150 Zweites Buch. Dritter Abschnitt.
der Kurfürst von seinem Vater ererbt. An dem Kriege, welchen Rußland,
Polen und Dannemark 1700 gegen Karl Xlf. und den Herzog von Hol-
stein-Gottorp unternahmen, mußten Georg Ludwig und Georg Wilhelm
Theil nehmen, weil das jüngere Haus der Welfen den 1689 geschlossenen
Frieden von Altona verbürgt hatte. Aber vergeblich suchte das Heer von
Celle und Calenberg die sich zurückziehenden Danen im Holsteinischen zum
Treffen zu nöthigen, und der Friede von Travendahl glich, zu früh für den
kriegerischen Muth des Kurfürsten, die Streitigkeiten zwischen Schweden
und Dannemark aus. Einige sächsische Regimenter, welche wahrend des
Aufenthalts des welfsschen Heeres in Holstein sich an der Oker lagerten
und von hier aus die zunächst gelegenen lüneburgischen Aemter durchstreif-
ten, wurden durch den im Dienste von Georg Ludwig stehenden Josua von
Bülow zum Rückzuge gezwungen.
Als in Folge des spanischen Erbfolgkrieges die Heere Ludwigs Xiv.
den Rhein überschritten und deswegen der Reichskrieg gegen Frankreich er-
klärt wurde, fühlten nur wenige deutsche Landesherren Muth und Vater-
landsliebe genug in sich, um mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln
den Kaiserhof zu unterstützen. Die Kurfürsten von Baiern und Cöln tru-
gen sogar kein Bedenken, ihre Waffen mit denen des Feindes zu vereinigen.
Dagegen bot Georg Ludwig alle Kräfte seines Landes zur Rettung Deutsch-
lands auf. Wahrend Eugen in Italien focht, Marlborough an der Spitze
des englisch-holländischen Heeres am Niedecrhein den Franzosen gegenüber-
stand, gelang es diesen, in Verbindung mit dem Kurfürsten von Baiern,
bis in's Herz des Reiches vorzudringen. Da erfolgte die Vereinigung von
Eugen und Marlborough, und wurde am 13. August 1704 der glanzende
Sieg bei Hochstadt erstritten, welcher das bairisch-französische Heer vernich-
tete und den Marschall Tallard seine Freiheit verlieren ließ. An diesem
Tage nahmen auch die Regimenter von Georg Ludwig und Georg Wil-
hem Theil. So bedeutend ihr Verlust war, so groß war der Ruhm, wel-
chen sie errangen. Doch entsprachen die Folgen des Sieges nicht den ge-
rechten Erwartungen. Der Markgraf Christian von Baireuth, welcher am
Oberrhein kämpfte, war seinem Gegner, dem Marschall Villars, nicht ge-
wachsen. Deshalb gab der Kurfürst Georg Ludwig den dringenden Vor-
stellungen Englands und der Staaten nach, und übernahm, anstatt des
Markgrafen, den Oberbehl über die Reichsarmee. Demnach begab er sich,
nachdem ihm mehrere Forderungen in Betreff der freien Führung des
Krieges zugestanden waren, im Jahre 1707 in das Lager bei Ettlingen.
Hier konnte dem Scharfblick des Kurfürsten nicht entgehen, wie er sich
nur dann einen glücklichen Erfolg seiner Unternehmungen werde versprechen
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Extrahierte Personennamen: Karl_Xlf Karl Georg_Ludwig Ludwig Georg_Wilhelm Wilhelm Georg_Ludwig_stehenden_Josua_von
Bülow Ludwig Ludwigs Muth Georg_Ludwig Ludwig Eugen Marlborough Eugen Eugen Marlborough August Marschall_Tallard Georg_Ludwig Ludwig Georg_Wil- Christian_von_Baireuth Marschall_Villars Georg_Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Polen Altona Celle Calenberg Schweden Holstein Rhein Frankreich Baiern Italien Niedecrhein Baiern Englands Ettlingen
Drittes Kapitel.
181
Beitritt des russisch-östreichischen Bundes zu bewegen, da setzten sich die
Schweden unter ihrem Könige, die Russen unter General Tolstoy in Be-
wegung und gingen bei Lauenburg über die Elbe. Gleichzeitig landete an
der Mündung der Weser ein englisches Heer, welchem die deutsche Legion,
eine Schaar kühner Männer, die nach der'convention von Lauenburg in
englischen Kriegsdienst getreten waren, beigegeben war. Alsbald wurde
Hameln mit vereinten Kräften belagert; in Hannover hatte sich das kur-
fürstliche Ministerium wieder an die Spitze der Verwaltung gestellt; man
glaubte die Dränger für immer fern, als der Unbestand Preußens alle diese
Hoffnungen vernichtete. Lange hatte diese Macht geschwankt, sich den Fein-
den des französischen Kaiserreichs beizugesellen. Als es endlich durch man-
cherlei Kränkungen, die es von Napoleon erduldet hatte, so wie durch die
Vorstellungen Englands und Rußlands dazu bewogen wurde, war der
günstige Augenblick verschwunden. Bei Austerlitz hatte Napoleon noch ein
Mal gesiegt, und Preußen befliß sich jetzt, statt den Besiegten durch sein
Hinzutreten neue Kräfte zu verleihen, seine bisherige Ansicht vor dem Kai-
ser der Franzosen zu verbergen. Wiewohl nun dieser die Gesinnungen
Preußens vollkommen durchschaut hatte, lag ihm doch zu viel daran, in
Friedrich Wilhelm Iii. einen Bundesgenossen gegen England zu erwerben.
Deßhalb bot er ihm, gegen Abtretung von Cleve, Neufschatel und Baireuth
den Besitz des Kurfürstenthums Hannover an. So ungern Preußen sich
auch zu diesem Austausche bequemte, war es doch schwach genug, den For-
derungen des Siegers von Austerlitz nachzugeben. Hiernach erfolgte die
Besitzergreifung von Hannover, und in einem am 1. April 1806 erlassenen
Manifeste erklärte der Graf von Schulenberg-Kehnert, daß an Preußen die
von Napoleou durch das Recht der Eroberung erworbenen braunschweigi-
schen Kurlande gegen Abtretung anderer Provinzen übertragen seien. Ein
solches Verfahren mußte in Hannover den größten Unwillen gegen den
Hof von Berlin Hervorrufen. Kam dazu, daß die preußischen Behörden
auf eine wenig schonende Art die Verwaltung umgestalteten, und häufig
das Bestehende mit Härte stürzten, ohne auf die dagegen erhobenen Vor-
stellungen zu achten, so konnte auf eine feste Anhänglichkeit von Seiten der
neuerworbenen Unterthanen unmöglich gerechnet werden.
Schon oft hatte Deutschland wegen der Uneinigkeit seiner Häupter
schwer büßen müssen; noch entschiedener war dieses 1806 der Fall. Eine
Anzahl deutscher Fürsten, die, statt bei dem wiederentbrannten Kriege sich
an Oestreich anzuschließen, die Niederlage desselben zum Theil nicht ungern
sahen, waren in Paris zu einer Einigung zusammengetreten, die unter dem
Namen des Rheinbundes bekannt ist und in welcher Napoleon als Pro-
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Extrahierte Personennamen: Tolstoy Napoleon Napoleon Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Cleve Baireuth Oestreich Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Lauenburg Lauenburg Hannover Englands England Neufschatel Hannover Hannover Berlin Deutschland Paris
Viertes Kapitel. 183
Generalintendant wurde an die Spitze der Verwaltung des Kurfürsten-
thums gestellt.
In den östlichsten Theilen seines Königreiches versuchte Friedrich Wil-
helm Hl. den letzten heldenmütigen Widerstand. Aber das Glück war bei
Eylau und Friedland nicht mit ihm und im Frieden von Tilsit mußte er
(7 Julius 1807) alle westlich von der Elbe gelegenen Provinzen an Napo-
leon abtreten.
Viertes Kapitel.
Die Fremdherrschaft bis zu der Zeit des großen deutschen
Befreiungskampfes. 1807 — 1815.
Die von Preußen im Frieden zu Tilsit abgetretenen Provinzen dienten
dazu, mit dem Kursürstenthum Hessen, dem Herzogthum Braunschweig,
den Fürstenthümern Osnabrück, Göttingen und Grubenhagen, so wie der
Grafschaft Hohnstein und der Stadt Goslar, das Königreich Westphalen
zu bilden, welches Napoleon seinem Bruder Jerome übergab. Bald sah
man in Cassel, der Hauptstadt dieses neugeschaffenen Reiches, eine Menge
französischer Beamten in Thatigkeit, welche die Regierung Westphalens
nach dem Vorbilde Frankreichs Zuschnitten. Die seit Jahrhunderten übli-
chen Benennungen der verschiedenen Provinzen wurden abgeschafft und
daß ganze Land in Departements getheilt, denen ein Prafect vorgesetzt war;
ein Departement wiederum zerfiel in mehrere Districte, ein District in meh-
rere Cantons. Im December 1807 traf Jerome in seiner Residenz ein.
Er war ein kraft- und willenloser Mann, der sich in den Genüssen grö-
berer Sinnlichkeit gefiel, ohne Liebe für die ihm überwiesenen Unterthanen,
ohne Trieb nach Thatigkeit, ohne Kenntniß von den hohen Pflichten, die
durch die Uebernahme der Krone auf ihm lasteten. Deßhalb hatte Napo-
leon, welcher seinen Bruder wohl kannte, diesem erfahrene Männer zur
Seite gestellt. Seit der Ankunft des Königs wurde Cassel ein Tummel-
platz der ausgelassensten Vergnügungen jeder Art; jede Scheu vor dem
Laster schwand; es war, als ob ein Nebenhos Ludwigs Xv. nach der Fulda
verlegt sei. Die höhere Staatsdienerschaft des Königs war aus sehr ver-
schiedenen Bestandtheilen zusammengesetzt; in ihr erkannte man Franzosen
und Deutsche von den entgegengesetztesten Gesinnungen. Viele der letztge-
nannten dienten dem neuen Herrscher, weil Noth sie zwang; viele, weil sie
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wil- Friedrich Julius Fürstenthümern_Osnabrück Napoleon Ludwigs_Xv. Ludwigs
Erstez Kapitel.
1.51
dürfen, wenn statt der Willkür und Zuchtlosigkeit, die im Heere einge-
rissen war, Ordnung und der strengste Gehorsam gegen das Wort des Feld-
herrn gelte. Bei einem so bunt zusammengesetzten Heere mochte eine Um-
wandlung der Art keine leichte Aufgabe sein. Von der andern Seite
hemmte den Reichsfeldmarschall die Lauigkeit, M't welcher die Fürsten die
Sendung ihrer Regimenter betrieben, die wiederholten Bitten und Unter-
handlungen bei'm Reichstage in Regensburg, um über die nothwendigsten
Geldmittel verfügen zu können. Auf diese Weise wurde dem Kurfürsten
sein Lieblingswunsch vereitelt, durch den Elsaß in's Herz von Frankreich
einzudringen. Ihm mußte genügen, daß, so lange er den Oberbefehl über
das Reichsheer führte, Villars nicht mehr wagte, auf deutschem Boden vor-
zudringen. Wahrend dessen stritten Eugen und Marlborough mit vereinter
Kraft in den Niederlanden; unter ihnen befehligte der General von Bülow
die hannoverschen Regimenter. In der Schlacht bei Oudenarde 1708 stürzte
sich der Kurprinz Georg an der Spitze der berittenen Leibgarde auf den
Feind, verlor sein Pferd durch einen Schuß, und wurde nur durch die Ent-
schlossenheit des Obersten von Lösecke gerettet. Unverzagt setzte er den Kampf
fort; hannoversche Reiter unter Bülow erhielten von Marlborough den
Auftrag, den fliehenden Feind zu verfolgen. Es befanden sich aber damals
in den Niederlanden nicht weniger als 17000 Hannoveraner; auck) bei
Malplaquet bewahrten sie 1709 ihren Ruhm. Unmuth über die Eigenliebe
und Unthatigkeit der deutschen Fürsten bewog in dem nämlichen Jahre
Georg Ludwig, den Oberbefehl über das Reichsheer niederzulegen.
Der fortgesetzte Kampf gegen die Schweden, gegen welche auch der
König von Preußen aufgetreten war, die Unmöglichkeit, bei dem Starrsinn
des im türkischen Reiche weilenden Karls Xii., diesem Kriege ein Ziel zu
setzen, endlich die Besorgniß, daß derselbe sich über das ganze nördliche
Deutschland verbreiten möge, bestimmte den Kurfürsten Georg Ludwig, in
so weit seine feindliche Gesinnung gegen Schweden zu erklären, daß er dem
Könige Friedrich Iv. von Dannemark den Durchzug durch seine Staaten
gewahrte, um die Herzogthümer Bremen und Verden zu besetzen. Von
dem nämlichen Könige hatte der Kurfürst 1710 die Grafschaft Delmenhorst
pfandweise erworben. Erst 1731 wurde diese Besitzung von Christian Vi.
wieder eingelösit.
Durch diese Theilnahme an den Kriegen im Norden und Süden
Deutschlands ließ sich Georg Ludwig jedoch nicht abhalten, die Glaubens-
genossen benachbarter katholischer Landesherren mit starker Hand zu schic-'
men. Vor geraumer Zeit war zwischen dem Bischöfe Maximilian Hein-
rich von Hildesheim und dem welsi'schen Gesammthause die Uebereinkunft
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Extrahierte Personennamen: Eugen Marlborough Bülow Georg Marlborough Georg_Ludwig Ludwig Karls Georg_Ludwig Ludwig Friedrich_Iv Friedrich Dannemark Christian_Vi Georg_Ludwig Ludwig Maximilian_Hein- Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Regensburg Elsaß Frankreich Oudenarde Schweden Karls Deutschland Deutschlands Hildesheim