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den Rhein zu Frankreichs Grenze zu machen und vielleicht noch
darüber hinaus zu greifen. Nachdem er sich ein tüchtiges Heer
geschaffen hatte, schickte er unter dem Vorgeben, auf die spanischen
Niederlande ein altes Recht zu haben, seine Feldherren Turenne und
Conde dorthin, zog aber, als England, Schweden und Holland
sich gegen ihn verbanden, seine Truppen zurück, gab das eroberte
Land wieder heraus, freilich mit geschleiften Festungen, und behielt
deren zwölf für sich. Nun ließ er aufsuchen und zusammenlügen,
welche Ansprüche Frankreich auf andere Länder habe, und da kamen
natürlich beinahe alle angrenzenden, ja auch entlegenere Länder, wie
England, Italien rc. an die Reihe. Holland hatte durch seinen
Seehandel große Macht und außerordentlichen Neichthum erworben;
danach war Ludwig lüstern. Auch zu diesem Kriege, der gar
keinen Grund, nicht einmal einen Schein des Rechts hatte, fand er
Bundesgenossen: der Kurfürst von Cölln, der Bischof von Münster,
Hannover und andere deutsche Fürsten sagten Hülfstruppen zu, selbst
der bestochene Minister des Kaisers schloß ein heimliches Bündniß
mit den Franzosen; bloß der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Bran-
denburg dachte deutsch und sagte den Holländern seine Hülfe zu.
Conde und Turenne brachen mit einem Heere von 112,000 Mann
auf. So tüchtigen Feldherrn konnten die Holländer, welche wohl
zur See mächtig waren, aber darüber ihre Landmacht ganz ver-
nachlässigt hatten, nicht widerstehen, eine Menge fester Plätze siel
in die Hände der Sieger. Aber diese hielten sich beim Besetzen
derselben zu lange auf, und als sie auf Amsterdam losgehcn woll-
ten, hatten die Holländer ihre Schleusen geöffnet und weit und
breit ihr Land in einen See verwandelt. Endlich kamen auch die
Brandenburger, mit ihnen unter Montecuculi 12,000 Kaiserliche.
Da aber diese den geheimen Befehl hatten, nicht zu schlagen, und
dadurch den Kurfürsten an Allem hinderten, so schloß dieser seinen
Frieden mit Frankreich ab. Auch der König von Schweden, durch
sein Volk gezwungen, und Münster und Cölln sielen von diesem
Raubbunde ab. Ludwig aber schickte auf's Neue drei Heere in's
Feld: Conde zog in die Niederlande, Turenne drang in Deutsch-
land ein und verwüstete die Pfalz auf die schändlichste Weise, siel
aber am Tage vor einer Schlacht, die er mit Montecuculi zu schla-
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Friedrich_Wilhelm_von_Bran- Friedrich Wilhelm Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Frankreichs England Holland Frankreich England Italien Holland Hannover Amsterdam Frankreich Schweden Niederlande
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gen gedachte. Die Verwüstungen am Rhein dauerten fort, ohne
daß es zu einer ernstlichen Schlacht kam; tausende von Orten gin-
gen in Flammen auf. Auch nach Spanien wurde der Krieg ge-
spielt und nicht ohne Glück geführt. Indessen nun ging das Geld
aus, der Finanzminister Colbert erklärte, ohne Frankreichs Unter-
gang den Krieg nicht fortsetzen zu können, der König entschloß sich
zum Frieden: er erhielt die Franche Comte und 16 niederländische
feste Plätze von Spanien, von Deutschland Philippsburg; aber
Holland büßte auch nicht ein Dorf ein. Ein Eroberer aber ist wie
das Raubthier, das einmal Blut geleckt hat, eine unwiderstehliche
Begier treibt nach Mehr, und Ludwig war ein Eroberer. Er ent-
warf in den nächsten Jahren, wo er sich ausruhen, neues Geld
zusammenpressen und gleichsam neue Soldaten wachsen lassen
musste, einen großartigen Plan. Da er Deutschland und seines
Kaisers Schwäche kennen gelernt hatte, so sollte der Türke Wien
einnehmen, bis an den Rhein Vordringen, und dann wollte Ludwig als
der Netter des christlichen Europa auftreten und natürlich auch
Herr desselben werden. Ehe aber noch dieser Plan ausgeführt
wurde, wurde etwas ganz Neues erfunden und eingerichtet. Es
wurden s. g. Neunionskammern den einzelnen Parlamenten beige-
fügt, welche untersuchen mussten, welche Länder und Städte einst
als Lehen oder sonst wie zu den deutschen Gebieten gehört hätten,
die Frankreich durch den westphälischen Frieden erhalten hatte.
Bald waren an 666 Städte, Flecken und Schlösser herausgebracht.
Nun wurden die deutschen Fürsten aufgefordert, sich damit auf's
Neue von Frankreich belehnen zu lassen und, als sie nicht erschie-
nen, die Lehen für verfallen erklärt. Man brauchte Gewalt. Die
Verletzten klagten beim deutschen Reichstage; allein dieser stritt sich
lieber darüber herum, wie man sitzen oder das Wort Kurfürst
schreiben solle, als daß er die Neichsangelegenheiten behandelte, und
unversehens hatte Ludwig Straßburg und Casale, die Schlüssel zu
Deutschland und Italien, genommen. Das herrliche Münster in
Straßburg wurde wieder eine katholische Kirche; der Bischof war
so verrückt, den König bei seinem Eintritt in dasselbe mit den Wor-
ten zu empfangen: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden
fahren, nachdem er deinen Heiland gesehen!" Dann brach er in
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig_Straßburg Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Spanien Frankreichs Spanien Deutschland_Philippsburg Holland Deutschland Wien Rhein Europa Frankreich Frankreich Casale Deutschland Italien Straßburg
325
die Niederlande ein, nahm Courtray, Dirmuyden, Luxemburg, Trier
und verlangte die Pfalz. Nun schien sich Deutschland zu erman-
nen. Aber was halfs? Melac brach mit 80,000 Franzosen in
die Rheinpfalz ein und bekam Befehl, aus derselben eine Wüste zu
machen. Er that's. Erst wurden die Einwohner gebrandschatzt,
dann mussten sie Alles hergeben, was sie hatten, konnten nun aus-
wandern, mussten aber selbst da noch ihre Kleider und sogar die
Lebensmittel aus den Reisetaschen zurücklassen, und hinter ihnen
gingen ihre Städte und Dörfer in Flammen auf: so brannten
Mannheim, Frankenthal, Worms, Speier (wo man sogar die Kai-
sergräber umwühlte), Heidelberg und sein schönes Schloß nieder.
Ketzer, hieß es, müsse man nicht anders behandeln. Das Reich
erklärte 1680 den Krieg. Aber überall siegte Frankreich, freilich
mehr noch durch Bestechung und Verrath, als durch die Überle-
genheit seiner Truppen. Endlich kam der Friede zu Ryswick 1607
zu Stande: Einiges gab Ludwig an Deutschland zurück, wie
Kehl, Philippsburg, Freiburg, Breisach, nahm statt der pfälzischen
Ansprüche 300,000 Thaler; aber der Religionszustand musste in
den zurückgegebenen Orten so bleiben, wie er eben war. An 1000
Orten hatte Ludwig den Katholicismus eingeführt. Das Reich
legte keinen weiteren Widerspruch ein.
So ungerecht und despotisch, wie Ludwig als Eroberer ver-
fuhr, machte er es auch in seinem eigenen Lande. Durch Bürger-
kriege war vor ihm das Land arm und unglücklich geworden, er
sorgte durch Einrichtung der ersten Polizei dafür, daß Niemand
mehr an Unruhen, Aufruhr, Revolution denken konnte. Aber frei-
lich schloß er auch das Volk von aller Theilnahme an der Regie-
rung aus, selbst die Parlamente, die letzte Stütze des Rechts, wur-
den zum Schweigen gebracht, ungerechte Urtheile waren an der
Tagesordnung. Ein ehebrecherisches Weib bat um seinen Schutz
gegen ihren von der Reise zurückkehrenden Mann; er ließ den un-
schuldigen Mann über ein Jahr ins Gefängniß stecken und, als die
Frau unterdessen gestorben war, ihm sagen, seine Haft sey ein Ver-
sehen gewesen. Um den Adel für seinen verlorenen Einfluß schein-
bar zu entschädigen, brachte er ihn Theils in die höheren Militär-
stellen, Theils an den Hof. Hier herrschte zwar eine peinliche Eti-
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Extrahierte Personennamen: Courtray Melac Ludwig_an Ludwig Ludwig_den_Katholicismus Ludwig Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Niederlande Luxemburg Deutschland Rheinpfalz Mannheim Frankenthal Worms Heidelberg Frankreich Deutschland Kehl Philippsburg Freiburg Breisach
— 37l —
Aber er mochte noch nicht in Paris bleiben, er sagte: „Meine
Macht hängt vom Ruhme, mein Ruhm von den Siegen ab; meine
Macht würde fallen, wenn ich ihr nicht noch mehr Siege zur Un-
terlage gäbe." Also Krieg und Kriegsruhm für sich und seine Sol-
daten, das war jetzt sein nächstes Ziel. Armee, Flotte und Geld
zur Eroberung von Ägypten wurden ihm bewilligt. England musite
durch das Gelingen dieses Planes am meisten leiden. Gegen die-
ses, den französischen Revolutionsideen feindselig gesinnte Land trug
Napoleon den glühendsten, einen nie erlöschenden Haß in seinem
Herzen. Am 20. Mai 1798 lief die Flotte aus. In der Schlacht
bei Abukir wurde zwar von den Engländern die französische Flotte
vernichtet; aber Napoleon tröstete sich damit, daß er nun den 3ten
Theil mehr Landsoldaten hatte. Die erste große Schlacht „bei den
Pyramiden" wurde gegen die Ägypter gewonnen: „Franzosen, hatte
der Feldherr seinem Heere zugerufen, bedenkt, daß von den Gipfeln
dieser Pyramiden 40 Jahrhunderte auf euch niederblicken!" Weiter
vorgedrungen, richtete er überall neue Regierungen ein und benahm
sich, um nicht anzustoßen, ganz als Mohamedaner. Dann ging's
nach Syrien. 3000 gefangene Türken, die man nicht ernähren
konnte, wurden ohne Weiteres hingerichtet: also auch von gewöhn-
lichstem menschlichen Gefühl bei dem General keine Spur! Nach
manchen Siegen, aber ohne für die Dauer den Franzosen nützliche
und haltbare Eroberungen, mit großem Ruhm bedeckt, verließ Na-
poleon plötzlich Ägypten, als er nach 10 Monaten zufällig durch
einen englischen Kapitain die ersten französischen Zeitungen bekom-
men und daraus ersehen hatte, wie nach dem Rastadter Con-
greß ganz Italien wieder verloren gegangen war und wie
schlimm es in Paris stand. Hier hatten neue Parteikämpfe Statt
gefunden, die Jacobiner waren wieder kecker hervorgetreten, und
man war nahe daran, das Vaterland in Gefahr zu erklären. Alles
sah sich nach einem Netter um. Da kam Napoleon allein aus
Ägypten, aus einem fernen, unbekannten Lande, dadurch schon mit
einer räthselhaften, geheimnißvollen Glorie umgeben. Seine Reise
nach Paris war ein Triumphzug.
Dort angekommen, brauchte er sich nicht lange zu besinnen,
was zu thun sey. Das Direktorium musste gestürzt werden, wenn
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Paris Siegen England Syrien Italien Paris Paris
— 377 —
ließ er unter seiner Aufsicht ein vortreffliches Gesetzbuch (Code Na-
leon) ausarbeiten; eine Art von neuem Adel schuf die Stiftung der
Ehrenlegion. Aber Ruhe hatte er nicht, überall gab es im Innen
und Auslande Vereine, Verschwörungen zu Gunsten der Bourbonen;
wie thatig auch die geheime Polizei war, dennoch musste er jeden
Augenblick einen Ausbruch fürchten. Diese Furcht verleitete ihn
auch zu dem scheußlichen Verbrechen, den unschuldigen Prinzen von
Enghien auf badnischem Grund und Boden aufheben und erschießen
zu lassen. Mit diesem Morde bestieg Napoleon den Thron, am
18. Mai 1804 wurde er als „Napoleon I. durch Gottes
Gnaden und die Constitutionen der Republik Kaiser
der Franzosen." Der Papst Pius Vii. ließ sich bewegen, selbst
nach Paris zu kommen und ihn und seine Gemahlin zu salben; die
Kronen setzte er sich und ihr selbst auf. Der arme Lieutenant, der
sich die Stiefel geputzt, war jetzt Kaiser! Sollte, konnte ein Mensch
von solchen Leidenschaften stehen bleibend —
Zunächst durste das vielverletzte Österreich gegen dieses neue
Kaiserreich nicht gleichgültig bleiben. Es verband sich (1805) mit
England, Rußland und Schweden. Allein ehe noch die Russen ka-
men, war schon der österreichische General Mack bei Ulm mit
80,000 M. gefangen genommen, und Napoleon drang unaufhalt-
sam vor. Der junge russische Kaiser Alexander I. und der Kaiser
von Österreich standen dem neuen Kaiser der Franzosen gegenüber,
die Dreikaiserschlacht von Austerlitz wurde geschlagen, Napoleon er-
focht einen vollständigen Sieg. Jetzt wollte sich auch Preußen
dem Bunde anschließen; allein der Korse brachte es durch die Zu-
sicherung von Hannover zurück; er entehrte erst seine Gegner, da-
mit sie nachher desto leichter ihm zur Beute sielen. Österreich er-
kaufte seinen Frieden mit ungeheuren Verlusten. Nun kirrte Na-
poleon die meisten deutschen Neichsfürsten durch Verleihung höhe-
rer Titel und durch Bewilligung der Oberherrlichkeit in ihren
Ländern zum Abfall vom deutschen Kaiser, sechzehn Fürsten des
westlichen Deutschlands vergaßen so sehr ihre Pflichten gegen Kai-
ser und Reich, daß sie unter dem Schutze Napoleons den s. g.
Rheinbund stifteten und sich damit in allen äußeren Verhältnissen
ihm unterwarfen. Am 1. Aug. 1806 erklärte er denn auch: das
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Alexander_I. Alexander_I. Napoleon Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Paris England Schweden Ulm Hannover Deutschlands Napoleons
deutsche Reich hat aufgehört. Niemand konnte widersprechen.
Kaiser Franz Ii- legte auch am 6. Aug. die deutsche Kaiserkrone
nieder und erklärte das Reich für aufgelöst. Ein tausendjähriger
Bestand war in Trümmer gefallen! Halb Deutschland gehörte
der Sache nach zu Frankreich! Dabei gründete Napoleon überall
neue Fürstenthümer: sein Bruder Joseph wurde König von Nea-
pel, sein Bruder Ludwig König von Holland, sein Stiefsohn Eu-
gen Beauharnois Vicekönig von Italien, sein Schwager Murat,
ehemals ein gemeiner Reiter, Großherzog von Berg, sein erster
Adjutant Berthier Fürst von Neufchatel u. s. w.; sie alle waren
aber nach einem Familiengesetz seiner Oberherrschaft unterworfen.
Hatte er doch hochmüthig gesagt, in 10 Jahren solle seine Dyna-
stie die älteste von Europa sein!
Jetzt konnte Preußen auch nicht mehr neutral bleiben, es sah
seinen Untergang voraus. Seine Ehre bei den anderen Mächten
war ohnedies durch die Annahme von Hannover beschmutzt. Die
vielgeliebte Königin Luise feuerte zum Kampfe an, Rußland ver«
sprach Hülfe, es erklärte den Krieg. Der ganze Rheinbund zog
mit Napoleon, Deutsche gegen Deutsche! Allein der Geist Frie-
drichs des Großen war aus dem Heere gewichen, schlechte An-
führung kam hinzu, die Schlacht bei Jena und Auerstädt
(den 14. Octbr. 1806) ging verloren, in wenigen Stun-
den begab sich das ganze Heer auf die Flucht. Alles verlor die
Besinnung. Verräterische Commandanten übergaben die besten
Festungen ohne Schwertstreich. Napoleon selbst sagte, er wisse
nicht, ob er sich über so leichte Siege freuen oder schämen solle.
Preußen wurde besetzt, der König Friedrich Wilhelm Ui. floh zu
den Russen, nur zwei Festungen (Colberg unter Gneisenau, Grau-
denz unter Courbiere) hielten sich, sonst war bis an die Weichsel
Alles verloren. Sachsen schloß einen schmachvollen Bund mit Na-
poleon und wurde dafür ein Königreich; den Polen wurde die
Freiheit versprochen. Im I. 1807 eröffnete Napoleon den Feld-
zug in Altpreußen. Ein neuer Geist begann sich im preußischen
Heere zu regen. Bei Eilau kam es zu einer mörderischen
Schlacht, Keiner hatte den Sieg. Aber die folgende Schlacht bei
Friedland ging für Preußen verloren, Rußland schloß einen Was-
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Extrahierte Personennamen: Franz_Ii- Franz Napoleon Joseph Ludwig_König_von_Holland Ludwig Schwager_Murat Berthier_Fürst_von_Neufchatel Napoleon Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Colberg Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Italien Europa Hannover Jena Sachsen Altpreußen Friedland
379
fenstillstand, dann kam gemeinschaftlich der Friede zu Tilsit zu
Sande: Preußen verlor die Hälfte seiner Länder, die besten Fe-
stungen, 140 Mill. Franken Kriegssteuer, es kam in's tiefste Elend.
Aus den abgetretenen Provinzen wurde das Königreich Westphalen
unter Napoleons gemeinem, wollüstigem, tyrannischem, niederträchti-
gem Bruder Hieronymus gemacht.
Die gefährlichsten Feinde für Napoleon waren die auf ihrer
Insel und auf dem Meere unbezwinglichen Engländer. Sie zu
vernichten, verbot Napoleon auf dem ganzen Festtande von Euro-
pa, so weit er zu befehlen hatte, allen Handel mit ihnen, ließ alle
Vorgefundenen englischen Maaren verbrennen und alle auf dem
Festlande befindlichen englischen Unterthanen als Kriegsgefangene
verhaften. Dies s. g. Continentalsystem richtete den Handelsstand
des Festlandes zu Grunde, empörte namentlich die gebildeten Klas-
sen gegen den Unterdrücker und schadete dem reichen England doch
wenig. Durch Aufhetzung des Kronprinzen gegen seinen Vater
und umgekehrt brachte er Beide in seine Gefangenschaft und Spa-
nien an seinen Bruder Joseph. Das spanische Volk, dadurch im
Innersten gekränkt, empörte sich, und Napoleons sieggewohnte
Truppen wurden zum ersten Male in heißen Kämpfen von bloßen
Bauern geschlagen. Bei einer Zusammenkunft mit dem charakter-
schwachen Kaiser von Rußland in Erfurt theilten sich Beide in die
Herrschaft von Europa, der Eine sollte den Westen, der Andere
den Osten haben: Preußen und Österreich saßen seufzend in der
Mitte. Rußland siel auch in Schweden ein, bekam Finnland, und
die Anwartschaft auf und die schwedische Krone selbst erhielt
ein General Napoleons, Bernadotte.
Deutschland war jetzt in der tiefsten Erniedrigung, die es
ähnlich nie erlebt hatte: seine Ausländerei, seine Nachäffung der
Franzosen, sein Unglaube und die Uneinigkeit und unpatriotische
Gesinnung seiner Fürsten hatten es dahin gebracht. Schmach und
Schande lasteten schwer auf jedem ordentlichen Deutschen, und
blutrothe Scham darüber, daß unter seinen Brüdern noch so viele
feige Franzosenknechte seyn konnten. Dazu ging durch die fremden
Kriege und Heere aller Wohlstand zu Grunde, und die Soldaten
des Eroberers verbreiteten auch in die fernsten Winkel Deutsch-
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleon Continentalsystem Joseph Napoleons Napoleons Bernadotte
Extrahierte Ortsnamen: England Napoleons Erfurt Europa Schweden Finnland Napoleons Deutschland
382 —
Napoleon selbst verließ zeitig genug das Heer, eilte nach Paris,
log den Franzosen Was vor und — rüstete von Neuem.
Preußen erkannte jetzt die Zeichen des göttlichen Gerichts.
General Pork war schon auf dem Rückzuge aus Rußland zu den
Russen übergetreten, nun sagte auch der vielgeprüfte, fromme und
demüthige König Friedrich Wilhelm Iii., daß es Zeit sey, begab sich
nach Breslau, erließ einen Aufruf *) an sein Volk und erklärte
an Frankreich den Krieg. Helle Begeisterung entflammte das
ganze Volk, die Jüngeren brannten vor Begierde mitzuziehen, die
Alten und Schwachen, die Frauen und Jungfrauen gaben das
Beste her, was sie hatten, Gold, Silber, Schmuck, ja die eignen
Haare, um ärmere Krieger auszurüsten; Gelehrte, Studenten,
Schüler, selbst Jungfrauen ergriffen das Schwert; ganz Preußen
war wie eine große Waffenstätte: es galt, die alte Ehre wieder
zu erringen, das Vaterland frei zu machen von den Schergen der
Tyrannei. Preußen und Russen, 200,000 M. stark, rückten in
Sachsen ein. Aber Napoleon hatte auch nicht gesäumt, er hatte
in Frankreich nun 300,000 M. ausheben lassen, dazu die alten
Truppen aus Spanien gezogen und neuen Zuschuß vom Rhein-
bünde erpresst. Er sollte jetzt aber seinen Gegner finden: der alte
Blücher, der schon unter Friedrich dem Großen gedient hatte
und welcher der Abgott seiner Soldaten war, hatte den Oberbefehl
*) „So wenig für mein treues Volk, als für alle Deutsche, bedarf es einer
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar lie-
gen sic dem unverblendcten Sinne vor Augen. Wir erlagen unter der Über-
macht Frankreichs. Der Friede schlug uns tiefere Wunden, als selbst der
Krieg; das Mark des Landes ward ausgcsogen, der Ackerbau, so wie der
Kunsiflekß der Städte, gelahmt; die Hauptfcstungcn blieben vom Feinde be-
setzt. Übermuth und Treulosigkeit vereitelten meine besten Absichten, und
nur zu deutlich sahen wir, daß Napoleons Verträge mehr noch, wie seine
Kriege uns langsam verderben mussten. Jetzt ist der Augenblick gekommen,
wo alle Täuschung aufhbrt. Brandenburger, Preußen, Schlesier, Pommern,
Lithauer! Ihr wisst, was euer trauriges Loos scyn wird, wenn wir den
beginnenden Kampf nicht ehrenvoll endigen! — Große Opfer werden von
Allen gefordert werden; denn unser Beginnen ist groß und nicht gering die
Zahl und die Mittel unserer Feinde. Aber welche auch gefordert werden,
sie wiegen die heiligen Güter nicht auf, für welche wir sie hingebcn, für die
wir streiten und siegen müssen, wenn wir nicht aufhdren wollen, Preußen
und Deutsche zu sein. — Mit Zuversicht dürfen wir vertrauen, Gott
und ein fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen,
und mit ihm die Wiederkehr einer glücklichen Zeit!"
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Friedrich_dem_Großen Friedrich Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Paris Breslau Frankreich Sachsen Frankreich Spanien Rhein- Frankreichs Napoleons Pommern
— 383 —
über die Preußen bekommen, Gneisen au, der gelehrte Feldherr,
welcher dem Alten immer die Schlachtplane entwerfen musste, stand
ihm zur Seite. Die erste Schlacht wurde bei Lützen und Groß-
Görschen (2. Mai 1813) geschlagen und von Napoleon gewonnen,
ebenso die zweite bei Bautzen (19. — 21. Mai). Allein die Sie-
ge waren doch, da die Preußen sich stets in guter Ordnung zu-
rückzogen, von der Art gewesen, daß Napoleon einen Waffenstill-
stand wünschte, die Verbündeten auch darauf eingingen. In dieser
Zeit musste sich das Schicksal Europa's entscheiden. Bisher war
Österreich neutral geblieben. Auf wessen Seite dies trat, dem war
der Sieg wahrscheinlich. Man zweifelte Anfangs nicht an der
Macht der Verwandtschaft. Österreich erö'ffnete einen Friedenscon-
greß zu Prag. Aber Napoleon wollte sich gar nicht zum Nachge-
den verstehen, der Hochmuth hatte ihn zu blind gemacht: Alles
oder Nichts, war sein Wahlspruch. Am 19. August ging der
Waffenstillstand zu Ende, und zwei Tage später erklärte auch Öster-
reich an Frankreich den Krieg.
Napoleon stand mit seinen Hauptheere von 359,909 M. um
Dresden, die Verbündeten zogen ihre Hauptmacht bei Prag zusam-
men: die Österreicher unter Schwarzenberg, die Russen unter Bark-
lay de Tolly und Wittgenstein, ein Theil der Preußen unter
Kleist, der andere in Schlesien unter Blücher, der Kronprinz von
Schweden, Bernadotte, und Bülow führten das dritte Heer. Die
gesammte Macht der Verbündeten betrug gegen eine Million Krie-
ger, Napoleon hatte um die Hälfte weniger, aber sie alle gleichsam
in Einer Hand. Im August brach das Kriegsfeuer überall los.
Auch dies Mal schienen die Elemente den Deutschen, wie einst im
Teutoburger Walde, bei Erringung ihrer Freiheit helfen zu wollen:
Wochen lang stürmte und regnete es in ganz Norddeutschland.
Bei Groß-Beeren wurde der französische Marschall Oudinot ge-
schlagen und ließ 18,999 Gefangene zurück: Berlin war befreit.
Zwar erlitten die Verbündeten bei Dresden eine Niederlage, dafür
aber schlug Blücher die Franzosen unter Macdonald an der Katz-
bach so tüchtig, daß vicle Tausende ertranken oder unter den Kol-
benstoßen der schlesischen Landwehr erlagen. Bei dem alten Klo-
ster Wahlstatt, wo einst die Tartaren geschlagen waren, hatte auch
Gei
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Hochmuth August Napoleon Schwarzenberg Bernadotte Napoleon August Marschall_Oudinot Blücher
Extrahierte Ortsnamen: Bautzen Frankreich Dresden Prag Wittgenstein Schlesien Schweden Norddeutschland Berlin Dresden
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Blücher gesiegt, er erhielt von seinem Könige den Titel eines Für-
sten von Wahlstatt, von seinen Soldaten den des Marschall Vor-
wärts. Zwei Tage später (28. Aug.) wurde Vandamme bei Culm
durch das glückliche Zutreffen des General Kleist von der Rollen-
dorfer Höhe her geschlagen und mit ziemlich 30,000 M. gefangen
genommen. Marschall Ney wurde von Bülow bei Dennewitz
(6. Sept.) besiegt. Durch so viele Siege musste wohl den Ver-
bündeten der Muth wachsen. Sie zogen sich immer näher um
Dresden herum. Napoleon merkte, daß man ihn einschließen
wolle; er trat also den Rückzug an. In der großen Ebene von
Leipzig sammelte er alle seine Streitkräfte. Er stellte sie rings um
die Stadt auf. Schon am 16. Oktober begann der Kampf. Auf
dem rechten Flügel siegte Blücher bei Möckern. Am 17. Octbr.
geschah nichts Bedeutendes, man rückte nur in die rechten Stel-
lungen. Aber am 18. Octbr. entbrannte der Kampf auf allen
Seiten; Napoleon zeigte sich noch einmal in seiner ganzen Feld-
herrngröße. Aber was vermag alle Klugheit und Berechnung des
Verstandes gegen die warme Begeisterung des Herzens? Von
solcher hatte sein steinern Herz nie Etwas gewußt, vollends an
deutsche Erhebung und Begeisterung sein Hochmut!) nie geglaubt:
hier musste er's erkennen, was ein einig Volk, das treu um sei-
nen König sich schaart und mit Gott für ihn und das Vaterland
kämpft, in den Stunden der Entscheidung vermag. Noch war der
Tag des 18. Octbr. nicht ganz vorüber, da wusste sich Napoleon
schon geschlagen und befahl den Rückzug. Das war die große
Völkerschlacht bei Leipzig, die Geburtsstätte eines neuen, fteien,
einigen Deutschlands!
Die Franzosen flohen dem Rheine zu. Bei Hanau mussten
sie sich noch durch die Baiern unter Wrede, welche sich schon seit
dem 8. Octbr. für die gemeinsame deutsche Sache erklärt hatten,
durchschlagen und kamen endlich, nur noch 70,000 M. stark, in
ihr Vaterland zurück. Die noch in deutschen Festungen steckenden
100,000 M. mussten auch nach und nach das Gewehr strecken.
Nun wurde der Abfall groß: Holland, die Schweiz, Italien, der
Rheinbund, selbst Murat, der König von Neapel, schlossen sich den
Verbündeten an. Diese zogen von vier Seiten zugleich nach
Frankreich hinein. Man bot Napoleon noch einmal das ganze
alte Frankreich und den Frieden an; er sagte immer noch im alten
Hochmuth: entweder Alles oder Nichts. Jetzt bekam der Bruder
des unglücklichen Königs, Ludwig Xviii., Hoffnungen. Die Ar-
meen drangen vor, und nach mehreren bedeutenden Siegen, beson-
ders Blüchers (bei Laon, Arcis sur Aube, la Fere Champenoise,
beim Montmartre), zogen sie am 31. März 1814 als Sieger in
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Bülow Napoleon Napoleon Napoleon Wrede Napoleon Hochmuth Ludwig_Xviii Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Dresden Leipzig Stel- Leipzig Deutschlands Rheine Hanau Holland Italien Rheinbund Neapel Frankreich Frankreich Laon