143. Das deutsche Reich.
157
wohnen germanische, im Osten slavische, im Süden und
Südwesten romanische Völker. Die germanischen Völker,
gehören überwiegend der protestantischen, die romanischen
der römisch-katholischen, die slavischen der griechisch-katholischen
Kirche an. Zerstreut leben 4 Millionen Juden und auf
der Balkanhalbinsel eben so viele Muhamedaner.
Die Staaten Europas sind im Norden: Schweden
mit Norwegen,und Dänemark; im Osten: Rußland;
im Süd osten: Österreich und die Türkei: im Süden:
Griechenland, Italien, Spanieiöund Portugal; im
Westen: Frankreich, Belgien, die Niederlande
(Holland) und England; in der Mitte des Erdteils liegen
die Schweiz und das deutsche Reich.
Die Schweiz und Frankreich sind Freistaaten oder
. Republiken; Deutschland, Österreich, Rußland und die Türkei
sind Kaiserreiche, die übrigen der genannten Staaten Königreiche.
Hauptstädte nennt man die Städte, in denen das
Staatsoberhaupt wohnt (residiert), oder wo die Regierung
ihren Sitz hat. Die anßerdeutschen Hauptstädte der euro-
päischen Staaten sind: Petersburg, Konstantinopel,
Athen, Rom, Madrid, Lissabon, Paris, London,
Stockholm, Kopenhagen, Haag, Brüssel, Wien,
Bern (Zürich, Luzern).
143. Das deutsche Reich.
Seit dem Jahre 1871 ist D e ut seht and wieder
ein Kaiserreich. Es umfasst beinahe 10 000 Quadrat-
meilen und zählt über 42 Alillionen Einwohner. Von
Süd nach Nord ist es 120, von Südwest nach Nordost
170 Meilen lang.
Eie natürlichen Grenzen Deutschlands sind im
Norden die Nord- und Ostsee, im Osten die sarmatischc
Tiefebene und die böhmisch-mährischen Gebirge, im Süden
die Alpen, im Westen die Vogesen. Folgende Staaten
grenzen an Deutschland: im Norden Dänemark, im
Osten Ru [stand, im Süden Ö st er r eich und die
Schweiz, im Westen Frankreich, Belgien und
die Niederlande.
Der Boden Deutschlands zeigt die grösste Abwechselung
zwischen Berg- und Hügelland, Hoch- und Tiefland.
Von Ost nach West zieht durch Deutschland eine Ge-
birgsachse. Diese beginnt mit dem Rieseng ebir g c,
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310 235. Deutschland nach dem dreißigjährigen Kriege.
Wurden, kamen dieselben erst um 1640 nach Hessen-Darmstadt,
Westfalen und Niedersachsen, 1647 nach Vraunschweig, 1650
nach Berlin, noch später nach Bamberg (1716), in die
Pfalz, nach Baden und Schwaben.
Ein anderes amerikanisches Produkt, der Tabak, soll
zuerst durch die Soldaten Kaiser Karls V. aus den Nieder-
landen nach Deutschland gebracht worden sein. Man rauchte
ihn anfänglich als Heilkraut und schrieb ihm ganz abson-
derliche medizinische Kräfte zu. Um 1630 wurde in Bayern
und Thüringen Tabak gebaut, und seine Kultur verbreitete
sich 1681 nach Brandenburg, 1697 nach Hessen und in
die Pfalz.
In den deutschen Küchengärten wurden am Anfange
de>s 17. Jahrhunderts gepflanzt: Kohl, märkische Rüben,
'rote Rüben, Mohrrüben, Rettiche, Meerrettich, Kresse,
Gurken, Kürbisse, Kartoffeln, Petersilie, Sellerie, Erbsen,
Salat, Zwiebeln, Knoblauch, Wirsing, Tabak, Winterendivien,
Kopf- und Blumenkohl. Die deutschen Blumengärten da-
maliger Zeit prangten mit Anemonen, Violen, Hyacinthen,
Rosen, Skabiosen, Rosmarin, Lilien, Nelken, Mohn, Thymian,
Lavendel, Salbei, Goldlack und Tulipanen.
233. Deutschland nach dem dreissigjährigen
Kriege.
Als i. J. 1648 die Friedensbotschaft das Ende eines
schrecklichen Krieges verkündigte, da sah es traurig
um unser Vaterland aus. Spanier, Wallonen, Italiener,
Franzosen, Schweden und Slaven hatten sich in einem
dreissigjährigen Kampfe auf deutschem Boden herum-
getummelt. Zwei Dritteile der Bevölkerung waren um-
gekommen. Zertretene Felder, in Asche gelegte Dörfer
und Städte, zerstörte Werkstätten, durch den Krieg
verwilderte Menschen — das waren die Bilder des
Jammers, die unser Vaterland überall darbot.
Dazu kam noch, dass wichtige, unersetzliche Landes-
teile von demselben losgetrennt und fremden Staaten
einverleibt wurden. Die Kaiserwürde, einst die erste in
der Christenheit, stand jetzt machtlos da. Der einzige
Gewinn aus dem Kriege für Deutschland war der nun
festgestellte Friede zwischen Katholiken und Protestanten.
I
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Extrahierte Personennamen: Karls_V. Karls_V. Mohn
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Hessen-Darmstadt Westfalen Niedersachsen Berlin Bamberg Baden Schwaben Nieder- Deutschland Bayern Brandenburg Hessen Deutschland Schweden Deutschland
216. Napoleons Zug nach Rußland (1812). 323
Andreas Hofer, Sandivirt in Passeyer, ivurde geboren 1765,
führte seine Landsleute 1809 gegen die Franzosen an, als diese Tirol
besetzt hatten. Ha er mit seinen Leuten der Übermacht unterlag, zog
er sich in eine einsame Sennhütte auf den Alpen zurück. Aber durch
Verrat wurde er von den Franzosen gefangen genommen, nach
Mantua in Italien geführt und erschossen (20. Februar 1810).
246. Napoleons Zug nach Russland (1812).
Durch die Siege über Preussen und Österreich war
Napoleon auf den Höhepunkt seiner Macht gelangt.
Niemand wagte es, seinem Willen entgegen zu handeln.
Nur England war noch unbesiegt; seine mächtige Flotte
hatte sogar die französische wiederholt geschlagen (hei
Abukir in Ägypten und hei Trafalgar in Spanien unter
Nelson). Napoleon bot daher alles auf, England auf
alle erdenkliche Weise zu schaden. Er verbot allen
Verkehr mit England und den Verkauf englischer Waren.
Alle Küsten und Häfen des Festlandes sollten den Eng-
ländern verschlossen bleiben und dadurch jeder Handel
mit ihnen aufhören. (Kontinentalsperre.) Doch der rus-
sische Kaiser Alexander weigerte sich, dieser Handels-
sperre beizutreten, und wurde deswegen von dem fran-
zösischen Kaiser mit Krieg überzogen.
Zu diesem Riesenkampfe bot Napoleon alle Kräfte
auf. Mit 600000 Mann überschritt er im Sommer 1812
die russische Grenze (den Niemen), siegte in mehreren
Schlachten und drang bei Moskau vor. Eine unheim-
liche Stille herrschte in der grossen Zarenstadt, als
Napoleon sich ihr näherte. Niemand erschien, um ihm
die Schlüssel der Stadt zu überreichen; keine neugierige
Menge drängte sich heran, den mächtigen Kaiser zu
sehen und anzustaunen. Die Stadt war menschenleer.
Napoleon bezog den alten Zarenpalast, den Kreml.
Aber bald brach Feuer in verschiedenen Stadtteilen aus.
Der herbstliche Sturm fachte die Flammen an, und in
kurzer Zeit war die ganze Stadt ein grosses Flammen-
meer. Vergeblich waren alle Versuche, den ungeheuern
Brand zu löschen; auch der Kreml ward von den Flam-
men ergriffen. Die Russen selbst hatten das Feuer an-
gelegt und die prächtige Stadt zum Opfer gebracht, nur
um das französische Heer desto sicherer zu verderben.
Vergehens hot ihnen Napoleon den Frieden an. Endlich
beschloss er den Rückzug. Aber zu allem Unglücke
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Andreas_Hofer Napoleons Napoleon Napoleon Alexander Alexander Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Mantua Italien Napoleons Russland England Spanien England England Moskau
250. Napoleons Sturz. 251. Blücher am Rhein.
327
seines Gebietes und seine Erhebung zu einem Königreiche. Aller-
dings hatte Bayern dafür Napoleon zu allen seinen Kriegen eine
ansehnliche Armee stellen müssen, für den russischen Feldzug 1812
nicht weniger als 30000 Mann. Von diesen sahen nur ca. 2000
die Heimat wieder; die übrigen waren dem Schwerte des Feindes,
die meisten aber dem Hunger und der schrecklichen Kälte in dem
unwirtbaren Lande erlegen.
Noch vor der Leipziger Völkerschlacht hatte sich Bayern am
8. Oktober 1813 durch den Vertrag zu Ried von Napoleon losgesagt und
den Verbündeten angeschlossen. Bei Hanau stellte sich der bayerische
General Wrede dem auf dem Rückzüge begriffenen französischen
Heere entgegen und erschwerte demselben in einem blutigen Kampfe
den Übergang über den Main und die Flucht über den Rhein.
D^s Joch der Fremdherrschaft war gebrochen und Deutschland
von den Franzosen befreit.
In den nun folgenden, auf Frankreichs Boden 1814 und 1815
geführten Kämpfen gegen den gemeinsamen Feind der Ruhe und
Freiheit aller europäischen Völker nahm Bayern ebenso redlichen,
als ruhmvollen Anteil.
250. Napoleons Sturz.
Die verbündeten Fürsten boten Napoleon den Frieden an.
Der Rhein, die Alpen, die Pyrenäen und das Meer sollten die
Grenzen des französischen Königreichs bilden. Aber in seinem
unbegrenzten Hochmute wollte sich Napoleon nichts vorschreiben
lassen, und der Krieg wurde fortgesetzt. In der Neujahrs-
nacht 1814 ging Blücher bei Mannheim und Koblenz mit
seinen Heeren über den Rhein, nachdem das Hauptheer wenige
Tage vorher bei Basel * die französische Grenze überschritten
hatte. Die Verbündeten marschierten nun gegen Paris. Nach
hurzer Gegenwehr ergab sich die Stadt. Alle Anstrengungen
Napoleons, für sich oder seine Familie von der bisherigen
Herrlichkeit etwas zu retten, waren jetzt vergebens; seine eigenen
Marschälle fielen von ihm ab. Er musste für sich und seine
Erben eine vollständige Abdankung unterzeichnen; doch liess man
ihm den Kaisertitel und gab ihm die Insel Elba als souveränes
Fürstentum. Für den unermesslichen Schaden, der besonders
Deutschland zugefügt icar, icurde keine Entschädigung gefordert;
England und Russland wussten dies zu hintertreiben. (Erster
Pariser Friede 1814.) Zur Ordfiung der europäischen Staaten-
verhältnisse wurde ein allgemeiner Kongress nach Wien berufen.
251. Blücher am Rhein.
Die bseere blieben am Rheine steh'n:
Soll man hinein nach Frankreich geh'n?
Man dachte hin und wieder nach;
Allein der alte Blücher sprach:
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Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Rhein Hanau Main Rhein Deutschland Frankreichs Napoleons Rhein Mannheim Koblenz Rhein Basel Paris Napoleons Elba Deutschland England Russland Wien Rhein Rheine Frankreich
328
252. Napoleons Rückkehr und Ende.
„Generalkarte her!
Nach Frankreich geh'n ist nicht so schwer.
wo steht der Feind?" — „Der Feind? Dahier!" —
„Den Finger draus! Den schlagen wir.
wo liegt Paris?" — „Paris? Dahier!" —
„Den Finger drauf! Das nehmen wir!
Jetzt schlagt die Brücke über'n Rhein!
Ich denke, der Champagnerwein
wird, wo er wächst, am besten sein."
2z2. Napoleons Rückkehr und Ende.
Im Herbste 1814 hatten sich die meisten europäischen
Fürsten und ihre vornehmsten Minister und Feldherren zu Wien
versammelt, um das Staatenverhältnis Europas neu zu ordnen.
Aber bald entstanden wegen der polnischen und sächsischen Länder
Streitigkeiten. Napoleon benützte die Uneinigkeit seiner Gegner
und die Unzufriedenheit der Franzosen mit ihrer neuen Re-
gierung und landete am 1. März 1815 unerwartet im südlichen
Frankreich. Die von Frankreich gegen ihn ausgeschickten Truppen
gingen zu ihm über. Schon am 20. März hielt er seinen Einzug
in Paris. Aber die europäischen Mächte erklärten Napoleon als
Friedensstörer in die Acht und schickten ihre Heere gegen ihn.
Unter Wellington rückte ein englisch-deutsches Heer, unter
Blücher ein preußisches gegen die französische Grenze. Bei
Ligny besiegte Napoleon den tapfern Blücher und wendete sich
nun mit seiner ganzen Macht gegen Wellington. Am 18. Juni
1815 wurde bei Belle-Aliance oder Waterloo unweit
Brüssel die große entscheidende Schlacht geschlagen. Auf beiden
Seiten wurde mit der äußersten Anstrengung-und Erbitterung
gekämpft. Lange blieb der Sieg unentschieden. Endlich wichen
die Engländer zurück. In dem Augenblicke, als sich der Kampf
für Napoleon zu entscheiden schien, trafen die Preußen unter
Blücher ein. Die Schlacht ging für die Franzosen verloren.
„Rette sich, wer kann!" war die Losung der fliehenden Armee.
In Paris angekommen, wollte Napoleon zu Gunsten seines
Sohnes der Krone entsagen; aber sein Anerbieten wurde nicht
angenommen. Von allen verlassen, versuchte er nach Amerika
zu entfliehen; allein auch dies gelang ihm nicht. Da bestieg er
ein Schiff, um sich unter englischen Schutz zu stellen. Aber
für den Geächteten gab es kein Recht mehr. Als gemeinsamer
Gefangener der Alliierten wurde er nach St. Helena gebracht!
„Der General Bonaparte muß Europa für inimer verlassen!" —
lautete der Ausspruch der europäischen Mächte.
Von wenigen Getreuen begleitet, langte der Mann, dem
einst Könige gehorchten und vor dem Europa zitterte, an seinem
Verbannungsort an. Obwohl in strenger Haft und abgeschieden
von der Welt, blieb er unbeugsam standhaft und fühlte sich
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleons Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Frankreich Paris Rhein Napoleons Europas Frankreich Frankreich Paris Wellington Wellington Paris Amerika Europa Europa
257. Der deutsch-französische Krieg.
335
237. Der deutsch-französische Krieg.
Am 19. Juli 1870 erklärte der französische Kaiser-
Napoleon Iii. unter freudiger Zustimmung seines Volkes,
aber ohne Grund zu blutigem Kampfe, an Preußen den
Krieg. Die angebahnte Einigung Deutschlands sollte ver-
hindert und das linke Rheinufer für Frankreich zurückerobert
werden. Denn daß die Franzosen, welche im Krimkriege
(1854 — 56) die Russen, im italienischen Kriege (1859)
die Österreicher besiegt hatten, auch die Preußen überwinden
würden — wer von ihnen hätte daran zweifeln wollen?
Besaßen sie nicht das kriegsgeübteste Heer in Europa?
Rechneten sie nicht auf Bundesgenossen diesseit des Rheines?
Die deutsche Uneinigkeit war ja sprichwörtlich geworden, und
Frankreich hatte sich dieselbe seit Jahrhunderten zu nutze
gemacht. Aber jene Zeiten lagen hinter uns. Ein anderer
Geist war in Deutschland erwacht. „Wir wollen sein ein einig
Volk von Brüdern!" so dachten Volk und Fürsten. Und
einig stand ganz Deutschland in der Stunde der Gefahr.
Bayerns jugendlicher König Ludwig Ii. erklärte, daß
Bayern treu zur Seite Preußens stehen werde. Ihm folgten
einmütig die übrigen süddeutschen Fürsten. Österreich vergaß
der Niederlagen von 1866 und des alten Grolles gegen
Preußen und blieb neutral.
Dennoch war die Stimmung in Deutschland ernst, und
mit Besorgnis sah man dem schweren Kampfe entgegen.
Aber schon am 4. August wurden Weißenburg und
der Geisberg, am 5. August die Spich er er Hohen
von den vereinigten nord- und süddeutschen Heeren erstürmt,
und am 6. August wurde der berühmte französische General
Mac Mahon bei Wörth vollständig geschlagen. Unauf-
haltsam drangen jetzt die tapfern deutschen Armeen in das
Innere Frankreichs. Sieg auf Sieg wurde errungen. Ein
dreitägiger furchtbarer Kampf an der Mosel (14.—18. Aug.)
zwang eine französische Armee unter Bazaine (spr. Bassäng/,
in der starken Festung Metz Schutz zu suchen. Die letzte
französische Armee, die unter Mac Mahon zum Entsatz von
Metz heranzog, geriet nach heftigen Kämpfen bei Sedan
in Gefangenschaft. Kaiser Napoleon selbst ergab sich am
2. September dem siegreichen preußischen Könige Wilhelm.
Als die Nachricht über die vollständige Niederlage
Napoleons nach Paris kam, wurde dort die Republik
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Frankreich Europa Rheines Frankreich Deutschland Deutschland Bayern Deutschland Weißenburg Mahon Frankreichs Sedan Paris
336
258. Napoleon übergibt seinen Degen.
verkündet. Aber die neuen Machthaber Frankreichs wollten
von einer Gebietsabtretung an den Sieger nichts wissen;
sie riefen das ganze kampffähige Volk unter die Waffen.
Doch alles war vergeblich! Eine Festung nach der andern
fiel in deutsche Hände: Straßburg am 27. September,
Metz am 27. Oktober. Paris mit seinen großartigen
Festungswerken wurde eingeschlossen (cerniert), und das neu-
gebildete französische Heer, welches zum Entsätze der Haupt-
stadt heranrücken sollte, geschlagen (St. Quentin, Orleans,
Le Mans, Belfort). Vergebens versuchte das Pariser Ver-
teidigungsheer die Cernierungslinie zu durchbrechen. Alle
Ausfülle scheiterten an der Wachsamkeit und Tapferkeit der
deutschen Truppen.
Als endlich im Januar 1871 die Beschießung der Haupt-
stadt begann und jede Hoffnung auf Entsatz geschwunden
war, sah sich die republikanische Regierung zum Nachgeben
gezwungen. In Versailles (spr. Werßaj), wo sich das
deutsche Hauptquartier befand, kam es Ende Januar zum
Waffenstillstände. Am 1. März 1871 zogen die siegreichen
deutschen Heere in Paris ein, und am 2. März wurde zu
Versailles der Friedensschluß unterzeichnet. Frankreich
mußte Elsaß und Deutsch-Lothringen mit Metz an
Deutschland abtreten und 5 Milliarden (5000000000) Francs
Kriegskosten zahlen.
Der Versailler Friedensschluß rief in allen deutschen
Staaten großen Jubel hervor, und mit hoher Freude blickte
Deutschland aus seine tapferen Heere.
258. Napoleon übergibt seinen Degen.
Am 1. September gegen 7 Uhr abends erblickten die preußischen
Truppen nach der Schlacht bei Sedan einen kleinen, traurigen Zug.
Er erschien, aus der Stadt kommend, auf dem Wege, der gegen
die Höhen von Donchery hinzieht. Hier standen König Wilhelm
und der Kronprinz, Moltke, Roon, Bismarck und im Halbkreise
um diese die Stabsoffiziere. Der kleine Zug bestand aus dem
deutschen Major v. Winterfeld, dem französischen General Reille
(spr. Rellj') und einem Trompeter der Lanzenreiter, welcher die
Parlamentärflagge Rrug. Als die Reiter dem Könige sichtbar
wurden, trat dieser einige Schritte vor. Die Stabswache zog
sich hinter den Halbkreis zurück. In einiger Entfernung stiegen
die Reiter ab. Reille, ein stattlicher Mann, dessen Brust viele
Ehrenzeichen schmückten, ging, von dem Trompeter gefolgt und
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262. Die Wiedererrichtung des deutschen Kaisertums. 341
3. Das deutsche Volk vergaß dich
nicht
In allem Groll und Schmerz.
Es blieb in Liebe dir gesinnt
lind schloß wie ein verlornes Kind
Dich trauernd in sein Herz.
4. Das deutsche Volk, es hielt an dir,
Des Höffens nimmer matt,
In hundert Weisen schlicht und sacht,
Hat treulich noch es dein gedacht,
Der „wunderschönen Stadt".
5. Gluck auf! nun kehrst du uns
zurück
In ehrlichem Vertrag,
Der dich vom welschen Bann befreit
Jin ehrenreichen Massenstreik.
Gepriesen sei der Tag!
6. O Straßburg, schöne Münsterstadt,
Wie sollst du wert uns sein!
Nun leuchtest du in neuem Glanz,
Ein Kleinod in dein deutschen Kranz,
Die treue Wacht am Rhein!
262. Die Wiedererrichtung des deutschen Kaisertumes.
Napoleon I. hatte dem deutschen Kaisertum ein Ende
gemacht. Ein anderer Napoleon (Iii.) gab, freilich ohne
es zu wollen, den Anlas; zur Wiederherstellung desselben.
Aus den Erfolgen des Feldzuges gegen Frankreich hatte
man ersehen, welche Macht die Deutschen zu entfalten ver-
inögen, wenn sie einträchtig zusammenstehen. Mit den Nord-
deutschen hatten die Süddeutschen gcwetteifert auf dem Kampf-
felde, mit ihnen brüderlich im Lager geteilt, was sie hatten;
das lange Jahre gehegte Mißtrauen war verschwunden.
Aber diese Eintracht sollte sich nicht bloß auf den Krieg
beschränken. In allen deutschen Herzen wurde der Wunsch
nach Wiederherstellung der alten Reichseinheit rege. Auf
den Schlachtfeldern hatte sich der Einheitsgedanke erprobt;
er mußte durch eine That des Friedens Wirklichkeit gewinnen.
Von diesem Gedanken waren auch Deutschlands Fürsten be-
seelt. Die Südstaaten traten dem Nordbunde bei, der sich
dadurch zum d e u t s ch e n B u n d e erweiterte. Von Bayerns
König, dem edlen Wittelsbacher Ludwig Ii., ging
der hochherzige Gedanke ans, dem neuerstan-
denen Reiche auch wieder den Kaiser zu geben.
In Übereinstimmung mit den übrigen deutschen Fürsten und
den freien Städten trug er noch während des Krieges dem
Oberhaupte des neuen deutschen Bundes, dem Könige von
Preußen, die Kaiserkrone an. Nachdem der norddeutsche
Reichstag diese Nachricht mit Jubel begrüßt und einen
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I. Napoleon Bayerns
König Ludwig_Ii Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Straßburg Rhein Frankreich Deutschlands
236. Die Verwüstung der Pfalz und der Brand Spciers. 311
Dennoch erholte sich Deutschland wieder, und dass
es sich aus einem dreissigjährigen Kriege hat wieder
aufrichten können, das ist ein Zeichen seiner unver-
wüstlichen Kraft, seiner ursprünglichen, gesunden Natur.
Unmittelbar nach dem Kriege dämmerte freilich kaum
eine solche Hoffnung. Die Fremden, namentlich die
Franzosen, gingen mit dem armen Deutschland fast nach
Willkür um. Ludwig Xiv. genügte die Herrschaft
über Frankreich nicht; seinem Befehle sollte Europa
gehorchen.
Durch den westfälischen Frieden (1648) war das
deutsche Land Eisass Frankreich zugefallen. Plötzlich
erklärte Ludwig, dass er auch noch diejenigen Orte er-
halten müsse, die einmal im Lehensverband oder Erb-
vertrag mit Eisass gestanden hatten, wäre dies "auch
tausend Jahre her. Hatten seine Rechtsgelehrten einen
solchen Ort in den Akten aufgefunden, so liess er so-
gleich die alten Wappen wegreissen und die Lilien, das
Zeichen französischer Herrschaft, aufpflanzen; dabei
steckten seine Soldaten oft ganze Städte und Dörfer in
Brand. Während man auf dem deutschen Reichstage
hierüber beratschlagte, erscholl auf einmal (1681) die
Schreckensnachricht: Strassburg ist französisch. Diese
Stadt, der Schlüssel von Oberdeutschland, von der
Karl V. gesagt hatte, wenn Wien und Strassburg zu-
gleich bedroht wären, so würde er unzweifelhaft zur
Rettung von Strassburg ausziehen — war wirklich mitten
im Frieden von den Franzosen weggenommen worden.
Ludwig hatte es überrumpelt, als viele seiner Bürger auf
der Frankfurter Messe waren.
Von nun an war Deutschland völlig dem Einflüsse
Frankreichs preisgegeben; das Kaisertum war machtlos;
Fürsten und Volk gefielen sich in der Nachäffung fran-
zösischen Wesens; mehr und mehr verfielen deutsche
Sprache, deutsche Sitte und deutsche Zucht.
236. Die Verwüstung der Pfalz und der Brand Speiers.
Wie Ludwig Xiv. mitten im Frieden Straßburg geraubt
hatte, so fiel er im September 1688 ohne Kriegserklärung in die
Pfalz ein. Rasch nach einander hatten die Franzosen Kaisers-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Ludwig Ludwig Karl_V. Karl_V. Ludwig Ludwig Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Frankreich Europa Frankreich Strassburg Oberdeutschland Wien Strassburg Strassburg Deutschland Frankreichs
244. Deutschlands Erniedrigung. 321
seinem Tode nie wieder die Trauerkleider ablegte. Über
ihr Land regierte die Kaiserin als wahre Mutter. In der
Kegel stand sie um 5 Uhr auf, verrichtete die Morgen-
andacht und setzte sich dann an den Schreibtisch. Hier
war sie fast den ganzen Tag mit den Kegierungsangelegen-
heiten beschäftigt. Menschen glücklich zu machen, war
ihr ein Bedürfnis. Deswegen fanden Hilfsbedürftige stets
reichliche Unterstützung. Da die hohe Frau selbst streng
rechtlich war, so verlangte sie auch von ihren Unterthanen
eine strenge Beobachtung von Recht und Gesetz.
Maria Theresia war die Mutter Kaiser Joseph Ii.
Ihre unglückliche Tochter Marie Antoinette war mit
dem König Ludwig Xvi. von Frankreich vermählt und
starb 1793, gleich ihrem Gemahle, auf dem Schafotte.
244. Deutschlands Erniedrigung.
Im Jahre 1789 waren in dem benachbarten Frankreich
große Unruhen ausgebrochen. Die Franzosen empörten sich
gegen ihren König, stürzten die bisherigen Einrichtungen im
Staate um und wollten eine ganz neue Ordnung der Dinge
Herstellen. Man nennt diese Begebenheit die französische
Revolution. Aus derselben gingen viele langwierige und
blutige Kriege für unser deutsches Vaterland hervor. Weil
die deutschen Staaten nicht zusammenhielten, wurden sie von
den Franzosen überwältigt. Ein großer Teil Deutschlands
kam unter französische Herrschaft, besonders seit ein gewaltiger
Kriegsheld, Napoleon Bonaparte, der die Revolution im
eignen Lande bändigte, unter den Franzosen aufgestanden war.
Dieser war den 15. August 1769 ans der Insel Korsika geboren.
In seinem 26. Jahre wurde er Oberfeldherr einer französischen
Armee und im Jahre 1804 Kaiser der Franzosen.
Napoleon wandte sich zuerst gegen die Österreicher und
besiegte dieselben in der Schlacht bei Austerlitz in Mähren am
2. Dezember 1805 so, daß der deutsche Kaiser Franz Ii. sich
genötigt sah, mit Verlust mehrerer Besitzungen den Preßburger
Frieden zu schließen (26. Dezember 1805). Im Jahre 1806
stiftete Napoleon den Rheinbund, dem 16 deutsche Reichs-
fürsten, durch die Gewalt der Umstände genötigt, beitraten, um
ihrem Lande den Krieg zu ersparen. Napoleon war der Protektor
(Beschützer) dieses Bundes und erklärte, daß er ein deutsches
Reich nicht mehr anerkenne. Am 6. August 1806 legte daher
Franz Ii. die deutsche Kaiserkrone nieder. — So wurde das
von Karl dem Großen gegründete „heilige römische Reich
deutscher Nation" — einst der Stolz der Christenheit und
der Schirm eines treuen und tapfern Volkes — zu Grabe ge-
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