Die Macht des Knigs, die von Zeus stammt, beruhte nur auf seinem Reichthum und seinem persnlichen Ansehn, beim berall stand ihm ein einflureicher Abel zur Seite. Vor biesem hatte er weiter keine Vorrechte, als ba er Anfhrer im Kriege und oberster Richter war, die all-gemeinen Berathungen des Volkes auf dem Markte leitete und gewisse Opfer verrichtete. Seine Einknfte bestanden im Ertrage seiner Gter und in Ehrengaben; seine Wrbe erbte ans seine Shne fort, wenn diese ihm hnlich waren. Das Volk nahm nur geringen Theil an den ffentlichen Angelegenheiten ; es durfte in seinen Versammlungen keine Beschlsse fassen, son-dern nur den Beschlu der Getonten vernehmen; diese whlte der König ans den Huptern der edlen Geschlechter.schon frh waren die Griechen in der Bearbeitung der Metalle und in der Verfertigung knstlicher Gewebe geschickt; die niebeten Dienste des Hauses wrben von Sklaven verrichtet.
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Extrahierte Personennamen: Persephone Phbus_Apollo Python Zeus
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hin. Der Edelmann verwunderte sich sehr, noch mehr aber, als der
Mann auch am folgenden Tage und ferner die ganze Woche und
endlich die etlichen Jahre wieder kam, die der Edelmann noch lebte,
und einen Mittag wie den andern eine volle Schüssel brachte und die
leere dagegen holte.
Es ist nicht auszusprechen, welch herzliches Verlangen der Edel-
mann hatte, seinen unbekannten Wohltäter kennen zu lernen und ihm
zu danken, so daß er endlich zu dem Diener sprach: „Sagt Euerm
Herrn, daß mein Ende nahe ist. daß ich aber nicht ruhig sterben kann,
ich habe denn zuvor meinem Wohltäter die Hand gedrückt und mich
bedankt." Da nickte der alte Diener beifällig mit dem Kopfe, und noch
denselben Abend erschien der Erzherzog Albrecht an dem Bette des
Edelmanns, der die Hand seines Wohltäters mit Dankestränen benetzte
und etliche Stunden darauf fröhlich von hinnen schied.
Uns Menschenkindern aber ist der Wohltäter nicht unbekannt,
der uns so viele Jahre her aus seiner Küche eine Schüssel um die
andere zugeschickt, vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gegeben
und unsre Herzen erfüllet hat mit Speise und Freude. Und doch ist
es manch einem zu viel, zu einem Tischgebet seinen Kopfdeckel zu rücken.
Ahlfeld.
41. Der kleine Friedensbote.
Ein Gerber und ein Bäcker waren einmal Nachbarn, und die gelbe
und weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem Gerber ein
Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, und wenn der
Bäcker in seinem großen Obstgarten an Stelle eines ausgedienten
Invaliden eines Rekruten bedurfte, ging der Gerber in seine schöne
Baumschule und hob den schönsten Mann aus, den er darin hatte,
eine Pflaume oder einen Apfel oder eine Birne oder eine Kirsche, je
nachdem er auf diesen oder auf jenen Posten, auf einen fetten oder
magern Platz gestellt werden sollte. — An Ostern, an Martini und
am heiligen Abend kam die Bäckerin, welche keine Kinder hatte, immer
mit einem großen Korb unter dem Arme zu den Nachbarsleuten hinüber
und teilte unter die kleinen Paten aus, was ihr der Hase oder das
Christkindlein selbst unter die schneeweiße Serviette gelegt hatten. Je
mehr sich die Kindlein über die reichen Spenden freuten, desto näher
rückten sich die Herzen der beiden Weiber, und man brauchte keine
Zigeunerin zu sein, um zu prophezeien, daß sie einander immer gut
bleiben würden.
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber
als Jagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann und der Bäcker
3*
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Ahlfeld Martini Feldmann
8
3. Die Mutter spricht: „Morgen ists Feiertag.
Da halten wir alle fröhlich Gelag.
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid.
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
dann scheint die Sonne wie Gold." —
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
4. Großmutter spricht: „Morgen ists Feiertag.
Großmutter hat keinen Feiertag;
sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid;
das Leben ist Sorg und viel Arbeit.
Wohl dem, der tat, was er sollt!" —
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
5. Urahne spricht: „Morgen ists Feiertag.
Am liebsten morgen ich sterben mag.
Ich kann nicht singen und scherzen mehr;
ich kann nicht sorgen und schaffen schwer;
was tu ich noch auf der Welt?" —
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
6. Sie Hörens nicht, sie sehens nicht;
es flammt die Stube wie lauter Licht;
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
vom Strahl miteinander getroffen sind.
Vier Leben endet ein Schlag —
und morgen ists Feiertag. Schwab.
12. Des -ritten Gebotes Fluch.
Haffs gehört, Kind ? Du soll st den Feiertag heiligen!
Denk, was da oben im Emmental in der Schweiz einem Bauer, der
nach Gott und Menschen nichts fragte und bloß nach dem eignen Kopfe
fahren wollte, begegnet ist. An einem Sonntage hatte der Bauer viel
Korn draußen liegen. Als er nachmittags an den Bergen Wolken gesehen
und die nasse Brunnenröhre, die ordentlich tropfte, da hat er das
Gesinde zusammen gerufen und gesagt: „Rasch hinaus, gehäufelt und
gebunden! Es wettert auf den Abend; bringen wir tausend Garben
trocken ein, so gibts danach Wein genug." Das hörte seine Groß-
mutter, die war achtzig Jahr alt und ging an zwei Krücken; sie kam
mühsam daher und sagte: „Johannes, Johannes, was denkst du auch?
Solange ich mich zurückerinnern mag, ward hier am Sonntag nie
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nicht viel Fracht. Der Kollheim wünschte ihm alles, was ihm heil-
bringend sein kann; aber der Arme fands in Lauterberg nicht; —
denn er erkrankte und starb, und die Lauterberger schickten die hungern-
den Kinder dahin, wo sie hergekommen waren. Die Bauern im Dorfe
dachten: Was mich nicht brennt, das blase ich nicht! und ließen die hungern-
den Waisen laufen. Dachte auch der blutarme Kollheim so? Nein, liebe
Kinder, der nahm die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte
zu seinen drei Kindern, sah mit einer heißen Träne gen Himmel und
seufzte: „Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeist hast, hilf
und verlaß mich nicht!"
Wenn die Not au: größten, ist Gott am nächsten! Was Kollheim
getan, wurde der preußischen Regierung in Erfurt bekannt, und diese
sandte ihm 40 Taler zur ersten Hilfe; auch sandte ihm ein frommer
Mann heimlich 10 Taler. Und als es der fromme Preußenkönig
Friedrich Wilhelm Iii. hörte, so sandte dieser dem guten Kollheim ein
kleines Kapital, daß er sich ein Feldgütchen kaufen konnte. Eins der
Volkmannschen Kinder aber kam ins Waisenhaus nach Halle, welches
der fromme Francke gestiftet hat, der auch nicht sagte: „Was mich nicht
brennt, das blase ich nicht!" v. Horn.
48. Der Postillon.
1. Lieblich war die Maiennacht, 5. Rauher war mein Postillon,
Silberwölklein flogen, ließ die Geißel knallen,
ob der holden Frühlingspracht über Berg und Tal davon
freudig hingezogen. frisch sein Horn erschallen.
2. Schlummernd lagen Wies und
Hain,
jeder Pfad verlassen;
niemand als der Mondenschein
wachte auf der Straßen.
3. Leise nur das Lüftchen sprach,
und es zog gelinder
durch das stille Schlafgemach
all der Frühlingskinder.
4. Heimlich nur das Bächlein
schlich,
denn der Blüten Träume
dufteten gar wonniglich
durch die füllen Räume.
6. Und von flinken Rossen vier
scholl der Hufe Schlagen,
die durchs blühende Revier
trabten mit Behagen.
7. Wald und Flur im schnellen
Zug
kaum gegrüßt — gemieden;
und vorbei wie Traumesflug
schwand der Dörfer Frieden. —
8. Mitten in dem Maieuglück
lag ein Kirchhof innen,
der den raschen Wanderblick
hielt zu ernstem Sinnen.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Francke
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lieber Freund, der Schneider; der verließ ihn nicht in seiner Not. Er
war Tag und Nacht um den Kranken und pflegte und erquickte ihn.
Er wußte die wohlhabenden Bäuerinnen so mitleiderweckend anzugehen,
daß er bald da, bald dort eine Schüssel kräftiger Suppe herausbrachte,
und wo die bittenden Blicke und sein erlerntes Polnisch nicht zureichten,
da legte er ein Stück seiner Habschaft dafür hin, ein Stück nach dem
andern. Dafür hatte er aber auch die herzliche Freude, seinen Kameraden
nach einiger Zeit wiederhergestellt zu sehen. Dieser wußte ihm für die
erwiesene Liebe und Treue nicht genug zu danken und weinte oft aus
Liebe und Dankbarkeit und aus Bekümmernis, daß er ihm seine Sachen
nicht wieder ersetzen könne. Der Schneider aber tröstete ihn dann und
sprach: „Was ich dir getan habe, das habe ich dem Herrn Jesus
getan, der ist reich genug, alles wieder zu bezahlen; aber es verlohnt
sich nicht der Mühe."
Die guten Freunde zogen nun in Warschau, der Hauptstadt Polens,
ein; da bekam der Schmied Arbeit, der Schneider hingegen nicht.
Darum mußten sie sich trennen. Es tat beiden im Herzen wehe, wie
sie einander zum letzten Male die Hände drückten. — Dem Schneider
ging es von da an übel; er wanderte beinahe zehn Jahr kreuz und
quer durch die verschiedensten Länder und hatte zuletzt keinen Strumpf
mehr an den Füßen und keine Sohle mehr an den Schuhen. Am
Ende geriet er gar noch unter die Werber, die ihn als Rekruten nach
Wien lieferten. Sie ließen ihn jedoch bald wieder laufen, da sie
merkten, daß er den Feinden nichts weniger als gefährlich werden
dürfte; denn er war sehr schwächlich und fast immer krank. Halb-
nackend kam er nunmehr nach Sachsen hinein, und weil er in seinem
armseligen Anzuge nirgends Arbeit fand, mußte er endlich betteln.
Da traf es sich, daß er eines Abends in einem Dorfe bei einem
Schmiede um einen Zehrpfennig ansprach. Dem Meister, welcher mit
vier Gesellen arbeitete, fuhr die Stimme durch alle Glieder. Er sprang
an die Tür, hielt dem Bettler das Licht ins Gesicht und — „Je,
Bruder, bist düs, oder bist düs nicht?" — rief er und erkannte
in ihm mit unbeschreiblichem Vergnügen seinen alten Freund. Da
flössen nun süßere Tränen als vor Warschau, dort im Polenlande.
Der Schmied, welcher in diesem Dorfe eine reiche Witwe geheiratet
hatte, brachte den matten Pilgrim in die Stube, legte ihm feine
Sonntagskleider an, setzte ihn in den Lehnstuhl am warmen Ofen, rief
alle seine Leute zusammen und sagte ihnen, das sei er, das sei der
liebe Bruder Schneider, von dem er ihnen soviel erzählt und dem er
es nächst Gott zu danken habe, daß er nicht schon lange in einem
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polnischen Kirchhofe liege. Die Meisterin, welche dem unbekannten
Wohltäter ihres geliebten Ehegatten schon oft Gottes Segen auf allen
seinen Wegen gewünscht hatte, war zur Küche hineingesprungen, hatte
eiligst ihre Hand auf beiden Seiten abgetrocknet und sie unter den
freundlichsten Grüßen dem werten Gaste hingestreckt. Sie eilte aber
bald wieder hinaus, um zwei fette Gänse abzuschlachten und ein fest-
liches Mahl zu bereiten, wozu sie ihre ganze Freundschaft laden ließ.
Der Schmied aber rief einmal über das andere: „Das soll mir ein
Freudentag sein!" und herzte und küßte den treuen Kameraden, der
noch immer ganz verstummt drein sah und die Sprache nicht recht
finden konnte.
Die Gänse wurden fertig, und der hungrige Schneider erinnerte
sich nicht, in vielen Jahren so prächtig gespeist zu haben. Dabei er-
zählte ihm der Schmied seine seitherigen Schicksale, was dem Schneider
wie die schönste Tafelmusik klang; und nachdem dieser sich satt gegessen
hatte, mußte auch er erzählen, wie es ihm ergangen sei. Alle An-
wesenden wurden gerührt und gewannen den Fremdling bei seiner
offenherzigen Erzählung so lieb, daß sie verlangten, er sollte bei ihnen
feinen Wanderstab niederlegen. Wer sehnte sich mehr nach einem
Plätzchen der Ruhe als unser lieber Schneider! Es fror ihn noch,
wenn er an die Schneegestöber dachte, die er in manchem Winter hatte
durchfechten müssen. Mit Freuden ging er daher auf den Vorschlag
ein, wurde der Mann eines tugendsamen Weibes und erfreute sich
des göttlichen Segens in so reichem Maße, daß er ohne allen Mangel
leben konnte.
So hatten es beide, der Schmied am Schneider und der Schneider
am Schmiede erfahren, was Sirach im 6. Kapitel spricht: „Ein treuer
Freund ist ein Trost des Lebens; wer Gott fürchtet, der kriegt solchen
Freund." Redenbacher.
50. Dienerlreue.
Ein reicher Herr in Polen fuhr zur Winterzeit in einem Schlitten
nach dem Städlein Ostrowo, nur von seinem Knechte Jakob begleitet,
der dem Schlitten vorreiten mußte. Ehe sie die Stadt erreichten,
mußten sie durch einen langen, einsamen Wald, und es war bereits
Abend. Der Knecht schlug daher dem Herrn vor, in einer Herberge,
die am Eingänge des Waldes lag, zu übernachten; denn im Walde
seien viele Wölfe, und die Untiere seien jetzt gar grimmig, weil der
Winter so hart sei. Der Herr war aber einer von den Wunderlichen,
von denen, die einen guten Rat, wenn er von einem Knechte kommt,
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Extrahierte Personennamen: Schneider Schneider Städlein_Ostrowo Jakob
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Magd sich ihrer an und vertrat mehr als Mutterstelle bei ihnen; denn
sie erwarb als Tagelöhnerin erst, was sie zum Unterhalte sür ihre
Pfleglinge gebrauchte. In jenem Hause, das einst Eigentum ihrer
Herrschaft war, mietete sie sich ein Stübchen, zog mit den Kindern
hinein und versah das freiwillige Erzieheramt fort und fort in Liebe
und Treue.
Da kam das Jahr 1870 und mit ihm der 6. August, an welchem
die Schlacht an den Spicherer Höhen geschlagen wurde. Die Geschichte
erzählt uns, wie schwer, wie blutig jener Tag war, wie unsere Soldaten
Wunder von Tapferkeit und Heldenmut verrichteten, — galt es ja, im
heißen Ringen den Feind von den Grenzen Deutschlands zu weisen.
Wo Männer kämpfen und Wunden schlagen, da ist es der Frauen
Amt, zu helfen und zu heilen. Katharine gab an diesem Tage den
Frauen Deutschlands ein leuchtendes Beispiel. Mit einer großen*Wasser-
bütte auf dem Kopfe trat sie ohne Furcht in die Gefechtslinie, und
während rings die Kugeln sausten und der Tod reiche Ernte hielt,
stärkte sie die Kämpfenden und labte die am Boden liegenden Ver-
wundeten mit frischem Tranke.
Ein höherer Offizier bemerkte diese Samariterarbeit. Er sprengte
auf die mutige Magd zu und rief warnend: „Weib, sieht Sie denn
nicht, wie gefahrvoll es hier ist? Mache Sie sich fort, hier wird ja
geschossen!"
Da richtete sich Katharine empor, — sie war sehr groß, „eine
Hünengestalt", sagt man, und antwortete ruhig: „Das sehe ich wohl,
Herr Leutnant; aber ich bin ja kein Soldat und schieße auch nicht!"
Ohne sich um die Kugeln zu kümmern, setzte sie ihr Werk fort und
trug manchen Verwundeten auf ihren starken Armen aus dem Gefechte
zu den Verbandplätzen an einen sicheren Ort. Immer wieder kehrte
sie dann mit gefüllter Bütte zurück, — und wie wohl mögen jene Becher
Wasser, die sie reichte, den Durstigen getan haben!
Die Offiziere hatten dem Könige Wilhelm berichtet, was jene Magd
getan hatte, und als Anerkennung für ihre unerschrockene, liebevolle
und selbstlose Tat verlieh ihr der gütige Herrscher das Ehrenkreuz und
die Kriegsdenkmünze. Durch diese Auszeichnung wurde die Achtung,
die sich Katharine bereits durch ihre frühere Handlungsweise in ihrer
Vaterstadt erworben hatte, noch erhöht.
Als Katharine im nennundsechzigsten Lebensjahre von einer Krank-
heit befallen wurde, kämpfte ihre kräftige Natur mit dem Leiden. In
einem Sessel sitzend, starb sie am 6. August, sechzehn Jahr nach jenein
B. Iv. R. j.
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Extrahierte Personennamen: August Wilhelm Katharine August
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es unverseilens auf den gutmütigen Preussen ab ; glücklicherweise
ging aber der Schuss fehl. „Es war gut gezielt“, sagte dieser,
„denn die Kugel pfiff mir dicht am Ohre vorbei, aber böse ge-
meint, und ich kann dich deswegen nicht ungestraft lassen.
Sieh, diese Flasche ist voll guten Weins, und du hättest sie
ganz bekommen, jetzt aber bekommst du sie nur halb!"
Damit tat der Preuße einen tüchtigen Schluck aus der-
selben, gab sie dann dem Schweden und ging ruhig davon.
Müllenhoff.
Von Jahren alt, an Gütern reich,
teilt' einst ein Vater sein Vermögen
und den mit Müh erworbnen Segen
selbst unter seine Söhne gleich.
„Ein Diamant ists", sprach der Alte,
„den ich für den von euch behalte,
der mittels einer edlen Tat
darauf den größten Anspruch hat."
Um diesen Anspruch zu erlangen,
sieht man die Söhne sich zerstreun.
Drei Monde waren schon vergangen,
da stellten sie sich wieder ein.
Drauf sprach der älteste der Brüder:
„Hört,es vertraut' ein fremdermann
sein Gut ohn einen Schein mir an;
dem gab ich es getreulich wieder.
Sagt, war die Tat nicht lobens-
wert?"
„Du tatest, Sohn, wie's sich gehört,"
ließ sich der Vater hier vernehmen,
„wer anders tut, der muß sich
schämen;
denn ehrlich sein heißt uns die
Pflicht.
Die Tat ist gut, doch edel nicht."
Auf meiner
Reise
fiel einst ganz unachtsamerweise
ein armes Kind in einen See;
ich aber zog es in die Höh
und rettete dem Kind das Leben;
ein Dorf kann Zeugnis davon
geben."
„Du tatest", sprach der Greis,
„mein Kind,
was wir als Menschen schuldig sind."
Der jüngste sprach: „Bei seinen
Schafen
war einst mein Feind fest einge-
schlafen
an eines tiefen Abgrunds Rand;
sein Leben stand in meiner Hand.
Ich weckt ihn und zog ihn zurücke."
„O!" rief der Greis mit holdem
Blicke,
„der Ring ist dein; welch edler
Mut,
w e n n m a n d e m F e i n d e G u t e s
tut!" —
Lichtwer.
60. Der Vater und die drei Söhne.
Der andre sprach:
61. Das seltsame Rezept.
Es ist sonst kein grosser Spafs dabei, wenn man ein Rezept
in die Apotheke tragen muss; aber vor langen Jahren war es
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dem es recht leer und betrübt aussah, meint sie, es sei der Doktor,
und erzählt ihm ihren Umstand und wie sie noch so arm dabei sei
und sich nicht Pflegen könne. Der Kaiser sagte: „Ich will Euch dann jetzt
ein Rezept verschreiben," und sie sagte ihm, wo des Bübleins Schreib-
zeug sei. Also schrieb er das Rezept und belehrte die Frau, in welche
Apotheke sie es schicken müsse, wann das Kind heimkomme, und legte
es auf den Tisch.
Als er aber kaum eine Minute fort war, kam der rechte
Doktor auch. Die Frau verwunderte sich nicht wenig, als sie hörte,
er sei auch der Doktor, und entschuldigte sich, es sei schon einer
da gewesen und hab ihr etwas verordnet, und sie habe nur auf ihr
Büblein gewartet. Als aber der Doktor das Rezept in die Hand
nahm und sehen wollte, wer bei ihr gewesen sei und was für einen
Trank oder Pillelein er ihr verordnet habe, erstaunte er auch nicht
wenig und sagte zu ihr: „Frau, Ihr seid einem guten Arzt in die
Hände gefallen; denn er hat Euch fünfundzwanzig Goldstücke verordnet,
beim Zahlamt zu erheben, und unten dran steht: Joseph, wenn Ihr
ihn kennt. Ein solches Magenpflaster und Herzsalbe und Augentrost
hätt ich Euch nicht verschreiben können." Da tat die Frau einen
Blick gegen den Himmel und konnte nichts sagen vor Dankbarkeit und
Rührung, und das Geld wurde hernach richtig und ohne Anstand von
dem Zahlamt ausbezahlt, und der Doktor verordnete ihr einen Trank,
und durch die gute Arznei und durch die gute Pflege, die sie sich jetzt
verschaffen konnte, stand sie in wenig Tagen wieder auf gesunden
Beinen. Also hat der Doktor die kranke Frau geheilt und der Kaiser
die arme. Hebel.
63. Geduld.
1. Es zieht ein stiller Engel
durch dieses Erdenland,
zum Trost für Erdenmängel
hat ihn der Herr gesandt.
In seinem Blick ist Frieden
und milde, sanfte Huld.
O folg ihm stets hienieden,
dem Engel der Geduld!
2. Er führt dich immer treulich
durch alles Erdenleid
und redet so erfreulich
von einer schönern Zeit.
Denn willst du ganz verzagen,
hat er doch guten Mut;
er hilft das Kreuz dir tragen
und macht noch alles gut.
3. Er macht zu linder Wehmut
den herbsten Seelenschmerz
und taucht in stille Demut
das ungestüme Herz.
Er macht die finstre Stunde
allmählich wieder hell,
er heilet jede Wunde
gewiß, wenn auch nicht schnell.
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— 32 —
so war es ihr Sohn, und die junge Frau, die gestern mit ihm geredet
hatte, war ihre Schwiegertochter, und das Kind war ihr Enkel. Und
als der General seine Mutter erkannte und seiner Gemahlin sagte:
„Das ist sie," da küßten und umarmten sie sich, und die Mutterliebe
und die Kindesliebe und die Hoheit und die Demut schwammen in-
einander und gossen sich in Tränen aus, und die gute Mutter blieb
lange in ungewöhnlicher Rührung, fast weniger darüber, daß sie heute
die Ihrigen fand, als darüber, daß sie sie gestern schon gesehen hatte.
Als der Wirt zurückkam, sagte er, das Geld regne zwar nirgends
durch den Kamin herab, aber nicht 200 Franken nähme er darum, daß
er nicht zugesehen hätte, wie die gute Mutter ihren Sohn erkannte und
sein Glück sah. Hebel.
36. Ein Frie-hofsgang.
1. Beim Totengräber pocht es an:
„Mach auf, mach auf, du greiser Mann!
Tu auf die Tür und nimm den Stab,
mußt zeigen mir ein teures Grab!"
2. Ein Fremder sprichts mit struppgem Bart,
verbrannt und rauh nach Kriegerart.
„Wie heißt der Teure, der Euch starb
und sich ein Pfühl bei mir erwarb?" —
3. „Die Mutter ist es; kennt Ihr nicht
der Martha Sohn mehr am Gesicht?" —
„Hilf Gott, wie groß, wie braun gebrannt;
hätt nun und nimmer Euch erkannt!
4. Doch kommt und seht! hier ist der Ort,
nach dem gefragt mich Euer Wort.
Hier wohnt, verhüllt von Erd und Stein,
nun Euer totes Mütterlein." —
5. Da steht der Krieger lang und schweigt,
das Haupt hinab zur Brust geneigt.
Er steht und starrt zum teuern Grab
mit tränenfeuchtem Blick hinab.
6. Daun schüttelt er sein Haupt und spricht:
„Ihr irrt, hier wohnt die Tote nicht.
Wie schloß ein Raum, so eng und klein,
die Liebe einer Mutter ein!" Vogl.
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