168 Rudolf von Habsburg.
Lübeck, Danzig, Köln und Braunschweig waren. Lübeck war der Hauptort des Bundes, der dortige Bürgermeister der Vorsteher desselben in Lübeck die Bundesversammlungen und die Bundeskasse. Für den auswärtigen Handel hatte die Hansa in London, in Brügge, in Nowgorod und in Bergen (Norwegen) große Handelskomptoire. Sie führte als selbständige, tom Kaiser unabhängige Macht Krieg mit auswärtigen Staaten, züchtigte Däue-mark und Norwegen wiederholt und hatte den ganzen Handel im Norden Europas in ihrer Hand. Deutschland war der Mittelpunkt des europäischen Handels und brachte die Erzeugnisse und Handelswaaren des Südens aus den Seestädten Venedig, Genua, Pisa, Amalfi zu Land nach dem Ncr-den; im Innern Deutschlands waren Augsburg, Nürnberg, Straßburg, Frankfurt, Köln sehr bedeutende Handelsstädte. Die deutsche Flotte war damals bei weitem die erste im Norden Europas, und der anmaßende Där.e zitterte vor ihr.
5. Habsburger, Wittelsbacher, Luremburger.
§. 130.
1273. Rudolf von Habsburg und Ottokar von Böhmen. Ostreich.
1272. _lnach König Richards Tod wurde durch die Verwendung des Burggrafen von Nürnberg, Friedrich von Hohenzollern, und des Erzbischofs 1273-1291. Werner von Mainz Gras Rudolf von Habsburg, welcher in der Schweiz und im Elsaß Besitzungen hatte, und durch Tapferkeit und Klugheit sich auszeichnete, zum deutschen König gewählt und von Papst Gregor X. bestätigt nachdem er geschworen hatte, daß er die Güter der Kirche und ihrer Vasallen mcht angreifen, in Rom und dem ganzen Kirchenstaat keine Würde annehmen und, falls der Papst ihn zum Kaiser fröne, einen Kreuzzug unternehmen wolle. Das erste und zweite hielt er; denn er sah Italien als die Löwenhöhle cm, bei welcher man wohl die Fußstapfen solcher, die hineingekommen, aber nicht solcher, die wohlbehalten herausgekommen feien, wahrnehme. Er erkannte ganz richtig, daß das kraftvolle Hohenstaufengefchlecht nur durch diese Löwenhöhle zu Grunde gegangen sei, und daß der anarchische Zustand Deutschlands, wie er schon seit Friedrich Ii. angefangen hatte, nur darin feinen Grund hebe, daß man nicht in Italien einen Riesenkampf auskämpfen und zugleich in Deutschland die nach möglichster Unabhängigkeit strebenden Vasallen in den Schranken halten könne. Daher kümmerte sich Rudolf bloß um Deutschland, suchte sich in Deutschland, nicht in Italien eine starke Hausmacht zu gründen, g.eng nie nach Italien, und durch Gregors bald darauf erfolgten Tod hielt er sich seines Versprechens, einen Kreuzzug zu unternehmen, für entbunden. Dec mächtigste unter den deutschen Vasallen war damals König Ottokar von Böhmen und Mähren, der während des Interregnums auch Östreich, Steiermark, Kärnten und Krain an sich gebracht hatte und sicher auf die deutsche Krone rechnete. Da Ottokar keine Huldigung leistete und auf dreimalige Vorladung nicht erschien, so rückte Rudolf mit einem Heere in d:e Nähe von Wien, worauf jener sich freiwillig unterwarf, Böhmen und Mähren, vor
1276. Rudolf knieend, als Lehen empsieng und die übrigen Länder herausgab. Bald aber bereute, Ottokar diesen Schritt und rüstete sich aufs neue. Rudolf rückte wieder in Ostreich ein, verstärkte sein Heer durch Ungarn, Kärntner und Steiermärker und lieferte Ottokar die Schlacht auf dem Marchfelde bei
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Extrahierte Ortsnamen: Danzig London Norwegen Norwegen Europas Deutschland Venedig Genua Amalfi Deutschlands Nürnberg Straßburg Frankfurt Europas Nürnberg Schweiz Elsaß Rom Italien Deutschlands Italien Deutschland Deutschland Deutschland Italien Italien Gregors Krain Wien Ostreich Ungarn
Philipp Ii. von Spanien. Abfall der Niederlande. 199
dinand, der in Linz inzwischen auf die deutschen Reichstruppen gewartet hatte (Luther selbst forderte zum Kreuzzug gegen die Türken auf), wieder m Ungarn vor wurde aber noch mehreremal von Soliman, der immer neue Raubzüge nach Ungarn machte, zurückgedrängt, bis er endlich gegen Tribut die Krone von Ungarn (übrigens nicht von ganz Ungarn) erlangte.
Da dem Kaiser seine theuersten Plane mißlungen waren (bte Vereinigung der religiösen Parteien in Deutschland und auf dieser Grundlage die Übermacht des deutschen Kaiserthums über jede andere Macht in Europa und die Nachfolge seines Sohnes Philipp auf dem deutschen Kaiserthrone), so war der auch von körperlichen Leiden geplagte Mann des Regierens müde und sehnte sich, wie einst Diokletian, nach einem ruhigen Privatleben. Er übergab daher m Brüssel seinem Sohne Philipp die Regierung der Niederlande und im fol- 1555. genden Jahre die von Spanien, Neapel und dem spanischen Amerika, während er die östreichischen Staaten seinem Bruder Ferdinand überließ, der zuml5.März1558. deutschen Kaiser gewählt wurde. Hierauf begab er sich nach Spanien,Herbst 1556. bezog eine kleine Wohnung neben dem Kloster St. Juste in Estremadura und starb den 21. September 1558.
Sein Sohn, Philipp ü. von Spanien, betrachtete sich als das Haupt 1556-1598. der katholischen Fürsten in Europa und suchte deßhalb theils die Grenzen seines Reiches zu erweitern und seinen Einfluß auf andere Staaten zu vergrößern, theils den Protestantismus überall, wohin seine Macht reichte, selbst durch die schändlichsten Mittel zu unterdrücken. Durch die Schrecken der Inquisition, durch die zahlreichen Autodafes setzte er seinen Willen in Spanien durch und versuchte es auch in den Niederlanden. Hier hatte in den nördlichen Provinzen die Reformation bereits Eingang gefunden, und das auf seine Freiheiten eifersüchtige Volk, auch das katholische, sah nur ungern, wie Philipp die 4 bestehenden Bisthümer um 14 vermehrte, 4000 Mann fremder Truppen im Lande ließ und seiner Halbschwester, der Statthalterin Margaretha von Parma, in dem Kardinal Granvella einen Mann seines Schlags als künftigen Großinquisitor an die Seite stellte. Zwar verließen die Truppen und Granvella das Land, aber die Reise des Grafen Egmont, des Siegers von St. Quentin und von Gravelingen, nach Madrid hatte keinen Erfolg. Auf seine Vorstellungen, die Strafgesetze gegen die Ketzer zu mildern, erwiderte Philipp, er wolle tausendmal sterben, als die geringste Veränderung in der Religion dulden. Auch eine Petition des niederländischen Adels, welche der Statthalterin überreicht wurde, richtete nichts aus. Als Bettler (gueux) verspottet, stifteten 1565. die Edelleute den Bund der Geusen mit dem Wahlspruch: „treu bis zum Bettelsack!" Die religiöse Aufregung, durch die fortwährenden Ketzerstrafen gesteigert, veranlaßte einen Bildersturm, welcher von Margaretha durch militärische Maßregeln unterdrückt wurde. Statt nun die Gemüther durch Milde zu versöhnen, schickte Philipp den grausamen Herzog von Alba mit einem 1567. aus Spaniern und Italienern gebildeten Heere nach den Niederlanden, worauf Margaretha ihre Entlassung nahm. Gras Egmont und Admiral Graf Hoorn wurden verhaftet und in Brüssel öffentlich enthauptet, von dem neu eingesetzten 5. Juni 1568. „Blutrath" massenhafte Verhaftungen und Hinrichtungen vorgenommen. Die Auflegung einer neuen Steuer verursachte einen allgemeinen Aufstand, an dessen Spitze Wilhelm von Oranten, der „Schweigsame" stand, welcher vor Al- 1572. das Ankunft sich nach Deutschland begeben hatte. Auf einer Versammlung von Dortrecht wurde Oranten für den rechtmäßigen königlichen Statthalter von Holland, Seeland und Utrecht erklärt und damit der Grund zur Selbftän-
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Reünionskammern. Straßburg. Türkenkriege. 215
unter Wrangel bei Fehrbellin, eroberte einen Theil Vorpommerns und brachte 2l. Juni 1675. dadurch den brandenburgischen Namen zu großer Ehre. Von da an wurde der Krieg hauptsächlich in den Niederlanden geführt, wo sich Wilhelm Iii. von Ora-nien ruhmvoll behauptete. Und als England, dessen Flojte durch die holländischen Seehelden, de Ruyter und Tromp, dreimal besiegt worden war, mit den Holländern Frieden machte und sich mit ihnen gegen Frankreich verbinden zu wollen schien, so hielt Ludwig es für gerathen, den Nymweger Frieden zu schließen, worin er an Holland alle Eroberungen zurückgab und von Spa-5.Febr. 1679. nien die Freigrafschaft Burgund und mehrere Festungen in Flandern und Hennegau erhielt. Auch hielt er Lothringen besetzt, da Herzog Karl Iv. die demüthigenden Bedingungen, unter welchen er sein Land wieder bekommen sollte, nicht eingieng. Der Kaiser gab an Frankreich Freiburg im Breisgau, und der Kurfürst mußte Pommern an Schweden zurückgeben.
Da Ludwig so vieles nach Wunsch gieng und er aus jedem Kriege bereichert hervorgieng, so bekam er Lust zu neuen Eroberungen und ließ die so-
genannten Reünionskammern in Metz, Besän hon und Breisach errichten, 1681. um durch diese bestimmen zu lassen, welche Ortschaften ehemalige „Dependenzen" der im westfälischen und Nymweger Frieden an Frankreich abgetretenen Landschaften seien und daher, nach sranzösischer Berechnung und Auslegung, jetzt mit Frankreich zu vereinigen seien. Man brachte etwa 600 Städte und Dörfer heraus, welche alle sogleich besetzt und mit Frankreich verbunden wurden, wie Zweibrücken, Saarbrücken u. s. w. Doch damit noch nicht zufrieden, nahm Ludwig mitten im Frieden die freie Reichsstadt Straßburg, wozu ihm der Verrath des Bischofs Franz30.Sept. 1681. Egon von Fürstenberg und anderer behilflich war. Und der Kaiser, anderen Sinnes als Karl V., welcher sagte: „Wenn Wien und Straßburg zugleich in Gefahr wären, so würde ich zuerst Straßburg zu Hilfe eilen," schloß wegen des von Ludwig selbst veranlaßten Türkeneinfalls zu Regensburg einen Waffenstillstand mit Ludwig, wonach Frankreich die reünirten und geraub- 1684. ten Städte behalten durfte. Der Kaiser wandte sich nun ganz dem Osten zu.
Die Ungarn waren indessen im vollen Aufruhr und die Türken im
Anmarsch. Schon 1663 hatten die Türken wieder einen Einfall gemacht und fast ganz Ungarn verheert und besetzt. Montekukuli schlug sie bei der Abtei St. Gotthard an der Raab, worauf sie mit dem Kaiser einen zwanzigjäh-1664. rigen Waffenstillstand schloßen. Diese Zeit benützte die östreichische Regierung, um die politischen und religiösen Freiheiten Ungarns zu vernichten. Eine Verschwörung der mächtigsten Magnaten, welche entdeckt wurde, gab dem Kaiser Gelegenheit, Ungarn als eroberte Provinz zu behandeln. Die Verfassung 1670. sollte gestürzt, der Protestantismus unterdrückt werden, die Krone erblich und unumschränkt sein. 250 protestantische Prediger sollen als Ruderknechte auf die neapolitanischen Galeeren verkauft worden sein. Da brach die Wuth des Aufstandes los. Graf Emerich Tökeli stellte sich an die Spitze desselben, verjagte die Östreicher aus Ungarn, wurde von Ludwig unterstützt und von der Türkei als zinspflichtiger König von Ungarn anerkannt. Nun gab zwar der Kaiser den Ungarn Glaubensfreiheit; aber es war, wie gewöhnlich, schon zu spät. Der kriegs- und beutelustige Großvezier Kara Mustapha 1681. beredete den auch von Ludwig bearbeiteten Sultan Muhamed Iv. zu einem Krieg mit Östreich, zog mit 200,000 Mann durch Ungarn und stand im Juli 1683 vor Wien, das nur von 12,000 Mann vertheidigt wurde. Der Kaiser floh nach Linz und bat die deutschen Fürsten und den Polenkönig um schleunige Hilfe. Der wackere Kommandant, Graf Rüdiger von Stah-
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Spanischer Erbsolgekrieg. 219
"berlanbe, drang bis an die französische Grenze vor und hatte den Plan, im Herzen Frankreichs selbst die letzte Entscheidung herbeizuführen, ein Plan, der nur an dem Mangel an Unterstützung von Seite des deutschen Reiches scheiterte.
Als Kaiser Leopold starb, folgte ihm sein Sohn, Kaiser Josef 1.1705.
Dieser schlug einen Aufstand der hart gedrückten Baiern nieder, sprach über die 1705-1711. beiden Kurfürsten von Baiern und von Köln die Re ich sacht aus und gab 1705. dem Kurfürsten von der Pfalz die Oberpfalz zurück. Marlborough schlug die Franzosen unter Villeroi bei Ramillies in den Niederlanden und gewann 1706. dadurch das ganze Land, während Eugen die Franzosen bei Turin glänzend schlug (an welchem Siege die Preußen unter dem Fürsten Leopold von Dessau 1707. ruhmvollen Antheil hatten), ganz Oberitalien wieder besetzte, und Neapel durch Daun in Östreichs Besitz kam. Nur gegen das Reichsheer richteten die Franzosen einiges aus. Ludwig vonbaden starb, und statt seiner übernahm der 1707. unfähige Markgraf Christian von Baireuth den Oberbefehl. Villars trieb ihn zurück und ließ in Schwaben und Franken brennen und brandschatzen.
Ludwig war schon sehr zum Frieden geneigt; aber seine Anträge wurden von den siegreichen Verbündeten zurückgewiesen. Eugen und Marlborough erfochten über die Franzosen unter Vendome einen neuen glänzenden Sieg bei Ou-denarde an der Schelde. Nun war Ludwig fast ganz erschöpft und bereit, 1708. nicht nur auf die ganze spanische Erbschaft zu verzichten, sondern auch Elsaß und Straßburg herauszugeben. Man begnügte sich übermüthigerweise nicht damit und machte ihm noch die unnatürliche Zumuthung, daß er seinen eigenen Enkel mit den Waffen aus Spanien vertreiben helfen solle. Dies konnte Ludwig nicht annehmen; er brachte mit Mühe ein neues Heer auf unter Villars; aber auch dieses wurde von Eugen und Marlborough in der mörderischen Schlacht bei Malplaquet geschlagen. Als sich nun Ludwig sogar 1709. dazu erbot, Hilfsgelder gegen seinen Enkel zu bezahlen, wurde er abermals zurückgewiesen und auf der Vertreibung mit den Waffen bestanden, obgleich Eugen die französischen Zugeständnisse sehr annehmbar fand und, besonders wegen der Wiedergewinnung Straßburgs und des Elsaß, für den Frieden sprach.
Da traten unerwartet zwei für Ludwig sehr günstige Umstünde ein. Die Gemahlin Marlboroughs fiel bei der Königin Anna von England (1701—1714) in Ungnade; das Ministerium, zu dessen Partei Marlborough gehörte, wurde verdrängt, und die nachherigen Minister (die Tories) wünschten so bald als möglich Frieden zu machen, um den ihnen verhaßten Herzog von Marlborough entbehren zu können. In diesem Bestreben wurden sie durch ein zweites Ereigniß sehr unterstützt: Kaiser Josef starb ohne männliche Nachkommen, ml. und sein Bruder Karl, für welchen die spanische Erbschaft begehrt ward, folgte ihm als Kaiser Karl Vi. England und die anderen Mächte glaubten, es 1711-1740, sei gegen ihr eigenes Interesse, daß Habsburg wieder so mächtig werde, wie unter Karl V., und schloßen daher mit Frankreich den Frieden zu Utrecht, 1713. an welchem England, Holland, Preußen, Savoyen und Portugal theilnahmen.
Der Kaiser und das deutsche Reich setzten den Kampf fort, richteten aber nichts aus; daher schloß der Kaiser mit Frankreich den Frieden zu Rastadt, dem 1714. das deutsche Reich in dem Frieden zu Baden beitrat. In diesen Friedensschlüssen wurde unter anderem ausgemacht, daß Philipp Spanien und das spanische Amerika bekommen solle, niemals aber die spanische und französische Krone vereinigt werden dürfen; daß Kaiser Karl Vi. die spanischen Niederlande, Neapel, Mailand und Sardinien, England Gibraltar und Minorka,
Savoyen Sicilien erhalten solle. Der Kaiser tauschte nachher Sicilien gegen
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220 Nordischer Krieg. Peter der Große.
Sardinien ein. Preußen erhielt Obergeldern, die Anerkennung seiner Königswürde und die Bestätigung seiner Souveränetät über Neufchatel und Valengin (Neuenburg in der Schweiz), welche Landschaften nach dem Absterben des rechtmäßigen Fürstenhauses 1707 den König Friedrich I. von Preußen als nächsten Erben und somit als ihren Fürsten anerkannt hatten. Die Kurfürsten von Baiern und Köln erhielten wieder Land und Würde.
Während im westlichen Europa um die spanische Monarchie gekämpft wurde, fand auch im Norden ein erbitterter Kampf statt. Unter dem Hause Romanow (seit 1613) kam Rußland immer mehr empor, besonders unter dem $682-1725.Enkel des ersten Romanow, Peter dem Großen. Dieser wurde als zehnjähriger Knabe gegen den Willen seiner Schwester Sophia, welche sich selbst des Thrones bemächtigen wollte, zugleich mit feinem älteren, blödsinnigen Bru-1682. der Iwan als Zar des russischen Reiches gekrönt. Er brachte seine Jugendzeit in Preobraschensk (in der Nähe von Moskau) mit einigen jungen vornehmen Russen zu und machte mit diesen unter der Leitung des Genfers Lefort militärische Übungen mit. Als die herrschsüchtige Sophia die Strelitzen zu seiner Ermordung aufreizte, bewältigte der 17jährige Peter, mit Hilfe des Adels und der ausländischen Qfficiere, die Verschwörung, schickte die bisherige Re-1689. gentin ins Kloster und übernahm selbst die Regierung. Das Ziel seines Stre-bens war, das seiner damaligen Bildung nach noch asiatische Rußland zu einem europäischen Staat zu machen, das Heerwesen nach europäischem Muster einzurichten und, da Rußland damals nur den einen Seehafen Archangel hatte, am schwarzen Meer und an der Ostsee festen Fuß zu fassen. Dies mußte ihn mit der Türkei, welche die Küstenländer des schwarzen Meeres besaß, und mit Schweden, das an der Ostsee herrschte, in Krieg bringen. Den Anfang
1696. machte er mit der Eroberung der türkischen Festung Asow. Dann unternahm er, nachdem er eine Verschwörung der neuerungsfeindlichen Strelitzen unterdrückt hatte, eine Reise nach Deutschland, Holland und England, arbeitete in
1697. dem holländischen Dorfe Saardam als Meister Peter Michailow auf der Schiffswerfte, gewann viele Ausländer für den russischen Dienst und eilte über Wien nach Moskau zurück. Dort war während seiner Abwesenheit ein neuer Strelitzenaufftand, in welchen feine Schwester Sophia verwickelt war, ausgebrochen, und Peter, mit eiserner Strenge einschreitend, soll mehr als 100 Köpfe selbst abgeschlagen haben. Auch zu europäischer Tracht zwang er seine Unterthanen.
Um die Ostseeländer zu erobern, schloß er mit König August Ii. von 1699. Polen und König Friedrich Iv. von Dänemark ein Bündniß zur Beraubung Schwedens. Dieses Land war nicht mehr, was es unter Gustav Adolf gewesen war. Nach dessen Tod hatte seine Tochter Christine (1644) die Regierung angetreten. Bei ihrer Wißbegierde und ihrer Eitelkeit gefiel sie sich darin, Gelehrte und Künstler von ganz Europa an den Hof zu Stockholm zu berufen, wodurch die geringen königlichen Einkünfte bald erschöpft wurden. Ihr Grundfehler war ihre Sucht nach Auffallendem, welche sich besonders in drei Punkten zeigte: sie blieb, wie Elisabeth von England, unvermählt, legte die Regierung freiwillig nieder (1654) und trat noch im nämlichen Jahre in Innsbruck offen zum Katholicismus über. Darauf lebte sie meist in Italien, machte Reisen nach Frankreech und begab sich noch zweimal nach Schweden, in dem Gedanken, den Thron wieder zu besteigen. Im Jahre 1689 beschloß sie ihr abenteuerliches Leben in Rom. Ihr Nachfolger auf dem schwedischen Thron war Karl X., ihr Vetter, Herzog von Pfalz-Zweibrücken. Der Enkel 1697-1718. desselben war Karl Xii., welcher als 15jähriger Jüngling die Regierung
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Eylau, Friedland, Tilsit. 261
unberührt gebliebenen Zimmern Friedrichs des Großen dessen Degen,
Schärpe und schwarzen Adlerorden und hielt seinen Einzug in Berlin. Nun27. Okt. kamen wieder die berüchtigten Napoleonischen Dekrete: der Kurfürst von Hessen, der, vorher mit Preußen verbündet, vor dem Ausbruche des Krieges sich für neutral erklärt hatte, wurde durch Marschall Mortier aus seinem Lande vertrieben, das preußische Westfalen und Hannover, Ostfriesland und Oldenburg, Hamburg und Bremen, Braunschweig und Mecklenburg besetzt und dadurch ganz Norddeutschland dem Sieger unterworfen. Der bei Auer-städt schwer verwundete Herzog von Braunschweig wurde aus seiner Hauptstadt vertrieben und starb bald darauf in Ottensen bei Hamburg. Er und der Herzog von Nassau, als Preußens Bundesgenossen, und der Kurfürst von Hessen wurden ihrer Länder für verlustig erklärt; dagegen erhielt der Kurfürst von Sachsen den Königstitel und trat dem Rheinbünde bei, wie auch die sächsischen Herzogthümer: Weimar, Gotha, Meiningen, Hildburghausen, Koburg. Von Berlin aus erließ Napoleon gegen England das Dekret der Kontinentalsperre, wonach eigentlich ganz England in Blokadezustand erklärt und den Einwohnern der Napoleon unterworfenen Länder 21. Nov. aller Verkehr mit England untersagt und alle von oder nach England kommenden Waaren und Briefe konfiscirt werden sollten, welche Maßregel den Handel auch auf dem Kontinent, nicht bloß in England sehr beeinträchtigte und den demoralisirenden Schleichhandel erzeugte.
Der König von Preußen war mit seiner Familie nach Königsberg geflohen und machte von dort aus Napoleon Friedensanträge, die aber an dessen übertriebenen Forderungen scheiterten.
§. 174;
Eylau, Fricdland. Tilsiter Friede. 1807.
Von Berlin begab sich Napoleon nach Posen, erließ einen Aufruf an die Polen, worin er sie zum Kampfe für Freiheit und Unabhängigkeit auf-2.Jan. 1807. forderte, und zog in Warschau ein. Dagegen ließ Kaiser Alexander von Rußland ein Heer unter Bennigsen nach Ostpreußen marschiren, um gemeinschaftlich mit den Preußen gegen Napoleon zu kämpfen. Nach den unentschiedenen Gefechten von Pultusk und Golimyn folgte die mörderische Schlacht bei Preußisch-Eylau, in welcher 60,000 Todte und Verwundete8. Febr. das Schlachtfeld bedeckten, so daß beide Theile, von denen jeder sich den Sieg zuschrieb, auf längere Zeit zu einem entscheidenden Schlage unfähig waren.
Napoleon machte nun dem Könige Friedensvorschläge; dieser nahm sie aber aus Rücksicht auf Rußland und England nicht an. Als aber die Nachrichten aus Schlesien, in das ein französisches Heer unter Jerome Bonaparte eingerückt war, immer schlechter lauteten, und die Festungen Glogau, Brieg,
Schweidnitz, Breslau, Kosel sich den Feinden ergaben; als endlich auch Danzig 24. Mai. dem Marschall Lefebvre sich ergeben mußte, und in der Schlacht bei Fried-14. Juni, land Napoleon das russisch-preußische Heer gänzlich besiegte und Königsberg besetzte, da baten die Verbündeten um einen Waffenstillstand. Es fand eine Zusammenkunft Alexanders und Friedrich Wilhelms mit Napoleon auf dem Niemen (Memel) statt; sogar die von Napoleon so sehr gekränkte Königin Luise gab sich zu einer Unterredung mit demselben her, und am 7. und 9. Juli wurde der Friede von Tilsit geschlossen, worin Rußland nichts verlor, sogar ein Stück von Ostpreußen bekam, jedoch den Engländern seine
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Sachsen, Brandenburg und Hannover. 223
Dieser machte die Krim vollends zu einer russischen Provinz, täuschte die Kaiserin auf ihrer taurischen Reise durch schamlosen Betrug und eroberte die Moldau und Walachei, während die verbündeten Östreichet Belgrad nahmen.
Doch gab Katharina nach Pontemkins Tod im Frieden von Jassy diese Erobe- 1792. rangen wieder heraus, da England und Preußen eine drohende Haltung gegen Rußland annahmen. Ihr Nachfolger war ihr Sohn Pauli. (1796—1801).
§. 163.
Der Kurfürst von Sachsen König von Polen. Der Kurfürst von Bran-1697. denbura König von Preußen. Der Kurfürst von Hannover König Von i70i.
England. Englische Geschichte. 1714.
Nach dem Tode des berühmten Polenkönigs Johann Sobiesky bewarben 1696. sich um die polnische Krone der französische Prinz von Conti und Friedrich August der Starke, Kurfürst von Sachsen. Da der Kurfürst zur Bestechung der polnischen Edelleute mehr Geld aufwenden konnte, so erhielt er bei der Königswahl die meisten Stimmen, wurde als Kurfürst von Sachsen zugleich König von Polen und regierte 1697 — 1733. Aber er mußte diesen Glanz eines Wahlkönigreichs theuer bezahlen. Der Nachkomme des ersten protestantischen Fürsten Deutschlands mußte dieser Krone zu Lieb die katholische Konfession annehmen und verzichtete damit auf die Achtung seiner protestantischen Unterthanen und ganz Deutschlands. Er wurde, wie bereits erzählt ist, in den großen nordischen Krieg mit Karl Xii. von Schweden verwickelt und brachte dadurch über Polen und Sachsen viel Elend. Nach seinem Tode verschafften Rußland und Östreich seinem Sohne, Friedrich August Iii. von Sachsen, welcher gleichfalls zur katholischen Kirche übergetreten war, die polnische Krone und halfen ihm den polnischen Erbfolgekrieg gegen den von 1733-1738. Frankreich unterstützten Stanislaus Lescinsky, Schwiegervater des Königs Ludwigs Xv. von Frankreich, glücklich bestehen. Er regierte 1733 — 1763.
Herzog Albrecht Friedrich von Preußen hatte Maria Eleonore, die älteste Schwester des Herzogs von Kleve, Jülich und Berg zur Ge-1 1609. mahlin. Ihre Tochter Anna, die einzige Erbin des Herzogthums Preußen und der Ansprüche aus die Jülichische Erbschaft, vermählte sich mit dem Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg, und dadurch kamt 1619. das Herzogthum Preußen an das Kurfürstenthum Brandenburg. Sein Enkel, 1618. der große Kurfürst Friedrich Wilhelm, brachte es durch einen siegreichen Feldzug, welchen er mit König Karl X. von Schweden gegen Polen unternahm, dahin, daß die Lehensabhängigkeit, in der bisher das Herzogthum Preußen von Polen stand, aufgehoben, in dem Welauer Vertrag Preußens Souveränem von 1657. dem Könige von Polen anerkannt und in dem Frieden von Oliva auch von 1660. den anderen kriegführenden Mächten bestätigt wurde. Sein prachtliebender Sohn, Kurfürst Friedrich Iii., erhielt gegen das Versprechen, daß er im spa-1688-1713. nischen Erbfolgekrieg und in allen Reichsangelegenheiten den Kaiser Leopold aufs kräftigste unterstützen wolle, von diesem den Königstitel, dessen allge-1701. meine Anerkennung im Ittrechter Frieden ausgesprochen wurde, und nannte sich 1713. von da an König Friedrich I. von Preußen.
Im westfälischen Frieden war die durch die goldene Bulle auf sieben bestimmte Zahl der Kurfürsten durch die Restituirung der pfälzischen Kurwürde auf acht erhöht worden, und Kaiser Leopold fügte die neunte hinzu. Herzog 1692. Ernst August von Braunschweig-Lüneburg erhielt für seine dem Kaiser
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Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Brandenburg Hannover Belgrad England Sachsen Polen Hannover England Sachsen Sachsen Polen Deutschlands Deutschlands Schweden Sachsen Sachsen Frankreich Frankreich Kleve Brandenburg Schweden Polen Oliva Braunschweig-Lüneburg
Schweden. Dänemark. Napoleon im Kampf mit Spanien. 263
tuna zeiate, Schwedisch-Pommern mit Stralsund und oer w7gnchm°". Da in Folg- beffen Me Engländer betteten La ote n
möchte sich zum Herrn der Ostsee machen und Danemal F ° .e gegen ste
verwenden, sww sie W iänemnrt, es solle sich mit ihnen verbunden und ihnen seine Flotte in Verwahrsam geben. Dies wurde verweigert, un nun erschien eine englische Flotte vor Kopenhagen^ •
und führte die ganze dänische Flotte, 18 Linienschiffe, 15 F^a t n kleinere Fahrzeuge und sonstiges Kriegsmaterial mit sich sott. 9hm schloß sich Dänemark noch enger an Frankreich an und erklärte den Engländern und dem Schwedenkönige den Krieg. Als aber die gänzliche Unfähigkeit Gustavs von Schweden in dem Kriege mit Frankreich, Rußland und Dänemark immer deutlicher sich zeiate, und das Land sehr darunter litt, so bildete sich endlich unter dem Adel eine Verschwörung gegen ihn; er wurde verhaftet und mußte Me l3.Märzl80s. ^hronentsagnng unterschreiben. Der Reichstag erklärte ihn und alle seme Nachkommen des Throns für verlustig, ries seinen Oheim Karl Xii. von Südermauuland, als König aus, beschränkte die monarchische Kewalt noch mehr und schloß Frieden mit Rußland, das Finnland bis zum Tornea und die Alands-Inseln erhielt, mit Dänemark und mit Frankreich, das den Schweden gegen den Beitritt zur Kontinentalsperre die pommerschen Besitzungen zurückgab. Da Karl Xiii. kinderlos war, so wählten die Reichsstände zu feinem Nachfolger den Prinzen von Holstein-Sonderburg-Augustenbnrg, und als dieser schon 1810 starb, den durch menschenfreundliches Benehmen gegen schwedische Truppen gut empfohlenen Marsch all Bernadotte, nicht gerade zur Freude Napoleons. Bernadotte bestieg nach Karls Xiii. Tode den schwedischen Thron als Karl Xiv. (1818-1844). König Gustav Iv. starb als Oberst Gustavson in St. Gallen 1887.
Inzwischen hatten sich auch im Westen Europas neue Ereignisse zugetragen. Napoleon wollte die pyrenäische Halbinsel ganz unter seme Gewalt bringen, verlangte zuerst von Portugal den Beitritt zur Kontinentalsperre, zwang auf dessen Weigerung den Regenten Johann zur Flucht nach Brasilien, ließ durch Marschall Jünot das ganze Land besetzen und erklärte, Nov. 1807. das Haus Braganza habe aufgehört zu regieren. Darauf suchte n Spa- i.febr.1808. mens sich zu bemächtigen. Mit Hilfe des elenden Friedensfürsten Godoy brachte er den schwachen König Karl Iv. von Spanien und dessen Sohn Ferdinand in Bayonne zur Thronentsagung, ließ durch eine Der-10.Mai 1808. fammlung spanischer Bonapartisten seinen Bruder Josef als König von Spanien ausrufen und gab dafür Neapel Mürat, dessen Großherzogthum Berg größtenteils mit Frankreich verbunden wurde. Aber das Volk in Spanien wollte von einer französischen Herrschaft nichts wissen und begann, von England unterstützt, einen Krieg auf Tod und Leben, wobei sich die Städte S aragossa unter Palafox, Gerona unter Alvarez, Murviedro und Valencia durch ihren Heldenmuth auszeichneten. Der französische General Düpont mußte durch die Kapitulation von Baylen mit 20,000 Mann sich ergeben. 22.Juli 1808. Josef floh aus Madrid, die Engländer unter Wellington (Wellesley) trieben die Franzosen aus Portugal. Da zog Napoleon selbst nach Spanien, besiegte die spanischen Volksheere bei Burgos und an anderen Orten, führte seinen Bruder Josef wieder nach Madrid und eroberte fast ganz Spanien. Aber Dec. 1808. der Guerilla-Ktieg unter den kühnen Führern Ballasteros, Morillo, Mina
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