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1. Heimatkunde vom preußischen Regierungsbezirk Kassel (Kurhessen) - S. 23

1905 - Frankfurt a. M. Leipzig : Neumann Kesselring
- 23 — ein Landgericht, eine Jrrenheilanstalt und eine Garnison. Das Schloß, ehemals Residenz hessischer Landgrafen, ist jetzt Aufbewahrungsort von Staatsurkunden (hessisches Landesarchiv). Hier erblickte Philipp der Groß- mutige 1504 das Licht der Welt. Auch fand hier 1529 das berühmte Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli statt. Die Perle unter Marburgs Gebäuden ist die prachtvolle Elisabethenkirche, ein Meisterwerk der Baukuust, die schönste Kirche des Landes. Ihre schönen Doppeltürme, 75 in hoch, sind die höchsten in Hessen. Diese Kirche ist über 600 Jahre alt. Sie enthält das Grab der hl. Elisabeth, der Stammmutter des hessi- schen Fürstenhauses. Die hl. Elisabeth. Elisabeth, geboren 1207, war die Tochter des Königs Andreas Ii. von Ungarn. Nachdem sie schon als Kind mit Ludwig, dem 10 jährigen Söhnchen des Landgrafen Hermann von Thüringen und Hessen verlobt worden war, wurde sie 1221 dessen Ge- mahlin und wohnte auf der Wartburg bei Eisenach. Sie war ein wahrer Engel für die Armen und Bedrängten. Ihre glückliche Ehe währte nicht lange; denn schon 1227 starb Ludwig auf einem Zuge nach dem heiligen Lande. Leiden aller Art trafen nun die verlassene Frau. Ihr Schwager, Heinrich Raspe, nahm das ganze Land, Thüringen und Hessen für sich in Besitz und vertrieb sie mit ihren Kindern von der Wartburg. Im größten Elend irrte sie mitten im Winter umher, bis sie bei ihrem Oheim Auf- nähme fand. Später föhnte sich Heinrich wieder mit der Landgräfin aus und wies ihr die Stadt Marburg mit allen dazu gehörigen Dörfern und Einkünften zum Wohn- sitze an. Elisabeth mochte aber nicht im dortigen Schlosse wohnen, sondern bezog mit ihrem strengen Beichtvater Konrad von Marburg das Krankenhaus, welches sie in der Stadt gegründet hatte. Hier widmete sie sich ganz der Pflege der Armen und und Kranken; alle ihre Habe gab sie den Armen, und für ihre eigenen Bedürfnisse genügte ihr, was sie mit Wollspinnen verdiente. Da sie außerdem ihrem zarten Körper durch Fasten und Geißeln Prüfungen auferlegte, so wurde ihre Kraft in der Blüte des Lebens aufgezehrt. Sie starb vielbeweint 1231. Schon vier Jahre später wurde sie vom Papste unter die Zahl der Heiligen aufgenommen. Über ihrem Grabe erhob sich bald eine der schönsten Kirchen Deutschlands. Pilger aus halb Europa strömten Jahrhunderte lang hierher. Um diese Wallfahrten zu unterdrücken, ließ Landgraf Philipp der Großmütige den Sarg der Heiligen öffnen, die Gebeine herausnehmen und an einem nur wenigen bekannten Orte der Kirche begraben. Der mit Gold, Silber und Edelsteinen reich geschmückte Sarg ist noch vorhanden. Das Andenken der edlen Frau lebt noch im Volke in vielen Sagen. So soll am Elisabethenbrunnen, eine Stunde von Marburg, die Heilige den Armen Zeuge und Kleider gewaschen haben. — 1247 wurde Hessen von Thüringen getrennt und bildete unter dem Enkel der hl. Elisa- beth eine selbständige Landgrafschaft. Von Elisabeth stammten daher die hessischen Fürsten ab. Die waldreiche Umgebung Marburgs bietet eine Menge schöner Aus- sichtspunkte. Das Dorf Kolbe unweit der Mündung der Ohm ist ein Eisenbahnknotenpunkt. Am Südfuße des Burgwaldes ist das Städtchen 'Wetter gelegen. Unterhalb Marburg bei ^Fronhausen (Dorf) erweitert sich das Lahntal zu einer fruchtbaren Ebene. Hier mündet der sehr frucht« bare „Ebsdorfer Grund", in welchem das Dorf Ebsdorf liegt.

2. Heimatkunde vom preußischen Regierungsbezirk Kassel (Kurhessen) - S. 27

1905 - Frankfurt a. M. Leipzig : Neumann Kesselring
- 27 — unweit der Schmalm ist von ebenen, schönen Fluren umgeben. Ganz im Südosten des Kreises nennen wir ^Raboldshausen, Flecken am Knüllge- birge, in dessen Nähe sich viele arme Walddörfer befinden. 11. Kreis Melsungen. Dieser und der vorhergehende Kreis sind die einzigen hessischen Kreise, welche nicht an fremde Gebiete grenzen; sie sind ringsum von hessischem Gebiete eingeschlossen. Das enge, schöne Tal der Fulda teilt den Kreis in zwei Halsten. Im westlichen Teile fließt die Eder, welche hier in der Waberner Ebene die Schwalm aufnimmt. Den östlichen Teil bedeckt der mächtige Riedforst. Melsungen, Kreisstadt in einem engen Bergkessel an der Fulda, hat ansehnliche Tuchfabriken, Wollspinnereien und Leinwand- Handel. Fuldaanswärts nennen wir die Dörfer Malsfeld, wo sich zwei bedeutende Eisenbahnen kreuzen, und Conneseld mit Gips- und Alabaster- brächen. Abwärts der Fulda unweit der Einmündung der Eder liegt das ehemalige Kloster Breitenau, jetzt Besserungs- (Korrektions-) und Land- armenanstalt. Malerisch erscheint das Städtchen Oelsberg an der Eder mit seiner Burg, die auf schroffer Felsenkuppe kühn emporragt. Im engen, tiefen Tale der Pfiefe ist die Stadt Spangeulierg zu erwähnen. Über derselben erhebt sich ein altes Bergschloß. Die Bewohner des Städtchens treiben viel Leinweberei. *Otto der Schütz. Landgraf Heinrich der Eiserne von Hessen hatte zwei Söhne, Heinrich und Otto. Den ersteren bestimmte er zu seinem Nachfolger, Otto aber zum geistlichen Stande und schickte ihn deshalb mit stattlichem Gefolge auf die hohe Schule gen Paris. Aber Otto hatte zum geistlichen Stande wenig Neigung. Er war jung, schön, stark und lebenslustig, liebte die Jagd und war als trefflicher Bogenschütze weit und breit be- kannt. Als er mit seinen Begleitern in Köln anlangte, entfernte er sich heimlich von ihnen, kaufte sich zwei gute Roffe, einen guten Harnisch und eine starke Armbrust und trat als Bogenfchütz in die Dienste des Herzogs von Cleve. Mehrere Jahre lebte er hier unbekannt unter dem einfachen Namen Otto der Schütz. Durch seine trefflichen Eigenschaften und sein ritterliches Wesen erwarb er sich die Gunst des Fürsten und die Liebe der schönen und tugendhaften Elisabeth, der Tochter desselben. .Da begab es sich, daß ein hessischer Edelmann, Heinrich von Homberg, der aufeiner Wallfahrt nach Aachen begriffen war, am clevifchen Hofe erschien, um sich feinem alten Herrn, dem Herzoge, dein er in seiner Jugend als Edelknabe gedient hatte, wieder einmal vorzustellen. Im Schloßhofe begegnete er Otto dem Schützen, erkannte ihn sogleich und erwies ihm fürstliche Ehre. Das sah zufällig der Herzog von einem Fenster aus. Er erfuhr nun auf seine Fragen von dem Ritter, daß Otto ein geborener Land- graf von Hessen sei und demnächst das Land erbe, da sein älterer Bruder gestorben und sein Vater schon sehr alt sei. Nun trug der Herzog keine Bedenken mehr, Otto dem Schützen seine Tochter zur Gemahlm zu geben. Dieser kehrte nach Hessen zurück und wurde von seinem Vater freudig empfangen. Spangenberg erhielt er mit feiner Gemahlin zur Residenz. Dort ging er in den wildreichen Wäldern der Umgebung fleißig auf die Jagd. Leider fand er dabei durch einen Sturz vom Pferde einen frühen und plötzlichen Tod (1366), noch ehe er seinem Vater in der Herrschaft folgen konnte.

3. Bis zum Interregnum - S. 25

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 25 - Die Familie bestand in der Urzeit keineswegs nur aus Maun und Frau und deren Kindern, sondern anch Seitenverwandte, z. B. Schwestern des Mannes, gehörten dazu, auch Nichtverwandte konnten darin Ausnahme finden. In der ältesten Zeit war es daher auch Brauch, daß ein Mann mehrere Frauen hatte. Als aber die Germanen in die Geschichte eintraten, zur römischen Kaiserzeit, bildeten diese Fälle schon die Ausnahme. Sitte war im allgemeinen bereits, daß der Mann nur eine Frau nahm. — Über alle Glieder der Familie besaß der Hansherr die Muut-schast, „d. h. Gewalt, Macht, Schutzpslicht und zugleich Schutzrecht" (Dahn). Selbst die Frau stand zeitlebens unter der Gewalt des Mannes, war rechtlich völlig unselbständig und mußte sich in allen Rechtsgeschäften durch ihn. ihren Muntwalt, vertreten lassen. Der Mann konnte Frau und Kinder sogar verkaufen, was nach leidenschaftlichem Spiel zuweilen auch vorkam. Die Söhne entwuchsen der Munt des Vaters, wenn sie ins Heer ausgenommen wurden oder einen eigenen Hausstand gründeten. Töchter wurden, wie schon aus der Stellung der Frau hervorgeht, niemals selbständig; bei ihrer Verheiratung ging nur die Munt vom Vater auf den Gatten über. Auch die Alten unterstanden der Hausherrngewalt. Wer das Schwert nicht mehr führen konnte, weffen Glieder schwach und wessen Geist stumpf geworden war, wer daher seinen Pflichten der Gesamtheit gegenüber nicht mehr nachkommen konnte, taugte nicht mehr zum Hausherrn. Darum haben Greise, die das selbst erkannten und fühlten, daß das Leben damit für sie keinen Wert mehr habe, sich zuweilen selbst den Tod gegeben, weil sie den Lebenden nicht eine „morsche Zugabe" sein wollten. Art die Mnntschast erinnern noch heute die Bezeichnungen mündig, unmündig, Vormund. Wenn nun auch bei den Germanen die Frau unter der Gewalt des Mannes stand, so war sie doch keineswegs nur seine Sklavin, die er wie eine Ware erwerben und veräußern konnte. Sie war vielmehr seine Freundin, seine Genossin, seine Vertraute, die Gefährtin feines Lebens. Als solche leitete sie mit klugem Sinn das Hauswesen und teilte auch alle sonstigen Interessen des Mannes. Sie folgte ihm sogar in die Schlacht und wußte oft von der Wagenburg aus durch begeisternde Zurufe den finkenden Mut neu zu beleben. Eine ihrer vornehmsten Aufgaben war auch die Ausübung der Heilkunst. Frauen waren es, die den verwundeten Kämpfern Hilfe brachten, die Wunden mit kühlem Wasser

4. Bis zum Interregnum - S. 26

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 26 — wuschen, sie mit Heilkraut und Salbe bebeckteu und mit reinem Linnen kunstgerecht verbanben. Frauen traute man vielfach auch einen Blick in die Zukunft zu, und man überließ zuweilen die Beantwortung der Frage, ob eine Schlacht zu wagen sei, ihrem weis-sagenben Muube. Allgemein begegnete man daher bert Frauen mit Achtung und gewisser Ehrfurcht, der Mann betrachtete sich nicht nur als ihren Herrn, fonbern ebenso als ihren Vertreter und Beschützer, und die Schutzpflicht staub bert Germanen ebenso hoch wie das Herrenrecht. Mit solchen Anschauungen überragten sie die alten Kulturvölker der vorchristlichen Zeit, die der Frau eine weit untergeordnetere Stellung zuwiesen. Ein römischer Schriftsteller, der über die Germanen schrieb, erkannte biesen Vorzug rühmetib an, lobte die Reinheit der germanischen Sitten nrtb wollte bamit seinen Lanbsleuten einen Spiegel vorhalten. Die Eheschließung bewegte sich schon früh in bestimmten Formen. Zwar kam es vor, daß das Weib geraubt ober entführt würde, Armin entführte z. B. feine Gattin Thusuelba ihrem Vater ©egest. Auch in der Gubruusage tritt uns ein solches Beispiel entgegen. Aber solche Falle galten immer als eine Rechtsverletzung. Die gültige Form der Eheschließung war die Kaufehe, die in Verlobung urtb Trauung zerfiel. Die Verlobung war die Brautwerbung. Aus der Geschichte Israels haben wir gelernt, daß sich Isaak nicht selbst eine Frau wählte, sonbern daß Abraham seinem treuesten Diener Elieser beit Auftrag erteilte, für seinen Sohn ein Weib zu holen. Ähnlich war es auch bei bert Germanen. Es war nicht schicklich, daß ein junger Mann, der sich vermählen wollte, selbst als Freier auftrat, sonbern ein angesehener Verwanbter besselbeu begab sich in die Familie des Mäbchens und besprach sich mit dem Vater ober, wenn biefer nicht mehr lebte, mit dem Vormnnb. Der Muntwalt legte die Angelegenheit seinen Blutsfreunben, bert Sippgenossen, vor; benn über das Ausscheiben eines arbeitsfähigen Mitgliebes hatten auch sie mit zu befmbert. Würbe von ihnen die Werbung gutgeheißen, so schloß der Bräutigam mit dem Muntwalt unter Beiftanb der beiben beteiligten Sippen einen Vertrag. Dabei zahlte der Freier einen vereinbarten Preis, den Muntschatz, der gewöhnlich in einer Anzahl von Rinbern bestaub. Dieses Entgelt sollte aber nicht für die Braut selbst gelten, sonbern war die Entschäbigung für die Muntfchaft, die durch die Verlobung auf den Bräutigam überging. Wenn somit auch das Weib dem Manne als Eigentum

5. Bis zum Interregnum - S. 28

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 28 — einer Buße auferlegt. Mit diesem Beharren im Witwenstande sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß dem Gatten die Treue auch übers Grab hinaus gewahrt werden sollte. Und wenn Kriemhild in der Sage eine zweite Ehe einging, so geschah es nur, um Siegfrieds Tod besser rächeu zu können, um auch in der Rache ihrem Gemahl Treue zu beweisen. Der Stoz und die Freude des germanischen Hauses waren die Kinder; doch bezogen sich die Vaterfreuden in erster Linie auf die Knaben, auf die Mädchen erst dann, wenn auch jene vorhanden waren. Der Vater besaß über die Kinder die strenge Eigentumsgewalt, er konnte sie aussetzen lassen, was in ältester Zeit mit Mädchen nicht selten vorgenommen wurde. Doch waren auch hierin zur Römerzeit schon mildere Sitten vorherrschend, und das Aussetzungsrecht war wesentlich eingeschränkt. Die germanischen Kinder zeichneten sich im allgemeinen durch Kraft und Gesundheit aus, die durch die Erziehung gefestigt wurde. Sie hielten sich fast immer im Freien auf, tummelten sich gern in Hof und Feld, badeteu fleißig, waren oft nur wenig bekleidet und gewöhnten sich dadurch frühzeitig cm das rauhe Klima. In der Namengebung, die einige Tage nach der Geburt unter Wasserbegießung erfolgte, war die Zugehörigkeit zur Sippe zu erkennen, vor allem kam aber dabei die Erinnerung an Kampf und Sieg zum Ausdruck. Die Silben gunt, hilt, Held, hart, fwint, muot, grim weisen auf Kampf und Krieg hin, z. B. Gunter, Hartmut, Hartwig; gis, geis, ger, z. V. in Gerhard, Geiserich, erinnern an den Speer, sahs, brant, Hern, z. V. in Hildebrand (Kampfschwert), an das Schwert, lint an den Lindenschild. Auch die Mädchen erhielten gar oft recht kampftrotzige Namen, z. V. Hildegund (Kampfkampf), Kriemhild (Helmkampf), Hildegard. Andere weisen auf die strahlende Sonne, auf den lichten Tag, auf glänzende Waffen hin und wollen die Freude am Licht und am Schönen zum Ausdruck bringen, z. V. Suuigilt. Auch die Tiere des Waldes, an denen die Germanen so gern ihre Kraft erprobten, kehren in Personennamen vielfach wieder, z. V. in Eberhard. Ihre große Mannigfaltigkeit erfuhr später, als mit dem Christentum sich biblische Namen einbürgerten, nach und nach eine Beschränkung. Die heute gebräuchlichen Familiennamen mit ihren Vornamen kamen erst im späteren Mittelalter auf. Wie schon die Namen an Krieg und Waffenklang erinnern, so lief auf Wehrhaftmachung namentlich die Erziehung der Knaben hinaus. Nicht auf der Schulbank, aber im Laufen und

6. Bis zum Interregnum - S. 53

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 53 — kunst als besondere Eigenschaften hervor. Aus diesem Grnnde war er weit weniger volkstümlich als der offene tapfere Bauerngott Donar. In vielen Gegenden Deutschlands blieb er daher auch lediglich der Wiudgott. Besonderer Auszeichnung erfreute er sich aber bei den Franken. Ihnen war er auch der Kriegsgott und war uach ihrem Glauben auch mit Waffen und kriegerischer Rüstung angetan. Durch ihren Einfluß, namentlich infolge des Übergewichts, das die Franken später in Deutschland erlangten, ist er dann zum obersten Gott der Germanen, zum Götterkönig und Göttervater geworden. Nicht ohne Einfluß wird dabei auch gewesen sein, daß man ihn sich mit reicherem Wissen begabt dachte als die übrigen Götter. An den Wodansglauben erinnern die späteren Sagen von verborgen schlafenden Fürsten. Wenn man erzählte, daß Kaiser Karl im Desenberge bei Marburg oder im Untersberge bei Salzburg oder Kaiser Friedrich im Kysfhänser schlafe, so müssen wir in ihnen Stellvertreter Wodans erblicken, den man sich auch vielfach auf oder in den Bergen wohnhaft dachte, wird doch auch in einer Urkunde von 1277 der Kt) ff häuf er Wodensberg genannt. Wenn weiter das Volk vom heiligen Martin, der mit Mantel und Hut angetan, durchs Land reist oder reitet, oder vom heiligen Nikolaus erzählt, so tritt uns auch hierin die unter dem Einfluß des Christentums umgebildete Figur Wodans entgegen. Die wichtigste weibliche Gottheit war bei den Germanen Frija, ehemals auch Nerthus (nicht Hertha) genannt. Sie erscheint als allsorgende Erdmutter, sie segnete den Ackerbau und alle Arbeit des Feldes, vor allem war sie Beschützerin des Hauses ttttd der weiblichen Arbeiten, daher war ihr Abzeichen die Spindel. In einem Wagen oder Schleifschlitten oder gezogenen Schiff fuhr sie durchs Land und verlieh der Erde Fruchtbarkeit. Auf einer nordischen Insel, die sich mit Sicherheit nicht feststellen läßt, hatten einst sieben Völkerschaften ein ihr geweihtes Heiligtum. Darin wurde das Gefährt aufbewahrt, an das bei Umzügen die zu ihrem Dienst bestimmten Kühe gespannt wurden. Bei den Fest-zügen herrschte Jubel, Freude und Gasterei. Das Gefährt und das Bild der Göttin wurden in einem versteckten Teiche gebadet. — Frühlingsfeste und Umzüge durch die Fluren erinnern noch in der Gegenwart an den Nerthnskultus. Außer dett genannten Gottheiten kannten die Germanen wohl noch andere weniger bedeutende göttliche Wesen, deren Namen

7. Bis zum Interregnum - S. 21

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 21 — f) Häusliche Arbeiten. Mit der Beschaffung von Nahrung, Kleidung und der nötigen Geräte hingen verschiedene häusliche Arbeiten zusammen. Ein Leben regelmäßiger Arbeit kannten die Germanen, wie die Völker auf den niederen Stufen der Entwicklung überhaupt, allerdings noch nicht. Zur Arbeit veranlaßte den Menschen in frühester Zeit nur der Mangel, nämlich der Mangel einer Unterkunftsstätte und des nötigen Hausrats, der Maugel von Nahrung und Kleidung. Bei den Germanen war es nicht anders. Man kannte auch den Grundsatz der Arbeitsteilung nicht. Es gab noch keine besonderen Handwerker; daher war jeder Haushalt auf sich selbst angewiesen und mußte das Nötigste sich selbst beschaffen. Deshalb trug alle Arbeit den Charakter der Unvollkommenheit und der Schwerfälligkeit an sich. Für die häuslichen Arbeiten kamen in erster Linie die Frauen und Töchter in Frage, Greise und Kinder unterstützten sie dabei. In großen und vornehmen Haushalten standen ihnen eine größere oder geringere Anzahl von Mägden und für die gröbere Arbeit auch Knechte zur Seite. Diesen kam dann vor allem die Verpflegung des Stallviehs zu. Die langweiligste und alltäglich wiederkehrende Arbeit war für das weibliche Gesinde das Mahlen der Getreidekörner, um Mehl für Brei und Grütze zu beschaffen. Man benutzte dazu zwei Steine, von denen der eine der mit der Hand in Bewegung gefetzte Reiber war. Erst von den Römern lernte man die Einrichtung von Wassermühlen kennen, die für die einzelnen Haushaltungen eine wesentliche Entlastung bedeuteten. Vornehmere weibliche Arbeiten, an der sich immer auch die Hausfrauen selbst beteiligten, waren die Gewinnung und Verarbeitung des Flachses und Hanfes und die Herstellung der Kleidung. Spinnen und Weben find daher uralte Arbeiten des germanischen Hauses, und wie eng sie mit dem Leben unsers Volkes verknüpft waren, davon zeugen zahlreiche Sagen, in denen vom Spinnen der Frauen und Mädchen erzählt wird. Von alters her bildete es an den langen Winterabenden die wichtigste Beschäftigung, und ein gut Stück deutscher Poesie hat die Spinnstube zu ihrem Mittelpunkt. Erst das 19. Jahrhundert hat das Spinnen aus dem deutschen Hause verdrängt und die uralten Geräte Spindel und Webstuhl in die Rumpelkammer verwiesen. Die Frauen verstanden aber nicht nur die Herstellung der Stoffe, sondern auch das Zusammennähen derselben zu Kleidungsstücken. Auch in den vornehmsten germanischen Häusern, sogar

8. Bis zum Interregnum - S. 27

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 27 — überantwortet wurde, so geschah es doch keineswegs in der Weise, daß es wie ein Sachgnt verkauft wurde. Wohl war es verpflichtet, sich dem Willen ihres Muntwalts zu fügen, aber in der Regel wurde ein Mädchen nicht zu einer Ehe gezwungen, zu der es keine Neigung hatte. Schon in frühester Zeit beruhte die Eheschließung aus gegenseitiger Zuneigung und Liebe. Einige Zeit nach der Verlobung erfolgte die förmliche Trauung, die man gern in die Zeit des Spätsommers, nachdem die Ernte eingebracht war, verlegte. Früh schon wurden die Tage des zunehmenden Mondes bevorzugt. Im festlich geschmückten Haufe der Braut versammelten sich die beiderseitigen Verwandten, die Gefippen. Dem Bräutigam wurde nochmals die Muntfchaft übertragen und als Zeichen dafür ein Schwert übergeben. Damit wurde ihm die Braut zur Heimführung überlassen, sie wurde mit ihm getraut, d. h. auf Treue hingegeben. Dann folgte ein festliches Gelage, das sich nicht selten durch mehrere Tage hinzog. Nach Beendigung desselben führte der Mann feine junge Frau heim in fein Haus, wo sie nach Ankunft um den Herd geleitet und somit in ihren neuen Wirkungskreis eingeführt wurde. Bei der Verheiratung erhielt die Braut von ihren Angehörigen und Gefippen verschiedene Geschenke für den häuslichen Bedarf, die Heimsteuer oder Aussteuer, die Mitgabe oder „Mitgift". Sie sollte gleichsam die Erbabfindung der Sippe für das ausscheidende Mitglied fein und blieb ihr besonderes Eigentum, von dem der Mann nur die Nutznießung hatte. Als persönliches Eigentum erhielt die Frau nach der Eheschließung auch von ihrem Manne ein Geschenk, die „Morgengabe", etwa ein Schmuckstück, ein Kleinod, ein kostbares Hausgerät, wohl auch einen Sklaven oder eine Sklavin zur Bedienung. Muntfchatz, Heimsteuer und Morgengabe erschienen somit als besonderes Frauengut, das nach dem Tode des Mannes der Witwe verblieb, während es nach dem Ableben der Frau an die Geber zurückfiel. Nach urzeitlichen Anschauungen sollte beim Tode des Gatten die Witwe ihm in den Tod folgen, sich freiwillig auf dem Grabe des Mannes töten, damit sie wie anderes Eigentum, z. B. Roß und Rüstung, im Tode mit ihm vereint sei; aber zur Römerzeit waren bereits mildere Sitten vorherrschend, und der Witwentod bildete die Ausnahme; erwähnt wird er noch von den Herulern. Eine Wiederverheiratung war jedoch der Witwe vielfach nicht erlaubt, zum mindesten wurde dem Manne, der sie ehelichte, Zahlung

9. Bis zum Interregnum - S. 29

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 29 — Springen, irrt Ringen und Schlendern und im Gebrauch der Waffen wetteiferten sie miteinander. Während die Erwachsenen auf fröhlicher Jagd die Waffen gegen die gefährlichen Tiere des Waldes führten, übten sich die Knaben daheim im Speerwerfen. Dem gereiften Jüngling wurden dann in der Volksversammlung Speer und Schild feierlich übergeben mit der Erlaubnis, sie öffentlich zu tragen. Damit wurde er für wehrfähig und mündig erklärt. Die Mädchen waren die Gehilfinnen der Mutter bei ihren mannigfaltigen Arbeiten in Haus und Hof. Der Sommer rief sie vorzugsweise mit hinaus auf Feld und Weide, im übrigen waren sie mit tätig bei der Zubereitung der täglichen Speise, beim Spinnen und Weben und bei der Herstellung der Gewänder. Erst mit der Verheiratung traten sie aus der Obhut der Elteru heraus und setzten ihre Tätigkeit im Hause des Gatten fort. Neben der Arbeit blieb für Mädchen und Frauen auch uoch Zeit für allerlei Kurzweil. Den Kleinen fehlte es schon damals nicht an verschiedenem Spielzeug; sie hatten, wie aus Gräberfunden hervorgeht, bereits ihre Puppe und Figuren aus Ton in Tiergestalt. Die erwachsenen Töchter und Frauen unterhielten sich wie die Männer auch durch das Würfelspiel, wobei sie sich jedoch wegen ihrer untergeordneten Stellung mit wesentlich niedrigeren Einsätzen begnügen mußten. Auch der Tanz war ihnen nicht sremd, wenngleich er ursprünglich nur als feierlicher taktmäßiger Umgang bei gottesdienstlichen Handlungen vorkam, wozu natürlich das begleitende Lied gehörte. Wenn wir noch heute von Versfüßen reden, so erinnern wir uns, daß die Verstakte einst durch Tanzschritte bezeichnet wurden. 3. Die (Germanen auf der Jagd. Eine des freien Germanen würdige Tätigkeit war die Jagd. Sein Waldleben gab ihm dazu reichliche Gelegenheit; denn der Wald bot zahlreichem Getier Nahrung und Unterschlupf. Aber diese Waldbewohner fügten dem Menschen auch mancherlei Schaden zu. Wenn auch der Landwirt sein Gehöft und fein Feld durch einen Zaun zu schützen suchte, die Tiere des Waldes brachen gar oft hervor und traten die junge Saat oder die reifenden Halmfrüchte nieder. Oder es kam der grimmige Bär oder der gefährliche Wolf und holten sich gar manches Stück der Herde, und

10. Bis zum Interregnum - S. 54

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 54 — verloren gegangen finb, vor allem aber ein Heer von Nixen nrtb Zwergen, die die Natur beseelten. Allen Gottheiten hasteten nach dem Glauben unserer Vorfahren bnrchans menschliche Eigenschaften an, wenn sie natürlich auch in vieler Hinsicht, namentlich durch Kraft und Lift, das Menschliche überragten. Sie wohnten unter Menschen auf der Erbe, wenngleich sie sich zuweilen barüber erheben konnten. Auf die Menschenwelt erstreckte sich ihre Wirksamkeit. An Leiben und Freuben der Erbbewohner nahmen sie teil, kehrten gern bei den Menschen ein und nahten sich ihnen oft unerkannt, um zu belohnen und zu beglücken ober auch zu strafen. Währenb aber anbete Völker sich ihre Götter als Gestalten von größter äußerer Vollkommenheit bachten, war das Äußere, der Körper der germanischen Gottheiten nicht frei von Fehlern; benn Woban hatte nur ein Auge, Ziu nur eine Hand, und Donar trug die Spur einer Schabelverletzung an sich, die von einem Schleubersteine herrührte, den ein Riese nach ihm geworfen hatte. Woban hatte ein Auge geopfert, als er aus dem Brunnen Mimirs Weisheit trank. Darum zog er gern seinen breitkrämpigen Hut ins Gesicht, um den Mangel zu verbecken. Solche Verstümmelungen entsprachen der germanischen Auffassung, daß auch die Götter dem Kampfe holb waren und daß sie selbst Kämpfe zu bestehen gehabt hatten. Die babei erhaltenen Verletzungen waren ihnen ein Ehrenfchmuck, Zeichen ihrer Tapferkeit. Eine weitere Eigenart der Götter war ihr starker Appetit. Alle übertraf barin Donar, der sogar einen Ochsen allein aufeffen konnte. Auch hierin kamen echt germanische Verhältnisse zum Ausbruck. Der Germane, der reichliches Essen und Trinken schätzte und sich wünschte, aber boch in feinen Wälbern gar manche Genüsse entbehren mußte, bachte sich die Götter im Vollgenuß irbischen Wohllebens. Erinnern mag baran die Fabel vorn Schlaraffenland Enblich war den Göttern die Frcube an Golb und Schmuck eigen. Daher wirb in den Sagen von manchem verborgenen Schatz berichtet, der zuweilen einzelnen frommen Menschen unerwartet sich erschlossen hat. So haben sich im Volksglauben Vorstellungen erhalten, die heibnifchen Ursprungs sinb. Auf die germanischen Gottheiten weifen auch unsere Wochennamen zurück. Dienstag ist der Tag Zins. An Donar erinnert der Donnerstag, der einst der heiligste Tag, der bevorzugte Opfertag war. Frija kehrt in Freitag roieber, und Wobans Tag ist der
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